Drucksache 18 / 15 289 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 07. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Juni 2018) zum Thema: Staatsanwaltschaft Berlin – Quo vadis Strafanzeige? und Antwort vom 26. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Juni 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15289 vom 7. Juni 2018 über Staatsanwaltschaft Berlin – Quo vadis Strafanzeige? ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie verläuft der standardisierte Bearbeitungsprozess (vom Eingang über die Bearbeitung bis zum Abschluss ), wenn eine Person eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin stellt? (Aufstellung der Prozessschritte erbeten.) Zu 1.: Eine in der Regel allgemein an die Staatsanwaltschaft Berlin gerichtete, schriftlich eingehende Strafanzeige wird zunächst von der Briefannahmestelle an die dortige Auszeichnungsstelle und von dieser an die gemäß den internen Zuständigkeitsregeln zuständige Abteilung übersandt. Einen Sonderfall bildet die Anzeigeerstattung beim Tagesdienst der Staatsanwaltschaft Berlin. Werktags sind vier Staatsanwältinnen bzw. Staatsanwälte mit der Wahrnehmung des Tagesdienstes betraut, im Rahmen dessen ihnen im Zeitraum von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr (danach bis 15.00 Uhr in Eilt-Fällen) auch die Annahme von Strafanzeigen obliegt. Anzeigenden Personen wird durch die Wachtmeisterinnen und Wachtmeister an der Pforte die Nummer des Dienstzimmers mitgeteilt. Die jeweilige Staatsanwältin bzw. der jeweilige Staatsanwalt nimmt das Anzeigevorbringen in einem Vermerk auf sowie ggf. weitere Unterlagen und Beweismittel entgegen und übersendet diese sodann der Auszeichnungsstelle. Für die allgemeinen Abteilungen und die allgemeinen Jugendabteilungen der Staatsanwaltschaft ist die Zuweisung durch die Auszeichnungsstelle bindend. Im Falle der Spezialabteilungen erfolgt eine Würdigung der Zuständigkeit durch die Abteilungsleitung. Innerhalb der Abteilung entscheidet die Abteilungsleitung zudem, ob ggf. die Zuständigkeit der Amtsanwaltschaft oder einer auswärtigen Staatsanwaltschaft gegeben ist. Im Übrigen ist sie berechtigt, einzelne Verfahren an konkrete Dezernentinnen oder Dezernenten der Abteilung zuzuweisen. Anderenfalls erfolgt die Zuweisung elektronisch im Turnus über das IT-Fachverfahren der Strafverfolgungsbehörden. Die Abteilungsleitung 2 leitet die Strafanzeige an die Geschäftsstelle der Abteilung weiter, wo das Verfahren elektronisch erfasst und ein staatsanwaltschaftliches Aktenzeichen zugewiesen wird. Zudem wird durch die Servicekräfte der Geschäftsstelle eine Aktenzeichenmitteilung generiert und an die anzeigende Person versandt. Sodann erfolgt die Vorlage an die zuständige Staatsanwältin bzw. den zuständigen Staatsanwalt. Diese prüfen zunächst unter Berücksichtigung ggf. weiterer übersandter Unterlagen und sonstiger Beweismittel, ob durch die Strafanzeige ein Anfangsverdacht gemäß § 152 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) gegeben ist. Ist dies nicht der Fall, wird das Verfahren unter Bescheidung der anzeigenden Person dahingehend eingestellt, dass die Aufnahme von Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft rechtlich nicht zulässig ist. Anderenfalls veranlasst die Staatsanwältin bzw. der Staatsanwalt die Aufnahme der erforderlichen Ermittlungen. 2. Wie wird die oder der Anzeigende über den Eingang der Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft und im weiteren Verlauf auch über den Bearbeitungsstand informiert? (Falls keine Information des Anzeigenden erfolgt, warum nicht?) 3. Welche Möglichkeit bestehen darüber hinaus, seitens der oder des Anzeigenden Informationen über den Bearbeitungsstand der Strafanzeige einzuholen? Zu 2. und 3.: Im Rahmen der Anzeigenaufnahme bei der Polizei Berlin wird der anzeigenden Person das Informationsblatt „Bestätigung einer Strafanzeige - Informationsblatt zu Opferrechten“ ausgehändigt. Mit diesem Informationsblatt wird neben der Vorgangsnummer der Strafanzeige unter anderem auch die telefonische Erreichbarkeit der Zentralen Auskunftsstelle der Polizei Berlin mitgeteilt. Die Zentrale Auskunftsstelle gibt bei Bedarf Auskunft über die mit der Bearbeitung der Strafanzeige befasste Polizeidienststelle. Ist die anzeigende Person bei der Anzeigenaufnahme nicht anwesend, wird das Informationsblatt der betroffenen Person übersandt. Erfolgt die Anzeigenerstattung über die Internetwache der Polizei Berlin, wird der bzw. dem Anzeigenden das Informationsblatt zum Speichern und Drucken angeboten. Darüber hinaus besteht über die Internetwache die Möglichkeit, bezüglich der dort angezeigten Sachverhalte Auskunft darüber zu erhalten, an welche Polizeidienststelle die Anzeige zur weiteren Bearbeitung übermittelt wurde. Wurde die Strafanzeige nach erfolgter Bearbeitung bereits an die Amts- oder Staatsanwaltschaft übergeben, wird der Auskunft ersuchenden Person das entsprechende Aktenzeichen der Amts- oder Staatsanwaltschaft mitgeteilt bzw. an die Auskunftsstelle im Kriminalgericht Moabit verwiesen. Bei der Staatsanwaltschaft Berlin sind die Servicemitarbeitenden gehalten, - bei schriftlich eingereichten Anzeigen von Privatpersonen, auch wenn diese von Rechtsanwältinnen bzw. Rechtsanwälte vertreten werden, - bei persönlich bei der dortigen Behörde abgegebenen Anzeigen, - bei Anzeigen von Untersuchungs- und Strafgefangenen, die diese schriftlich einreichen oder zu Protokoll der Rechtsantragsstelle geben, dem bzw. der Anzeigenden unverzüglich das Geschäftszeichen und die angezeigten Delikte mitzuteilen und die erfolgte Mitteilung auf der Anzeige zu vermerken. 3 Ferner erfolgen Mitteilungen über den Stand des Verfahrens in den gesetzlich oder in anderen Vorschriften vorgesehenen Fällen, so insbesondere im Falle der Verfahrenseinstellung , in denen ein Einstellungsbescheid zu erteilen ist (vgl. etwa § 171 StPO, Ziff. 89 der Richtlinien für das Straf- und das Bußgeldverfahren (RiStBV)) sowie auf Anfrage des Anzeigenden. 4. Welche durchschnittliche Dauer hat die Bearbeitung einer Strafanzeige und welche Maximaldauer ist hierbei zulässig? Zu 4.: Die Dauer eines Ermittlungsverfahrens bei der Polizei vor der Übergabe an die Amts- oder Staatsanwaltschaft wird statistisch nicht erhoben. Grundsätzlich sind Strafanzeigen , deren Sachverhalte noch nicht der Amts- oder Staatsanwaltschaft bekannt sind, nach vier Monaten der Amts- oder Staatsanwaltschaft zu übermitteln. Die durchschnittliche Dauer der Ermittlungsverfahren bei der Staats- und Amtsanwaltschaft Berlin bis zum Abschluss ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle: 2013 2014 2015 2016 2017 Amtsanwaltschaft 1,5 1,2 1,1 1,0 1,0 Staatsanwaltschaft 2,1 2,0 1,9 1,9 1,8 *Durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten Eine Maximaldauer für die Bearbeitung einer Strafanzeige sieht die Strafprozessordnung nicht vor. Die Strafverfolgungsbehörden sind ständig bemüht, die Ermittlungsverfahren zügig zu führen und möglichst schnell zu einem Abschluss zu bringen. 5. Wie viele Strafanzeigen werden durchschnittlich pro Jahr in Berlin gestellt? (Aufstellung der letzten fünf Jahre erbeten.) Zu 5.: Die von der Polizei erfassten Fälle sind der Polizeilichen Kriminalstatistik zu entnehmen und entwickelten sich in den vergangenen Jahren wie folgt: Jahr 2013 2014 2015 2016 2017 erfasste Fälle 503.165 543.156 569.549 568.860 520.437 Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik Bei den Strafverfolgungsbehörden waren in den vergangenen Jahren folgende Neueingänge zu verzeichnen: Jahr 2013 2014 2015 2016 2017 Verfahrenseingänge gegen namentlich bekannte Beschuldigte 288.550 315.871 317.051 328.403 309.459 Verfahrenseingänge gegen Unbekannte 298.055 309.773 283.573 363.458 306.240 Darin enthalten sind auch solche Ermittlungsverfahren, die nicht auf vorangegangene Strafanzeige einer Privatperson sondern „von Amts wegen“ eingeleitet werden. 4 Der Senat weist rein vorsorglich darauf hin, dass die polizeilichen Daten nicht mit denen der Strafverfolgungsbehörden vergleichbar sind. So werden Straftaten nach Ländergesetzen des Nebenstrafrechts mit wenigen Ausnahmen, Staatsschutz- und Verkehrsdelikte sowie Straftaten, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland begangen wurden, in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht erfasst. Daneben sind in den Daten der Strafverfolgungsbehörden auch Ermittlungsverfahren enthalten, welche von der Bundespolizei an die Strafverfolgungsbehörden abgegeben oder unmittelbar bei der Amts- oder Staatsanwaltschaft angezeigt und ohne Einbindung der Polizei dort abgeschlossen wurden. Auch werden Fälle von der Polizei nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet, wenn bereits durch polizeiliche Ermittlungsmaßnahmen festgestellt wird, dass kein Anfangsverdacht für eine Straftat vorliegt. 6. Wie viele der Strafanzeigen der letzten fünf Jahren wurden in Verbindung mit einem Strafantrag gestellt? (Aufstellung erbeten.) Zu 6.: Es wird nicht statistisch erfasst, ob neben einer Strafanzeige zugleich Strafantrag gestellt wurde. 7. Wie viele Fälle sind bekannt, in denen schriftlich gestellte Strafanzeigen im Haus der Staatsanwaltschaft verschwunden sind? (Aufstellung der letzten fünf Jahre erbeten.) Zu 7.: Diese Fälle werden statistisch nicht erfasst. 8. Was wird den Anzeigenden geraten, wenn nach 14 Tagen keine Eingangsbestätigung ihrer Strafanzeige vorliegt? Zu 8.: Hinsichtlich der Möglichkeiten, sich über den Bearbeitungsstand einer Strafanzeige zu informieren, wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 9. Gibt es Überlegungen, das Strafanzeigenverfahren zu novellieren, um es zu optimieren und für die Bürgerinnen und Bürger transparenter zu gestalten? (Wenn ja, welche Überlegungen gibt es? Wenn nein, wieso nicht?) Zu 9.: Die Erstattung einer Strafanzeige ist grundsätzlich an keine besondere Form gebunden und kann bei der Polizei mündlich, fernmündlich, schriftlich oder per Internetwache erfolgen. Insbesondere an der immer stärker genutzten Internetwache der Polizei Berlin lässt sich erkennen, wie durch die strukturierte Erfassung der Angaben bei der Anzeigenerstattung die Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, dass die Daten so aufwandsarm wie möglich von der sachbearbeitenden Dienstkraft in das Polizeiliche Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (POLIKS) übernommen werden können. Damit kann der bzw. dem Anzeigenden bereits mit Eingabe der Internetanzeige die Vorgangsnummer bekannt gegeben werden. Auch bei der Staatsanwaltschaft ist es jeder Bürgerin bzw. jedem Bürger möglich, schriftlich und - zu den Dienstzeiten des Tagesdienstes auch mündlich - Strafanzeige zu erstatten und Sachstandsanfragen zum Verfahren zu stellen. Der Senat sieht daher keinen Anlass für eine Änderung des Verfahrens. 5 Berlin, den 26. Juni 2018 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung