Drucksache 18 / 15 510 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Fadime Topaç (GRÜNE) vom 19. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Juli 2018) zum Thema: Wie gut ist die Berufs- und Studienorientierung für Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf wirklich? und Antwort vom 20. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Juli 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Frau Abgeordnete Fadime Topaç (Bündnis 90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15 510 vom 19. Juni 2018 über Wie gut ist die Berufs- und Studienorientierung für Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf wirklich? ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. In der Antwort zu Frage 3 in DS 18/14772 heißt es: „In der Arbeit der Standorte der Jugendberufsagentur Berlin ist gewährleistet, dass alle Jugendlichen, die mit besonderen Förderbedarfen die allgemeinbildende Schule verlassen oder verlassen werden, Beratung und Unterstützung erhalten.“ Welche Beratungs- und Unterstützungsleistungen erbringen die Jugendberufsagenturen speziell für Schulabgänger *innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf? Welche Beratungs- und Unterstützungsleistungen können die Jugendberufsagenturen (derzeit) nicht leisten? Sind für diese Beratungs- und Unterstützungsleistungen , die derzeit noch nicht erbracht werden können, Schulungen der Mitarbeitenden der Jugendberufsagenturen geplant? Zu 1.: Über die im Landeskonzept für Berufs- und Studienorientierung vorgesehenen Verfahren der Berufs- und Studienorientierung, die explizit alle Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf einschließen, ergeben sich für alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Behinderung Zugänge zur Jugendberufsagentur Berlin. So können Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf über die Berufs- und Studienorientierungsteams an den Integrierten Sekundarschulen und den –Tandems an den Gymnasien als Schnittstellen zur Jugendberufsagentur in alle Bildungsgänge der beruflichen Schulen vermittelt werden. Nach dem Schulabgang werden diese jungen Menschen auch von den Beraterinnen und Beratern der beruflichen Schulen beraten und bei der Schulsuche unterstützt. Gibt es zusätzliche besondere Förderbedarfe aufgrund des sozialen Umfeldes, können die Beraterinnen und Berater der Jugendhilfe am jeweiligen Standort der Jugendberufsagentur mit eingeschaltet werden, dies insbesondere bei Jugendli- - - 2 chen mit Beeinträchtigungen der seelischen Gesundheit, die zu absehbaren Schwierigkeiten bei der Teilhabe an der gesellschaftlichen Integration führen können. Die Falllagen, die einen Förderbedarf nach § 35a Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) indizieren, führen zu einer Verweisberatung mit anschließender Übernahme des Falles in den bezirklichen Jugendämtern. Auch wenn eine junge Bewerberin oder ein junger Bewerber Leistungen nach § 54 SGB Zwölftes Buch (XII) beantragen muss, um z.B. eine Gehörlosenassistenz für den weiterführenden Schulbesuch zu erhalten, handelt es sich in der Jugendberufsagentur um eine Verweisberatung zu den dezidierten Stellen der Sozial- oder Jugendämter. Für alle Beratungsfachkräfte der vier vertretenen Rechtskreise in den Standorten gibt es Fortbildungsangebote für die jeweiligen Schnittstellen zu Teilhabeleistungen, die auch rechtskreisübergreifend angelegt sind. Damit ist die Gewährleistung weiterer Leistungen außerhalb des erstberatenden Rechtskreises möglich. Bei den bisher zwölf Beraterinnen und Beratern der beruflichen Schulen sind drei als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für die Übergangsberatung für junge Menschen mit Behinderung besonders qualifiziert. Falls sich in der Beratung bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jobcenter und der Berufsberatung herausstellt, dass besondere Reha-Leistungen nach SGB Neuntes Buch (IX) zu erbringen sind, ergeben sich Kriterien und Prozesse, die in der Antwort zu Frage 3 beschrieben sind. Weil bei diesen jungen Menschen jedoch äußerst vielfältige Förderschnittstellen berücksichtigt werden müssen, konnten bisher noch nicht für alle denkbaren Falllagen von jungen Menschen mit Behinderung, die Beratung und Unterstützung in der Jugendberufsagentur Berlin nachfragen, die Prozessbeschreibungen erarbeitet werden. Dies wird bei den Anpassungen des Handbuchs der Mindeststandards der Jugendberufsagentur Berlin zu Beginn des Jahres 2019 nachgeholt werden. Schülerinnen und Schüler mit den Förderschwerpunkten „Lernen“ und „Geistige Entwicklung “ außerhalb der integrierten Beschulung werden an die Reha-Beratung der Arbeitsagentur verwiesen. 2. Weiter heißt es in der Antwort zu Frage 3 (DS 18/14772): „Die Betreuung jugendlicher Rehabilitanden wird voll umfänglich bei festgestelltem rehaspezifischem Teilhabebedarf in den Reha-Teams der Agenturen für Arbeit sichergestellt.“ Wie definiert sich ein rehaspezifischer Teilhabebedarf und wer stellt ihn in den Jugendberufsagenturen bzw. Teams für Berufs-und Studienorientierung (BSO) fest? Zu 2.: Der rehaspezifische Teilhabebedarf definiert sich aus dem § 19 SGB (Drittes Buch (III) i.V.m. § 2 SGB IX. Um festzustellen, ob ein rehaspezifischer Teilhabebedarf vorliegt, werden u.a. die Fachdienste der Bundesagentur für Arbeit (Ärztlicher Dienst, Berufspsychologischer Dienst) durch die Berufsberatung der Agenturen für Arbeit (AA) eingeschaltet. Wird im Ergebnis der Aussagen der Fachgutachten und weiterer Unterlagen ein Teilhabebedarf festgestellt, wird umgehend das Reha-Team der AA eingeschaltet. Die Feststellung einer Behinderung nach §19 SGB III i.V.m. § 2 SGB IX obliegt ausschließlich den Bera- - - 3 tungsfachkräften Reha/Schwerbehinderte Menschen. Diese sind Spezialistinnen und Spezialisten , die sich mit Erkrankungen, gesundheitlichen Einschränkungen, Behinderungen und Handicaps auskennen. Sie sind vertraut mit deren Auswirkungen im Berufs- und Arbeitsleben und können daher die berufliche Integration und den Berufswahlprozess von jungen Menschen mit Behinderung unterstützen. 3. Welche Kriterien innerhalb des Landeskonzepts Berufs- und Studienorientierung Berlin gelten für die Zusammenarbeit der Reha-Teams der Agenturen für Arbeit mit den Jugendberufsagenturen? Wenn es keine gibt – plant das Land Berlin, solche Kriterien einzuführen? Und wenn ja, wer soll an der Entwicklung solcher Kriterien beteiligt werden? Wenn nein, warum nicht?? Zu 3.: In allen zwölf Prozesshandbüchern der regionalen Standorte der Jugendberufsagentur Berlin sind die Verfahren und Kriterien beschrieben, wie potenzielle Teilhabebedarfe nach SGB IX von jungen Menschen identifiziert werden können und die Verweisberatung anzulegen ist. Zur zügigen Identifizierung potenzieller Teilhabebedarfe an allgemeinbildenden Schulen und um den Informations- und Beratungspflichten gegenüber den Schülerinnen und Schülern mit Behinderung und Lehrfachkräften an allgemeinbildenden Schulen und Eltern zum Thema „Teilhabe am Arbeitsleben“ gerecht zu werden, steht in der Regel an jeder allgemeinbildenden Schule auch eine Rehabilitationsberatungsfachkraft aus den Rehabilitationsteams namentlich als Ansprechpartner zur Verfügung. Ein enger fachlicher Austausch und eine regelmäßige Abstimmung zwischen den Berufsberatungsfachkräften der spezialisierten Fachkraft U25 SGB III für Flüchtlinge der Jugendberufsagentur Berlin und der zuständigen Rehabilitationsberatungsfachkraft findet regelmäßig statt. Berufsberatungs- und Integrationsfachkräfte U 25 bzw. spezialisierten Fachkräfte U25 SGB III für Flüchtlinge und spezialisierten Integrationsfachkräfte U25 SGB II für Flüchtlinge der Jugendberufsagentur (JBA) schalten das Rehabilitationsteam der zuständigen Agentur für Arbeit zur Abklärung des Berechtigtenstatus nach § 19 SGB III bei allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein, wenn die auf Basis fundierter Erkenntnisse und eines umfassenden Leistungsbildes (Anmeldebogen, Arbeitspaket, Gesundheitsfragebogen, Fachgutachten , Gesamtbeurteilungsbogen der Schule, Schulzeugnisse, Arbeitszeugnisse und/oder Praktikumsberichte usw.) festgestellten Einschränkungen der geistigen Fähigkeit , körperlichen Funktion oder seelischen Gesundheit einen besonderen Unterstützungsbedarf für die berufliche Ersteingliederung vermuten lassen. Die Einschaltung der Fachdienste erfolgt durch die Berufsberatungs- und Integrationsfachkräfte U 25 bzw. spezialisierten Fachkräfte U25 SGB III für Flüchtlinge60 und spezialisierten Integrationsfachkräfte U25 SGB II für Flüchtlinge der JBA. Im 2. Halbjahr der Vorabgangsklasse werden bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte für einen möglichen Teilhabebedarf in der Regel die Fachdienste der Agenturen für Arbeit eingeschaltet. Ergeben sich keine Anhaltspunkte für dauerhafte gesundheitliche Einschränkungen, die die Teilhabe am Arbeitsleben nicht nur vorübergehend wesentlich mindern und liegt die Ausbildungsreife vor, wird die Entscheidung in VerBIS, dem zentralen Kundenregister der Bundesagentur für Arbeit, dokumentiert und die Betreuung erfolgt weiterhin durch die Be- - - 4 rufsberatungs- und Integrationsfachkräfte U 25 bzw. spezialisierten Fachkräfte U25 SGB III für Flüchtlinge und spezialisierten Integrationsfachkräfte U25 SGB II für Flüchtlinge der JBA. Ergeben sich hingegen Anhaltspunkte für dauerhafte gesundheitliche Einschränkungen, die die Teilhabe am Arbeitsleben nicht nur vorübergehend wesentlich mindern, wird diese Entscheidung in VerBIS dokumentiert und das Rehabilitationsteam der zuständigen Agentur für Arbeit eingeschaltet. Das Rehabilitationsteam der zuständigen Agentur für Arbeit in Berlin wird ebenfalls bei drohenden Ausbildungsabbrüchen eingeschaltet, wenn gesundheitliche Beeinträchtigungen vorliegen und allgemeine Unterstützungsangebote wie ausbildungsbegleitende Hilfen oder assistierte Ausbildung einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss nicht erwarten lassen (Umwidmung der Ausbildung). Die bisherige Festlegung von Kriterien und Prozessen in den Standorten für die Beratung und Unterstützung von jungen Menschen mit besonderen Förderbedarfen wurde in der Projektphase der Jugendberufsagentur Berlin unter Beteiligung der Jugendämter, der Jobcenter , der Agenturen für Arbeit und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie , der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales und der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit erarbeitet. Bei einer Fortentwicklung der Schnittstellenprozesse müssten die Sozialämter mit ihren Stellen für die Eingliederungshilfen wie die Behindertenhilfen der Jugendämter auf jeden Fall einbezogen werden. 4. Welche personelle Mindestausstattung müssen Jugendberufsagenturen vorhalten, um z. B. einen Rehaspezifischen Teilhabebedarf festzustellen? Welche sächliche Mindestausstattung müssen Jugendberufsagenturen vorhalten? Welche Anforderungen an Barrierefreiheit werden an Jugendberufsagenturen gestellt? Bitte auflisten nach barrierefreiem Zugang, rollstuhlgerechter Toilette, Gebärdensprachkompetenz und Kenntnisse in Leichter Sprache. Zu 4.: Zur personellen Mindestausstattung ist in der „Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Rahmen der Jugendberufsagentur Berlin“ Folgendes geregelt: „Die Agenturen für Arbeit, die Jobcenter, die Bezirksämter und die für Bildung und Jugend zuständige Senatsverwaltung stellen durch den Einsatz personeller Ressourcen ihr jeweiliges Beratungs- und Leistungsangebot in den regionalen Standorten sicher und entscheiden jeweils über Organisation und Aufgabenerledigung unter Berücksichtigung der Regelungen in dieser Kooperationsvereinbarung .“. Das heißt, die Mindestausstattung richtet sich auch für den Bereich der rehaspezifischen Teilhabe nach dem vor Ort entstehenden Bedarf. Der Reha-Prozess wird durch die Beratungsfachkräfte der JBA eingeleitet, die Feststellung einer Behinderung nach §19 SGB III i.V.m. § 2 SGB IX obliegt ausschließlich den Beratungsfachkräften Reha/ Schwerbehinderte Menschen (siehe auch Antwort Frage 2). Die Anforderungen an die Barrierefreiheit in Liegenschaften der Bundesagentur für Arbeit richten sich nach den Infrastrukturrichtlinien der Bundesagentur für Arbeit und umfassen: • einen barrierefreien Zugang zum Dienstgebäude • ein barrierefreies Büro • ein behindertengerechtes WC und • zwei Stellplätze für Kfz. behinderter Menschen. Die Bundesagentur für Arbeit prüft und bewertet aktuell gem. § 8 BGG in allen Eigentumsliegenschaften notwendige Maßnahmen zur Optimierung der Barrierefreiheit. - - 5 5. In der Antwort zu Frage 7 (DS 18/14772) heißt es: „Die Integrationsfachdienste sind seit dem Auslaufen der Initiative Inklusion zum Schuljahr 2017/18 nicht mehr an den allgemeinbildenden Schulen tätig.“ Wie wird das Fehlen dieser unterstützenden Tätigkeit an allgemeinbildenden Schulen derzeit ausgeglichen? Sind die Integrationsfachdienste nach dem Auslaufen der Initiative Inklusion weiterhin an Schulen mit sonderpädagogischen Förderschwerpunkt beteiligt? Wenn ja, in welchem Umfang und mit welcher Zielstellung? Zu 5.: Die Integrationsfachdienste waren im Rahmen der Initiative Inklusion des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales überwiegend in allgemeinbildenden Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt tätig und weniger in den Integrierten Sekundarschulen. Ihre Zuständigkeit bezog sich zum allergrößten Teil auf Schülerinnen und Schüler mit Schwerbehinderung. Der größte Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf ist jedoch nicht gleichzeitig schwerbehindert. Die Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt verfügen über eine lange Tradition professioneller Berufs- und Studienorientierung und werden dabei zuverlässig durch die Rehabilitationsteams der Agenturen für Arbeit unterstützt. Mit dem Auslaufen der Initiative Inklusion sind die dabei unterstützenden Maßnahmen der Integrationsfachdienste vollständig entfallen. Das schulische Personal führt die Berufsorientierung eigenständig im Verbund mit den Rehabilitationsteams durch. Dabei erfahren alle allgemeinbildenden Schulen mit einer Sekundarstufe Unterstützung durch die im Schuljahr 2017/2018 neu fortgebildeten und eingesetzten Schulberaterinnen und Schulberater für Inklusive Berufsund Studienorientierung. Berlin, den 20. Juli 2018 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie