Drucksache 18 / 15 319 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marion Platta (LINKE) vom 12. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Juni 2018) zum Thema: Grundhochwasser IV: Drainagen zur Ableitung von sich stauendem Niederschlagswasser und Antwort vom 21. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Juni 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Frau Abgeordnete Marion Platta (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15319 vom 12. Juni 2018 über Grundhochwasser IV: Drainagen zur Ableitung von sich stauendem Niederschlagswasser Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Sind Drainagen für den Senat ein probates Mittel zur Ableitung von sich stauendem Niederschlagswasser? Wenn ja, in welchen Gebieten der Stadt sind diese Maßnahmen bevorzugt einzusetzen? Wenn nein, welche Maßnahmen können die Funktion von Drainagen ebenso übernehmen? Antwort zu 1: Dränagen sind ein geeignetes Mittel, um „Schichtenwasser“ aufzunehmen und abzuführen. „Schichtenwasser" tritt im Nordosten Berlins auf der Barnim-Hochfläche aufgrund spezieller geologischer Gegebenheiten auf. Hiervon sind die drei Berliner Bezirke Pankow, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf besonders betroffen. Der oberflächennahe Schichtenaufbau der pleistozänen Barnim-Hochfläche besteht im allgemeinen aus einem mehrere Meter mächtigen Geschiebemergel mit Einlagerungen von Sanden in unterschiedlicher Ausdehnung. In den obersten Metern unter der Geländeoberfläche kann der Geschiebemergel durch Verwitterung entkalkt und zu Geschiebelehm umgewandelt sein. Über dem Geschiebemergel der Grundmoräne befinden sich Sandablagerungen bzw. Sandlinsen. In diesen mit Sanden gefüllten Senken oberhalb oder auch in sandigen Linsen innerhalb des Geschiebemergels kann sich durch Niederschläge oberflächennahes Grundwasser ausbilden, das unabhängig vom Hauptgrundwasserleiter ist und als sogenanntes „Schichtenwasser“ oder schwebendes Grundwasser bezeichnet wird. 2 Starke oder lang anhaltende Niederschläge können auf den nur gering durchlässigen Böden aus Geschiebelehm und Geschiebemergel der Hochfläche nur verzögert abfließen bzw. versickern. Im Extremfall werden die Sandlinsen, die auf diesen gering durchlässigen Böden abgelagert wurden, bis zur Geländeoberkante mit Niederschlagswasser als „Schichtenwasser" aufgefüllt. Wenn in diesen aus geologischer Sicht schlecht entwässerbaren Gebieten Gebäude errichtet und Strassen oder Wege ohne ausreichende Regenentwässerung angelegt werden, kommt es besonders in tiefer gelegenen Gebieten zu Vernässungsschäden. Probleme mit dem „Schichtenwasser" sind aus den oben genannten Gebieten, insbesondere aus den Pankower Ortsteilen Blankenburg und Karow, seit Jahrzehnten bekannt. Besonders gefährdete Gebiete, die meistens tiefer gelegen sind, wurden früher aus gutem Grund nicht bebaut. Heute werden Gebiete als Bauland genutzt, welche aus geologischen Gründen dazu nur mit besonderen Schutzmaßnahmen geeignet sind. Die Senkung des Schichtenwassers kann durch Dränagen oder durch Regenwasserkanäle geschehen. Dränagen wurden auf der Hochfläche des Barnim bereits vor vielen Jahrzehnten verlegt. Das Wasser aus den Dränagen wird in der Regel in Oberflächengewässer als Vorfluter abgeleitet. Hauptvorfluter auf der Barnim-Hochfläche sind die Panke und die Wuhle. Das Dränagesystem ist auf lange Sicht jedoch keine naturverträgliche Lösung, da es eine dauernde hydraulische Zwangsentwässerung der Gebiete bedeutet. Eine Zwangsentwässerung entgegen dem örtlichen natürlichen Grundwasserregime kann sich u. a. negativ auf die örtliche Flora und Fauna auswirken. Ein Regenwasserkanalsystem hingegen nimmt nur einen geringeren Teil des anfallenden Regenwassers direkt auf und leitet es gestützt durch technische Maßnahmen zur Abflussverzögerung dem Vorfluter zu. Der größere Anteil infiltriert weiter und fließt den Gewässern zeitverzögert zu. Mit der Errichtung von Regenwasserkanalsystemen zur Straßenregenentwässerung steht somit zusätzlich eine Vorflut zur selektiven Ableitung des Grundwassers zur Verfügung. Perspektivisch langfristig gesehen, ist die Entwässerung über ein Regenwasserkanalsystem in Abhängigkeit von der Geologie und den örtlichen Verhältnissen, ergänzt durch vernetzte Mulden-Rigolen-Systeme, eine naturverträgliche und technisch akzeptable Lösung. Die Umsetzbarkeit muss in Abhängigkeit von der Örtlichkeit und den geologischen Verhältnissen in jedem Einzelfall geprüft werden. Frage 2: Wo und aus welchen Gründen werden neue Drainagen in den Jahren 2018 und 2019 geplant und gebaut? Antwort zu 2: In den Jahren 2018 und 2019 wird keine weitere Erneuerung der Dränagen umgesetzt. Für die folgenden Jahre ist in Abhängigkeit von den personellen und finanziellen Ressourcen die Instandsetzung bzw. der Neubau von weiteren Teilabschnitten des bestehenden Dränagesystems im öffentlichen Straßenland vorgesehen. Frage 3: Wie viele Kilometer Drainagen liegen bisher auf öffentlichem Straßenland und auf Flächen landeseigener Grundstücke (einschließlich sozialer und grüner Infrastruktur) sowie auf Flächen landeseigener Betriebe? 3 Antwort zu 3: Im öffentlichen Straßenland liegen rund 20 km Dränagen in der Zuständigkeit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Zu möglichen Dränagen auf Flächen landeseigener Grundstücke (einschließlich sozialer und grüner Infrastruktur) sowie auf Flächen landeseigener Betriebe liegen keine Daten vor. Frage 4: Wie werden die Drainagen und ihre Funktionstüchtigkeit dokumentiert und kontrolliert (bitte auch darlegen, wo und wie diese Dokumente öffentlich zugänglich sind)? Antwort zu 4: Die Dränagen im öffentlichen Straßenland werden durch Schachtkontrollen und Kamerabzw . Spiegelkontollen überwacht und deren Ergebnisse in Akten abgelegt. Die Dokumente sind nicht öffentlich zugänglich. Fallweise werden bei Havarien und Schadensmeldungen kurzfristige zusätzliche Kontrollen der Schächte und Leitungen durchgeführt, um Ursachen herausfinden und abstellen zu können. Frage 5: In welchem Instandhaltungszustand befinden sich die Drainagen auf öffentlichem Straßenland? Wie viele Kilometer sind funktionstüchtig und wie viele Kilometer aus welchen Gründen nicht funktionsfähig (bitte dabei um konkrete Benennung der Straßen oder kartografische Darstellung)? Antwort zu 5: Von den rund 20 km Dränagen im öffentlichen Straßenland sind seit dem Jahr 2000 rund 11 km Dränagen neu gebaut worden. Das heißt, dass mittel- bis langfristig noch 9 km Dränagehaltungen in Abhängigkeit vom baulichen Zustand erneuert werden müssen. Alle Dränagen sind funktionsfähig. Die konkrete Benennung der erneuerten und noch nicht erneuerten Dränagen ergibt sich aus nachfolgender Auflistung: Bezirk / Ortsteil Straße Länge in m Baujahr Pankow Karow Teilgebiet 05 148,43 Lönsstraße 2015/16 Karow Teilgebiet 06 690,21 Kreuzburger Str. 2000 Florastraße 2015 Kerkowstraße 2015 Karow Teilgebiet 09 2.834,69 Schräger Weg Liebenstraße Tichauer Straße Nahestraße Nettestraße 4 Rybniker Straße Bunzelauer Str. Siegstraße Straße 10 Karow Teilgebiet 17 2.203,74 Straße 44 2014/15 Straße 45 2014/15 Straße 46 2014/15 Straße 47 2014/15 Straße 48 2014/15 Straße 49 2014/15 Karow Teilgebiet 18 1.630,33 2015/16 Straße 50 Straße 44 Straße 47 Straße 45 Straße 51 Blankenburg Teilgebiet 20 1.633,66 Straße 27 2013 Straße 56 2013 Straße 26 2013 Klagenfurter Str. 2013 Villacher Straße 2013 Blankenburg Teilgebiet 21 1.221,47 Triftstraße 2011 Verbindungsweg 2011 Verbindungsweg 2010 Lautentaler Str. 2010 Sulzer Straße 2009/15 Thaler Straße Blankenburg Teilgebiet 23 997,28 Panke Bundesautobahn A 114 Burgwallstraße Gutenfelsstraße Straße 47 Blankenburg Teilgebiet 25 1.631,55 Parkstraße Georgenstraße Straße 46 Ziegelstraße 2015 Mühlenstraße Suderoder Str. 5 Heinersdorf Teilgebiet 29 108,08 Schmöckpfuhlgraben 2009 ehem. Tiefbaugelände 2009 Morschacher Weg 2009 Heinersdorf Teilgebiet 30 134,39 Schmöckpfuhlgraben 2009 ehem. Tiefbaugelände 2009 Axenstraße 2011 Stadtrandsiedlung Malchow Teilgebiet 31 415,88 Märchenlandgraben 2012 Am Graben 2012 Schwarzelfenweg 2012 Ortnitstraße 2012 Stadtrandsiedlung Malchow Teilgebiet 32 516,95 Lindwurmweg 2005 Nachtalbenweg 2005 Ornitstraße 2005 Stadtrandsiedlung Malchow Teilgebiet 33 655,33 Nachtalbenweg 2006 Gnomenplatz 2006 Haakonweg 2006 Helgiweg 2006 Jötunsteig 2006 Lichtenberg Wartenberg Teilgebiet 34 555,10 Birkholzer Weg 2012/13 Straße 1 2012/13 Straße 4 2012/13 Marzahn- Hellersdorf Falkenberg Teilgebiet 42 557,44 Ahrensfelder Chaussee 2014 Falkenberg Teilgebiet 43 896,82 Schwarzwurzelstr. Lattichweg Radieschenpfad Marzahn Teilgebiet 44 1.198,06 Bruno Baum Str. 1975 Pekrunstraße Am Schmeding 1975 Kiebitzgrund Streckmannweg Marzahn Teilgebiet 45 774,20 Pekrunstraße Blumenbachweg 1975 6 Blenheimstraße 1975 Blenheimstraße Streckmannweg Marzahn Teilgebiet 46 408,09 Pekrunstraße Manksweg Blenheimstraße Kaulsdorf Teilgebiet 51 235,22 Am Lupinenfeld Uslarer Straße Kaulsdorf Teilgebiet 55 191,76 Wallstraße 2009 Gesamtsumme 19.638,68 neu = 10.662,77 alt = 8.975,91 Frage 6: Wer ist für die Instandhaltung der Drainagen unter welchen Umständen und auf Grundlage welcher gesetzlichen Grundlagen zuständig? Antwort zu 6: Für die Instandhaltung der rund 20 km Dränagen im öffentlichen Straßenland ist die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz zuständig. Es gibt keine gesetzliche Grundlage für die Instandhaltung der Dränagen im öffentlichen Straßenland. Die Übernahme der Instandhaltungsaufgabe durch die Senatsverwaltung beruht einzig auf dem Senatsbeschluss vom 22.08.1995. Frage 7: Unter welchen Bedingungen können Drainagen aufgegeben werden, und welche Konsequenzen ergeben sich aus diesen Maßnahmen in den betroffenen Gebieten? Antwort zu 7: Eventuell können einzelne Dränagehaltungen im öffentlichen Straßenland aufgegeben werden, wenn diese durch gleichwertige Regenwasserkanäle ersetzt werden, die das Schichtenwasser abführen. Dieses muss im Einzelfall geprüft werden (siehe auch Antwort zur Kleinen Anfrage Nr. 16/14607 vom 17.08.2010). Wenn Dränagehaltungen ohne gleichwertigen Ersatz aufgegeben werden, kann das Schichtenwasser bei Regenereignissen ansteigen und zu Vernässungen führen. Frage 8: Was ist dem Senat über den Instandhaltungszustand der Drainagen auf privatem Grund bekannt? 7 Antwort zu 8: Dem Senat liegen keine Daten und Erkenntnisse über Dränagen auf privatem Grund vor. Berlin, den 21.06.2018 In Vertretung Jens-Holger Kirchner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz