Drucksache 18 / 15 615 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hanno Bachmann (AfD) vom 13. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Juli 2018) zum Thema: Härtefallpraxis gemäß § 23a AufenthG in Berlin und Antwort vom 24. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Jul. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 5 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Hanno Bachmann (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15615 vom 13. Juli 2018 über Härtefallpraxis gemäß § 23a AufenthG in Berlin ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Anfragen / Anträge wurden in den Jahren seit 2010 bis einschließlich des 1. Halbjahres 2018 von Ausländern an die jeweiligen Mitglieder der Härtefallkommission gerichtet, die Kommission über ein Ersuchen nach § 23a AufenthG an den Senat entscheiden zu lassen (bitte gegliedert nach Jahren auflisten)? 2. In wie vielen der von einem Kommissionsmitglied zur Beratung eingebrachten Fälle hat die Kommission in den Jahren seit 2010 bis einschließlich des 1. Halbjahres 2018 entschieden, ein Ersuchen nach § 23a AufenthG an den Senat zu richten (bitte gegliedert nach Jahren unter Angabe der absoluten Zahlen und des Prozentsatzes auflisten)? 3. In wie vielen der unter Frage Nr. 2) genannten Fälle wurde in den Jahren seit 2010 bis einschließlich des 1. Halbjahres 2018 seitens des Senates dem Ersuchen der Härtefallkommission stattgegeben (bitte gegliedert nach Jahren unter Angabe des Prozentsatzes auflisten)? Zu 1. bis 3.: Jahr Anmeldungen beratene Fälle davon Ersuchen davon stattgegebene Ersuchen stattgegebene Ersuchen in % der gestellten Ersuchen 2010 keine Angabe* * 258 213 127 59,6 2011 keine Angabe* * 227 196 137 69,9 2012 265 154 150 97 64,7 2013 329 206 195 111 56,9 2014 288 183 173 67 38,7 2015 252 229 225 112 49,8 2016 358 133 130 76 58,5 2017 366 272 262 182 69,5 2018 1.Halbjahr 137 102 99 77 77,8 Seite 2 von 5 * Neuanmeldungen und Verlängerungsfälle wurden gemeinsam erfasst, daher kein vergleichbares Zahlenmaterial 4. In wie vielen der unter Frage Nr. 3) genannten Fälle war in den Jahren seit 2010 bis einschließlich des 1. Halbjahres 2018 der Lebensunterhalt des Ausländers ohne staatliche Hilfe gesichert (bitte gegliedert nach Jahren auflisten)? Zu 4.: Die Lebensunterhaltssicherung in den aufgegriffenen Ersuchen wird nicht statistisch erfasst. 5. Für wie lange wurde in den unter Frage Nr. 3) genannten Fällen in den Jahren seit 2010 bis einschließlich des 1. Halbjahres 2018 die Aufenthaltserlaubnis durchschnittlich erteilt? Für wie lange wurde im Jahr 2017 in diesen Fällen die Aufenthaltserlaubnis durchschnittlich erteilt? Zu 5.: Grundsätzlich wird ein Aufenthaltstitel nach § 23a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) für 3 Jahre erteilt. Im Einzelfall kann die Senatsverwaltung für Inneres und Sport die Erteilungsdauer verkürzen. Die Dauer der Titelerteilung nach § 23a AufenthG wird statistisch nicht erfasst. 6. In wie vielen der unter Frage Nr. 3) genannten Fälle wurden in den Jahren seit 2010 bis einschließlich des 1. Halbjahres 2018 Aufenthaltserlaubnisse an Ausländer erteilt, die bereits vorbestraft waren oder gegen die ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig war (bitte gegliedert nach Jahren auflisten)? Zu 6.: Vorstrafen und strafrechtliche Ermittlungsverfahren werden bei einer Entscheidung nach § 23a AufenthG berücksichtigt. Allerdings werden diese Angaben nicht statistisch erfasst. 7. Welche Staaten waren in den unter Frage Nr. 3) genannten Fällen in den Jahren seit 2010 bis einschließlich des 1. Halbjahres 2018 jeweils die fünf wichtigsten Hauptherkunftsländer der als Härtefall anerkannten Ausländer (bitte gegliedert nach Jahren auflisten)? Zu 7.: Es ist keine statistische Auswertung der aufgegriffenen Ersuchen hinsichtlich der Herkunftsländer bis einschließlich 2011 möglich. In der folgenden Tabelle sind die Herkunftsländer mit den höchsten Zahlen der aufgegriffenen Ersuchen im jeweiligen Jahr ersichtlich. Länder 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 1. Hälfte Albanien 7 4 Armenien 4 4 Bangladesch 5 Bosnien und Herzegowina 6 14 4 14 Georgien 5 Ghana 8 Kenia 4 Kosovo 8 4 8 Libanon 10 6 Mazedonien 4 4 Nigeria 9 Seite 3 von 5 Russ. Föderation 10 5 6 Serbien 5 9 6 11 8 11 5 Türkei 12 15 5 10 8 15 7 Vietnam 5 4 8. Wurden seit 2016 auch Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 23a AufenthG in Fällen erteilt, in denen eine Überstellung gemäß Dublin-III-VO in andere europäische Staaten erfolgen sollte? Falls ja, in wie vielen Fällen? Zu 8.: Nein. 9. Welches sind konkret die fünf wichtigsten Kategorien der (vermeintlich) dringenden humanitären oder persönlichen Gründe (z.B. Krankheit, Schulbesuch der Kinder, Ausbildung etc.), aufgrund derer seit 2016 Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 23a AufenthG erteilt wurden? Zu 9.: Dringende humanitäre oder persönliche Gründe sind vielfältig und können in einzelnen Fällen unterschiedlich gelagert sein, so dass bei einer Entscheidung jeder Fall für sich allein betrachtet werden muss. Die wichtigsten Aspekte sind: Nachhaltigkeit der sozialen Integration, Aufenthaltsdauer, Sprachkenntnisse, erfolgreiche Schuloder Berufsausbildung bzw. Studiumsdurchführung, Strafverfahren, Erkrankungen, Lebensunterhaltssicherung. 10. Wie verhält sich ein Härtefallersuchen zur Einreichung einer Petition? Gibt es irgendwelche Wechselwirkungen ? Zu 10.: In Einzelfällen kommt es vor, dass zunächst ein Härtefallantrag gestellt wird und im Anschluss an ein erfolgloses Härtefallkommissionsverfahren eine Petition eingelegt wird. Auch die umgekehrte Reihenfolge ist denkbar. Ein Härtefallkommissionsverfahren kann auch parallel zu einem Petitionsverfahren betrieben werden. 11. Hat ein Antrag eines Ausländers an ein Kommissionsmitglied, die beabsichtigte Entscheidung der Kommission über ein Ersuchen und/oder ein Härtefallersuchen der Kommission an den Senat zur Folge, dass keine Abschiebung bis zur endgültigen Entscheidung über die Anerkennung als Härtefall erfolgt? Wie lange ist die durchschnittliche Dauer eines Härtefallverfahrens vom Erstkontakt mit Mitgliedern der Kommission bis zur abschließenden Entscheidung des Senats? Zu 11.: Ein Antrag eines Ausländers an ein Mitglied der Härtefallkommission bewirkt keine Beendigung möglicher Rückführungsmaßnahmen. Erst nach einer Anmeldung des Falles durch ein Kommissionsmitglied bei der Geschäftsstelle der Härtefallkommission wird von den aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abgesehen, falls die Anmeldung zulässig ist. Stand ein konkreter Rückführungstermin bereits vor der Anmeldung des Falles fest oder hat der Ausländer Straftaten von erheblichem Gewicht begangen , ist die Annahme eines Härtefalls nach § 23a Abs. 1 S. 3 AufenthG in der Regel ausgeschlossen. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen können dann ggf. fortgeführt werden. Die Dauer der Befassung der Kommissionsmitglieder nach ihrem Erstkontakt mit den Betroffenen ist hier nicht bekannt. Ein Härtefallverfahren bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport wird erst mit der Anmeldung des Falles in der Geschäftsstelle eröffnet und entsprechend ab dem Datum der Antragstellung statistisch erfasst. Im Durchschnitt dauerte das Härtefallkommissionsverfahren zuletzt von der Anmeldung Seite 4 von 5 des Falls bei der Geschäftsstelle bis zur Entscheidung des Senators sechs bis acht Monate. 12. Wie genau und von wem werden die Angaben des Ausländers in einem Härtefallverfahren auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft? Zu 12.: Die im Härtefallkommissionsverfahren gemachten Angaben sollen mit Unterlagen belegt werden. Darüber hinaus werden die Ausländerakte und ggf. die Prozessakte der Betroffenen in das Verfahren einbezogen. Die Angaben werden in der Geschäftsstelle der Härtefallkommission überprüft und mit einer Würdigung dem Senator für Inneres und Sport zur Entscheidung vorgelegt. 13. Ist ein Antrag auf Stellung eines Härtefallersuchens auch für Ausländer zulässig, bei denen ein Abschiebeversuch aus von ihnen zu vertretenen Gründen bereits gescheitert ist, etwa weil sie untergetaucht waren oder Widerstand geleistet haben? Falls ja, wie oft hat der Senat seit 2016 einem Ersuchen in solchen Fällen stattgegeben? 14. Ist ein Antrag auf Stellung eines Härtefallersuchens auch für Ausländer zulässig, bei denen eine Abschiebung aus von ihnen zu vertretenen Gründen - wie etwa Identitätsverschleierung oder fehlende Mitwirkung bei der Passbeschaffung - ausgesetzt ist? Falls ja, wie oft hat der Senat seit 2016 einem Ersuchen in solchen Fällen stattgegeben? 15. Ist ein Antrag auf Stellung eines Härtefallersuchens auch für Ausländer zulässig, deren Identität oder Staatsangehörigkeit ungeklärt sind? Falls ja, wie oft hat der Senat seit 2016 einem Ersuchen in solchen Fällen stattgegeben? Zu 13. bis 15.: Es liegen keine statistischen Erfassungen für diese Fälle vor. Grundsätzlich ist ein Antrag auf Beratung in der Härtefallkommission in den genannten Fällen zulässig. Ausschlussgründe sind nach § 23a Abs. 1 S. 3 AufenthG das Feststehen eines konkreten Rückführungstermins und Straftaten des Ausländers bzw. der Ausländerin von erheblichem Gewicht. Allerdings setzt die Zulässigkeit eines Antrags noch kein Präjudiz für die inhaltliche Prüfung durch den Senator für Inneres und Sport über ein Aufgreifen eines Ersuchens der Härtefallkommission. Im Übrigen ist nach § 3 Abs. 2 Härtefallkommissionsverordnung ein Antrag auf Beratung in der Härtefallkommission für eine Person, 1. die sich nicht in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, 2. für die die Berliner Ausländerbehörde nicht zuständig ist, 3. solange eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 oder 5 des Aufenthaltsgesetzes beantragt werden kann, 4. deren Fall schon behandelt wurde, ohne dass sich die der vorherigen Entscheidung zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten des Ausländers oder der Ausländerin geändert hat, 5. die nach den §§ 53, 54 Abs. 5, 5a und 6 des Aufenthaltsgesetzes ausgewiesen wurde, 6. die einen Versagungsgrund nach § 5 Abs. 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes erfüllt oder 7. deren Asylantrag abgelehnt und der Abschiebungsschutz nicht gewährt wurde, sofern sie lediglich Gründe vorbringt, die als herkunftsstaatsbezogene Gründe abschließend vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geprüft worden sind, Seite 5 von 5 unzulässig. 16. Wurden seit 2015 Ersuchen zugunsten von Opfern sog. Hasskriminalität an den Senat gerichtet, bei denen die gegen sie begangenen Straftaten und deren Folgen als Belang im Sinne des § 23a AufenthG angeführt wurden? Falls ja, in wie vielen Fällen war dies der Fall und wie hat der Senat jeweils entschieden? Zu 16.: Es liegen keine statistischen Erfassungen für diese Fälle vor. Berlin, den 24. Juli 2018 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport