Drucksache 18 / 15 278 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Lars Düsterhöft (SPD) vom 31. Mai 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Juni 2018) zum Thema: Voraussetzungen für barrierefreies Bauen und Antwort vom 22. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Juni 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Herrn Abgeordneten Lars Düsterhöft (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15 278 vom 31. Mai 2018 über Voraussetzungen zum barrierefreien Bauen Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Zur Erläuterung: § 50 Absatz 5 der Bauordnung für Berlin legt fest, unter welchen Voraussetzungen Abweichungen vom barrierefreien Bauen zugelassen werden dürfen. In der Antwort der Anfrage Drucksache 18/13739 antwortet der Senat: Abweichungen sind nur dann zulässig, wenn schwierige Geländeverhältnisse vorhanden sind, ein sonst nicht erforderlicher Aufzug eingebaut werden müsste oder eine ungünstige Bebauung vorhanden ist. Abweichungen können erteilt werden, wenn eines dieser Kriterien erfüllt ist oder die Barrierefreiheit nur mit unverhältnismäßigem Mehraufwand realisiert werden könnte. Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit es aus Sicht des Senats nicht erforderlich ist, einen Aufzug einzubauen? Wie definiert der Senat in diesem Zusammenhang eine „ungünstige Bebauung“? Und ab wann ist ein Mehraufwand aus Sicht des Senates „unverhältnismäßig“? Antwort zu 1: Die drei genannten Kriterien können nur im Zusammenhang mit unverhältnismäßigem Mehraufwand geltend gemacht werden. Es bedarf also bei Abweichungen der Erfüllung von mindestens eines der gennannten Kriterien bei zusätzlich unverhältnismäßigem Aufwand. Die Anzeigepflicht gemäß §15 des Landesgleichberechtigungsgesetzes (LGBG) gegenüber den Verbänden ermöglicht es, Klage zu erheben. Die Kriterien zur Abwägung des unvertretbaren Mehraufwands wurden von der Obersten Bauaufsicht in den „Entscheidungshilfen“ (EHB) zu §51 BauO Bln mit klarer Abgrenzung definiert. Dabei handelt es sich jeweils um spezifische Einzelfallentscheidungen. Gründe können Grundstückszuschnitte bzw. topographische Besonderheiten im Zusammenhang mit der Art der Nutzung sein. Als verhältnismäßig werden i.A. Aufwendungen bis zu 20% der Baukosten betrachtet. Im Verhältnis zu allgemeinen Erstellungskosten zur Barrierefreiheit im Hochbau liegt damit die Grenze hoch. 2 Frage 2 a-d): Ergänzend zur in Drucksache 18/13739 gestellten Frage, welche Maßnahmen der Senat ergreift, um möglichst wenige Ausnahmebescheide zuzulassen, frage ich: a) Wie oft wurde das Klagerecht bereits in Anspruch genommen? Um welche Bauvorhaben ging es konkret und was waren die genauen Klagegründe? Antwort zu 2 a: Auf Bezirksebene sind keine Verfahren bekannt. Auf Landesebene gab es in der Vergangenheit folgende Verfahren: 1. Stelenfeld des Denkmals für die ermordeten Juden Europas: Steigungen und Bodenbeläge sowie Durchfahrtsbreiten im Stelenfeld 2. Fernsehturm Berlin: Brandschutzgründe verbieten rollstuhlgebundenen Personen den Besuch der Aussichtsplattform/Restaurant b) Ist dem Senat bekannt, ob landeseigene Wohnungsbaugesellschaften in ein solches Verfahren involviert waren bzw. sind? Antwort zu 2 b: Es sind keine derartigen Verfahren bekannt. c) Aus welchen Gründen kann der Landesbehindertenbeirat keinen direkten Einspruch erheben, sondern muss über die in ihm vertretenen Verbände den langwierigen Weg über ein Klageverfahren nehmen? Antwort zu 2 c: Das LGBG sieht keine Einspruchsmöglichkeiten durch den Landesbeirat vor. d) Wie wird sichergestellt, dass die Mitglieder der Behindertenbeiräte auch in den Bezirken ausreichend über die Rechtslage informiert werden, in denen die/der Behindertenbeauftragte nicht gleichzeitig auch Mitglied im Landesbeirat ist? Antwort zu 2 d: Es sind keine Regelungen dazu in den Bezirken bekannt. Die Bezirksbeauftragten stehen mit der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung regelmäßig im Kontakt. Frage 3: Warum ist für die Aushändigung einer Baugenehmigung nicht generell ein positives Sachverständigengutachten zur Sicherstellung der Barrierefreiheit Voraussetzung? Antwort zu 3: Die materiellen Anforderungen der Bauordnung sind von allen am Bau Beteiligten verpflichtend einzuhalten. Für Landesprojekte ist vom Entwurfsverfasser im Genehmigungsverfahren ein „Konzept barrierefrei“ vorzuweisen. Sachverständigengutachten sind im Baugenehmigungsverfahren nicht zielführend, weil strukturelle bauliche Anforderungen, wie der Einbau notwendiger Rampen, Aufzüge etc., von den Entwurfsverfassern ohnehin bauordnungskonform umgesetzt werden und die für Menschen mit sensorischen Einschränkungen notwendigen Farbkontraste 3 und die Realisierung notwendiger akustischer Signale in Bauvorlagen nicht darstellbar sind, sondern während der Ausführungsplanung und Bauausführung zu detaillieren sind. Frage 4: Wenn es allein in der Verantwortung des Bauherren oder des Architekten liegt, einzuschätzen, ob ggf. zusätzliche Sachverständige hinzugezogen werden sollen, wie soll sichergestellt werden, dass die Anforderungen an die Barrierefreiheit im gesamten Planungsprozess umgesetzt werden? Antwort zu 4: Die Umsetzung von Planungsanforderungen liegt in der Verantwortung von Planerstellenden bzw. Bauherren. Unzureichende Ausbildungen sind in Weiterbildungsveranstaltungen besonders der Architekten- und Baukammern zu kompensieren. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hat in der Vergangenheit ebenfalls diverse Weiterbildungen auch für Angestellte des Landes Berlin und der Bezirke mit hervorragenden Experten organisiert. Auch auf anderen Ebenen gibt es ähnliche Angebote. Des Weiteren hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hervorragendes Arbeitsmaterial in Form von Handbüchern „Berlin- Design for all“ bereitgestellt. 2014 wurde zusätzlich das ‚Konzept Barrierefrei‘ in die Anweisung Bau zur verpflichtenden Anwendung für Landesprojekte aufgenommen. Frage 5: Wie soll sichergestellt werden, dass bei der Abnahme eines Gebäudes, alle Vorgaben eingehalten wurden, wenn es weiterhin keinen Sachverständigen für Barrierefreiheit gibt? Frage 6: Aus welchem Grund würde die Einführung eines Sachverständigen für Barrierefreiheit nach Auffassung der Senatsverwaltung die Planung verteuern und die Verfahren verkomplizieren? Antwort zu 5 und 6: Der Nachweis ist bei Landesprojekten im ‚Konzept Barrierefrei‘ als Planunterlage vorzuweisen. Es gibt keine bauaufsichtliche Abnahme eines Gebäudes. Im Bereich des Brandschutzes und der Standsicherheit dokumentieren Überwachungsberichte die normenkonforme Bauausführung. In Bezug auf das Barrierefreie Bauen gibt es keine mangelnde Umsetzung struktureller Anforderungen, die die Einführung einer Sachverständigen- Überwachung rechtfertigen. Bezüglich der baulichen Anforderung für Menschen mit sensorischen Einschränkungen konkretisiert künftig eine Rechtsverordnung die notwendigen Maßnahmen. Frage 7: Gibt es aktuell ausreichend geschultes Fachpersonal in den bezirklichen Bauämtern für die entsprechende Überprüfung nach Beendigung des Bauvorhabens? 4 Antwort zu 7: Mit der Novelle der Bauordnung 2005 wurde die Abnahme von Bauten eingestellt und das Personal entsprechend reduziert. Abnahmen und Überprüfungen von Bauvorhaben sind daher grundsätzlich personell nicht mehr leistbar bzw. finden nur anlassbezogen im Einzelfall oder wenn unmittelbare Gefahr besteht statt und sind vor Allem Sonderbauten vorbehalten. Frage 8: Welche Maßnahmen sind vorgesehen, damit die Bezirksämter, speziell die Bauämter in Bezug auf die Belange von Menschen mit Behinderungen entsprechend personell ausgestattet und fortgebildet werden? Antwort zu 8: Die technischen Mitarbeiter der Bauaufsicht haben in den letzten Jahren Angebote zur Weiterbildung im barrierefreien Bauen erhalten. Es sind in den Bezirken keine Personalstellen vorhanden oder vorgesehen, die speziell mit Fragen des barrierefreien Bauens befasst sind bzw. sein sollen. Die Kenntnis der entsprechenden Vorschriften bzw. die Aneignung solcher Kenntnisse bei den Beschäftigten wird dienstlich erwartet bzw. vorausgesetzt. Die Wahrnehmung entsprechender Fortbildungsangebote durch Beschäftigte sollte seitens der Bezirke unterstützt werden. Berlin, den 22. Juni 2018 In Vertretung Scheel ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen