Drucksache 18 / 15 246 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) vom 05. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Juni 2018) zum Thema: Zielgruppenspezifische Bildungsarbeit gegen Judenfeindlichkeit und Antwort vom 22. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Jun. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Franz Kerker(AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15246 vom 05. Juni 2018 über „Zielgruppenspezifische Bildungsarbeit gegen Judenfeindlichkeit“ ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Zahlen und Fakten In den Medien gab es in den letzten Jahren wiederholt Meldungen über antisemitische Anfeindungen und religiöses Mobbing durch muslimische Schüler an Berliner Schulen. 1.a) An welchen Schulen in Berlin gab es nach Kenntnis des Senats in den letzten Jahren derartige Vorfälle? (Bitte um Namen der Schulen und Jahresangaben) 1.b) In welchen und wie vielen Fällen mussten die Opfer die Schule wechseln? 1.c) In welchen und wie vielen Fällen mussten die übergriffigen Schüler die Schule wechseln? 1.d) „Nach jedem Vorfall tut die Politik so, als sei Antisemitismus im Klassenzimmer etwas Neues. Für uns Juden in Deutschland ist das Thema aber überhaupt nicht neu“, sagt der Publizist Michael Groys. Seit wann hat der Senat muslimische Judenfeindlichkeit an Berliner Schulen als Problem erkannt? 1.e) Wie will der Senat den Opferschutz verbessern? 1.f) In welcher Form will der Senat die statistische Erfassung verbessern? 1.g) Wann wird der Senat über Vorfälle und Maßnahmen einen Gesamtbericht vorlegen? Zu 1. a) bis c): Die Antidiskriminierungsbeauftragte der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hat im Jahr 2016 (September bis Dezember) drei Fälle von Antisemitismus in Schulen dokumentiert. Im Jahr 2017 wurden zwölf Fälle von Antisemitismus in Schulen dokumentiert, darunter vier Fälle mit der alleinigen Diskriminierungsdimension Antisemitismus und acht Fälle mit mehrfachen Diskriminierungsdimensionen, wie z.B. Antisemitismus und Homophobie oder Antisemitismus und Ableismus. Insgesamt sind dem Senat für das Jahr 2017 neunzehn Fälle von Antisemitismus an Schulen bekannt. Diese Zahlen speisen sich aus der Dokumentation der Antidiskriminierungsbeauftragten für Schulen und den Zahlen von RIAS (Recherche- und Informationsstelle Anti- 2 semitismus – RIAS), die diese Zahlen u.a. auch bei den Berliner Beratungsstellen erfragt haben. Vorliegende Zahlen Antisemitismus sind im Abgleich mit der Recherche - und Informationsstelle Antisemitismus an Schulen für das Jahr 2017 zusammengetragen worden. Die Datenerhebung bei der Antidiskriminierungsbeauftragten erfasst zwar Informationen zu den Personen, die diskriminieren, sie werden aber nicht unter Religionszugehörigkeiten, Atheismus oder Agnostizismus erfasst. Informationen zu den Schulen können aus Datenschutzgründen nicht preisgeben werden, denn in vielen Fällen wünschen sich die Betroffenen, dass die Namen der Schulen und andere Daten nicht weitergegeben werden. In drei Fällen sind Betroffene im Jahr 2017 an die Öffentlichkeit getreten und die Namen der Schulen bereits bekannt : Friedenauer Gemeinschaftsschule, Ernst-Reuter-Schule sowie Schule an der Jungfernheide. In einem Fall hat ein betroffener Schüler die Schule verlassen, in einem Fall hat ein diskriminierender Schüler die Schule verlassen. Zu 1 d) bis f): Der Senat hat seit im Jahr 2016 mit der Einrichtung der Stelle einer Antidiskriminierungsbeauftragten und mit der stärkeren curricularen Verankerung des Themas „Prävention von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ im seit 2017 wirksamen Rahmenlehrplan für Berlin und Brandenburg (1-10) das bereits wesentlich länger bestehende Engagement durch das Landesprogramm Radikalisierungsprävention und Fortbildungsmaßnahmen zur Prävention von Antisemitismus wie Hands for Kids und Hands Across the Campus verstärkt. Die Antidiskriminierungsbeauftragte und sowie zahlreiche vom Senat geförderte zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure bieten Betroffenen Unterstützung und Hilfe an. Es gibt darüber hinaus die Möglichkeit für Schulen mit z.B. der Unterstützung der Antidiskriminierungsbeauftragten in der Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren, an einem internen diskriminierungskritischen Beschwerdemanagement u.a. im Sinne des Opferschutzes zu arbeiten. Die statistische Erfassung wird derzeit von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie evaluiert und ggf. weiter entwickelt. An einer Handreichung zur Verbesserung des Umgangs mit Diskriminierungen in Schulen und des Opferschutzes wird im Haus gearbeitet . Zu 1 g): Die Antidiskriminierungsbeauftragte dokumentiert nach Schuljahren; der Bericht für das Schuljahr 2017/18 wird ab Juli erarbeitet. Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus KIGA e.V. Die Senatsverwaltung für Bildung erklärte im August 2017, Projekte, die sich gegen antisemitische Tendenzen unter Schüler wenden, würden gestärkt. Die Mittel für die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIGA) sollten aufgestockt werden. 2.a) Seit wann, in welchem Umfang, unter welchem Haushaltstitel und zu welchen konkreten Zwecken fördert das Land Berlin den KIGA e.V? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln und Projekte benennen) 2.b) KIGA bietet Workshops vor allem für Schüler mit muslimischem Hintergrund. Wie viele Schüler und wie viele Schüler mit muslimischem Hintergrund nahmen bislang an den Workshops teil? Kiga betreibt unter dem Titel „Akran – Peer to Peer gegen Vorurteile“ ein „Qualifizierungsprogramm für 3 muslimische Jugendliche“. Auf der Facebook-Startseite von „Akran“ befindet sich unter der Gruppe der Teilnehmer auch Imām Abdul Adhim K. inzwischen Prediger der Bilal-Moschee. 2.c) In welcher Weise war oder ist Herr K. bei „Akran“ bzw. für den KIGA e.V tätig? 2.d) Partizipiert Herr K. an Projekten, die durch den Senat finanziell gefördert werden und um welche handelt es sich? Zu 2.a): Siehe Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/14813 vom 07. Mai 2018 über „Was tut der Senat gegen Antisemitismus an Berliner Schulen“. Zeitpunkte der Förderung, Umfang und Zweck können der Zuwendungsdatenbank der Senatsverwaltung für Finanzen entnommen werden (vgl. https://www.berlin.de/sen/finanzen/service/zuwendungsdatenbank/). Die Förderung im Rahmen des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus wurde in folgenden Haushalttiteln umgesetzt: 2013: 0910 68569 2014/15: 0900 68406 2016/17: 0901 68406 2018: 0601 68406 Zu 2. b): Die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA) veranstaltet keine Workshops für Schülerinnen und Schüler mit muslimischem Hintergrund, sondern für die Migrationsgesellschaft . Dabei versteht die KIgA unter dem Begriff „Migrationsgesellschaft“ nicht spezifisch Menschen mit Migrationshintergrund, sondern die deutsche Gesamtgesellschaft . Grundsätzlich wird zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne „muslimischem Hintergrund“ nicht unterschieden. Hierzu werden auch keine Daten erhoben. Zu 2. c) Herr K. war beim Akran-Projekt der KIgA nicht tätig. Er wurde als Gesprächspartner für punktuelle Dialogveranstaltungen hinzugezogen. Hierbei war ausschlaggebend, dass Herr K. sich von jeglichen extremistischen Strömungen distanziert hat und im Kontext Radikalisierungsprävention stetiges Engagement zeigt. Zu 2. d) Zu diesem Punkt liegen dem Senat keine Informationen vor. Zielgruppenspezifische Bildungsarbeit gegen Judenfeindlichkeit unter Muslimen 3.a) Welche Präventionsstrategie verfolgt der Senat in Bezug auf das Problem der muslimischen Judenfeindlichkeit ? – Will der Senat dem Problem der muslimischen Judenfeindlichkeit mit allgemeinen Programmen gegen Antisemitismus, Diskriminierung und Intoleranz und allgemeinen Programmen zu interkulturellen Konflikten oder mit zielgruppenspezifischen Ansätzen begegnen? 3.b) Wird derzeit im Auftrag des Senats Bildungsarbeit gegen Judenfeindlichkeit speziell für die Gruppe der in Berlin lebenden Einwanderer und Flüchtlinge aus muslimisch geprägten Ländern durchgeführt ? Wenn ja: in welcher zielgruppenspezifischen Form? Wenn nein: ist dies geplant und in welcher zielgruppenspezifischen Form? 3.c) Welche konkreten Programme zur Bildungsarbeit gegen Judenfeindlichkeit, die sich zielgruppenspezifisch an Muslime richten, finanziert das Land Berlin? 3.d) In welcher Form ist speziell muslimische Judenfeindlichkeit ein Gegenstand in den Schulen? 4 3.e) In welcher Form ist speziell muslimische Judenfeindlichkeit ein Gegenstand von Fortbildungen für Lehrer? 3.f) In welcher Form ist speziell muslimische Judenfeindlichkeit im Curriculum für das Lehramtsstudium verankert? In welcher Form will der Senat diesbezüglich das Curriculum für das Lehramtsstudium möglicherweise modifizieren? 13) In welcher Form wird a.) bei Fortbildungen gegen Antisemitismus und b.) bei Bildungsarbeit gegen Antisemitismus auf die Hintergründe der Judenfeindlichkeit unter Muslimen eingegangen? c.) Werden bei Fortbildungen und Bildungsarbeit gegen Judenfeindlichkeit unter Muslimen die Aussagen des Korans über Juden thematisiert? d.) Wird bei Fortbildungen und Bildungsarbeit gegen Judenfeindlichkeit unter Muslimen der Nahostkonflikt thematisiert? e.) Welche Inhalte und welche didaktischen Methoden liegen den Fortbildungen und der Bildungsarbeit gegen Judenfeindlichkeit unter Muslimen zugrunde? Zu 3. a): Aus Sicht des Berliner Senats ist Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Problem . Die Präventionsmaßnahmen des Berliner Senats richten sich an alle gesellschaftlichen Gruppierungen. Entsprechende Projekte werden im Rahmen des Landesprogramms „Demokratie. Vielfalt. Respekt. Gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ gefördert. Die Förderung im Landesprogramm verfolgt dabei eine strategische Zielsetzung, die sich auf vier Aspekte zuspitzen lässt: 1. „Antisemitismus sichtbar machen“; 2. „Kompetenzen zur Auseinandersetzung mit Antisemitismus stärken“; 3. „Von Antisemitismus betroffene Personen unterstützen“ und 4. „Antisemitismus in jeder Form öffentlich ächten“. Zu 3. b): Geflüchtete Menschen und Menschen mit Einwanderungsgeschichte werden in die Projekte der Berliner Antisemitismusprävention einbezogen. Vergleiche beispielhaft die Arbeit des Anne Frank Zentrums ( https://flucht.annefrank.de/ ) und die Arbeit des Vereins „Gesicht zeigen!“ ( https://www.gesichtzeigen.de/angebote/die-freiheit-dieich -meine/ ) Zu 3. c): Der Berliner Senat fördert Projekte, die Antisemitismus als gesamtgesellschaftliches Problem bearbeiten und dabei konzeptionell auch herkunftsheterogene Zielgruppen im Blick haben. Zu den einzelnen Maßnahmen vgl. Drucksache 18 / 14813. Zu 3. d) bis f) und 13. a) bis e): Es gibt keine „muslimische Judenfeindlichkeit“, wenn damit gemeint ist, dass Judenfeindlichkeit die Überzeugung aller Muslime sei. Der Rahmenlehrplan für Berlin und Brandenburg (1-10) sieht als übergreifendes Thema für den Unterricht in allen Fächern „Akzeptanz von Vielfalt“ vor. In diesem Rahmen und im Rahmen des allgemeinen Erziehungsauftrags ist es die Aufgabe jeder Schule und jeder Lehrkraft, präventiv jeglicher Art von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegenzuwirken und auf individuell möglicherweise religiös begründete Judenfeindlichkeit nach eigenem pädagogischem Ermessen zu reagieren. 5 In folgenden Veranstaltungen der regionalen Fortbildung werden Themen, die sich mit der Akzeptanz von Vielfalt befassen, behandelt: Verständnis, Vergleich, Dialog, Trialog der Weltreligionen; Salafismus- und Islamismusprävention, Demokratieerziehung ; Interkulturelle, interreligiöse Klassen – Respekt, Classroom-Management, Umgang mit Konflikten, interkulturelle Kompetenzen; Prävention religiös motivierter menschenrechtsfeindlicher Einstellungen. Das Thema ist Gegenstand der Fortbildungen zur Islamismus- bzw. Salafismusprävention sowie zu interkulturellen bzw. interreligiösen Klassen. Eine Fortbildung in Kooperation mit dem Mideast Freedom Forum Berlin e.V. thematisiert explizit die israelische Demokratie und den Nahostkonflikt. Daneben ist dieses Thema auch Gegenstand in Fortbildungen zur Islamismus- bzw. Salafismusprävention . Methoden sind u.a. faktenbasierte Analyse, Analyse von Fallbeispielen der Teilnehmenden , Erarbeiten von Lösungen im Umgang mit Herausforderungen (z.B. mit judenfeindlichen bzw. israelbezogenen Äußerungen), methodisches Training, Einzelund kollegiale Fallberatung. Im Rahmen der Studien- und Prüfungsordnungen der Lehramtsstudiengänge werden Inhalte generell nur abstrakt beschrieben. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass aktuelle wissenschaftliche, gesellschaftliche oder politische Entwicklungen unmittelbar thematisiert werden können, ohne dass die entsprechenden Ordnungen zuvor überarbeitet werden müssen. Maßnahmen gegen Antisemitismus 4.) Berlins Bildungssenatorin forderte Schulen dazu auf, in Fällen von Antisemitismus sofort zu handeln . In welcher Weise sollen Schulen sofort handeln, welche Maßnahmen sollen die Schulen selbst ergreifen (externe Hilfe aus den Teams von Bildungsträgern einholen, Gespräche führen, Schulverweise aussprechen, Elternabende abhalten, Projekte zur politischen Bildung durchführen, Fortbildungen anbieten, etc.)? Zu 4.: In allen Fällen von Diskriminierungen, Rassismus und Antisemitismus sind Schulen aufgefordert zu handeln. Schulen sollten kurzfristig auf die Expertise der Beratungsstellen zurückgreifen, sich mittelfristig zu Diskriminierungen, Rassismus und Antisemitismus fortbilden und mit Unterstützung von Expertinnen und Experten Strategien gegen Diskriminierungen, Rassismus und Antisemitismus entwickeln. In akuten Fällen sollen die Schulen ggf. in Absprache mit der regionalen Schulaufsicht eigenverantwortlich entscheiden, welche pädagogischen und ggf. disziplinarischen Maßnahmen angemessen sind. 5.) Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und das American Jewish Committee haben gemeinsam das Modellprojekt „Demokratie stärken! Aktiv gegen Antisemitismus und Salafismus!“ ins Leben gerufen. Über einen Zeitraum von zwei Jahren werden Fortbildungen durchgeführt. Das American Jewish Committee hat in diesem Zusammenhang ein Stimmungsbild von Berliner Lehrern zu Salafismus und Antisemitismus an Berliner Schulen erstellt. Insgesamt 27 Lehrer wurden in Kooperation mit dem Landesinstitut für Schule und Medien in Berlin-Brandenburg (LISUM) befragt. 5.a) Wie viele Lehrer haben an den Fortbildungen teilgenommen bzw. sich dazu angemeldet und von welchen Schulen kommen diese Lehrer? 5.b) In welcher Form wird bei diesen Fortbildungen auf die Hintergründe der Judenfeindlichkeit im Islam bzw. der Judenfeindlichkeit unter Muslimen eingegangen? Werden die Aussagen des Korans 6 über Juden thematisiert? Wird der Nahostkonflikt thematisiert? 5.c) Zu welchem Ergebnis kam die Befragung der Lehrer? 5.d) Die Berliner Bildungssenatorin und die Direktorin des American Jewish Committee Berlin trafen sich im April 2018 zu einem Austausch. Es wurden Maßnahmen besprochen, die Antisemitismus an Schulen präventiv begegnen sollen, Fortbildungsangebote für Schulleitungen und Schulaufsichten sowie die Ausweitung von Begegnungsprojekten. Was ist konkret geplant, in welchem Umfang und wieviel Mittel werden dafür bereitgestellt? Zu 5 a).: Zu den Fortbildungen haben sich 30 Lehrkräfte angemeldet. Im Schnitt haben 25 Lehrkräfte an den Einzelsitzungen teilgenommen. Die Lehrkräfte kamen u.a. von Gymnasien, Integrierte Sekundarschulen und Oberstufenzentren. Zu 5. b): Von einer allgemeinen „Judenfeindlichkeit unter Muslimen“ kann man nicht sprechen. Ein Schwerpunkt der Fortbildungen war der Antisemitismus aus dem salafistischen bzw. islamistischen Spektrum. Dabei wurden von Islamisten und Salafisten verwendete Koranstellen ebenso thematisiert wie Bezüge zum Nahostkonflikt. Zu 5. c): Diese Befragung ist nicht mit Beteiligung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie erfolgt. Das Stimmungsbild kann der Dokumentation des American Jewish Committee (AJC) entnommen werden. Zu 5.d): Es ist geplant, Fortbildungsangebote für Lehrkräfte, Schulleitungen und Schulaufsichten zu verstärken. Modulare Qualifizierungsangebote für Schulleitungen und Schulaufsichten im LISUM werden daraufhin geprüft, wie das Thema „Prävention von und Umgang mit Antisemitismus “ integriert wird. Zwei weitere Begegnungsprojekte sollen durch Zuwendungen gefördert werden. 6.) Für Juni 2018 ist ein Fachtag „Antisemitismus in der Grundschule aktiv vorbeugen“ in Vorbereitung , der neben einem Vortrag verschiedene Workshops anbieten wird. Wann und wo findet der Fachtag statt? An wen richtet sich der Fachtag, in welcher Form wird der Fachtag beworben, wer sind die Referenten, Veranstalter und Kooperationspartner? Zu 6.: Der Fachtag findet am 27.06.2018 in den Räumen und in Kooperation mit der W. Michael Blumenthal Akademie statt und richtet sich an Schulteams der Grundschulen im Fortbildungsverbund Verbund 2, dieser umfasst die Bezirke Neukölln, Tempelhof- Schöneberg und Friedrichshain-Kreuzberg. Die Schulteams dieses Verbunds werden gezielt eingeladen. Die Fortbildung wird durch Schulberaterinnen und Schulberater , dem SIBUZ und unter Beteiligung des Anne-Frank-Zentrums durchgeführt. 7.) Im laufenden Schuljahr 2017/ 2018 haben Fortbildungsveranstaltungen zum Thema „Training zur Prävention interkultureller Konflikte in der Schule“ stattgefunden. Was bedeutet aus Sicht des Senats die Notwendigkeit, Präventionsmaßnahmen zu interkulturellen Konflikten in der Schule durchzuführen, 7 für die oft propagierte Grundhaltung, Einwanderung sei als Bereicherung zu sehen? Muss der Topos der „Kulturellen Bereicherung“ angesichts dieser Konflikte neugedacht werden? Zu 7.: Im Mittelpunkt der Veranstaltungen stehen die bereichernde Förderung des gegenseitigen Verständnisses, der Abbau von Vorurteilen und Konflikten sowie der Umgang mit Herausforderungen im interkulturellen Kontext. In diesem Sinne sind interkulturelle Konflikte ernst zu nehmen und zu thematisieren, aber nicht mit dem Ziel, Konfrontation noch zu verschärfen, sondern sie abzubauen. 8.) Das Kompetenzzentrum Prävention und Empowerment der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) organisiert Weiterbildungen für Lehrer. Wie vielen Lehrer aus Berlin nahmen bislang daran teil? Zu 8.: Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) führt die Fortbildung „ACT - Acceptance Commitment Training (1. Modul)” als Kooperationspartnerangebot über die Regionale Fortbildung durch. Die Teilnahmeverwaltung liegt in den Händen des ZWST. „Benz-Broder-Debatte“ Der Vergleich von Judenfeindlichkeit und „Islamophobie“ durch Prof. Dr. Wolfgang Benz führte 2008 zu einer intensiven Debatte. Vertreter der Jüdischen Gemeinden wehrten sich gegen den Vergleich 1 , viele Politikwissenschaftler und Journalisten wiesen ihn zurück. 2 Kritiker des Vergleichs argumentieren u.a.: - Judenfeindlichkeit und „Islamophobie“ zu vergleichen sei zynisch, weil vom Islam und Muslimen selbst Judenfeindlichkeit ausgehe. - Judenfeindlichkeit und „Islamophobie“ ließen sich nicht vergleichen, weil Judenfeindlichkeit auf Wahnvorstellungen basiere, während Islamkritik eine reale Basis habe (Schoeps / Broder). - Judenfeindlichkeit und „Islamophobie“ zu vergleichen, übersehe, dass Judenfeindlichkeit zu einem weltgeschichtlich einmaligen Verbrechen geführt hat und ein Vergleich zur Verharmlosung der Judenfeindlichkeit führt. 3 9.a) Inwieweit teilt der Senat die Auffassung von Wolfgang Benz? 9.b) Inwieweit teilt der Senat die Argumentation der Kritiker des Vergleichs, respektive die drei oben genannten Argumente? 9.c) Welche Konsequenzen zieht der Senat daraus für Präventionsmaßnahmen gegen muslimischen Antisemitismus? Zu 9.a): 1 Missfallen wurde vom damaligen Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, geäußert. Die Sprecherin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Maya Zehden, nannte den Vergleich „nicht förderlich“ und „unpassend“. Arno Hamburger, der dienstälteste Vorsitzende einer jüdischen Gemeinde in Deutschland, reagierte mit Ablehnung. Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg erklärte: „Von Juden geht keine akute Gefahr aus“ – im Unterschied zum radikalen Islam. Er lehne solche Vergleiche deshalb als „Schizophrenie“ ab. 2 Der Politikwissenschaftler Clemens Heni am 3.12.2008 in der israelischen Zeitung "Jerusalem Post"; der Berlin-Korrespondent der "Jerusalem Post" Benjamin Weinthal am 10.12. und 26.12.2008 in der israelischen Zeitung "Ha’aretz"; der Journalist Henryk M. Broder am 11.12.2008 auf "achgut.com", Matthias Küntzel am 24. November 2008 auf "matthiaskuentzel.de". 3 Diese Kritik wurde auch von dem Abgeordneten Marcel Luthe vorgebracht: „Die Nivellierung der nationalsozialistischen Verbrechen , die mit einigen Formulierungen in diesem Antrag betrieben wird, die Gleichsetzung von Angriffen auf Juden mit irgendwelchen anderen Angriffen auf Menschen in Deutschland widerspricht diesen gerade deutlich wiederholten Grundsätzen unserer Außenpolitik und unseres Staates.“ Plenarprotokoll 18/25, Seite 2867 (26. April 2018) 8 Der Senat ist der Meinung, dass es sich sowohl bei Antisemitismus als auch bei antimuslimischem Rassismus um Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) handelt. Sowohl Antisemitismus als auch antimuslimischer Rassismus, sowie jede andere Form von GMF und Konzepten der Ungleichwertigkeit sind demokratiegefährdende Phänomene, die es mit gleicher Entschiedenheit zu bekämpfen gilt. Zu 9.b): Sowohl das erste als auch das zweite Argument bergen die Gefahr, den Islam und Muslime pauschal zu verurteilen (Punkt 1) und sogar antimuslimischen Rassismus zu rationalisieren. (Punkt 2). Der Senat distanziert sich von jeglichen Pauschalisierungen und Versuchen, jedwede Basis für antimuslimischen Rassismus aufzubauen. Zu Punkt 3 gilt zwar das zu Frage 9.a oben ausgeführte, es darf aber in keiner Weise ein Vergleich von antimuslimischen Rassismus und Antisemitismus der Relativierung des Holocaust dienen. Zu 9. c): In Konsequenz unterstützt der Senat an Schulen präventive Maßnahmen gegen Antisemitismus , die an alle Schülerinnen und Schüler gerichtet sind. Spezifische Gruppen von Schülerinnen und Schülern nach ihrer Religionszugehörigkeit zu sondern und spezifische Programme für Angehörige einer bestimmten Religion zu fördern in der Annahme, diese Gruppe von Schülerinnen und Schülern sei wegen ihrer Religionszugehörigkeit besonders judenfeindlich, widerspräche dem Grundgesetz. 10.) Die Vergleichbarkeit von Judenfeindlichkeit und Islamophobie ist – wie oben dargestellt – ein kontrovers diskutiertes Thema. Der Berliner Lehrer Rainer Haag ließ seine Schüler in einer Klassenarbeit die Frage beantworten, warum Islamfeindlichkeit und Antisemitismus „die gleiche Dummheit“ seien (Vgl. Tagesspiegel, 8. Mai 2018) Sieht der Senat in dieser Form der Fragestellung, die bereits eine inhaltliche Positionierung vorgibt, eine Verletzung des Indoktrinationsverbots der politischen Bildung ? Zu 10.: Der Wortlaut der Klassenarbeit liegt dem Senat nicht vor, weshalb über die Frage, ob die Aufgabenstellung einen Verstoß gegen den Beutelsbacher Konsens bedeutet, nicht geurteilt werden kann. 11.) Wolfgang Benz sieht eine strukturelle Verwandtschaft zwischen judenfeindlichem und „islamophobem “ Verhalten – jeweils versuchten die Akteure, durch Lektüre der heiligen Schriften von Juden und Muslimen diese selbst anzugreifen. Ist es nach Auffassung des Senats eine „islamophobe“ Handlung, auf judenfeindliche Stellen im Koran hinzuweisen? Hintergründe der Judenfeindlichkeit unter Muslimen Die im Koran geführte Klage über die „Widerspenstigkeit“ der „Kinder Israels“ wird durch Vers 17:4 in die Zukunft fortgeschrieben: „Und wir haben für die ‚Kinder Israels‘ in der Schrift der Vorherbestimmung die (folgende) Entscheidung getroffen: Ihr werdet zweimal auf der Erde Unheil anrichten, und ihr werdet (dabei) sehr mächtig (und anmaßend) sein.“ Während der kleinere Teil der „Kinder Israels“ in die Urreligion des Islams zurückfindet, werden die ebenfalls im Koran erwähnten „Juden“ d.h. Yahūd in der Koranexegese gewöhnlich mit jenem Großteil der Banū 'isrāʾīla identifiziert, welcher sich unbelehrbar dem göttlichen Willen entgegenstelle. Damit aber seien es auch die Juden, welche in alle Zukunft unheilbringend und anmaßend zugleich sein würden. Zwar seien nicht nur die Juden selbstherrlich – andere Widersacher des Propheten seien dies auch – und sie seien auch nicht die Urheber 9 jeglichen Ungemachs; wenn sich aber Zwistigkeit und Arroganz paarten, dann nur deshalb, weil Juden dahinterstünden. 12.) Die Judenfeindlichkeit im Islam speist sich aus anderen Quellen als der europäische Antisemitismus . Welche Konsequenzen zieht der Senat daraus für Projekte und Maßnahmen gegen Judenfeindlichkeit unter Muslimen und deren Inhalte und Methodik? Zu 11. und 12.: Die Verwendung von Koranzitaten ohne hermeneutische Expertise ist nicht hilfreich. Im Kontext von Schule stellt sich zudem die Frage, welcher pädagogische und didaktische Zweck damit verbunden sein soll. Des Weiteren ist die Annahme, dass die “Judenfeindlichkeit im Islam” sich “aus anderen Quellen” speise, nicht richtig. Auch beim Antisemitismus unter Muslimen sind klassisch antisemitische Denk- und Deutungsmuster dominant. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat keine Konsequenzen für Projekte und Maßnahmen, spezifisch für “Muslime”. Eine gesonderte Behandlung aus falschen Annahmen ist nicht richtig. Gleichzeitig fördert eine solche Denkweise die Marginalisierung von Minderheiten. 14.) Araber, die einen bedeutsamen Anteil der muslimischen Weltbevölkerung ausmachen, werden zu den Semiten gezählt. Hält der Senat vor diesem Hintergrund die Bezeichnung „muslimischer Antisemitismus “ für logisch sinnvoll oder wäre es angemessener von „muslimischer Judenfeindlichkeit“ bzw. „muslimischem Antijudaismus“ zu sprechen? Zu 14.: Da der Senat nicht von „muslimischem Antisemitismus“ spricht, stellt sich diese Frage nicht. Berlin, den 22. Juni 2018 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie S18-15246 S18-15246a