Drucksache 18 / 15 595 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hanno Bachmann (AfD) vom 11. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Juli 2018) zum Thema: Diffamierung von demokratischen Institutionen und Andersdenkenden in vom Senat und den Bezirken geförderten Publikationen und Antwort vom 30. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Aug. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Hanno Bachmann (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15595 vom 11. Juli 2018 über Diffamierung von demokratischen Institutionen und Andersdenkenden in vom Senat und den Bezirken geförderten Publikationen ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Die Anfrage bezieht sich auf die Publikationen „Registerbericht Charlottenburg -Wilmersdorf 2017“ und „Machtergreifung beim Mettbrötchen – Raumnahme der Neuen Rechten in West-Berlin“ (2. Auflage vom Dezember 2017, im folgenden „Raumnahme“). Erstere wurde vom Register Charlottenburg-Wilmersdorf, letztere mit Förderung des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf (https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/verwaltung/partnerschaft-fuerdemokratie /artikel.536787.php) und Unterstützung des Registers Berlin (http://www.berlinerregister .de/artikel/charlottenburg-wilmersdorf/neuerscheinung-raumnahme-der-neuen-rechtenwestberlin /9423) vom Landesverband Die Falken Berlin veröffentlicht. Das Register Berlin einschließlich seiner bezirklichen Untergliederungen wiederum wird seitens des Senats im Rahmen des Landesprogramms „Demokratie.Vielfalt.Respekt“ finanziell gefördert. Alle in der Publikation „Raumnahme“ sowie auf S. 4, 5 des Registerberichts genannten Akteure und Institutionen werden ausnahmslos der „Neuen Rechten“ zugeordnet und als demokratiegefährdend dargestellt. Ihre Darstellung ist ausnahmslos negativ, was schon in der Natur der Publikationen begründet liegt, die sich gerade der Warnung vor und der Aufklärung über angeblich demokratiegefährdende Bestrebungen verschrieben haben. Die „Neue Rechte“ wird dabei auf Basis verschiedener als gleichrangig erachteter Lesarten einerseits als eine nur strategisch neu ausgerichtete Variante des historischen Nationalsozialismus und andererseits als Projekt, den antidemokratischen Konservatismus wieder salonfähig zu machen (vgl. jeweils S. 2 „Raumnahme“), definiert. Die Bibliothek des Konservativismus (im folgenden BdK) ist eine Spezial- und Forschungsbibliothek, welche auf das geistesgeschichtliche Spektrum des Konservativismus ausgerichtet ist und von einer als gemeinnützig anerkannten Förderstiftung getragen wird. Die Bibliothek steht allen zum Thema Forschenden offen. Weiterhin werden Veranstaltungen wie Lesungen, Seminare und Vorträge abgehalten. Die Wochenzeitung Junge Freiheit (im folgenden JF) ist im rechtskonservativen Spektrum zu verorten und versteht sich innerhalb dieses Spektrums als Forum für Debatten. In einem vom BVerfG 2005 entschiedenen Verfahren (Az.: BVerfG 1 BvR 1072/01) hat sie sich erfolgreich gegen die Erwähnung in Verfassungsschutzberichten des Landes NRW gewehrt, wobei sie in diesen Berichten u.a. gerade im Kontext der „Neuen Rechten“ eingeordnet wurde (vgl. Rz. 19 und 22 der Gründe in BVerfG 1 BvR 1072/01). Seither wird die JF in den Verfassungsschutzberichten des Bundes und der Länder nicht mehr erwähnt. Fragen: 2 1) Hält es der Senat für mit der Wissenschafts- und Forschungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG und sonstigen Grundrechten, dem Sachlichkeitsgebot sowie für mit dem Förderzweck des Berliner Registers vereinbar, dass die BdK in den von ihm und dem Bezirk mitfinanzierten Publikationen (vgl. „Raumnahme“ S. 3, 5 und Registerbericht S. 5) als „neurechte“ Institution und damit einhergehend als demokratiegefährdend eingestuft und entsprechend angeprangert wird? Falls ja, wie begründet der Senat seine Auffassung? Zu 1.: Der Begriff „Neue Rechte“ ist ein Sammelbegriff zur Bezeichnung eines politischen Spektrums, der auch im wissenschaftlichen Diskurs gebräuchlich ist. Die mit dem Begriff „Neue Rechte“ vorgenommene Kategorisierung liegt in der Verantwortung des Trägers. Der Senat macht sich die Kategorisierung nicht zu eigen. Eine Diffamierung oder gar Einschränkung von Grundrechten ist in dem hier dargestellten Sachverhalt nicht erkennbar . 2) Erachtet der Senat die Einordnung der BdK als „neurechte“ Institution auch in Kenntnis der Tatsache für korrekt, dass dort im Laufe der letzten Jahre bis heute bei Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen zahlreiche Politiker der CDU, darunter der Bundesvorsitzende des Kolpingwerks, Thomas Dörflinger MdB (2013), der seinerzeit amtierende Vorsitzende des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, Dr. Wolfgang Bosbach MdB (2014), Klaus-Peter Willsch MdB (2016), der Vorsitzende der WerteUnion, Alexander Mitsch (2018), der frühere Vorsitzende der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag, Dr. Christean Wagner (2018), sowie der ehemalige Bundesminister der Verteidigung, Prof. Rupert Scholz (2018) sowie Persönlichkeiten wie der ehemalige Feuilletonchef der Wochenzeitung „Die Zeit“ und derzeitige Herausgeber von ZEITLiteratur, Dr. Ulrich Greiner (2018), der Redakteur der FAZ, Dr. Patrick Bahners (2018), die Hochschullehrer Prof. Patzelt und Prof. Flaig (2016) sowie der Emeritus Prof. Graf Kielmansegg (2017) und der Publizist Norbert Bolz (2017) als Vortragende aufgetreten sind? 3) Hält der Senat die Einordnung der Vorträge der in Frage Nr. 2 genannten Personen als „neurechte Events“ (so auf S. 3 / rechte Spalte in „Raumnahme“) im Sinne der in der „Positionsbestimmung“ („Raumnahme “ S. 2) ausgeführten Definition für mit dem Förderzweck des Berliner Registers vereinbar? 4) Falls die Fragen Nr. 1 – 3 ganz oder teilweise verneint werden: Welche Konsequenzen zieht der Senat hieraus für seine Förderpolitik und welche Maßnahmen ergreift er deswegen gegenüber dem geförderten Berliner Register? Wird insbesondere eine (Teil-)Rückforderung der gewährten Fördermittel in Betracht gezogen? Zu 2. bis 4.: Der Senat bewertet die Einordnung von Institutionen (hier: der BdK) und dort Vortragende durch zivilgesellschaftliche Organisationen nicht. 3 5) Hält es der Senat es auch und gerade vor dem Hintergrund des Beschlusses des BVerfG 1 BvR 1072/01 für mit der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 2 GG und sonstigen Grundrechten, dem Sachlichkeitsgebot und für mit dem Förderzweck des Berliner Registers vereinbar, wenn die Wochenzeitung „Junge Freiheit“ in von ihm mitfinanzierten und vom Bezirk geförderten Publikationen unter dem Schlagwort „Neue Rechte“ aufgeführt (vgl. „Raumnahme“ S. 3 und Registerbericht S. 5) und dabei als demokratiegefährdend eingestuft, im Dunstkreis des Rechtsextremismus verortet und entsprechend angeprangert wird? Falls ja, wie begründet er diese Auffassung? Zu 5.: Der Senat bewertet die Einordnung und Kategorisierung von Publikationen und Presseorganen durch Organisationen der Zivilgesellschaft nicht. 6) Wie beurteilt der Senat den Umstand, dass in der von ihm und dem Bezirk mitfinanzierten Publikation „Raumnahme“ auf S. 11 links oben die durch eine strafbare Handlung (das Ermittlungsverfahren wurde unter dem Az. 7101 UJs 5/12 bei der Staatsanwaltschaft Hamburg geführt) im Jahre 2011 erlangten Daten von Autoren der Zeitung Junge Freiheit mittels eines Links zugänglich gemacht werden, wobei den Autoren die rechtswidrige Erlangung bewusst war (vgl. S. 3 rechte Spalte, wo von „2011 geleakten Adresslisten“ die Rede ist)? Zu 6.: Zum Zeitpunkt der Einsichtnahme (18.07.2018) waren keine Daten über den hier erwähnten Link einsehbar. Insofern lässt sich der hier erwähnte Sachverhalt nicht überprüfen . Der Berliner Senat lehnt grundsätzlich die Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Daten ab. 7) Wie beurteilt der Senat den Umstand, dass der in Rede stehende Link sich auf der Webseite indymedia .org, welche vom Bundesministerium des Inneren 2017 verboten wurde (https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2017/vereinsverbot-fragen-undantworten .pdf?__blob=publicationFile&v=1), befindet? Zu 7.: Zum Zeitpunkt der Einsichtnahme (18.07.2018) war der in Rede stehende Link nicht abrufbar. Insofern lässt sich der hier erwähnte Sachverhalt nicht überprüfen. 8) Ist die Publikation einer Verlinkung, welche sich a) auf einer verbotenen Internetseite befindet und b) durch eine strafbare Handlung erlangte Daten enthält, vom Förderzweck des Berliner Registers gedeckt? Falls ja, wie begründet der Senat dies? Zu 8.: Die Träger der Berliner Registerstellen müssen wie alle Zuwendungsempfänger im Rahmen ihrer Veröffentlichungen die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben berücksichtigen . 9) Falls Fragen Nr. 5 und Nr. 8 ganz oder teilweise mit nein beantwortet werden: Welche Konsequenzen zieht der Senat hieraus für seine Förderpolitik und welche Maßnahmen ergreift er deswegen gegenüber dem geförderten Berliner Register? Wird insbesondere eine (Teil-)Rückforderung der gewährten Fördermittel in Betracht gezogen? Zu 9.: Sofern ein mit Landesmitteln gefördertes Projekt gesetzliche Vorgaben missachtet und dadurch den Zuwendungszweck verfehlt, wird eine Rückforderung von Fördermitteln geprüft. 10) Hält es der Senat für mit der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und sonstigen Grundrechten, dem Sachlichkeitsgebot sowie für mit dem Förderzweck des Berliner Registers vereinbar, dass die Gaststätten Ratskeller Charlottenburg und Bon Verde in den von ihm und dem Bezirk mitfinanzierten Publikationen unter dem Schlagwort „Neue Rechte“ aufgeführt und allein infolge der Bewirtung von AfD-Veranstaltungen und - mitgliedern nahtlos im Dunstkreis des Rechtsextremismus verortet und als zu bekämpfende Institutionen identifiziert und angeprangert werden (s. „Raumnahme“, S. 6 + 7: „... sich auch politischen Interventionen der Nachbarschaft gegenüber taub stellen“ und Registerbericht S. 5)? 4 Zu 10.: In der Veröffentlichung „Raumnahme“ wird erwähnt, dass „der Ratskeller Charlottenburg und das Bon Verde in Zehlendorf (…) für Stammtische, Events und – im Falle des Ratskellers – auch für Wahlpartys der AfD“ dienen. Dies ist eine Sachverhaltsdarstellung . Eine Bekämpfung oder Anprangerung von Institutionen ist nicht erkennbar. 11) Hält es der Senat für hinnehmbar und mit dem Förderzweck des Berliner Registers für vereinbar, dass hierdurch ein ganz normales Geschäftsverhalten, nämlich die Bewirtung von Gästen, so interpretiert wird, dass man sich damit auch die politischen Positionen der Gäste zu eigen macht? Hält der Senat die einseitige Zurechnung der politischen Haltung bestimmter Gästegruppen gegenüber Gastwirten auch dann für gerechtfertigt, wenn in der betreffenden Gaststätte verschiedenste politische Gruppen (so finden im Ratskeller Charlottenburg beispielsweise auch Treffen der CDU und der FDP statt) bewirtet werden? Zu 11.: Aussagen zu „Haltungen“ der betreffenden Gastwirte oder Hinweise, dass Gastwirte sich politische Positionen der Gäste zu eigen machen, sind dem Artikel nicht zu entnehmen. 12) Falls Fragen Nr. 10 und Nr. 11 ganz oder teilweise mit nein beantwortet werden: Welche Konsequenzen zieht der Senat hieraus für seine Förderpolitik und welche Maßnahmen ergreift er deswegen gegenüber dem geförderten Berliner Register? Wird insbesondere eine (Teil-)Rückforderung der gewährten Fördermittel in Betracht gezogen? Zu 12.: Da die Veröffentlichung „Raumnutzung“ diffamierende Aussagen über einzelne Gastwirte nicht enthält, sind Maßnahmen gegenüber dem Projektträger nicht erforderlich. 13) Wie beurteilt der Senat den Umstand, dass in von ihm und dem Bezirk mitfinanzierten Publikationen („Raumnahme“ S. 6) die Eröffnung von externen Bürgerbüros durch die MdA Dr. Brinker, Dr. Berg und Hansel (jeweils AfD), welche in den Richtlinien des AGH ausdrücklich vorgesehen ist und finanziell gefördert wird, als „neurechte Raumnahme“ (s. die Kapitelüberschrift auf S. 4) qualifiziert und angeprangert wird? Zu 13.: Die Legitimität der Eröffnung von Bürgerbüros durch Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin wird von keiner Seite in Frage gestellt. Eine Diffamierung einzelner Abgeordneten ist dem Text nicht zu entnehmen. 14) Hält der Senat die in Frage Nr. 13 zitierte Aussage in von ihm und dem Bezirk mitfinanzierten Publikationen für mit der Chancengleichheit der Parteien, dem Neutralitätsgebot, der Freiheit des Mandats sowie für mit dem Förderzweck des Berliner Register vereinbar? Falls ja, wie begründet der Senat diese Ansicht? Zu 14.: Die genannten Texte wurden nicht im Auftrag des Senats erstellt, sondern sind Bestandteil einer Projektarbeit und werden vom Projektträger inhaltlich verantwortet. Seit 2018 enthalten alle Zuwendungsbescheide folgende Auflage: „Ich bitte zu beachten, dass der Zuwendungsgeber (hier die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung) der staatlichen Neutralitätspflicht unterliegt. Dies bedeutet, dass die von der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung geförderten Maßnahmen nicht die Chancengleichheit der Parteien beeinträchtigen dürfen. Eine gute Grundlage für den Handlungsspielraum der politischen Bildung zu Programmatiken und politischen Praktiken nicht-verbotener Parteien bieten die anerkannten fachlichen Prinzipien politischer Bildungsarbeit („Beutelsbacher Konsens“ siehe https://www.bpb.de/die-bpb/51310/beutelsbacher-konsens).“ 15) Wie beurteilt der Senat die unter Frage Nr. 13 zitierte Aussage vor dem Hintergrund seiner Antwort auf Fragen Nr. 14 - 16 der Anfrage DS 18/13669 des MdA Trefzer ,wonach der Senat mit Blick auf die Freiheit des Mandats keinerlei Aussagen über die Tätigkeit von gewählten Volksvertretern trifft? Welche Einschränkungen gelten in dieser Hinsicht für vom Senat finanzierte Publikationen ? Zu 15.: Vgl. Antwort zu 14. 5 16) Sieht der Senat sich auch angesichts von mehreren Anschlägen, welche im Jahr 2018 auf die in den Publikationen angeprangerten Gaststätten (https://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/protest-gegendie -afd-ratskeller-in-charlottenburg-mit-steinen-beworfen/22611782.html) sowie auf das Gebäude der BdK (u.a. wurde die Hausfassade stark beschädigt) verübt wurden, veranlasst, eine wahllose Diffamierung von demokratischen politisch Andersdenkenden in von ihm und den Bezirken mitfinanzierten Publikationen künftig zu unterbinden? Erkennt der Senat eine Mitverantwortung für ein durch die von ihm finanzierten Publikationen mit angestacheltes Klima der Hetze gegen politisch Andersdenkende, das sich dann in solchen Gewalttaten entlädt? Zu 16.: Der „Registerbericht 2017“ stellt die erfassten diskriminierenden Vorfälle des Vorjahres im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf statistisch dar und illustriert diese anhand einiger Beispielfälle. Eine Diffamierung von Parteien oder Mandatsträgern ist nicht Bestandteil der Publikationen. In der Publikation „Raumnahme“ werden verschiedene Phänomene unter den Begriff „neurechte“ zusammengefasst. Der Senat bewertet diese Einordnung nicht. Berlin, den 30. Juli 2018 In Vertretung Margit Gottstein Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung