Drucksache 18 / 15 567 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Michael Efler (LINKE) vom 09. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Juli 2018) zum Thema: Vogelschlag an Glasscheiben und Antwort vom 16. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Jul. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Dr. Michael Effler (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15567 vom 9. Juli 2018 über Vogelschlag an Glasscheiben Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Gibt es Erfassungen/Schätzungen zu Todesursachen bei Vögeln in Berlin und wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Antwort zu 1: Der Naturschutzbund Berlin (NABU Berlin) hat eine Auswertung der Verlustursachen für die Greifvogelart Habicht vorgelegt. Es konnten 266 dokumentierte Verluste selbständiger Habichte in den Jahren 1996 - 2005 ausgewertet werden. Die wichtigsten Ursachen hierbei waren: - 50,4 % Anflug an Hindernisse (fast ausschließlich Glas) - 11,7 % Einflug in Gebäude (meist Gewerbehallen; Vögel konnten z.T. gerettet werden) - 7,9 % Verhungern (ausgeflogene Jungvögel, die das Jagen noch lernen müssen) - 7,1 % Trichomoniasis (Erkrankung durch Geißeltierchen) - 4,1 % sonstige Erkrankungen Beim Habicht gibt es eine Dunkelziffer an illegal verfolgten Tieren, die erfahrungsgemäß nur in wenigen Fällen dokumentiert werden können. Die festgestellte hohe Verlustrate an Glas trifft auch auf andere Vogelarten zu. Nach neueren Erkenntnissen verunglücken in Deutschland vermutlich über 100 Millionen Vögel jährlich an Glas. Dies wären 5 - 10 % aller in Deutschland vorkommenden Vögel. Berlin hat durch seine Durchgrünung mit vielen Lebensräumen für Vögel und der dichten 2 Bebauung, in der zunehmend Glas als Baustoff verwendet wird, einen vergleichsweise hohen Anteil. Neben den örtlichen Brutvögeln sind auch viele Zugvögel betroffen. Frage 2: Welche Anstrengungen wurden seitens des Senats bisher unternommen, dem Problem des Vogelschlags an Glasscheiben zu begegnen? Antwort zu 2: Aufgrund der Dimension des Problems bemüht sich der Senat auf verschiedenen Ebenen, den Vogelschlag einzudämmen: - Um über das Thema aufzuklären hat der Senat eine Webseite (http://www.berlin.de/senuvk/natur_gruen/naturschutz/artenschutz/de/freiland/vogelsch utz_glas_und_licht.shtml)zum Thema eingerichtet und bietet eine Fachbroschüre der Schweizerischen Vogelwarte zum Download an. - Zur Selbstbindung der öffentlichen Hand hat der Senat ein Rundschreiben veröffentlicht, das auf der gleichen Webseite herunterladbar ist. Danach ist das Thema Vogelschlag beim Bau zu berücksichtigen. - Der Senat hat darauf hingewirkt, dass die Broschüre für die deutschen Naturschutzbehörden gedruckt wird (Druck erfolgte in Berlin). - Bei der Architektenkammer Berlin-Brandenburg wurde eine Fortbildung zum Thema durchgeführt. - Bei der Beteiligung in Bebauungsplan-Verfahren wird bei möglicher Bebauung ein entsprechender Textbaustein verankert. - Wenn in der obersten Naturschutzbehörde potenziell problematische Bauwerksplanungen bekannt werden, wird das Thema möglichst frühzeitig angesprochen, der Bauherr/der Architekt über die Problematik aufgeklärt und auf die Erforderlichkeit von Vermeidungsmaßnahmen hingewiesen. - Nach und nach soll versucht werden, auch bei bestehenden Bauwerken auf Vermeidungsmaßnahmen hinzuwirken. - Die Naturschutzbehörden der Bezirksämter wurden geschult, um potenziell problematische Bauwerke zu erkennen. Ihnen wurde ein Musterbescheid zur Hand gegeben, um gegenüber Eigentümern/Verwaltern Vermeidungsmaßnahmen durchsetzen zu können. - Zur Ermittlung der Vogelschlagzahlen an bestimmten Bauwerken hat der Senat Untersuchungen beauftragt. Hieraus wurden Schutzmaßnahmen abgeleitet und überwiegend umgesetzt. - Die Ergebnisse der Untersuchungen hat der Senat zusammenfassend ausgewertet und in einer wissenschaftlichen Publikation der Fachwelt zur Verfügung gestellt; dies stellt momentan die einzige fachlich begründete Methodenempfehlung im deutschen Schrifttum dar. - Der Senat hat das Thema Vogelschlag an Glas in die bundesweiten Fachgremien der Länderministerien und Fachbehörden eingebracht, mit dem Ziel, den Artenschutzvollzug für dieses Thema in ganz Deutschland voranzubringen. 3 Frage 3: Welche Möglichkeiten sieht der Senat, insbesondere auf private Unternehmer im Bauwesen zum Schutz von Vögeln einzuwirken? Antwort zu 3: Nach den bisherigen Erfahrungen möchte kaum jemand vorsätzlich Vögel töten und ist bereit, eine Sichtbarmachung von Glas bis zu einem gewissen Grad zu akzeptieren. Da die Rechtslage hier eindeutig ist und eine über das normale Maß hinausgehende Gefährdung von Vögeln verbietet, gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, Gefahrenstellen über artenschutzrechtliche Anordnungen abzustellen. Diese Situation erhöht bei manchen Bauherren die Bereitschaft, wirksame Vogelschutzmaßnahmen selbst umzusetzen. Im Rahmen der Umsetzung der Landesstrategie „Biologische Vielfalt“ wird sich der Senat verstärkt um die Angelegenheit Vogelschlag an Glas kümmern. Frage 4: Hält der Senat eine Änderung der Bauordnung für denkbar, um Vogelschlag an Glasscheiben zu reduzieren? Antwort zu 4: Artenschutzbelange sind nicht Gegenstand des bauordnungsrechtlichen Prüfprogramms. Eine Änderung der Berliner Bauordnung wäre nicht zielführend, weil Vorhaben bis zur Hochhausgrenze, die im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans (B-Plans) liegen, der Genehmigungsfreistellung unterfallen. Daher wird dort kein Bescheid erteilt, in dem Auflagen platziert werden könnten. Soweit im Artenschutzrecht kein Trägerverfahren installiert ist, in dem Artenschutz geprüft wird, ergibt es keinen Sinn, die Belange ins Bauordnungsrecht zu verschieben, in dem diese Belange jedoch auch nicht geprüft werden. Mit der Novelle der Bauordnung 2006 wurden die bauaufsichtlichen Prüfprogramme reduziert bzw. in der Genehmigungsfreistellung abgeschafft. Im Gegenzug wurde der Entwurfsverfasserschaft der Leitfaden Baunebenrecht (http://www.stadtentwicklung.berlin.de/service/gesetzestexte/de/download/bauen/leitfaden _baunebenrecht.pdf) an die Hand gegeben, der dabei hilft, sich in den baunebenrechtlichen Anforderungen zurechtzufinden. In dem Leitfaden wird unter Punkt 2.7 auf artenschutzrechtliche Belange aufmerksam gemacht. Der Senat wird den Leitfaden hinsichtlich der Anforderungen an den Vogelschutz bei Neubauten konkretisieren. Berlin, den 16.07.2018 In Vertretung Stefan Tidow Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz