Drucksache 18 / 15 242 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Michael Efler (LINKE) vom 05. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Juni 2018) zum Thema: Tierversuche in Studiengängen der Berliner Universitäten und Hochschulen und Antwort vom 25. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Jun. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei - Wissenschaft und Forschung - Herrn Abgeordneten Dr. Michael Efler (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15242 vom 5. Juni 2018 über Tierversuche in Studiengängen der Berliner Universitäten und Hochschulen ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht ohne Beiziehung der staatlichen Berliner Hochschulen und des Landesamts für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) beantworten kann. Diese wurden um Stellungnahme gebeten. 1. In welchen Studiengängen bzw. Kursen an den Berliner Universitäten und Hochschulen wird mit lebenden oder toten Tieren gearbeitet (bitte nach Hochschule und Universität auflisten)? a) Aus welcher Quelle stammen diese Tiere? b) Um welche Tierarten handelt es sich und wie viele Tiere pro Tierart werden jährlich verwendet (bitte nach lebenden und toten Tieren unterscheiden)? c) In welchen Studiengängen bzw. Kursen ist die Tötung des Tieres Bestandteil? d) Was passiert mit diesen Tieren nach der Verwendung in der Lehre? Zu 1: Mit lebenden oder toten Tieren wird an der Freien Universität Berlin (FU), an der Humboldt -Universität zu Berlin (HU) und an der Charité – Universitätsmedizin Berlin (Charité) gearbeitet. An der HU werden in einigen wenigen Kursen in den Studiengängen der Biologie und der Agrarwissenschaften lebende und tote Tiere in der Lehre eingesetzt. An der FU werden im Studiengang der Veterinärmedizin Tierversuche mit lebenden und toten Tieren durchgeführt. Im Bereich der Biologie wird mit Tieren gearbeitet, die nicht für den Versuchszweck, aber aus anderen Gründen, insbesondere aufgrund medizinischer Indikation, getötet werden mussten. An der Charité finden im Rahmen der Lehre keine Tierversuche statt. Hiervon unberührt bleiben Aktivitäten im Rahmen von Promotionen, die in den jeweiligen Forschungsgruppen laufen und nicht Teil der Ausbildung sind. Davon zu trennen sind Kurse mit Tierversuchen, die für die Mitarbeit von Forscherinnen und Forschern erforderlich sind, sofern die notwendige Fachkenntnis nicht in anderer Weise nachweisbar ist. - 2 - Zu 1a): Die HU teilt mit, die verwendeten Tiere stammten aus eigenen Zuchten oder aus wissenschaftlichen Versuchen, würden im Handel gekauft und von Schlachthöfen bezogen. Die FU teilt mit, es fänden nur Tiere Verwendung, welche zu Versuchszwecken gezüchtet oder erworben worden seien. Die Bezugsquellen für die Tiere seien sehr vielfältig, weshalb eine detaillierte Aufschlüsselung nicht erfolgt. Der Senat hat die FU um eine Nachlieferung der Zahlen gebeten. Nach Angaben der Charité stammen die verwendeten Tiere aus in der EU registrierten Zuchtbetrieben. Zu 1b): Die einzelnen Einrichtungen führen in der Regel keine eigene Statistik, wie viele Tiere und welche Tierarten jährlich verwendet werden. Nach den geltenden Bestimmungen ist der zuständigen Behörde, in Berlin das LAGeSo, die Verwendung von Versuchstieren direkt zu melden. Im Rahmen der jährlichen Versuchstiermeldung meldet jede einzelne Versuchsleiterin und jeder einzelne Versuchsleiter, wie viele Tiere im vorangegangenen Jahr für welches Vorhaben eingesetzt worden sind. Die Daten des LAGeSo sind unter folgendem Link einzusehen: https://www.berlin.de/lageso/gesundheit/veterinaerwesen/tierversuche/versuchstiermeldun g/. Derzeit werden die Daten für das Jahr 2017 zusammengestellt. Zu den Tierarten machten die Universitäten folgende Angaben: An der HU werden Kleinnager, Fische, Frösche, Krebse und Insekten verwendet. An der FU werden Hunde, Katzen, Geflügel, Wiederkäuer, Pferde und Schweine im Fachbereich Veterinärmedizin verwendet, um den Studierenden im Rahmen der praktischen Ausbildung unter fachlicher Anleitung die notwendigen Fertigkeiten zu lehren, insbesondere für die Behandlung und Heilung von Tieren. Nach Angaben der Charité sind im Jahr 2017 354 lebende Mäuse und 259 lebende Ratten verwendet worden. Zu 1c): An der HU werden im anatomisch-morphologischen Bereich die Studien an bereits toten Tieren durchgeführt. Notwendig ist die Tötung eines Tieres nur in der direkten Grundlagenausbildung im Rahmen der Versuchstierkunde. Im Studiengang Veterinärmedizin an der FU ist das Töten eines Tieres Studienbestandteil. An der Charité ist das Töten von Tieren Bestandteil der vorgenannten Kurse, da die Befähigung zum fach- und tierschutzgerechten Töten von Tieren von Rechts wegen erlernt werden muss, wenn Forschungsprojekte, für welche das Töten von Tieren unerlässlich ist, durchgeführt werden sollen. Zu 1d): Schon bei der Beantragung eines Lehrprogramms muss der Verbleib der Tiere dargelegt werden. Ist den Tieren ein Überleben mit höchstens geringem Schmerzgrad, Leiden oder Schäden zumutbar, können sie entweder in einem weiteren Versuchsvorhaben verwendet werden oder an private Tierhalterinnen und Tierhalter abgegeben werden. Ist innerhalb eines Lehrprogramms die Tötung eines Tieres unerlässlich oder wird mit bereits toten Tieren gearbeitet, sind die Tierkörper anschließend entsprechend den gesetzlichen Vorgaben unschädlich zu entsorgen. - 3 - 2. Welche Wahlmöglichkeiten haben Studierende an den Berliner Universitäten und Hochschulen zwischen tierverbrauchenden und tierverbrauchsfreien Kursen bzw. Studiengängen? Bei welchen Studiengängen ist ein Studienabschluss ohne Tierverbrauch durch Akzeptanz der Verweigerung der Studierenden möglich? Zu 2.: Im Rahmen des Studiums der Veterinärmedizin haben die Studierenden aufgrund der bundesrechtlichen Vorgaben nach der Verordnung zur Approbation von Tierärztinnen und Tierärzten (TAppV) keine Wahlmöglichkeiten. Für die tierärztliche Ausbildung an der FU ist die Arbeit am Tier daher von Rechts wegen zwingend. Im Rahmen der von der HU angebotenen Studiengänge steht es den Studierenden bis auf die Lehre und Demonstration am bereits toten Tier bzw. an Präparaten mangels weitergehender rechtlicher Vorgaben frei, sonstige Kurse, welche Arbeiten mit Tieren beinhalten, zu belegen oder nicht auszuwählen. Kurse mit Arbeiten am lebenden Tier oder Tötungen von Tieren sind im Bereich der Biologie und der Agrarwissenschaften nicht Pflichtteil der Ausbildung. Die Lehre an der Charité ist tierversuchsfrei. Werden Kurse besucht, um sodann im Rahmen der Forschung bestimmte Tierversuche von Rechts wegen durchführen zu dürfen, sind im Rahmen dieser Kurse Tierversuche notwendig. Kursbestandteil ist dabei auch die Prüfung von Ersatzmethoden vor Verwendung der Tiere. 3. Welche Sanktionen haben Studierende an den Berliner Universitäten und Hochschulen zu erwarten, die sich weigern, Versuche an lebenden Tieren durchzuführen oder diese im Rahmen des Studiums zu töten? Auf welcher Rechtsgrundlage beruhen solche Sanktionen? Zu 3.: Soweit die Arbeit am Tier rechtlich zwingender Teil des Studiums der Veterinärmedizin ist, kann der Nachweis der entsprechenden Leistungen ohne die Teilnahme nicht erbracht werden und infolge dessen keine Zulassung zur Prüfung erfolgen. Die entsprechenden Vorgaben bestimmen sich in diesem Bereich nach der bundesrechtlichen TAppV. Wird im Rahmen der von der Charité für Forscherinnen und Forscher, deren Forschungsarbeit Tierversuche umfassen soll, angebotenen Kurse der Tierversuch nicht durchgeführt, darf auch kein Tierversuch im Rahmen der späteren Forschung durchgeführt werden. 4. Welche Maßnahmen wurden in der Vergangenheit an den Berliner Universitäten und Hochschulen bereits unternommen, um die Zahl der Tiere in der Ausbildung zu reduzieren? a) Wie hoch sind die Gelder angesetzt, die der Senat für weitere Maßnahmen zur Verfügung stellt, um die Zahl der Tiere in der Ausbildung zu reduzieren? b) Bei welchen Fakultäten nahm der Tierverbrauch kontinuierlich ab, bei welchen Fakultäten blieb er konstant und bei welchen Fakultäten gibt es Zunahmen? Zu 4): An der HU wurde 2014 ein Tierschutzausschuss gebildet, der sich mit den Tierschutzbeauftragten im Sinne des 3R-Prinzips (refine – reduce – replace) aktiv für die Reduktion von Tieren in der Lehre einsetzt. In diesem Zusammenhang wurde in zahlreichen Kursen die Lehre auf die Nutzung von tierischem Material bzw. auf Alternativmethoden umgestellt. Weiterhin sind nicht-manipulative Tierbeobachtungen im Freiland oder in Zoos ein umfangreicher Bestandteil der Lehre geworden. Darüber hinaus kommen in Alkohol fixierte Tiere und mikroskopische Präparate seit vielen Jahren immer wieder erneut zum Einsatz. Als Alternativmethoden finden Dummies und Videos oder technische Modelle (z. B. biomimetische Roboter, Gegenstromaustauschsysteme, Computermodelle) zur praktischen - 4 - Demonstration biologischer Phänomene Verwendung. Der verstärkte Einsatz von Computer -Animationen sowie Virtual Reality Umgebungen ist geplant. Am Fachbereich Veterinärmedizin der FU wurde für die systematische Ausbildung an Modellen als Alternative zu Tieren ein „Veterinary Skills Net“ eingerichtet – ein klinikübergreifendes Netzwerk für Teile der klinisch praktischen Ausbildung. Im Rahmen von Kursen sowie im eigenverantwortlichen Lernen können wichtige Fertigkeiten, bspw. Nahttechniken , an Lehrmodellen geübt werden. Darüber hinaus werden vielfältige innovative Programme angeboten, um eine gründliche Ausbildung sicherzustellen, die indes aufgrund der bundesrechtlichen Vorgaben nicht völlig tierversuchsfrei sein kann. Die Charité hat ihre Kurse und Praktika im Rahmen der Lehre in der Vergangenheit umgestellt : Es finden Tierersatzmethoden Anwendung. Zu 4a): Der zwischen dem Land Berlin und der Charité geschlossene Charité-Vertrag aufgrund von § 3 des Berliner Universitätsmedizingesetzes für die Jahre 2018 bis 2022, dem das Abgeordnetenhaus von Berlin mit Beschluss vom 30. November 2017 zugestimmt hat, widmet sich besonders der Reduzierung von Tierversuchen mit dem Ziel, Berlin zur Hauptstadt der Erforschung von Alternativen zu Tierversuchen zu machen. Im Vertrag heißt es wie folgt: „Die Charité wird gemeinsam mit der Freien Universität Berlin, unter Einbindung der Humboldt -Universität zu Berlin, der Technischen Universität Berlin, dem Berliner Institut für Gesundheitsforschung, dem Max-Delbrück-Centrum und weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen in Berlin, die Initiative für ein Neudenken in der biomedizinischen Forschung mit dem Schwerpunkt auf der Entwicklung und Implementierung von Alternativmethoden zu Tierversuchen etablieren. Ziel ist es, Berlin zur Hauptstadt der Erforschung von Alternativen zu Tierversuchen zu machen und die vorhandenen Kompetenzen in einem überregional sichtbaren Zentrum zu bündeln und auszubauen. Hierfür wird zusammen mit der Einstein Stiftung, Drittmittelgebern, Stiftungen und Sponsoren ein Finanzierungskonzept entwickelt . Die Kosten in Höhe von 1.200 T € in 2018 1.700 T € in 2019 1.800 T € in 2020 1.900 T € in 2021 2.000 T € in 2022 sind im Zuschuss (…) enthalten.“ (Drucksache 18/0485, S. 36 f.) Zu 4b): Wie in der Antwort zu 1b) dargelegt, erfolgt im Rahmen der Meldung an das LAGeSo keine einrichtungsbezogene Erfassung oder Auswertung der Versuchstiermeldungen. Die Entwicklung der Zunahme, Abnahme bzw. Konstanz der Versuchstierzahlen für alle Einrichtungen ist der oben verlinkten Tabelle zu entnehmen. 5. Welche tierversuchsfreien Methoden finden bereits an den Berliner Universitäten und Hochschulen in der Ausbildung Anwendung (bitte auflisten)? Zu 5.: Die Universitäten und Hochschulen listen folgende Methoden auf: Arbeit an Lehrmodellen Videoschulungen Tierkörper-Spenden - 5 - Arbeiten im virtuellen Labor im Bereich Physiologie in der Veterinärmedizin Abstrich Mundschleimhaut Dauerpräparate Blutprobe (Fingerbeere) abgelaufene Blutkonserven Nahtpads aus Kunststoff als Hautmodell Hautabstriche, Kulturplatten Präparate von Körperspendern standardisierte Referenzproben Arbeit mit Schlachtabfall, Material aus dem Lebensmittelhandel oder dem Beifang von Fischereien Einsatz von Dummies, Videos oder technischen Modellen nicht-manipulative Tierbeobachtungen im Freiland oder in Zoos 6. Mit welchen Maßnahmen planen die Berliner Universitäten und Hochschulen in Zukunft, den Tierverbrauch in der Ausbildung weiter zu reduzieren? Zu 6.: An der HU wird bereits, wo immer möglich, auf tierversuchsfreie Methoden in der Lehre zurückgegriffen. Die FU möchte das klinikübergreifende Netzwerk „Veterinary Skills Net“ weiter ausbauen. Zudem sollen eingeworbene Drittmittelprojekte fortgesetzt werden, insbesondere die Projekte „SimulRATor“ (Kooperationsprojekt zwischen dem Institut für Veterinär-Anatomie und dem Institut für Tierschutz zur Etablierung und Validierung eines anatomisch korrekten und bedarfsgerechten Rattenmodels) und „SMART“ (Schulungsplattform für Methodische Ansätze zur Reduktion von Tierversuchen). Auch soll das etablierte „Webinar Alternativen zu Tierversuchen in der Forschung, Ausbildung und Lehre“ (Preis des Landes Berlin für Alternativmethoden in der Lehre 2015) an der FU weiter vorangetrieben werden. Die Charité will gemeinsam mit anderen Kooperationspartnern verstärkt Alternativmethoden entwickeln. Dies erfolgt insbesondere mit dem vor kurzem gegründeten Zentrum Charité 3R. 7. Sofern an einer Berliner Universität oder Hochschule ein Studiengang tierversuchsfrei und an einer anderen derselbe Studiengang nicht tierversuchsfrei ist, erklären Sie bitte, welchen „vernünftigen Grund“ im Sinne §1 TierSchG es für die Verwendung von Tieren in diesem Studiengang noch gibt, wenn anderswo derselbe Studiengang offensichtlich auch ohne Tierversuche durchgeführt werden kann? Zu 7.: Es bestehen keine Abweichungen hinsichtlich der Notwendigkeit von Tierversuchen in dem sowohl von der FU als auch der HU angebotenen Studiengang Biologie. Berlin, den 25. Juni 2018 In Vertretung Steffen Krach Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei - Wissenschaft und Forschung -