Drucksache 18 / 15 673 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Kristin Brinker (AfD) vom 10. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Juli 2018) zum Thema: Gesamter Erhaltungs- und Erweiterungs-Investitionsbedarf im Öffentlichen Bereich Berlins und dessen Bedeutung für die einzelnen Ebenen der öffentlichen Finanzwirtschaft (gemäß dem Schalenkonzept) – Allgemein – Teil 2 und Antwort vom 01. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Aug. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Finanzen Frau Abgeordnete Dr. Kristin Brinker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/ 15673 vom 10. Juli 2018 über Gesamter Erhaltungs- und Erweiterungs-Investitionsbedarf im Öffentlichen Bereich Berlins und dessen Bedeutung für die einzelnen Ebene der öffentlichen Finanzwirtschaft (gemäß dem Schalenkonzept) – Allgemein – Teil 2 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Abgeordneten: In der Roten Nummer 266 B führt der Senat zu den „methodischen Grundlagen der Ermittlung des Investitionsbedarfes des Öffentlichen Sektors“ u.a. folgendes aus: „Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass eine top-down Analyse ex definitione ungeeignet ist, den Investitionsbedarf in der Logik des Schalenkonzepts darzustellen, da das Schalenkonzept primär auf die Erfassung und Abgrenzung der Schulden des öffentlichen Bereichs ausgerichtet ist und daher kaum aussagekräftige Daten über die Investitionsaktivitäten in den jeweiligen Schalen, insbesondere der äußeren Schale, bereitstellt. [H.d.V.]“1 Des Weiteren: „Eine Aggregation der Angaben [der Bestandsaufnahme der Investitionen von ausgewählten Beteiligungsunternehmen] mit dem Haushaltsplan der Landes Berlin und der Finanzplanung des Landes ist nicht möglich, da einige Investitionsmaßnahmen der großen Landesunternehmen einschließlich des baulichen Unterhalts (Instandhaltungsaufwand) überwiegend von den Unternehmen selbst außerhalb des Haushalts finanziert werden. Bei einem Teil der Maßnahmen erfolgt jedoch eine vollständige Haushaltsfinanzierung, darüber hinaus gibt es Mischformen . [H.d.V.]“2“ 1. Lassen sich die Investitionsplanungen und -bedarfe der einzelnen Elemente der Öffentlichen Finanzwirtschaft zusammentragen? 1 RN 266 B, S.3, https://www.parlament-berlin.de/adosservice/18/Haupt/vorgang/h18-0266.B-v.pdf 2 Ebenda. Zu 1.: Für den Bereich Kernhaushalt und Extrahaushalte (Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds) liegen die Investitionsplanungen vor, sie werden jährlich fortgeschrieben. Für den Bereich der öffentlichen Unternehmen sind die Investitionsplanungen auch aus wettbewerblichen Gründen nicht öffentlich. Im Land Berlin sind die Investitionsplanungen des Kernhaushaltes und des Extrahaushaltes (Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds) einerseits und die Investitionsplanungen der öffentlichen Unternehmen getrennt zu betrachten. Ein Teil der Investitionen der öffentlichen Unternehmen, soweit sie aus Zuschüssen bestritten werden , sind unmittelbar im Haushaltsplan bzw. der Investitionsplanung des Landes Berlin sichtbar . Die eigen- und fremdfinanzierten Investitionen öffentlicher Unternehmen werden üblicherweise auch aus Gründen des Wettbewerbs nur in sehr komprimierter Form öffentlich zur Verfügung gestellt. Während der Investitionsbedarf des Kernhaushaltes in den Anmeldungen zum Haushaltsplan und zur Investitionsplanung sichtbar wird, wird der Bedarf der Beteiligungsunternehmen an Investitionen im Falle der Eigen- und Fremdfinanzierung von den Geschäftsleitungen insbesondere aus den Marktgegebenheiten und ggf. auch aus regulatorischen Anforderungen (z.B. Klärtechnik, Müllverbrennung etc.) abgeleitet. 2. Lässt sich unabhängig von der Finanzierung ermitteln, was die einzelnen Institutionen der öffentlichen Finanzwirtschaft planen zu investieren? 3. Lässt sich unabhängig von den Finanzierungspotenzialen ermitteln, was die einzelnen Institutionen der öffentlichen Finanzwirtschaft für ihren jeweiligen Verantwortungs- bzw. Wirkungsbereich für Investitionsbedarfe sehen? Zu 2. und 3.: Ja, über die jährliche Fortschreibung der Investitionsprogramme sind im Kernhaushalt und Extrahaushalt die Investitionsbedarfe sichtbar. Bei den Beteiligungsunternehmen werden entsprechende Planungen im Aufsichtsrat erörtert. 4. Lassen sich die dergestalt unter Frage 2 und 3 ermittelten Plan-Investitionen und Investitions-Bedarfe aggregieren? Zu 4.: Für den Bereich Kernhaushalt und Extrahaushalte kann auf Grund der formalisierten Anmeldungen der Investitionsbedarf aggregiert werden. Was letztlich in die vom Senat zu beschließenden Planung einfließt, ist auch eine politische Entscheidung im Rahmen der verfügbaren Finanzmittel. Die Investitionsplanungen der Beteiligungsunternehmen werden regelmäßig im Aufsichtsrat beraten und entschieden. 5. Lassen sich die dergestalt unter Frage 2 und 3 ermittelten Plan-Investitionen und Investitions-Bedarfe gemäß dem Schalenkonzept aggregieren? Zu 5.: Eine Aggregation der Investitionsbedarfe im Sinne von Investitionsanmeldungen wäre möglich, praktische Relevanz hat jedoch letztlich nur die beschlossene Investitionsplanung. Die Investitionsmaßnahmen der Landesunternehmen einschl. des baulichen Unterhalts (Instandhaltungsaufwand ) werden überwiegend von den Unternehmen selbst außerhalb des Haushalts finanziert. Bei einem Teil der Maßnahmen erfolgt jedoch eine vollständige Haushaltsfinanzierung , darüber hinaus gibt es Mischformen. Eine Aggregation der Angaben mit dem Haushaltsplan und der Finanzplanung des Landes ist daher nicht möglich (siehe Rote Nr. 0266C). 6. Lässt sich nach Ermittlung der jeweiligen Plan-Investitionen und Investitions-Bedarfe die dafür erforderliche Finanzierung ermitteln? Zu 6.: Die Finanzierung der Planinvestitionen ist vor dem Hintergrund einer nicht mehr vorgesehenen Neuverschuldung von der Einnahmesituation für den Bereich Kernhaushalt/Extrahaushalte abhängig. Bei den öffentlichen Unternehmen kann im Falle der Amortisation über den Markt weiterhin eine Kreditfinanzierung in Frage kommen. 7. Lässt sich nach Ermittlung der jeweiligen Plan-Investitionen und Investitions-Bedarfe die dafür erforderliche Finanzierung gemäß dem Schalenkonzept ermitteln? Lässt sich also sagen, welche Institution , welchen Finanzierungsbeitrag dazu leisten müsste bzw. könnte? Ließe sich daraus ableiten, ob diese Finanzierungen schuldenbremsen-, fiskalpakt-, LHO- und beihilferechts-konform auszugestalten sind? Zu 7.: Das Schalenkonzept ist kein Finanzierungskonzept, sondern legt die Zuordnung statistischer Einheiten sowie deren Finanzierungssalden und Schulden auf die einzelnen Schalen gemäß dem Europäischen System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG) fest. Aus dem Schalenkonzept lassen sich daher per se keine Finanzierungsbeiträge einzelner statistischer Einheiten für bestimmte Projekte oder Investitionspläne ableiten. Unabhängig von ihrem Verwendungszweck werden Schulden von statistischen Einheiten, die unter der Kontrolle des Staates stehen, auf Basis des ESVG aber einzelnen Schalen eindeutig zugeordnet. Sofern und soweit es extern gesetzte Regeln gibt, die eine Einhaltung bestimmter Kennziffern auf der Basis des Schalenkonzepts fordern, sind die getroffenen Entscheidungen über Finanzierungsstrukturen und -beiträge einzelner statistischer Einheiten für diese Zwecke relevant. Derzeit sind in diesem Sinne auf der Basis des ESVG ermittelte Kennziffern nur für die Ermittlung der Einhaltung des europäischen Fiskalpakts relevant. Die Landeshaushaltsordnung (LHO) des Landes Berlin enthält derzeit keine Vorgaben, die sich auf das Schalenkonzept beziehen. Inwieweit sich die Regeln für die Schuldenbremse auf das Schalenkonzept beziehen, ist noch festzulegen. Für die Identifikation beihilferechtlich relevanter Sachverhalte hat das Schalenkonzept keine Bedeutung. 8. Betreibt der Senat ein Strategisches Controlling seiner Öffentlichen Finanzwirtschaft? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Zu 8.: Der Senat legt seine Finanzstrategie für die nächsten Jahre in der Finanzplanung fest. Diese wird im weiteren Zeitablauf angepasst an zwischenzeitlich eingetretene Entwicklungen , wie z.B. neue oder geänderte rechtliche Grundlagen, besondere politische oder ökonomische Situationen, auf Vorlage des Senats durch das Parlament in den Haushaltsplan umgesetzt . Die Ausführung des Haushaltsplans unterliegt einer laufenden Überwachung und Bewertung in Hinblick auf das Jahresergebnis durch die Senatsverwaltung für Finanzen. In dieses Controlling ist auch das Parlament in Form des Hauptausschusses insbesondere mit den zwei Statusberichten über die Haushaltswirtschaft eingebunden. 9. Legt der Senat für seine strategische Investitionsplanung bestimmte Grundprämissen, wie Bevölkerungsentwicklung , etc., zugrunde? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht bzw. wie agiert der Senat sonst hinsichtlich seiner strategischen Planungen? Zu 9.: Bei der strategischen Investitionsplanung wird u.a. auch die Bevölkerungsentwicklung berücksichtigt, insbesondere bei der Investitionsplanung für Kita und Schulen. Bei der Investitionsplanung im Bereich Gesundheitswesen (Krankenhaus-Finanzierung) findet auch eine Berücksichtigung des demografischen Wandels statt. 10. Worin sieht der Senat den Unterschied zwischen operativer und strategischer Planung? Zu 10.: Der Unterschied zwischen der operativen Planung und der strategischen Planung liegt vor allem im Zeitstrahl: während bei der operativen Planung alle kurzfristigen Planungsmaßnahmen zusammengefasst sind, geht es bei der strategischen Planung um die längerfristige Planung. Die strategische Planung ist die Grundlage für die operative Planung. 11. Betrachtet der Senat die Nachhaltigkeit seiner Öffentlichen Finanzwirtschaft? Zu 11.: Ja, der Senat betrachtet die Nachhaltigkeit seiner Öffentlichen Finanzwirtschaft. 12. Hat sich der Senat in irgendeiner Form mit den fiskalischen Wirkungen ungesteuerter Zuwanderung befasst? Wenn ja wie und mit welcher Konsequenz? Wenn nein, warum nicht? Zu 12.: Der Senat bestreitet, dass eine ungesteuerte Zuwanderung stattfindet. Gleichwohl werden die Auswirkungen der Zuwanderung nach Berlin von der Senatsverwaltung für Finanzen dokumentiert und eingehend in der Haushalts- und Finanzplanung berücksichtigt. 13. Kennt der Senat Institutionen, die sich mit Fragen der Nachhaltigkeit Öffentlicher Haushalte bzw. der Öffentlichen Finanzwirtschaft beschäftigen und dahingehend Ratschlag bzw. valide Informationen geben können? Holt der Senat dort entsprechend Rat bzw. Information ein? 15. Wertet der Senat Erkenntnisse dieser Institutionen aus? Auf welche Weise? Zu 13. und 15.: Verschiedene öffentliche Institutionen beschäftigen sich mit der Nachhaltigkeit öffentlicher Finanzen, so unter anderem die EU-Kommission in ihrem jährlichen Debt Sustainability Report (vormals Fiscal Sustainability Report); das Bundesministerium für Finanzen (BMF) legt einmal pro Legislaturperiode einen Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen vor. Der Wissenschaftliche Beirat des BMF sowie der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung analysieren die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen fallweise im Rahmen ihrer Gutachten. Der Senat berücksichtigt solche Erkenntnisse bei seiner internen Meinungsbildung. 14. Finanziert der Senat Institutionen dieser Art und/oder Projekte dieser Institutionen in Teilen oder ganz? Wenn ja, welche? Zu 14.: Nein. 16. Steht der Senat in Kontakt zum Statistischen Bundesamt und zu Eurostat? Wenn ja, zu welchen Themen? Bei welchen Themen bestand und/oder besteht ein Dissens hinsichtlich der Zuordnung bestimmter Finanzierungsmaßnahmen zu den Bereichen des Schalenkonzeptes? (Bitte Auflistung mit kurzer Erläuterung!) – Zu 16.: Das Statistische Bundesamt ist gemäß den gesetzlichen Vorgaben Empfänger der regelmäßigen Meldungen zur Finanz- und Personalstatistik sowie zur amtlichen Schuldenund Vermögensstatistik. Das Statistische Bundesamt verarbeitet für seine Datenanalysen und Veröffentlichungen die übermittelten Daten und leitet Statistiken gemäß seinen europarechtlichen Verpflichtungen ggf. wiederum weiter an Eurostat. Direkten Kontakt mit dem Statistischen Bundesamt hat der Senat regelmäßig in Arbeitsgremien von Bund und Ländern, die für die Fragen der öffentlichen Statistik von Bedeutung sind, im Bedarfsfall aber auch zu Einzelfragen der amtlichen Statistik sowie zur Klassifikation einzelner statistischer Einheiten. Direkten Kontakt zu Eurostat hat der Senat im Bedarfsfall zu konkreten Fragen der Klassifikation statistischer Einheiten, da Eurostat hier über die Letztentscheidungs-Kompetenz verfügt. Unterschiedliche Auffassungen bestanden zwischen Eurostat und dem Senat im Hinblick auf die Fahrzeugfinanzierungsgesellschaft mbH der Berliner Verkehrsbetriebe – Anstalt öffentlichen Rechts (BVG FFG) (vgl. dazu die Antwort zur Schriftlichen Anfrage Nr. 18/11347 der Fragestellerin). Berlin, den 1. August 2018 In Vertretung Klaus Feiler Senatsverwaltung für Finanzen