Drucksache 18 / 15 370 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sebastian Walter und Catherina Pieroth (GRÜNE) vom 18. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Juni 2018) zum Thema: Hepatitiden in Berlin und Antwort vom 04. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Jul. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Frau Abgeordnete Catherina Pieroth (Grüne) Herrn Abgeordneten Sebastian Walter (Grüne) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15 370 vom 18. Juni 2018 über Hepatitiden in Berlin _______________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1.a) Wie beurteilt der Senat die aktuelle Situation in Bezug auf Hepatitis A, B und C in Berlin? Zu 1a.: Zu Hepatitis A: Von Ende 2016 bis ca. Anfang 2018 ereignete sich ein großer Hepatitis A- Ausbruch, der vornehmlich Männer betraf, die Sex mit Männern hatten (MSM). Der Ausbruch war eingebettet in einen großen europäischen Hepatitis A-Ausbruch unter MSM, der durch drei zirkulierende Subtypen des Hepatitis A Genotyps Ia verursacht wurde und bis Ende 2017 europaweit fast 4.000 Fälle zählte. Berlin war das Zentrum des bundesweiten Geschehens, weswegen das Land Berlin auch die höchsten Inzidenzen im Jahr 2017 in Deutschland hatte. Mittlerweile werden nur noch sporadisch Hepatitis A-Erkrankungen von Männern im typischen Alter der betroffenen MSM übermittelt und die Fallzahl liegt aktuell im Jahr 2018 wieder im Bereich des Medianwertes der fünf Vorjahre. Berlin hat, wie andere Stadtstaaten auch, höhere Inzidenzen von Hepatitis A als andere Bundesländer. Zu Hepatitis B: Der starke Anstieg der Fallzahlen im Jahr 2017 ist in erster Linie auf eine veränderte amtliche Zählweise („Referenzdefinition“) zurückzuführen, die im Jahr 2015 vom Robert Koch-Institut eingeführt wurde, sich in Berlin aufgrund des späteren Wechsels der bezirklichen Gesundheitsämter auf eine IfSG-konforme Software erst im Jahr 2017 bemerkbar machte. Die Inzidenz von Hepatitis B im Jahr 2017 lag im Land Berlin nur geringfügig über dem bundesweiten Durchschnitt. Zu Hepatitis C: Die Zahlen zu Hepatitis C sind (auch bundesweit) seit 2014 rückläufig. In diesem Jahr wurde eine Reihe direkt antiviral wirksamer Substanzen zugelassen. Ein Zusammenhang zwischen Fallzahlrückgang und Erweiterung des Therapiespektrums chronischer Hepatitis C-Erkrankungen erscheint wahrscheinlich. Das Land Berlin hat seit Jahren die höchsten Inzidenzen aller Bundesländer. - 2 - 2 1.b) Wie viele Fälle von Hepatitis gab es in den letzten drei Jahren in Berlin? Bitte nach Gruppe und Monat aufschlüsseln. Zu 1b.: Siehe Tabelle in der Anlage. 2.a) Welche Beratungs- und Testinfrastruktur gibt es in Berlin für Personen, die sich zum Thema Hepatitiden beraten oder auf Hepatitiden testen lassen wollen? Zu 2a.: Den größten Anteil an der Beratungstätigkeit und der Durchführung von Testen haben niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Daneben gibt es für spezielle Zielgruppen Angebote durch freigemeinnützige Träger wie z. B. die Projekte der Berliner Testkampagne zu HIV/Aids sowie sexuell übertragbaren Infektionen. Weiterhin werden in den fünf Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung der bezirklichen Gesundheitsämter Tests zur Hepatitis A, B und C angeboten und im Bedarfsfall Impfungen durchgeführt. 2.b) Wie viele Tests sind dabei durchgeführt werden? Zu 2b.: Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung: 2015 1.617 2016 1.625 freigemeinnützige Träger 2015 555 Schnelltests auf Hepatitis C 2016 575 3.a) Welche Zielgruppen werden wie durch die vorhandene Beratungsinfrastruktur stadtweit abgedeckt? 3.b) Wie werden Zielgruppen – insbesondere MSM – auf die Angebote aufmerksam gemacht und für Prävention bzw. Tests sensibilisiert? 3.c) Welche Zielgruppen werden mit dem aktuellen Angebot nicht oder nur unzureichend erreicht, so dass weitere Informations-, Beratungs- und Testangebote notwendig sind? Zu 3a., b. und c.: Es wird davon ausgegangen, dass niedergelassene Ärztinnen und Ärzte von allen Zielgruppen kontaktiert werden. - 3 - 3 Die Projekte der Testkampagne und das vor-Ort-arbeitende Projekt manCheck sprechen darüber hinaus gezielt die Zielgruppen MSM und injizierende Drogengebraucherinnen und –gebraucher an. Durch den grundsätzlich sozialkompensatorischen Ansatz des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sprechen die Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung der Gesundheitsämter eher Menschen an, die nicht versichert sind oder sich ihres Versicherungsschutzes nicht bewusst sind. Mit dem einzurichtenden „Checkpoint“ für MSM und trans*Menschen soll eine Versorgungslücke geschlossen werden. Ziel ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Trägern und niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, die dann im Verbund das Gesamtpaket von Information, Testung, Impfung oder Therapie anbieten können. Damit kann die Weitervermittlung an Dritte entfallen. 4.a) Welche Maßnahmen hat der Senat bzw. welche Maßnahmen haben die Bezirke im Zusammenhang mit der erhöhten Anzahl von Hepatitis A-Infektionen unter MSM im Jahr 2017 ergriffen? 4.b) Welche Verwaltungen und Behörden waren dabei involviert und wem oblag die Steuerung und Abstimmung der Maßnahmen? Zu 4a. und 4b.: Der Ausbruch von Hepatitis A wurde von den Gesundheitsämtern sehr früh erkannt und regional, national aber auch international durch das LAGeSo kommuniziert. Die Surveillance von Hepatitis A-Infektionen wurde durch das LAGeSo in enger Zusammenarbeit mit den bezirklichen Gesundheitsämtern intensiviert. Maßnahmen: 1) Das LAGeSo hat auf drei international nutzbaren Dating Apps für MSM und acht mobilen Websites der LGBT-Szene Anzeigen verschiedener Formate v.a. während des zweiten Ausbruchspeaks im März 2017 geschaltet. Diese verlinkten auf eine eigens im Rahmen des Ausbruchsmanagements konzipierte Informationsseite des LAGeSo zum Hepatitis A- Ausbruch, auf der Informationen zu Hepatitis A-relevanten Risikofaktoren und Transmissionswegen zielgruppengerecht zusammengestellt waren. Kern der auf diesem Weg kommunizierten Empfehlungen war die Impfung von MSM gegen Hepatitis A, die auch von der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch Institut (RKI) empfohlen wird, sowie eine Postexpositionsprophylaxe (Impfung oder Gabe von Immunglobulinen) von Kontaktpersonen . Die im Zuge der Kampagne gestalteten Informationsanzeigen wurden darüber hinaus auch auf den Internetauftritten verschiedener Clubs, Saunas und Events der Szene veröffentlicht, um Besucher niederschwellig und auf breiter Basis zu informieren. 2) Im Zuge des Ausbruchsmanagements wurden durch das LAGeSo mehr als 15.000 Info- Postkarten und 250 Poster in Berliner Clubs, Darkrooms, Gay-Saunas sowie in Cafés und Apotheken in relevanten Kiezen verteilt. Die Poster waren mit sogenannten NFC-(Near field Communicaton) Chips ausgestattet, die eine direkte Verbindung von in der Nähe des Posters platzierten Smartphones zur Hepatitis A Informationsseite des LAGeSo ermöglichten . - 4 - 4 3) Das LAGeSo war in Kooperation mit dem RKI, den Berliner HIV-Schwerpunktärzten und den Gesundheitsämtern von Berlin auf dem größten Europäischen lesbisch-schwulen Straßenfest im Berliner Motzstraßenkiez während der Prideweek im Juli 2017 mit einem Informationsstand vertreten, der auch eine umfassende Impfberatung anbot. 4) Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung hat das Robert Koch- Institut (RKI) um Amtshilfe bei der Untersuchung des Ausbruchs ersucht. In der Folge hat das RKI spezialisierte Ärzte des “Arbeitskreis AIDS niedergelassener Ärzte Berlin e.V.” über den Ausbruch aufgeklärt und bei ihnen 1) eine KAP (knowledge, attitude, practices)- Querschnittsstudie bezgl. Hepatitis A und MSM und 2) eine Querschnittsstudie zur Hepatitis A-Impfquote bei MSM durchgeführt. 4.c) Welche finanziellen (Mehr)Bedarfe sind dabei entstanden? Zu 4c.: Die finanziellen Mehrbedarfe sind in nachfolgender Tabelle aufgeführt. Kampagnenarm Enthaltene Posten Kosten Social Media Kampagne Anzeigenschaltung auf drei Dating Apps, acht Websites , Gestaltung der Anzeigen , Bildrechte 2.985 € Poster und Postkarten 15.000 Postkarten (Englisch und Deutsch); 250 Poster mit nfc-Chips; inklusive Gestaltung 1.397,90 € Präsenz auf dem Motzstraßenfest Messestand, Fahnen, Banner , Infomaterial, Gestaltung Anzeige 1.296,84 € Gesamtkosten 5.679,74 € Quelle: Zuarbeit LAGeSo, Dr. Werber, 27.06.18 Zudem: Anzeige Straßenfest: 1.500 € (Kosten durch das RKI übernommen) 5. Welche Reichweite erzielten entsprechende Beratungs- und Informationsangebote (Website-Klicks, Anzeigenausspielung im Internet, Beratungsgespräche etc.)? Zu 5.: Im Rahmen der Kampagne auf Dating Apps und mobilen Webseiten wurden insgesamt 1.920.180 Anzeigen geschaltet, die zu 8.831 Klicks führten. Darüber hinaus wurden die Anzeigen auch auf Internetauftritten verschiedener Clubs, Saunas und Events der Szene veröffentlicht, bzw. auch von Usern in sozialen Medien (z.B. Facebook) geteilt. Hierzu liegen keine konkreten Zahlen vor. Auf der Informationsseite des LAGeSo zum Hepatitis A-Ausbruch wurden bis zum Ende der Kampagne (31.07.2017) 17.163 Besucher gezählt. Angaben zu der Anzahl der Beratungsgespräche in den Gesundheitsämtern/Beratungsstellen bzw. auf dem Straßenfest im Motzstraßenkiez liegen dem Senat nicht vor. - 5 - 5 6. Wie soll die Präventionsarbeit zu Hepatitiden fortgesetzt werden? Wird das LAGESO wieder beim Lesbisch-Schwulen Stadtfest rund um die Motzstraße mit einem Stand vertreten sein? Zu 6.: Der einzig sichere Schutz vor Hepatitis A ist die Impfung. Die STIKO empfiehlt die Hepatitis A-Impfung für „Personen mit einem Sexualverhalten mit erhöhtem Expositionsrisiko; z.B. Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). Der Erfolg der Hepatitis A-Prävention bei MSM wird wesentlich von der konsequenten Umsetzung dieser Empfehlung abhängen. Das LAGeSo wird dieses Jahr nicht mit einem Stand auf dem Lesbisch-Schwulen Stadtfest rund um die Motzstraße vertreten sein. 7. Wie werden freie Träger aktuell in die Kampagne zu Hepatitiden eingebunden? Sind hier im Jahr 2018 Veränderungen geplant? Zu 7.: Im Rahmen des Ausbruchsmanagements sind freie Träger im Jahr 2017 wie folgt eingebunden worden: Mit der Deutschen Aidshilfe erfolgte eine Abstimmung über Inhalte eines Evaluationsfragebogens auf der LAGeSo-Website und das Design des Kampagnenmaterials . Bei der Verteilung von Postern und Postkarten gab es Unterstützung von der Schwulenberatung Berlin GmbH, bei der Bereitstellung von Kampagnenmaterial (digital und Poster /Postkarten) von Mann-O-Meter e.V. Bzgl. des Straßenfests im Motzstraßenkiez stellte Fixpunkt e.V. ein Impfberatungsmobil und Personal zur Verfügung. Bei der Durchführung eines Surveys auf dem Fest zur Evaluation des Erfolgs der Kampagnen wurde das LA- GeSo von der Berliner Aidshilfe unterstützt. 8. Welche Vorbereitungen trifft der Senat, falls es erneut zu einem Anstieg von Hepatitis A-Infektionen unter MSM kommen sollte? Zu 8.: Im Zuge des Hepatitis A-Ausbruchs 2017 wurde über verschiedene Kommunikationswege auf die von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfohlene Impfung gegen Hepatitis A hingewiesen. Die Impfung verhindert wirksam eine Infektion mit dem Hepatitis A-Virus. Berlin, den 4. Juli 2018 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Für SA 18-15370, Stand: 21.06.2018 Hepatitis A Jahr/Monat Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Summe 2015 2 1 3 1 3 6 4 4 2 6 12 10 54 2016 11 11 3 2 1 5 3 1 3 3 4 17 64 2017 37 11 30 12 5 12 10 6 13 13 15 15 179 Hepatitis B Jahr/Monat Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Summe 2015 6 8 9 0 4 7 3 5 5 9 5 2 63 2016 5 11 10 4 10 6 2 5 2 3 9 11 78 2017 12 8 13 13 11 16 16 18 19 15 18 14 173 Hepatitis C Jahr/Monat Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Summe 2015 44 24 49 37 33 30 38 27 28 37 36 39 422 2016 25 29 27 33 31 34 35 33 35 41 29 33 385 2017 18 12 20 16 30 20 21 35 27 23 38 23 283 Quelle: LAGeSo, I C 3 An das LAGeSo übermittelte Erkrankungen (mit Referenzdefinition) an Hepatitis A, Hepatitis B, Hepatitis C in den Jahren 2015-2017, nach Meldemonat und -jahr