Drucksache 18 / 15 503 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Emine Demirbüken-Wegner (CDU) vom 29. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Juli 2018) zum Thema: Berliner Kita-Elend – kommt (k)ein Ende? und Antwort vom 12. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Jul. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Frau Abgeordnete Emine Demirbüken-Wegner (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15 503 vom 29. Juni 2018 über Berliner Kita-Elend – kommt (k)ein Ende? ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Kita-Plätze werden zu Beginn des neuen Schuljahres 2018/2019 frei und wie viele Kita-Plätze werden bis dahin insgesamt im Land Berlin gebraucht, um den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz zu erfüllen ? 2. Wie sieht der aktuelle Stand der online geführten Wartelisten auf dem Online-Portal das Senats aus und ist dieser deckungsgleich mit den bezirklichen Vormerklisten für einen Kita-Platz (bitte beides nach Bezirken aufgliedern)? Inwiefern verändert sich dadurch die Gesamtzahl der benötigten Kita-Plätze (bitte Zahl konkret angeben) und kann der daraus entstandene Bedarf nach Auffassung des Senats gedeckt werden? 5. Bei wie vielen der benötigten Plätze handelt es sich dabei um Fälle, bei denen der im Kita-Gutschein vorgesehene Betreuungsbeginn bereits verstrichen ist? Wie viele Kita-Plätze konnte in diesem Zusammenhang die Kita-Task-Force bisher gewinnen, um für diese dringenden Fälle die notwendigen Plätze zu akquirieren (Zahlen bitte nach Bezirken aufgliedern)? 10. Ist der Senat davon überzeugt, dass das von ihm ergriffene gesamte Maßnahmenpaket zur Platzgewinnung bis zu Beginn des neuen Kita-Jahres 2018/2019 ausreichen wird, um den Bedarf insgesamt zu decken ? Oder ist er der Auffassung, dass dieses Maßnahmenpaket noch weiter fortgesetzt werden muss? Wenn ja, mit welchen Inhalten und in welcher Form? Zu 1., 2., 5. und 10.: Zum Stichtag 30.06.2018 (Stand 03.07.2018) waren im Fachverfahren Kita der Integrierten Software Berliner Jugendhilfe (ISBJ-Kita) rund 34.000 Kinder erfasst, die aufgrund ihres Alters zum August 2018 schulpflichtig werden. Die Zahl der Kinder, die gemäß § 42 Abs. 3 Schulgesetz (SchulG) von der Schulbesuchspflicht zurückgestellt werden, wird jedoch erst im dritten Quartal veröffentlicht, so dass eine verbindliche Zahl der aus dem Kita- in das Schulsystem übergehenden Kinder aktuell nicht benannt werden kann. Auf Basis vorläufiger Zahlen ist nach Einschätzung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (SenBildJugFam) mit ca. 30.000 bis 31.000 Kindern zu rechnen. Erfahrungsgemäß übersteigt die Zahl der Kinder, die zum August in das Schulsystem wechseln, die Zahl der Kinder, die zu Beginn des Kitajahres in das Kitasystem eintreten, (siehe Abbildung 1). Insofern ist die Zahl der registrierten Verträge im August und Sep- - - 2 tember eines Jahres im Vergleich zum Juli deutlich rückläufig. Diese Entwicklung wird auch für das Kitajahr 2018/2019 erwartet. Abbildung 1: Entwicklung der in ISBJ erfassten Betreuungsverträge in Kindertageseinrichtungen ohne Kindertagespflege im Jahresverlauf in den Jahren 2014 bis 2018 (Quelle: ISBJ, Gesamtjugendhilfeplanung ; Stand: 03.07.2018) Aktuell sind in ISBJ (Stichtag 30.06.; Erhebungsstand 03.07.) insgesamt rund 12.600 Bedarfsbescheide (Gutscheine) mit einem Wunschbetreuungsbeginn 01.08.2018 erfasst, von denen zum Stichtag ca. 7.000 Gutscheine bereits als Vertrag registriert sind (darunter rund 6.200 für den Monat August 2018). Darüber hinaus sind in ISBJ weitere ca. 3.200 Verträge für Kinder registriert, die einen Wunschbetreuungsbeginn vor August 2018 benannt haben. In der Gesamtschau rechnet die SenBildJugFam für August / September 2018 mit Zugängen im Umfang von rund 15.000 bis 16.000 Kindern bzw. einer Gesamtvertragszahl in Kindertageseinrichtungen (ohne Kindertagespflege) in Höhe von rund 147.000 Kindern. Hierin enthalten sind auch jene Kinder (sofern für diese ein Antrag auf einen Kitagutschein gestellt wurde), die von den Trägern und Einrichtungen über das Fachverfahren ISBJ- Vormerkung auf den jeweiligen Vormerklisten der Träger- bzw. Einrichtungen erfasst worden sind. Mit Stand 03.07.2018 waren in ISBJ-Vormerkung insgesamt rund 9.500 Vormerkungen mit einem Wunschbetreuungsbeginn August 2018 erfasst (siehe Tabelle 1). Die Kinder, die auf diesen Warte- bzw. Vormerklisten der verschiedenen Träger geführt werden, können auch auf Listen der bezirklichen Jugendämter erfasst sein und somit eine Teilmenge bilden. Eine Deckungsgleichheit zwischen den Listen besteht jedoch nicht. Die Frage der Deckungsgleichheit hat allerdings keine Auswirkungen auf die Bedarfsbzw . Nachfrageermittlung, da die Vormerklisten hierfür nicht herangezogen werden. Der Bedarf wird vielmehr auf Basis der Bevölkerungsentwicklung in der Altersgruppe der Kinder 0 bis unter 7 Jahre sowie Annahmen über den Grad der Inanspruchnahme (siehe aus- - - 3 führlich Kitaentwicklungsplanung 2016–2020; Rote Nummer 2317G) ermittelt, während die aktuelle Nachfrage mit Hilfe der in ISBJ erfassten Anträge und Gutscheine bestimmt wird. Tabelle 1: Anzahl der von Trägern in ISBJ-Vormerkung erfassten Vormerkungen zum Wunschbetreuungsbeginn 01.08.2018 differenziert nach Bezirken (ohne die von Bezirken erfassten Vormerkungen); (Quelle: ISBJ; Stichtag 30.06.2018; Stand: 03.07.2018) Unabhängig von der Annahme, dass unmittelbar zu Beginn des Kitajahres 2018/2019 zahlenmäßig ausreichende Betreuungskapazitäten zur Verfügung stehen, um die zu diesem Zeitpunkt erkennbare Nachfrage zu decken, bedarf es nach Einschätzung des Senats jedoch weiterer Maßnahmen zur Sicherung des Rechtsanspruchs. Hierzu zählen sowohl Maßnahmen zur Gewinnung weiterer Personalressourcen in den Kitas als auch eine Fortsetzung der Platzausbaumaßnahmen. 3. Wie hat der Senat sein wiederholtes Versprechen eingelöst, Kita-Platz suchenden Eltern die digitale Abfrage nach freien Kita-Plätzen zu erleichtern, sowie ein verbessertes Programm zum Abgleich von Vormerkliste und tatsächlicher Anmeldung/Zusage zur Verfügung zu stellen? Zu 3.: Der Senat hat bereits im Jahr 2014 das Fachverfahren ISBJ-Vormerkung eingeführt, das einen Abgleich zwischen dezentral auf Ebene der Träger und Kindertageseinrichtungen erfassten Vormerkungen unterstützt, beispielsweise, in dem es Informationen über den jeweiligen Status des Kindes (Antrag gestellt, Gutschein erteilt, Vertragsschluss) an die nachgefragten Anbieter meldet. Darüber hinaus unternimmt die SenBildJugFam aktuell im Rahmen des Projektes ISBJ- ReDesign Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Kitaverzeichnisses (siehe hierzu ausführlich die Antworten zu den Schriftlichen Anfragen Nr. 18/13320 vom 12.02.2018 sowie Nr. 18/15320 vom 29.06.2018. Bezirk Nr. Bezirk (hier: Wohnbezirk) Anz. Vormerkungen 01 Mitte 1.238 02 Friedrichshain-Kreuzberg 1.256 03 Pankow 668 04 Charlottenburg-Wilmersdorf 1.103 05 Spandau 392 06 Steglitz-Zehlendorf 585 07 Tempelhof-Schöneberg 982 08 Neukölln 553 09 Treptow-Köpenick 795 10 Marzahn-Hellersdorf 426 11 Lichtenberg 757 12 Reinickendorf 586 00 keine Zuordnung 241 Gesamt 9.582 - - 4 4. Für wie viele Kitas wurden bisher auf Grund der überfüllten Wartelisten ein Aufnahmestopp ausgesprochen (bitte nach Bezirken aufgliedern)? Zu 4.: Der SenBildJugFam liegen keine Informationen über Kindertageseinrichtungen vor, in denen auf Grund von überfüllten Wartelisten ein Aufnahmestopp ausgesprochen wurde. 5. Bei wie vielen der benötigten Plätze handelt es sich dabei um Fälle, bei denen der im Kita-Gutschein vorgesehene Betreuungsbeginn bereits verstrichen ist? Wie viele Kita-Plätze konnte in diesem Zusammenhang die Kita-Task-Force bisher gewinnen, um für diese dringenden Fälle die notwendigen Plätze zu akquirieren (Zahlen bitte nach Bezirken aufgliedern)? 8. Für wie viele Kitas wurden Genehmigungen für befristete Überbelegungen ausgesprochen? Wie viele Kinder konnten dadurch zusätzlich aufgenommen werden? Welche Probleme ergaben sich dadurch jedoch für die Betreuungsqualität in den betroffenen Kitas sowie für die Arbeitsbelastung der betroffenen Erzieherinnen und Erzieher? Sind deren Klagen berechtigt, dass dadurch insbesondere die Maßnahmen zur frühkindlichen Bildung vernachlässigt werde mussten? Zu 5. und 8.: Durch die Sonderaktion „Kita-Task-Force“ konnten zusätzliche Impulse für das Gesamtsystem erreicht werden. Neben konkreten Vermittlungsvorschlägen der Kita-Task-Force bzw. der Kita-Aufsicht wurden den Jugendämtern bzw. Eltern direkt durch die Träger im Ergebnis der Sonderaktion zusätzliche Plätze zur Verfügung gestellt. Die Aktivitäten im Zusammenhang mit der Kita-Task-Force waren Teil verschiedener Anstrengungen wie die verstärkte Möglichkeit temporärer Überbelegungen oder Erweiterungen bestehender Betriebserlaubnisse. Durch diese Anstrengungen konnten 407 Plätze (Stand 09.07.2018) auf verschiedenen Wegen dem Gesamtsystem zugeführt werden und ein Beitrag zur Sicherung des Rechtsanspruchs auf einen Platz in der Kindertagesbetreuung geleistet werden. Anträge auf temporäre Überbelegung müssen schriftlich und kindbezogen bei der Kita- Aufsicht gestellt werden. Eine Zustimmung setzt voraus, dass der Träger verbindlich aufzeigt , in welcher Form und mit welchem Personal die Betreuung der Kinder und deren Schutz sichergestellt sind. Frühkindliche Bildung hat in Berlin einen hohen qualitativen Anspruch . Der erklärte Wille und die Verantwortung aller Akteure, den Rechtsanspruch sicherzustellen und gleichzeitig an den erreichten qualitativen Verbesserungen festhalten zu wollen, erfordern eine Übergangsstrategie, die u.a. temporäre Überbelegungen in Einzelfällen auch weiterhin ermöglicht. Für die anspruchsvolle und herausfordernde Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher, bedeutet dies eine weitere große Herausforderung. Deshalb gehören zu den Maßnahmen, die beim Kita-Spitzengespräch am 29.06.2018 diskutiert wurden, auch weitere für die Unterstützung und Entlastung des Fachpersonals vor Ort. 6. Welche Ergebnisse im Hinblick auf zusätzliche Kitaplätze erbrachte bis jetzt das Platzgewinnungsprogramm (bitte Zahlen seit 2017 nach Bezirken aufgliedern)? Was wurde dabei von den dafür veranschlagten Mitteln ausgegeben? 7. Haben beide Maßnahmen – Kita-Task-Force und Platzgewinnungsprogramm – nach Ansicht des Senats dazu beigetragen, die benötigte zusätzliche Anzahl an Kitaplätzen zu erreichen, um die dringenden Fälle bei der Kita-Platzsuche signifikant abzubauen? Wenn ja, was hält der Senat bei dieser Maßnahme für besonders gelungen? Wenn nein, warum gingen die Vorhaben nicht auf? - - 5 Zu 6. und 7.: Im Rahmen der Verhandlungen zur Anpassung der Personal- und Sachkosten in der Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen (Rahmenvereinbarung - RV Tag), die im Dezember 2017 abgeschlossen wurde , wurde das sogenannte Platzgewinnungsprogramm für die Jahre 2018 und 2019 aufgelegt . Danach erhalten Träger eine finanzielle Förderung für Kindertageseinrichtungen, die ihre Belegung im jeweiligen ersten Kalenderhalbjahr gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres steigern. Die Höhe der Förderung beträgt 250 Euro je zusätzlich belegtem Platz und Monat. Vereinbarungsgemäß erfolgt die Ermittlung des Förderbetrages erstmalig zum 30.09.2018 auf Basis der Auswertung der Daten der Integrierten Software Berliner Jugendhilfe (ISBJ) für den Zeitraum Januar bis Juni des Jahres. Dies gibt den Trägern der Kindertageseinrichtungen die erforderliche Flexibilität, abrechnungsrelevante Änderungen, bspw. kurzfristige Abmeldungen oder Neuaufnahmen von Kindern, auch über den Juni hinaus in ISBJ zu registrieren. Die Träger erhalten in der Folge eine differenzierte Abrechnung. Die Auszahlung erfolgt im vierten Quartal 2018 über die Berliner Jugendämter. Folglich wurden bisher keine Mittel ausgegeben. Eine Bewertung des Programms kann erst im Anschluss erfolgen . 9. Welche Erfahrungen hinsichtlich der Akquirierung notwendiger Plätze haben die Bezirke gemacht, die Vereinbarungen mit den Kita-Eigenbetrieben geschlossen haben, um Erstbelegungsrechte zu sichern? Mit welchen Problemen haben dadurch nicht im Bezirk wohnende Eltern zu kämpfen, die deshalb Geschwisterkinder nicht unterbringen konnten, obwohl ein Kind bereits dort die Kita besucht? Um welche Schätzwerte verfügt der Senat, um wie viele Fälle es sich hierbei handelt? Zu 9.: Zwischenzeitlich haben vier der fünf Berliner Kita-Eigenbetriebe die gemäß § 20 Abs. 1 Satz 3 Kindertagesförderungsgesetz (KitaFöG) vorgesehenen Verfahren zur Unterstützung der Jugendämter beim Nachweis freier Plätze mit ihren jeweiligen Trägerbezirken in Form von Kooperationsvereinbarungen eingeführt. Inwieweit sich diese Vereinbarungen bewähren, muss abgewartet werden. Alle Kita-Eigenbetriebe sind, wie auch die freien Träger, nach § 23 Abs. 4 Satz 1 KitaFöG grundsätzlich verpflichtet, jeden Leistungsberechtigten im Rahmen ihres Leistungsangebots und ihrer angebotenen Platzzahl aufzunehmen . Auch § 19 Abs. 1 Satz 2 KitaFöG geht von einer bezirksübergreifenden Platzversorgung aus. Die zwischen den Trägerbezirken und den Kita-Eigenbetrieben vereinbarten Verfahren betreffen derzeit einen geringen Anteil an den insgesamt zur Verfügung stehenden Plätzen. Dem Senat sind keine Fälle bekannt, in denen im Land Berlin lebende Geschwisterkinder aufgrund der eingeführten Verfahren nicht in der gleichen Einrichtung untergebracht werden konnten. 11. Wie viele Eltern haben bis jetzt bei Gericht auf Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz geklagt (bitte Zahlen nach Bezirken aufgliedern)? Zu 11.: Nach Angaben von zwölf Bezirken haben seit dem 01.08.2017 insgesamt 94 Eltern bei Gericht auf Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz geklagt (siehe Tabelle 2). - - 6 Tabelle 2: Anzahl der Klagen seit dem 01.08.2017 differenziert nach Bezirken (Quelle: Bezirke; Stand: 05.07.2018) 12. Wieso lässt der Senat die Regelung zur Übernahme auf private Betreuungskosten bereits am 31.7.2018 auslaufen, obwohl diese an eine umfangreiche Überprüfung gekoppelt ist, ob alle Kita-Platzvermittlungen ausgeschöpft wurden? Wie viele Eltern bekommen derzeit durch die Regelung ihre privaten Betreuungskosten erstattet und wie viele warten noch auf einen Bescheid? 13. Wie stellt sich der Senat dem Vorwurf, dass er mit seinem bürokratischen Rundschreiben zur Erstattung privater Betreuungskosten bei Nichterfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz die Betroffenen geradezu verhöhnt, weil er damit die Hürden so hoch hängt, dass die Eltern am Ende praktisch in jeder Richtung (Platz/Rechtsanspruch, Geld, Arbeit) mit leeren Händen dastehen? 14. Fühlt sich der Senat auch nach Auslaufen des Rundschreibens zur Übernahme der privaten Betreuungskosten an das entsprechende Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts weiter gebunden? Wenn ja, wie will er damit umgehen? Zu 12. bis 14.: Die Eltern bzw. ihre Kinder haben einen Anspruch auf einen Kindertagesbetreuungsplatz. Aufwendungsersatz für die Kosten bei privat organisierter Betreuung bei Nichterfüllung des Rechtsanspruchs ist somit die Ausnahme. Zunächst sind die Jugendämter gehalten, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um einen Kitaplatz zur Verfügung zu stellen. Ziel ist es nicht „die Hürden hoch zu hängen“, sondern alles zu tun, um eine geeignete Betreuungsmöglichkeit zu finden. Aufwendungsersatz ist somit die „ultima ratio“. Insofern ist die Gewährung von Aufwendungsersatz nach dem Schreiben vom 12.08.2018 an die Leitungen der Berliner Jugendämter an verschiedene Voraussetzungen geknüpft. Derzeit gibt es 78 Fälle, in denen eine Vereinbarung abgeschlossen bzw. in Vorbereitung oder Prüfung ist. Im Hinblick auf die zu Beginn des Kitajahres 2018/2019 prognostizierten Vertragszahlen (siehe Antwort zu Frage 1) geht der Senat auch mit Blick auf die o. g. Zielsetzung davon aus, dass zum 01.08.2018 alle zu diesem Zeitpunkt suchenden Kinder einen Betreuungsplatz erhalten können und somit das Erfordernis (und damit auch der Anspruch ) für Eltern für einen Aufwendungsersatz entfällt. Bezirk Nr. Bezirk Anzahl Klagen seit dem 01.08.2017 01 Mitte 8 02 Friedrichshain-Kreuzberg 23 03 Pankow 21 04 Charlottenburg-Wilmersdorf 10 05 Spandau 3 06 Steglitz-Zehlendorf 3 07 Tempelhof-Schöneberg 4 08 Neukölln 5 09 Treptow-Köpenick 8 10 Marzahn-Hellersdorf 0 11 Lichtenberg 9 12 Reinickendorf 0 Gesamt 94 - - 7 Das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 21.02.2018 festgestellt, dass sich ein Primäranspruch auf einen Kitaplatz dann gegebenenfalls in einen Sekundäranspruch verwandelt, wenn ein Betreuungsplatz nicht zur Verfügung gestellt werden kann. In diesem Sinne wird der Senat das Instrument zu Beginn des neuen Kitajahres auf seine Wirksamkeit und weitere Verwendung prüfen. 15. Hat der Senat bereits Vorsorge dafür getroffen, wenn Eltern die Möglichkeit nutzen, die der Bundesgerichtshof durch sein Urteil ermöglicht hat, auf Schadenersatz für ihren Verdienstausfall zu klagen? Wie viele Eltern haben das bereits getan? Zu 15.: Klagen auf Schadensersatz wegen Verdienstausfalls stellen Ausnahmen dar. Nach Angaben von acht Bezirken gab es seit dem 01.08.2017 insgesamt acht Klagen auf Schadenersatz wegen Verdienstausfall (siehe Tabelle 3). Anlass, eine besondere „Vorsorge“ zu treffen, besteht nicht. Tabelle 3: Anzahl der Schadenersatzklagen seit dem 01.08.2017 differenziert nach Bezirken (Quelle: Bezirke; Stand: 05.07.2018) 16. Inwieweit hat sich durch Maßnahmen des Senats die Fachkräfteproblematik entspannen können? Wie viele Erzieherinnen und Erzieher fehlen derzeit noch in den Einrichtungen? Bitte aufgesplittet auf die Bezirke darstellen? Zu 16.: Die SenBildJugFam rechnet basierend auf der Kindertagesstättenentwicklungsplanung (vgl. Rote Nummer 17/2317 G, Tabelle 22) gesamtstädtisch mit einem fortgesetzten Aufwuchs sowohl des Fachkräftebedarfs als auch des Fachkräfteangebots (eine Differenzierung nach Bezirken erfolgt nicht) (vgl. Schriftliche Anfrage Nr. 18/14 837 vom 09.05.2018). Bezirk Nr. Bezirk Anzahl der Klagen auf Schadenersatz wg. Verdienstausfall ab 01.08.2017 01 Mitte 1 02 Friedrichshain-Kreuzberg 0 03 Pankow 1 04 Charlottenburg-Wilmersdorf 0 05 Spandau 0 06 Steglitz-Zehlendorf 0 07 Tempelhof-Schöneberg 2 08 Neukölln 0 09 Treptow-Köpenick 1 10 Marzahn-Hellersdorf 2 11 Lichtenberg 1 12 Reinickendorf 0 Gesamt 8 - - 8 Gemäß Kinder- und Jugendhilfestatistik ist die Anzahl der pädagogisch tätigen Personen inklusive des Leitungspersonals in Berliner Kindertageseinrichtungen von rd. 23.900 im Jahr 2013 auf rund 29.300 Fachkräfte im Jahr 2017 gestiegen (Stichtag jeweils 1. März, Quelle: Kinder- und Jugendhilfestatistik, Teil III 1, Amt für Statistik Berlin-Brandenburg). Somit erhöhte sich die Anzahl der Fachkräfte innerhalb von fünf Jahren um rund 5.400 Personen. Dies entspricht einem jährlichen Aufwuchs in Höhe von ca. sechs Prozent. Maßgeblich für diese Entwicklung sind u. a. die im Land Berlin initiierten Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung. Neben dem Ausbau der Ausbildungskapazitäten zählt hierzu vor allem das Programm zur Förderung des Quereinstiegs. Tatsächlich hat sich die Anzahl der Quereinsteigenden innerhalb von nur zwei Schuljahren von knapp 1.000 Personen im Schuljahr 2015/16 auf annähernd 2.000 im Schuljahr 2016/17 verdoppelt. Im Schuljahr 2017/18 bis einschließlich Juni sind bereits rund 2.055 Quereinsteigende anerkannt worden . Damit übertrifft die Anzahl der Quereinsteigenden erneut das Vorjahr. Trotz dieser insgesamt sehr erfolgreichen Maßnahmen geht die SenBildJugFam davon aus, dass es zusätzlicher Maßnahmen bedarf, um den für die kommenden Jahre erwarteten Anstieg des Fachkräftebedarfs zu decken. 17. Wie sieht vor dem Hintergrund des fehlenden Fachpersonals die Relation zwischen bewilligten Plätzen und durch die bekannten Probleme nicht nutzbaren Plätzen aus? Bitte aufgesplittet auf die Bezirke darstellen . Zu 17.: Beim Platzangebot in den Kindertageseinrichtungen wird zwischen erlaubten und angebotenen Plätzen unterschieden. In Abgrenzung zu den erlaubten Plätzen (Plätze lt. Betriebserlaubnis /BE) sind die angebotenen Plätzen im Sinne des § 3 Abs. 9 der Rahmenvereinbarung - RV Tag jene, die ein Träger tatsächlich zur Belegung anbietet, unabhängig davon , ob sie zum Stichtag belegt waren oder nicht. Die Anzahl der angebotenen Plätze kann mit den erlaubten Plätzen übereinstimmen, sie kann aber auch, beispielsweise aus konzeptionellen Gründen, wegen Baumaßnahmen oder personeller Engpässe, geringer sein. Die Zahl der Plätze laut Betriebserlaubnis lag zum Stichtag 30.06.2018 (Auswertungsstand 03.07.2018) berlinweit bei 175.670 erlaubten Plätzen in Kindertageseinrichtungen (ohne Kindertagespflege). Diesen stand ein Angebot in Höhe von insgesamt 164.921 Kita- Plätzen gegenüber. Dies entspricht einer Ausschöpfungsquote von ca. 94 Prozent der erlaubten Kita-Plätze. Die aktuelle Ausschöpfung in den Bezirken kann der nachstehenden Tabelle (siehe Tabelle 4) entnommen werden. - - 9 Tabelle 4: Anzahl und Relation Kita-Plätze lt. Betriebserlaubnis (BE) und angebotene Kita-Plätze Quelle: ISBJ; Stichtag: 30.06.2018; Stand: 03.07.2018 18. Wie viele Praxisstellen für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger konnten seit Beginn des Quereinsteigerprogramms akquiriert werden, wie viele davon seit Implementierung des Kita-Maßnahmepakets vom April 2018? Wie viele Praxisstellen fehlen, um alle Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger zu versorgen? Zu 18.: Seit dem 01.01.2014 bis zum Stichtag 09.07.2018 wurden in Berliner Kindertageseinrichtungen 5.502 Quereinsteigende in berufsbegleitender Ausbildung registriert. Hierfür haben 1.855 Einrichtungen Praxisstellen zur Verfügung gestellt. Ein Anstieg in Folge der Implementierung des Maßnahmenpaketes im April 2018 kann statistisch nicht ausgewiesen werden. Die berufsbegleitende Ausbildung beginnt immer im Februar bzw. September eines Jahres . Ein bis zwei Monate vor Ausbildungsbeginn steigen die Registrierungen proportional an, wobei der größte Anteil der Studierenden die Ausbildung im September beginnt. Tabelle 5: Aktuelle Zahlen zum Quereinstieg 2014-2018 (Quelle: SenBildJugFam; Stand: 06/2018) In welchem Umfang am Quereinstieg interessierte Personen keinen Praxisplatz finden, ist der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung nicht bekannt. Angesichts zahlreicher Kitastandorte , die noch nicht bzw. nur in geringem Umfang ausbilden, sieht die SenBildJug- Fam allerdings noch Möglichkeiten zur Steigerung der Ausbildungszahlen innerhalb des Kitasystems. Bezirke Plätze lt. BE Angebotene Plätze Auschöpfung 01 Mitte 19.819 18.395 93% 02 Friedrichshain-Kreuzberg 15.471 14.734 95% 03 Pankow 23.691 22.514 95% 04 Charlottenburg-Wilmersdorf 12.243 11.476 94% 05 Spandau 10.370 9.653 93% 06 Steglitz-Zehlendorf 12.728 11.890 93% 07 Tempelhof-Schöneberg 15.608 14.575 93% 08 Neukölln 14.456 13.026 90% 09 Treptow-Köpenick 12.542 12.089 96% 10 Marzahn-Hellersdorf 12.637 12.227 97% 11 Lichtenberg 15.207 14.283 94% 12 Reinickendorf 10.898 10.059 92% Berlin 175.670 164.921 94% lfd. Nr. Art des Quereinstiegs 2014 2015 2016 2017 2018 01 Berufsbegleitende Ausbildung 953 870 1.133 1.699 847 02 verwandte Berufsgruppen 182 124 132 265 112 03 bilingual 50 38 43 83 28 04 Nichtschüler/innen 23 12 16 8 7 05 Sozialassistentinnen / Sozialassistenten 142 100 Gesamt 1.208 1.044 1.324 2.197 1.094 - - 10 19. Wie viele Kita-Plätze, die durch das Kitabauprogramm entstanden sind, konnten bisher wirklich einer Nutzung zugeführt werden? Wie sieht dabei die Quote bewilligter Platz gleich genutzter Platz aus? Zu 19.: Im Rahmen des Landesprogramms „Auf die Plätze, Kitas, los!“ konnte in den Jahren 2012 bis 2017 die Schaffung von 20.090 neuen Plätzen anteilig gefördert werden. Nach aktuellem Stand der Verwendungsnachweisprüfung sind hiervon 18.061 Plätze gemäß § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) mit einer Erlaubnis in Betrieb gegangen. Die Verwendungsnachweisprüfung ist ein laufender Prozess, in dem abgeschlossene aber noch nicht geprüfte Projekte nicht erfasst werden können. Ferner sind einzelne Projekte aus dem Förderjahr 2016 und eine Vielzahl von Projekten aus dem Förderjahr 2017 noch nicht fertiggestellt. Nur in Einzelfällen gehen geförderte Plätze nicht in Betrieb, was zu Rückforderungen an die Träger führt. Die Nutzung bzw. Belegung der Plätze im Einzelfall unterliegt einem ständigen Wechsel, bedingt durch Zu- und Abgänge von Kindern und in Abhängigkeit von der je aktuellen Personalausstattung. Für das Jahr 2018 ist im Landesprogramm aktuell mit einer Förderung von bis zu 4.355 neuen Plätzen zu rechnen. Verwendungsnachweise liegen hier bisher nicht vor. Die entsprechenden Daten der Programme des Bundes können der folgenden Tabelle entnommen werden: Tabelle 6: Anzahl der geförderten und geprüften Plätze in den Bundesprogrammen zum Kitaausbau seit 2008 bis 2020 (Quelle: SenBildJugFam) Bundesprogramme - einschließlich Kindertagespflege Programm geförderte Plätze nach Zuwendungsbescheid nach Verwendungsnachweis geprüfte Plätze Schaffung Sicherung Insgesamt Schaffung Sicherung Insgesamt 2008-2013 9.483 16.048 25.531 10.093 17.976 28.069 2013-2014 2.957 472 3.429 2.957 449 3.406 2015-2018 *) 2.580 361 2.941 1.538 120 1.658 2017-2020 **) 1.739 195 1.934 0 0 0 Hinweise: *) Da das Programm 2015-2018 noch nicht abgeschlossen ist, läuft auch noch die Verwendungsnachweisprüfung. **) Für das Programm 2017-2020 liegen noch keine Verwendungsnachweise vor. 20. Welche Schlussfolgerungen zieht der Senat aus dem Urteil des Berliner Oberverwaltungsgerichts zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz aus dem März 2018? Hält er dafür die bisher eingeleiteten Maßnahmen für ausreichend? Wenn ja, warum? Wenn nein, welche Anstrengungen will er zusätzlich unternehmen? 21. Was erbrachte das Kita-Spitzengespräch vom 29.6.2018? Welche Forderungen wurden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern erhoben, um die Kita-Platzsituation zu entspannen? - - 11 Zu 20. und 21.: In seinem Beschluss vom 23.03.2018 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin - Brandenburg festgestellt, dass Fachkräftemangel und andere Schwierigkeiten nicht von der gesetzlichen Pflicht entbinden, Kindern, die eine frühkindliche Betreuung in Anspruch nehmen möchten, einen dem individuellen Bedarf gerecht werdenden Betreuungsplatz in angemessener Nähe zur Wohnung anzubieten. Dieser gesetzliche Anspruch besteht nicht nur im Rahmen vorhandener Kapazitäten, sondern verpflichtet dazu, die erforderlichen Kapazitäten zu schaffen. Ziel des Kita-Spitzengesprächs am 29.06.2018 war es vor diesem Hintergrund und der erkennbar weiter wachsenden Nachfrage in Folge der Bevölkerungsentwicklung und der steigenden Anzahl betreuter Kinder in der Altersgruppe der 6 bis unter 7-jährigen Kinder, mit Vertreterinnen und Vertretern der relevanten Akteurs- und Interessengruppen eine Verständigung über Maßnahmen zur weiteren Gewährleistung des Rechtsanspruchs aller nachfragenden Kinder zu erreichen. Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit, dass die Erfüllung des Rechtsanspruchs vorrangiges Ziel ist. Dies hat zur Folge, dass weitere Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung und zum Kitaplatzausbau erforderlich werden. Hierzu zählen u. a. die Öffnung von Zugangsmöglichkeiten zur Ausbildung, die weitere Intensivierung von Maßnahmen zur Steigerung des Quereinstiegs sowie zur Gewinnung sonstiger geeigneter Kräfte im Sinne des § 11 Absatz 3 der Verordnung zum Kindertagesförderungsgesetz Berlin (VOKitaFöG). Darüber hinaus sollen Maßnahmen zur Unterstützung der Kitas, vor allem der Kitaleitungen , entwickelt werden. Ausgehend von den Beiträgen der Teilnehmenden wird gegenwärtig eine Zusammenstellung der erörterten Maßnahmen erarbeitet. Berlin, den 12. Juli 2018 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie