Drucksache 18 / 15 360 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Förster (FDP) vom 19. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Juni 2018) zum Thema: Wann beginnt eine Abwärtsspirale im geplanten Milieuschutzgebiet? und Antwort vom 06. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Jul. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Herrn Abgeordneten Stefan Förster (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15360 vom 19. Juni 2018 über Wann beginnt eine Abwärtsspirale im geplanten Milieuschutzgebiet? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Auf welcher Grundannahme beruht das Ziel der stadtweiten Ausweitung der Milieuschutzgebiete? Antwort zu 1 Grundannahme ist, dass sich die Rahmenbedingungen für einen hohen Verwertungsdruck auf den Wohnungsbestand in den nächsten Jahren nicht signifikant ändern werden: Berlin bleibt eine wachsende Stadt und für Kapitalanleger ein attraktiver Standort, der Trend von hohen Steigerungsraten bei Immobilienpreisen, Mieten und Umwandlungen setzt sich fort, vom wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt und wachsender Kaufkraft profitieren nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen. Die Rahmenbindungen führen in vielen Gebieten zur Verdrängung von Haushalten und birgen die Gefahr, dass sich die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in stark nachgefragten Gebieten deutlich wandelt, mit besonderen städtebaulichen Folgen. So können für das Land Berlin Anpassungsbedarfe für die soziale Infrastruktur und zusätzliche Aufgaben bei der Sicherung der Wohnraumversorgung entstehen. Um auf diese Entwicklungen Einfluss nehmen zu können, hat der Bundesgesetzgeber Regelungen für den Milieuschutz im § 172 Baugesetzbuch (BauGB) geschaffen, die offensiv genutzt werden sollen. Aufgrund der polyzentralen Stadtstruktur Berlins ist eine stadtweite Orientierung für den Milieuschutz geboten. Potentiell stark nachgefragte Gebiete mit hohem Aufwertungspotential, Aufwertungsdruck und Verdrängungspotential befinden sich nicht nur im S-Bahn-Ring, wo sich die überwiegende Zahl der derzeit 46 festgelten sozialen Erhaltungsgebiete konzentrieren, sondern im gesamten Stadtgebiet. Auch über besondere Stadtentwicklungsprojekte, wie die Konversion des Flughafens Tegel, die zur großräumigen Entlärmung von Stadtbereichen führen wird, verändern sich 2 Lagebewertungen für vorhandene Wohngebiete, die einen besonderen Schutz für die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung nach sich ziehen können. Frage 2: Welche Nachweise aus Prüfung und Begleituntersuchungen zur eindeutigen Wirksamkeit des Erreichens der Ziele von sozialen Erhaltungssatzungen kann der Senat vorlegen? Antwort zu 2 Für die am 03.03.2015 vom Senat beschlossene Verordnung über einen Genehmigungsvorbehalt für die Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum in Erhaltungsgebieten nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Baugesetzbuchs (UmwandV) wird die Anwendung über ein Monitoring der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen begleitet. Zum Monitoring gehört ein Berichtswesen, in dem umfassende Analysen zur Genehmigungspraxis und zur Entwicklung der Rahmenbedingungen dargestellt und Rückschlüsse zur Wirksamkeit des Instruments gezogen werden. Die Jahresberichte sind auf www.stadtentwicklung.berlin.de für Politik, Fachwelt und die interessierte Öffentlichkeit zugänglich. Von Bezirken erfolgen regelmäßig Untersuchungen in den festgelegten Milieuschutzgebieten hinsichtlich des Fortbestandes der Anwendungsvoraussetzungen. Zudem erfolgen auch speziellere Untersuchungen zu Wirkungen und Einzelthemen. Verwiesen sei auf die vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg in Auftrag gegebene Untersuchung – Milieuschutz Wirkungsanalyse in Friedrichshain-Kreuzberg (asum GmbH, Mai 2017). Die Untersuchung ist veröffentlicht auf www.berlin.de/ba-friedrichshainkreuzberg /. Grundsätzlich ist nicht in Frage zu stellen, dass in den Bereichen, wo Genehmigungsvorbehalte gelten, diese auch Wirkungen entfalten. So ist allgemein anerkannt, dass das Instrument des Milieuschutzes entschleunigend und dämpfend auf Prozesse von Strukturveränderungen wirkt. Zu beachten ist, dass weitere Faktoren für die Wohnkostenentwicklung in den Gebieten bestimmend sind, die nicht im Regelungskreis des BauGB liegen. Dies sind u.a. die mietrechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB; Modernisierungsumlagen, Regelungen zum Mietspiegel etc.). Frage 3: Wie evaluiert und justiert der Senat die Ausweitung und Wirkungsweise von Milieuschutzgebieten, wenn durch §30 AGBauGB die Aufsichtspflicht nicht beim Senat liegt, sondern lediglich die Bezirke die Ausweisung und Einhaltung der sozialen Erhaltungssatzungen ausüben? Antwort zu 3 Vgl. dazu Antwort zu Frage 2. Gemäß § 30 S. 1 AGBauGB sind grundsätzlich die Bezirke für den Erlass von sozialen Erhaltungsverordnungen und damit auch für das vorhergehende Untersuchungsverfahren sowie die Überwachung des Milieuschutzgebiets nach Erlass der Rechtsverordnung zuständig. Der Senat unterstützt die Bezirke bei ihrer Aufgabenerfüllung umfassend. So werden u.a. die Ergebnisse der stadtweiten Raumbeobachtungen für den Wohnungsmarkt sowie zur sozialen Entwicklung aufbereitet, Hilfen bei der Interpretation und Hinweise auf besondere Entwicklungen gegeben. 3 Der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den Bezirken und dem Senat für den Bereich Milieuschutz werden grundsätzlich als sehr gut eingeschätzt. Gemäß § 30 S. 3 i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 4 AGBauGB hat das zuständige Senatsmitglied jedoch auch die Möglichkeit, im Einzelfall von einem Eingriffsrecht Gebrauch zu machen, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Ein solches Eingriffsrecht besteht, wenn ein Handeln oder Unterlassen des jeweils zuständigen Bezirksamts im Einzelfall dringende Gesamtinteressen des Landes Berlin beeinträchtigt. Das zuständige Senatsmitglied hat dann zunächst ein Informations- und Weisungsrecht. Wird einer etwaig erteilten Einzelweisung nicht Folge geleistet, kann das zuständige Senatsmitglied das Verfahren im Wege eines Eintrittsrechts an sich ziehen. Für den Bereich des Milieuschutzes wurde vom Eingriffsrecht bisher kein Gebrauch gemacht. Berlin, den 6. Juli 2018 In Vertretung Sebastian Scheel ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen