Drucksache 18 / 15 426 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stephan Standfuß (CDU) vom 21. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Juni 2018) zum Thema: Entwicklung der Ergebnisse des Deutschen Motorik Tests und Antwort vom 10. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Jul. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Stephan Standfuß (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15426 vom 21. Juni 2018 über Entwicklung und Ergebnisse des Deutschen Motorik Tests ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie haben sich die Ergebnisse des Deutschen Motorik Tests in Berlin in den vergangenen fünf Jahren entwickelt? 2. Welche Unterschiede gibt es zwischen den Entwicklungen der einzelnen Fertigkeiten Koordinationsfähigkeit, Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit? Zu 1. und 2.: In den Schuljahren 2011/12 bis 2015/16 wurden in jedem Jahr in mehreren Berliner Bezirken Schülerinnen und Schüler der 3. Klassen mit dem Deutschen Motorik-Test (DMT) untersucht und in diesem Kontext bezüglich ihrer sozio-demographischen Hintergründe befragt. Insgesamt nahmen 20.566 Drittklässlerinnen und Drittklässler teil. Unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Z. (Deutsche Hochschule für Gesundheit & Sport, Institut für Leistungssport & Trainerbildung) wurden diese Daten ausgewertet. Beim Vergleich der durchgeführten Querschnittsuntersuchungen über den Zeitraum dieser 5 Jahre zeigt sich Folgendes: 1. Der Fitness-Zustand der Schülerinnen und Schüler in den 3. Klassen hat sich über die fünf Jahre – im Ganzen gesehen – leicht verbessert; allerdings gibt es in den einzelnen Tests (Fertigkeiten) sowohl positive als auch negative Entwicklungen. So ist beispielsweise auffällig, dass sich die Leistungen im 6 Minuten-Lauf (6 Min. Lauf), beim seitlichen Hin-und Herspringen (SHH), beim Rumpfbeugen (RB) und den Liegestützen (LS) sowohl bei den Mädchen als auch den Jungen verbessert, sich die Sprintleistungen (20m), die Sit ups (SU) und das Balancieren rückwärts (Bal rw) jedoch verschlechtert haben. Weiter lässt sich Folgendes feststellen: Im Vergleich zum Schuljahr 2010/11 2 laufen im Jahre 2015/16 die Schülerinnen und Schüler im 6 Minuten-Lauf ca. 60m weiter (das sind Verbesserungen um ca. 7 %), verbessern sich bei den LS um 1,15 Stück (das sind ca. 12 %), im Standweitsprung (SW) um 2,8 cm, im SHH um 2,8 Sprünge und beim RB um 1,6 cm. Dagegen benötigen sie für den 20m Sprint ca. 0,1 Sekunde länger und schaffen 0,9 Sit ups (ca. 5 %) und 0,5 Schritte beim Bal rw weniger. 2. In der 3. Klasse sind die Schülerinnen und Schüler zwischen 7 und 10 Jahre alt, wobei die 8- und 9 Jährigen mit insgesamt 19.084 Schülerinnen und Schüler (92,8 %) die größte Gruppe bilden. Diese unterschiedlich alten Schülerinnen und Schüler unterscheiden sich bezüglich ihrer körperlichen Voraussetzungen (Körpergröße, Körpergewicht, BMI) erwartungsgemäß deutlich voneinander, hinsichtlich ihrer motorischen Leistungsfähigkeit aber nur marginal, oft sogar umgekehrt proportional. Vor allem die 8-, 9- und 10-jährigen Schülerinnen und Schüler profitieren in ihrem Fitness-Werten nicht von ihrem höheren Lebensalter: So sind die 10-Jährigen körperlich (Körperhöhe, Körpergewicht, BMI) den 9-Jährigen und diese wiederum den 8-Jährigen voraus; sie unterscheiden sich aber in ihren Leistungen im Sprint, im Bal rw sowie im SHH nicht. Im 6 Min. Lauf, im SW, SU, LS und RB sind sogar die 10-Jährigen schwächer als die 9-Jährigen und diese schwächer als die 8-Jährigen. 3. Vergleicht man die Ergebnisse der Berliner Untersuchungen mit den Ergebnissen einer bundesweiten Stichprobe von Bös et al, (Deutscher Motorik- Test, Feldhaus Verlag 2009) auf der Basis von Leistungsklassen (LK), so gibt es in Berlin überdurchschnittlich viele Schülerinnen und Schüler in den höchsten Leistungsklassen LK4 bzw. LK5 („Talente“) und überdurchschnittlich wenige in den beiden unteren Leistungsklassen LK1 bzw. LK2 („Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf“). Diese positive Situation verbessert sich von Jahr zu Jahr: Im Schuljahr 2011/12 gab es 33 % Berliner Drittklässlerinnen und Drittklässler in LK 4 und 5 sowie 23 % in LK 1 und 2; 2015/16 war das Verhältnis 41 % zu 16 %! 4. Bezüglich der in den vergangenen drei Jahren (2013/14 bis 2015/16) erhobenen sozio-demographischen Daten von 13.607 Schülerinnen und Schülern zeigen sich starke Schwankungen in den verschiedenen Jahren und zwischen den Bezirken. So gab es beispielsweise bei der Vereinszugehörigkeit und bei der Anzahl der Sport treibenden Familien einen starken Einbruch von 2013 zu 2014, der 2015 zwar aufgeholt, aber nicht wett gemacht werden konnte. Bezüglich der Vereinszugehörigkeit wirkt sich dieses besonders aus, weil die Schülerinnen und Schüler enorm von einer solchen Vereinstätigkeit profitieren: Von 13607 in drei hintereinanderliegenden Jahren untersuchten Schülerinnen und Schülern erreichten die 6387 Vereinsangehörigen in ca. 50 % überdurchschnittliche Fitnesswerte, bei den 7220 Nichtmitgliedern waren das nur ca. 31 %. Erfreulich ist, dass die Freude der Schülerinnen und Schüler auf die Sportstunde auf hohem Niveau sogar weiter ausgebaut werden konnte (von 92,8 % 2013/14 auf 94,9 % 2014/15) und dass sich auch das Interesse der Sportlehrkräfte für das Sporttreiben ihrer Schülerinnen und Schüler in diesen Jahren deutlich verbessert hat (von 46,8 % auf 59,3 %). Sowohl bei den Mädchen als auch den Jungen steht das sportliche Hobby in allen drei Untersuchungsjahren deutlich an der Spitze, nimmt aber doch spürbar ab. Dagegen holen die technischen Hobbys (bei den Jungen) bzw. die künstlerischen Hobbys (bei den Mädchen) bemerkenswert auf. Die Feststellung in den ersten Jahren der Untersuchungen von ‚Berlin hat Talent‘ ist weiterhin richtig, dass es um die Sportaffinität der Drittklässlerinnen und Drittklässler 3 insgesamt besser bestellt ist, als man vermuten konnte. In den fünf zurückliegenden Jahren hatten mehr als 20.000 Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, ihre Fitness zu testen; viele von ihnen haben an Talentiaden (ca. 2500 Schülerinnen und Schüler) teilgenommen, einige sogar in Talentsichtungs- (ca. 250 Schülerinnen und Schüler) oder in Bewegungsfördergruppen (ca. 400 Schülerinnen und Schüler) ihre Bewegungskompetenz ausgebaut. Bei Berücksichtigung der differenzierten positiven und negativen Entwicklungen der Testergebnisse für Berliner Drittklässlerinnen und Drittklässler 2011 bis 2016 lässt sich verallgemeinert festhalten, dass die Berliner Werte tendenziell über den deutschen Vergleichswerten liegen, ein gutes Niveau insbesondere bei Koordinationsaufgaben besteht, wogegen in den Ausdaueraufgaben Reserven vorhanden sind. 3. Wie viele Kinder haben in den jeweiligen Schuljahren am Deutschen Motorik Test teilgenommen? Zu 3.: Im Rahmen von ‚Berlin hat Talent‘ wurden in den vergangenen Jahren knapp 35.000 Berliner Drittklässlerinnen und Drittklässler untersucht. Die detaillierte Aufschlüsselung zeigt nachfolgende Tabelle: Jahr Bezirk DMT n= männlich weiblich 2011/2012 Reinickendorf 1366 709 657 Marzahn-Hellersdorf 991 517 474 Summe 2357 1226 1131 2012/2013 Neukölln 1557 792 765 Mitte 1178 571 607 Summe 2735 1363 1372 2013/2014 Charlottenburg 1116 590 526 Lichtenberg 1177 599 578 Treptow-Köpenick 867 440 427 Summe 3160 1629 1531 2014/2015 Lichtenberg 1183 622 561 Charlottenburg 659 351 308 Treptow-Köpenick 996 501 495 Steglitz-Zehlendorf 1223 632 591 Spandau 1120 585 535 Summe 5181 2691 2490 2015/2016 Lichtenberg 1285 633 652 Tempelhof-Schöneberg 1091 552 539 Pankow 1210 642 568 Treptow-Köpenick 1124 584 540 Charlottenburg 1292 649 643 Sportbetonte Schulen 1131 562 569 Summe 7133 3622 3511 Lichtenberg 1015 532 483 Neukölln 1619 795 824 4 2016/2017 Treptow-Köpenick 979 507 472 Mitte 1227 647 580 Charlottenburg 1238 620 618 Spandau2 559 293 266 Summe 6078 3101 2977 2017/2018 Lichtenberg 1213 606 607 Neukölln 1544 815 729 Treptow-Köpenick 1288 660 628 Marzahn-Hellersdorf 1029 491 538 Charlottenburg 1069 540 529 Spandau 1230 611 619 Summe 7373 3723 3650 GESAMT 34017 15992 15290 4. Wie stellt der Senat sicher, dass die Kinder an allen Berliner Schulen die notwendigen sportmotorischen Fähigkeiten erlangen, insbesondere dort, wo das Projekt „Berlin hat Talent“ nicht durchgeführt wird? Zu 4.: Grundsätzlich ist es Aufgabe des Sportunterrichts sportmotorische Fähigkeiten zu entwickeln und zu verbessern. Hierzu stehen drei Unterrichtsstunden pro Woche zur Verfügung und der Rahmenlehrplan macht entsprechende Vorgaben. Unterstützt wird dieser Entwicklungsauftrag durch außerunterrichtliche Sportangebote, die insbesondere im Ganztag eine wichtige Rolle einnehmen. Die durch den DMT aufgezeigten sportmotorischen Defizite und mit dem Programm von ‚Berlin hat Talent‘ eingeleiteten Entwicklungsmaßnahmen können nicht als ein Standard für alle Berliner Schulen angesehen werden. Dennoch ist es wünschenswert , dass an dem Projekt so viele Schulen wie möglich teilnehmen. In diesem Zusammenhang sei hervorgehoben, dass Schulen, die nicht im Rahmen von ‚Berlin hat Talent‘ untersucht werden können, über eine Selbsttestung, d. h. die Schule führt den DMT selbst durch, Anträge auf die Bildung von Bewegungsfördergruppen beim Landessportbund Berlin e.V. stellen können. 5. Welche Handlungsempfehlungen ergeben sich aus den jeweiligen Ergebnissen des Deutschen Motorik Tests? Zu 5.: Die Untersuchungsergebnisse zu ‚Berlin hat Talent‘ weisen entscheidende Einflussfaktoren aus. Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang: 1. ein deutlich verstärkter Aufbau von Talentsichtungsgruppen und Bewegungsfördergruppen ; 2. die Weiterentwicklung der Bewegungs- und Trainingsprogramme, die - in den Bewegungsfördergruppen zu einer nachhaltigen Veränderung des Bewegungs-, Ernährungs-, Gesundheits- und Medienverhaltens und - in den Talentsichtungsgruppen zu einer der Persönlichkeitsentwicklung dienenden Förderung der sportlichen Begabung führen; 5 3. die Fortführung der Weiterbildung von Trainern, Lehrkräften sowie Übungsleiterinnen und Übungsleitern entsprechend der komplexen Zielstellungen in den Bewegungs- und Trainingsprogrammen (Veränderung des Bewegungsverhaltens, Persönlichkeitsentwicklung,..). Berlin, den 10. Juli 2018 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie