Drucksache 18 / 15 330 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Hanno Bachmann und Dr. Kristin Brinker (AfD) vom 13. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Juni 2018) zum Thema: Plant der Senat allen Obdachlosen unabhängig von ihren „staatsangehörigkeitsund aufenthaltsrechtlichen Verhältnissen" Wohnungen in Berlin zu verschaffen? und Antwort vom 02. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Jul. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Herrn Abgeordneten Hanno Bachmann und Frau Abgeordnete Dr. Kristin Brinker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15330 vom 13.06.2018 über Plant der Senat allen Obdachlosen unabhängig von ihren "staatsangehörigkeitsund aufenthaltsrechtlichen Verhältnissen" Wohnungen in Berlin zu verschaffen? ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Weicht der Begriff „obdachlos“/“Obdachlosigkeit“ in der vom Senat verwendeten Begrifflichkeit definitorisch vom Begriff „wohnungslos“/ ab? Zu 1.: Die Begriffe „Obdachlosigkeit“ bzw. „Wohnungslosigkeit“ sind gesetzlich nicht definiert. Dabei ist das wesentliche Merkmal der „Wohnungslosigkeit“, dass kein insbesondere mietvertraglich abgesicherter Wohnraum besteht. Als obdachlos gelten hingegen Menschen, die auf der Straße leben, an öffentlichen Plätzen wohnen, ohne eine Unterkunft, die sich in Verschlägen, Parks oder unter Brücken etc. aufhalten. Obdachlos sind aber auch Menschen in Notunterkünften, die keinen festen Wohnsitz haben und in Wärmestuben, Notschlafstellen oder anderen niederschwelligen Einrichtungen übernachten. Die „Obdachlosigkeit“ stellt damit eine spezifische Untergruppe innerhalb der von Wohnungslosigkeit betroffenen Personen dar. 2. Wie viele von „Wohnungslosigkeit bedrohte und betroffene Personen“ gibt es in Berlin? 3. Wie viele von „Obdachlosigkeit“ bedrohte und betroffene Personen“ gibt es in Berlin? In welchen „staatsangehörigkeits- und aufenthaltsrechtlichen Verhältnissen“ befinden sich diese? (Bitte auflisten, Anzahl und entsprechende Verhältnisse!) 4. Welche Entwicklung erwartet der Senat diesbezüglich in Berlin? Mit welcher Anzahl ist über die nächsten zehn Jahre zu rechnen? Wie viele gab es über die letzten zehn Jahre? (Bitte jährliche Darstellung im Säulendiagramm: Wohnungslose, Obdachlose, jeweils „potenzielle/davon bedrohte“ und „tatsächliche“!) 2 Zu 2. – 4.: Die Ermittlung valider Zahlen zur tatsächlichen Gesamtzahl der obdach- und wohnungslosen Menschen im Land Berlin ist grundsätzlich nicht in Gänze möglich, da konkrete Erhebungen durch Behörden nur in Bezug auf die Personen möglich sind, die dort bekannt geworden sind. Der tatsächliche Anteil von Menschen, die auf der Straße leben oder die bei Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten eine vorübergehende Bleibe gefunden haben oder die in prekären Mitwohnverhältnissen leben, lässt sich aus organisatorischen, melde- und / oder datenschutzrechtlichen Gründen nicht erheben. Eine Schätzung hinsichtlich der Anzahl der Obdachlosen, bezüglich etwaiger Herkunftsländer oder hinsichtlich der Aufenthaltsberechtigung wird vom Berliner Senat nicht vorgenommen. Dem Senat liegen lediglich Angaben zur Anzahl der wohnungslosen Menschen, die von Bezirken im Rahmen ordnungsrechtlich, bzw. kommunal untergebracht werden, sowie Angaben über die prozentuale Verteilung nach Staatsangehörigkeiten im Rahmen einer Differenzierung nach Inländern, Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, sowie Drittstaatlern, vor. Diese Statistik spiegelt nur die Personengruppe der untergebrachten Wohnungslosen und nicht die der Obdachlosen wider. Die Daten werden auf Grundlage der „Regelung anonymisierter Datenmitteilung über bezirklich untergebrachte wohnungslose Personen/Haushalte gemäß Allgemeinem Zuständigkeitsgesetz (AZG) bzw. nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG Bln)“ übermittelt. Denn die Bezirksämter sind gemäß Nr. 19 Zuständigkeitskatalog des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG Bln) verantwortlich für die Ordnungsaufgaben bei Obdachlosigkeit, soweit keine Zuständigkeit für Asylbegehrende sowie Ausländerinnen und Ausländer beim Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) besteht. Der Berliner Senat geht auf Grundlage der von den Bezirken übermittelten Daten von folgenden Unterbringungszahlen aus: Kommunal / ordnungsrechtlich untergebrachte Wohnungslose im Land Berlin 2014 (zum Stichtag 31.12.14, Datengrundlage: bezirkliche Erhebung): Anzahl untergebrachter Personen Gesamt 9.615 Kommunal / ordnungsrechtlich untergebrachte Personen/Haushalte im Land Berlin 2015 (zum Stichtag 31.12.15, Datengrundlage: bezirkliche Erhebung): Anzahl untergebrachter Personen Haushalte Gesamt 16.696 10655 Kommunal / ordnungsrechtlich untergebrachte Personen/Haushalte im Land Berlin 2016 (zum Stichtag 31.12.16, Datengrundlage: bezirkliche Erhebung): Anzahl untergebrachter Personen Haushalte Gesamt 30.718 18.045 Kommunal / ordnungsrechtlich untergebrachte Personen/Haushalte im Land Berlin 2017 (zum Stichtag 31.12.17, Datengrundlage: bezirkliche Erhebung): 3 Anzahl untergebrachter Personen Haushalte Gesamt 36.905 20.576 Staatsangehörigkeit bei kommunal / ordnungsrechtlich untergebrachten Haushalten / Personen im Land Berlin (Datenbasis: 10 bezirkliche Angaben zum Stichtag 31.12.2017): Staatsangehörigkeit Haushalte / Personen in % (gerundet) Deutsch 24 EU 8 Drittstaaten 68 Bezüglich der Angaben zur Staatsangehörigkeit sei darauf hingewiesen, dass dies nicht von allen Bezirken gleichermaßen erhoben wird und eine Mischerhebung hinsichtlich Haushalten und Personen erfolgt, so dass die Angabe nur als Tendenz zu bewerten ist. Hinsichtlich der Anzahl der untergebrachten Wohnungslosen ist in den vergangenen drei Jahren ein erheblicher Anstieg zu verzeichnen. Diese Entwicklung ist vor allem auf die Gruppe von Geflüchteten, die nach den Sozialgesetzbüchern anspruchsberechtigt ist, zurückzuführen. Mit der Feststellung eines Schutzstatus und der damit verbundenen Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 25 AufenthG) werden die anerkannten Asylbewerberinnen und Asylbewerber zu Leistungsberechtigten im Sinne des zweiten oder zwölften Sozialgesetzbuch (vgl. § 7 Abs. 1 S. 3 SGB II bzw. § 23 SGB XII), infolgedessen zu Wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten Personen mit der grundsätzlichen Zuständigkeit zur Unterbringung durch die Sozialen Wohnhilfen in den Bezirksämtern. Da der Wohnungsmarkt nicht über genügend Kapazitäten verfügt, um die erforderliche Versorgung mit Wohnraum kurzfristig zu ermöglichen, ist weiterhin von einem hohen Bedarf an Unterkunftsplätzen auszugehen. 5. Ist die Vorlage so zu verstehen, dass Senatorin Breitenbach (LINKE) allen "Obdachlosen" "unabhängig von ihren staatsangehörigkeits- und aufenthaltsrechtlichen Verhältnissen" Wohnungen verschaffen will? Ja oder Nein? Zu 5.: Nein. 6. Wenn Nein, wie ist es dann zu verstehen? Zu 6.: Das Projekt hat zum Ziel, gesamtstädtische Strukturen zu schaffen, die es ermöglichen, diejenigen Personen, die nach ordnungsrechtlicher Verpflichtung oder entsprechend ihren leistungsrechtlichen Ansprüchen untergebracht werden müssen, bedarfsgerecht unterzubringen. 7. Wenn ja, Wie viele Wohnungen müssten zu diesem Zweck bereitgestellt werden? Zu 7.: Entfällt (siehe Antwort 5). 8. Wenn ja, gibt es noch andere Bundesländer oder Gemeinden in denen so verfahren wird oder werden soll? 4 Zu 8.: Die unterschiedlichen Zuständigkeiten von Bezirken und dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten innerhalb einer Stadt sind ein Spezifikum Berlins. 9. Gibt es andere EU-Länder bzw. dortige Gebietskörperschaften, die so verfahren bzw. verfahren werden? Zu 9.: Dazu ist dem Senat nichts bekannt. 10. Was sind die Gründe für die bestehende „Obdachlosigkeit“? 11. Was sind die Gründe für die drohende „Obdachlosigkeit“? 12. Welche Personengruppen sind aktuell von „Obdachlosigkeit“ bedroht? Zu 10. – 12.: Die Gründe für Obdachlosigkeit sind vielfältig und zum Teil sehr individuell. Am Beginn stehen in der Regel Lebensverhältnisse, die zum Verlust des angestammten Wohnraumes führen. Sowohl die Mietpreisentwicklung als auch der allgemein angespannte Wohnungsmarkt (insbesondere für bezahlbaren Wohnraum) können dafür ursächlich sein. Der wachsende Anteil am Einkommen, der für die Wohnungskosten aufgewendet werden muss, kann Haushalte in die Überschuldung einschließlich Mietschulden führen. Auf der individuellen Ebene können kritische Lebensereignisse sowohl Ursache der Wohnungslosigkeit als auch Folge derselben sein und weitere soziale Schwierigkeiten darstellen. Kritische Lebensereignisse können beispielsweise Erwerbslosigkeit, Trennungen, Krankheiten/ Suchtproblematiken sein. Damit im Zusammenhang steht häufig die Fähigkeit, Hilfestellungen im sogenannten Regelsystem selbst suchen bzw. annehmen zu können oder zu wollen. Ebenso kann ein Zuzug nach Berlin, ohne dass Wohnraum bereits vorhanden ist oder angemietet werden konnte, in Obdachlosigkeit münden. Berlin, den 02. Juli 2018 In Vertretung Daniel T i e t z e _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales