Drucksache 18 / 15 221 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anne Helm, Niklas Schrader und Hakan Taş (LINKE) vom 31. Mai 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Juni 2018) zum Thema: Rechter Aufmarsch der AfD am 27. Mai 2018 und Antwort vom 14. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Juni 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Anne Helm (LINKE), Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) und Herrn Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15 221 vom 31. Mai 2018 über Rechter Aufmarsch der AfD am 27. Mai 2018 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Teilnehmer*innen des rechten Aufmarsches "Zukunft Deutschland" am 27.05.2018 wurden von der Polizei registriert? Zu 1.: Nach Einschätzung der vor Ort eingesetzten Polizeidienstkräfte beteiligten sich in der Spitze bis zu 5.000 Personen an der Versammlung „Zukunft Deutschland“. 2. Wie viele Gegenversammlungen mit welcher jeweiligen Teilnehmer*innenanzahl wurden im Zusammenhang mit dem rechten Aufmarsch "Zukunft Deutschland" registriert? Zu 2.: Durch die Polizei Berlin wurden insgesamt 14 Versammlungen betreut, die dem Gegenprotest zur Versammlung „Zukunft Deutschland“ zugeordnet werden können. Die jeweiligen Themen und die Einschätzung der vor Ort eingesetzten Dienstkräfte zur Teilnehmendenzahl können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Es fanden zwei Aufzüge unter dem Motto "Liebe & Bass statt AfD und Fremdenhass" mit unterschiedlichen Teilnehmendenzahlen statt. Versammlung Art der Versammlung Teilnehmendenzahl in der Spitze „Nie wieder“ Aufzug bis zu 170 „Unsere Alternative heißt Solidarität. Protest gegen neonazistische Tendenzen in der AfD" Kundgebung bis zu 900 "Solidarität und Hilfe, für gelebte Vielfalt und ein glänzendes Leben für Alle!" Aufzug bis zu 10.000 "Stoppt den Hass! Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!" Kundgebung bis zu 6 "Stoppt den Hass" Kundgebung bis zu 10 Seite 2 von 6 "Gegendemonstration zur AfD … Stoppt den Hass! Stoppt die AfD!" Kundgebung bis zu 6 "Nein zu Rassismus, Nein zu Ausgrenzung, Für Zivilcourage" Kundgebung bis zu 8 "Liebe & Bass statt AfD und Fremdenhass" Aufzug bis zu 15.000 "We stay United" Kundgebung bis zu 100 "Am Sonntag, den 27.07. wird die AfD in Berlin protestieren. Wir können die Werte, die diese Partei vertritt und für die sie wirbt und Menschen in Deutschland für ihre menschenfeindliche Ideologie begeistert, nicht vertreten…" Aufzug bis zu 3.000 "Liebe & Bass statt AfD und Fremdenhass" Aufzug bis zu 1.600 "Bass gegen Hass - Es wird gegen die von der AfD angesetzte Großdemo protestiert" Aufzug bis zu 20 „Am Sonntag veranstaltet ein Bündnis Berliner Clubs eine Tanz- Demonstration, um den Großaufmarsch von AfD und Pegida etwas entgegenzusetzen. Unter dem Motto "AfD wegbassen - Reclaim Club Culture against Nazis" Aufzug bis zu 30 Spontanaufzug Aufzug bis zu 1.450 3. Welche verschiedenen konkreten Aktivitäten, die dem Zweck der Mobilisierung für den AfD- Aufmarsch am 27.05.2018 dienen sollten, hat die Polizei im Vorfeld des 27.05.18 an welchen Orten in Berlin registriert? Zu 3.: Im Vorfeld der Versammlung konnte eine Bewerbung im Internet festgestellt werden. Weitere Erkenntnisse, die über die in den öffentlich zugänglichen Medien feststellbaren Bewerbungen hinausgehen, liegen der Polizei Berlin nicht vor. 4. Durch welche Organisationen oder Einzelpersonen wurde nach Kenntnis des Senats für die Teilnahme an dem AfD-Aufmarsch 'Zukunft Deutschland' am 27.05.2018 an welchen Orten - regional, überregional und bundesweit - auf welche Arten wann jeweils mobilisiert? 5. Mit Hilfe welcher sozialer Netzwerke und jeweiliger Seiten bzw. Gruppen oder Accounts wurde zum AfD-Aufmarsch "Zukunft Deutschland" aufgerufen? Zu 4. und 5.: Die Versammlung wurde von Mitarbeitenden des Bundestages der AfD, über entsprechende Kreisverbände und der AfD nahestehenden Accounts beworben. Ein Funktionär der rechtsextremistischen „Identitären Bewegung Berlin-Brandenburg“ rief über seinen privaten Facebook-Account zu der Teilnahme an der Demonstration auf. Weitere Mobilisierungen in der rechtsextremistischen Szene Berlins sind nicht bekannt. Seite 3 von 6 6. Wurden dem Anmelder des AfD-Aufmarsches "Zukunft Deutschland" Auflagen erteilt? a. Wenn ja, welche? b. Wenn ja, hat die Polizei Auflagenverstöße registriert, welche und wie viele jeweils? Zu 6.: Seitens der Polizei Berlin wurden keine Auflagen erteilt. 7. Wie viele Ordner*innen wurden für den Aufmarsch "Zukunft Deutschland" eingesetzt? Zu 7.: Eine Erfassung im Sinne der Fragestellung erfolgt durch die Polizei Berlin nicht. 8. Wurden vor Durchführung des AfD-Aufmarsches die Personalien der Ordner*innen überprüft? Wenn nein, warum nicht? Aufgrund der doppelten Nummerierung zu 8. werden die Fragen als zu 8. 1 und zu 8. 2 beantwortet. Zu 8. 1: Die Feststellung der Identität einer Person bedarf einer Rechtsgrundlage. Diese ergibt sich regelmäßig aus dem allgemeinen oder speziellen Gefahrenabwehrrecht oder dem Strafprozessrecht. Vorliegend wurden in Ermangelung der Voraussetzungen keine Identitätsfeststellungen durchgeführt. 8. Wurden bestimmte Ordner*innen von der Polizei aufgrund strafrechtlicher Vorerkenntnisse abgelehnt? Wenn ja, wie viele aus welchen jeweiligen Gründen und aufgrund welcher zugrunde gelegter Straftaten? (Bitte für jede abgelehnte Person einzeln angeben.) Zu 8. 2: Siehe Antwort zu 8. 1. Durch die Polizei Berlin wurden keine Ordnenden abgelehnt. 9. Nahmen Funktionär*innen, Mitglieder, Anhänger*innen - sowohl ehemalig aktive als auch aktuell engagierte - aus folgenden Organisationen am Aufmarsch "Zukunft Deutschland" teil und wenn ja, wie viele jeweils und in welchen Städten in Deutschland und Europa waren oder sind diese aktiv? a. "Identitäre Bewegung", b. NPD oder ihre Jugendorganisation ‚Junge Nationalisten’ (ehemals ‚Junge Nationaldemokraten’), c. neonazistische Kameradschaftsszene, d. die Partei "Der dritte Weg", e. "Autonome Nationalisten", f. die verbotene "Heimattreue Deutsche Jugend", g. die Partei "Die Rechte", h. HoGeSa ("Hooligans gegen Salafismus"), i. die extrem rechte Bürgerwehr "Deutscher Zivilschutz e.V", j. das "Bündnis Deutscher Patrioten", k. der rassistische Cottbusser Verein "Zukunft Heimat", l. die extrem rechte Bürgerwehr "Soldiers of Odin"? Zu 9.: Unter den Demonstrationsteilnehmenden befanden sich Personen aus dem Spektrum des muslimenfeindlichen Rechtsextremismus, von denen einige bereits am Vortag an der rechtsextremistischen Demonstration „frei, sozial und souverän“ teilgenommen hatten. Zudem konnten vereinzelt NPD-Mitglieder sowie Angehörige der „Reichsbürgerbewegung“ festgestellt werden. Über die Teilnahme weiterer Rechtsextremisten / Rechtsextremistinnen liegen keine Erkenntnisse vor. Seite 4 von 6 10. Welche Erkenntnisse hat der Senat darüber, ob Redner*innen beim Aufmarsch "Zukunft Deutschland" in den folgenden Organisationen mitwirken oder dort mitgewirkt haben? a. "Identitäre Bewegung", b. NPD oder ihre Jugendorganisation Junge Nationalisten (ehemals ‚Junge Nationaldemokraten’),, c. neonazistische Kameradschaftsszene, d. die Partei "Der dritte Weg", e. "Autonome Nationalisten", f. die verbotene "Heimattreue Deutsche Jugend", g. die Partei "Die Rechte", h. HoGeSa ("Hooligans gegen Salafismus"), i. die extrem rechte Bürgerwehr "Deutscher Zivilschutz e.V", j. das "Bündnis Deutscher Patrioten", k. der rassistische Cottbusser Verein "Zukunft Heimat", l. die extrem rechte Bürgerwehr "Soldiers of Odin"? 11. Welche Personen mit welchen jeweiligen Funktionärsaufgaben und Regionalgruppenzugehörigkeiten der obengenannten Gruppierungen traten als Redner*innen bei dem Aufmarsch "Zukunft Deutschland" auf? Zu 10. und 11.: Zur Mitwirkung von Rechtsextremistinnen / Rechtsextremisten als Rednerin / Redner bei der Demonstration liegen dem Senat von Berlin keine Erkenntnisse vor. 12. Wurden im Aufzug der Demonstration "Zukunft Deutschland" Tätowierungen rechtsextremen Inhalts festgestellt? Wenn ja, a. wie viele und mit welchen möglichen Gruppenzuordnungen, b. welche davon wurden als strafbar eingestuft, c. mit welchen jeweiligen polizeilichen Maßnahmen wurde in jedem einzelnen Fall darauf reagiert? Zu 12.: Durch die Polizei Berlin wurde eine Person festgestellt, deren Tätowierung den Anfangsverdacht einer Straftat nach § 86a StGB begründet, ohne dass dabei eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit interpretiert werden kann. Ein entsprechendes Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet. Durch die eingesetzten Dienstkräfte wurde die Möglichkeit zur fortgesetzten öffentlichen Wahrnehmbarkeit des betreffenden Symbols unterbunden. 13. Wurden im Aufzug der Demonstration "Zukunft Deutschland" Sprechchöre strafbaren Inhalts gerufen? Wenn ja, a. welche zu welchen Zeitpunkten und an welchen Orten, b. mit welchen jeweiligen polizeilichen Maßnahmen wurde in jedem einzelnen Fall darauf reagiert? Zu 13.: Der Polizei Berlin wurden keine Sprechchöre mit strafbarem Inhalt bekannt. 14. Trifft es nach Kenntnissen des Senats zu, dass auf der Demonstration "Zukunft Deutschland" am 27.05.2018 Informationsmaterial für eine Unterstützungskampagne für die inhaftierte Rechtsextremistin Ursula Haverbeck verteilt wurde? Wenn ja, a. zu welchen Zeitpunkten, an welchen Orten und durch welche Organisation, b. wurden aus diesem Anlass polizeiliche Maßnahmen ergriffen und wenn ja welche? Wenn nein, aus welchen genauen Gründen nicht? Zu 14.: Eine Erfassung im Sinne der Fragestellung erfolgt nur, soweit durch genannte Informationsmaterialien Normverletzungen hervorgerufen werden oder von ihnen Gefahren ausgehen würden. Dementsprechende Vorgänge sind dem Senat von Berlin nicht bekannt. Seite 5 von 6 15. Wurden Bedrohungen, Beleidigungen oder körperliche Übergriffe gegen Journalist*innen durch Teilnehmer*innen des Aufmarsches "Zukunft Deutschland" durch die Polizei festgestellt? Wenn ja, wann und an welchen Orten jeweils? (Bitte nach Sachverhalt, Zeit und Ort aufschlüsseln.) Zu 15.: Dem Senat von Berlin sind zum jetzigen Zeitpunkt keine Vorkommnisse im Sinne der Fragestellung bekannt. 16. Im Zusammenhang mit dem unter 1. genannten Aufmarsch wurde Mobilisierungsmaterial für eine rechte Demonstration am Washingtonplatz am 3.10.2018 verklebt. a. Liegt eine Anmeldung für diese Versammlung vor und wenn ja unter welchem Titel und mit wie vielen angemeldeten Teilnehmer*innen? Zu 16. a: Der Senat geht davon aus, dass durch genanntes Mobilisierungsmaterial eine Versammlung mit dem Thema „Tag der Nation 2018“ beworben wurde. Gemäß der vorliegenden Anmeldung gehen die Organisierenden von einer Teilnehmendenzahl von mehr als 50 Personen aus. Eine dahingehende Bewertung durch die Polizei Berlin steht noch aus. b. Liegen weitere Anmeldungen rechter Demonstrationen für den 3.10.2018 vor? Wenn ja, welche, zu welchen Uhrzeiten und an welchen Orten, mit welchen Titeln, wie vielen angemeldeten Teilnehmer*innen? Zu 16. b: Der durch die Fragestellenden verwendete Begriff der „Rechten Demonstration“ ist unspezifisch und lässt Interpretationsspielraum für eine subjektive Einschätzung von Versammlungen. Dem Senat sind zwei Versammlungsanmeldungen bekannt, die aufgrund entsprechender Gegenversammlungen und –mobilisierungen im weitesten Sinn unter dem gewählten Terminus zu subsumieren sind. Dabei handelt es sich um die Versammlungen „Merkel muss weg“ und „Merkel-muss-weg-Mittwoch“, die für den 3. Oktober 2018 jeweils in der Zeit von 18:00 – 19:00 Uhr mit je 50 Teilnehmenden angemeldet sind. Beide Versammlungen fanden in der Vergangenheit regelmäßig auf dem Forum vor dem Bundeskanzleramt statt. Die Nennung eines konkreten Versammlungsortes ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. 17. Der Twitter-Account der AfD Heidelberg veröffentlichte am gegen 17:05 Uhr einen mit dem Hashtag #Mordanschlag versehenen Tweet, demzufolge Versammlungsteilnehmer*innen des AfD- Aufmarsches ‚Zukunft Deutschland’ mit einem ‚Flammenwerfer’ angegriffen worden seien. a. Handelt es sich dabei nach Kenntnis der Polizei um eine Falschnachricht? Wenn ja, hat die Polizei darauf reagiert und wie genau? b. Wurde gegen den Verfasser der Mitteilung oder sonstige Personen ein Ermittlungsverfahren wegen Vortäuschens einer Straftat oder sonstiger in Frage kommender Delikte eingeleitet? Wenn ja, wegen welcher Delikte? Wenn nein, aus welchen Gründen nicht? Zu 17. a und b: Ein solcher Sachverhalt ist bisher nicht bekannt. Zur Prüfung des Sachverhalts wurde ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet. Aufgrund einer fehlenden Verifikation der tatsächlichen Geschehensabläufe wurde seitens der Polizei Berlin nicht initiativ auf den Tweet des Twitter-Accounts „AfD Heidelberg“ reagiert. Im Zusammenhang mit dem bereits genannten Ermittlungsverfahren zum angeführten Sachverhalt wird derzeit das Vorliegen von Normverletzungen im Sinne Seite 6 von 6 der Fragestellung geprüft und gegebenenfalls werden entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet. Berlin, den 14. Juni 2018 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport