Drucksache 18 / 15 684 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Roman Simon (CDU) vom 16. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Juli 2018) zum Thema: Besserer Schutz für Prostituierte und Bekämpfung der Kriminalität! Wird das Prostituiertenschutzgesetz konsequent und zügig umgesetzt? und Antwort vom 02. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Aug. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Roman Simon(CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15684 vom 16. Juli 2018 über Besserer Schutz für Prostituierte und Bekämpfung der Kriminalität! Wird das Prostituiertenschutzgesetz konsequent und zügig umgesetzt? ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Seit wann sind Anmeldungen für Prostituierte gemäß den Vorgaben des am 1. Juli 2017 in Kraft getretenen Prostituiertenschutzgesetzes möglich? 2. Wie viele Personen haben sich seit dem Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes beim zuständigen Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg als Prostituierte(r) angemeldet und wie viele dieser Personen waren zum Zeitpunkt der Anmeldung jünger als 21 Jahre? Zu 1. und 2.: Gemäß § 3 Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) sind Personen, die in der Prostitution tätig sind, verpflichtet ihre Tätigkeit anzumelden und eine Anmeldebescheinigung als Nachweis bei der Ausübung ihrer Tätigkeit mit sich zu führen (gemäß § 5 ProstSchG). Mit Inkrafttreten des ProstSchG am 01.07.2017 wurde in Berlin übergangsweise der Nachweis über den Versuch einer Anmeldung ausgestellt, da die Umsetzung des Anmeldeverfahrens noch nicht vollständig abgeschlossen war. Die Ausstellung des Anmeldeversuchs war in den Ordnungsämtern der 12 Bezirke möglich. Bis zum 31.01.2018 wurden 1.581 Bescheinigungen über den Versuch einer Anmeldung einer Tätigkeit in der Prostitution ausgestellt . Zu diesen Anmeldeversuchen liegen keine Angaben über Personen im Alter von unter 21 Jahren vor. Ab dem 01.02.2018 wurde die Zuständigkeit für das Anmeldeverfahren nach § 3 Prost- SchG für ganz Berlin dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg übertragen. Im Zeitraum vom 01.02.2018 bis zum 30.06.2018 hat der Bezirk 519 Personen vorläufige Bescheinigungen über den Versuch einer Anmeldung ausgestellt, von denen 27 unter 21 Jahre alt waren. Seit dem 01.07.2018 werden reguläre Anmeldebescheinigungen gemäß § 5 ProstSchG ausgestellt. Seit dem haben knapp 100 Prostituierte eine Anmeldebescheinigung erhalten. Hiervon waren 2 Personen unter 21 Jahre alt. - 2 - 2 3. Seit wann wird die nach dem Prostituiertenschutzgesetz verpflichtende Gesundheitsberatung mit angeboten ? Wie viele Personen haben sich bereits ohne vorherige Gesundheitsberatung als Prostituierte(r) angemeldet? Wurde die Beratung für den betreffenden Personenkreis mittlerweile nachgeholt? Zu 3.: Die verpflichtende Gesundheitsberatung wird seit dem 22.05.2018 durch den Bezirk Tempelhof -Schöneberg angeboten. Termine werden telefonisch vergeben. Bisher wurden 105 gesundheitliche Beratungen durchgeführt, 205 weitere Terminvereinbarungen wurden bereits getroffen. Da das Gesetz vorgibt, dass die gesundheitliche Beratung zwingend vor der Beratung im Kontext der Anmeldung stattzufinden hat, genügt eine Gesundheitsberatung im Nachgang zur Anmeldung nicht den Vorgaben des ProstSchG. Alle Personen, die vor dem 01.07.2018 eine vorläufige Bescheinigung erhalten haben, müssen bis spätestens zum 30.11.2018 das formelle Anmeldeverfahren einschließlich Gesundheitsberatung nachholen . 4. Auf welchen Wegen werden Prostituierte über die Pflicht zur Anmeldung und den Ablauf des Verfahrens in Kenntnis gesetzt? Zu 4.: Es wird auf mehreren Wegen über die Anmeldepflicht nach § 3 ProstSchG informiert: Zum einen informiert die Webseite der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung unter dem Unterpunkt Keine Gewalt / Prostitution über die Einführung des ProstSchG und die damit einhergehenden neuen Rahmenbedingungen für Sexarbeitende. Zum anderen informiert die Webseite des Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg über die Anmeldepflicht und gesundheitliche Beratung im Rahmen des ProstSchG auf Deutsch und Englisch. Auch die Berliner Beratungsstellen für Prostituierte (Hydra e. V., Frauentreff OLGA des Notdienstes e.V sowie SubWay des Trägers HILFE-FÜR-JUNGS e.V.) und die bezirklichen Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung informieren teilweise auf ihren Webseiten sowie in Beratungsgesprächen und bei der aufsuchenden Sozialarbeit über das Anmeldeverfahren im Rahmen des ProstSchG. Darüber hinaus schätzt der Senat den Bekanntheitsgrad des ProstSchG aufgrund der großen medialen Aufmerksamkeit als vergleichsweise hoch ein. 5. Ist die Anmeldung als Prostituierte(r), die Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung und die Teilnahme an der gesundheitlichen Beratung gebührenpflichtig und wenn ja, auf welchen Betrag belaufen sich die Gesamtkosten? Gibt es eine Staffelung der Gebühren nach dem Einkommen? Zu 5.: Für die Anmeldung von Sexarbeitenden sowie für die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung als auch für die gesundheitliche Beratung werden in Berlin keine Gebühren erhoben . - 3 - 3 6. Liegen Kenntnisse darüber vor, ob sich die Gesundheitsinfrastruktur für Prostituierte seit dem Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes und der Umsetzung der entsprechenden Vorgaben verbessert hat? Zu 6.: Der Haushaltsgesetzgeber hat in seinem Haushaltsplan für die Jahre 2018 und 2019 Mittel in Höhe von jeweils 200.000 € für die Arbeit freigemeinnütziger Träger bereitgestellt, damit die in diesem Bereich tätigen Träger der erwarteten stärkeren Beratungsnotwendigkeit zu gesundheitlichen Fragen nachkommen können. Unterstützt werden in diesem Zusammenhang die Träger Hydra e.V., Frauentreff OLGA des Notdienstes e.V sowie SubWay des Trägers HILFE-FÜR-JUNGS e.V.. Da die Träger aus unterschiedlichsten Gründen erst jetzt ihre Arbeit aufnehmen können, kann zum jetzigen Zeitpunkt zwar ausgesagt werden, dass es sich um eine deutliche Verbesserung der Gesundheitsinfrastruktur handelt, inwieweit hierdurch tatsächlich eine Verbesserung der Versorgung eintritt, lässt sich aufgrund des kurzen Zeitraums der Umsetzung noch nicht endgültig abschätzen. 7. Wie viele Prostitutionsstätten wurden seit dem Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes a) angemeldet und b) genehmigt und über welchen Zeitraum hat sich das jeweilige Genehmigungsverfahren erstreckt ? Zu 7.: Die erfragten Zahlen sind der folgenden Aufstellung zu entnehmen. Anträge Prostitutionsstätten Erteilte Erlaubnisse Charlottenburg- Wilmersdorf 22 Friedrichshain- Kreuzberg 28 Lichtenberg 2 Marzahn- Hellersdorf 2 1 Mitte 22 1 Neukölln 25 Pankow 12 Reinickendorf 5 Spandau 4 Steglitz-Zehlendorf 4 Tempelhof- Schöneberg 24 Treptow-Köpenick 12 1 Summe: 162 3 Die abgeschlossenen Erlaubnisverfahren in Marzahn-Hellersdorf, Mitte sowie Treptow- Köpenick haben nach Auskunft des jeweils zuständigen Ordnungsamts jeweils rund zwei Monate in Anspruch genommen. - 4 - 4 8. Hat der Senat Kenntnis darüber, inwieweit die Prüfung der Höhe der Abgaben von Mietzahlungen an die Bordelle (Stichwort: „Mietwucher“) bei der Genehmigung eine Rolle spielt und welche Erfahrungen wurden hinsichtlich der Beantragung so genannter Flatrate-Bordelle gemacht? Zu 8.: Nach § 26 Abs. 4 ProstSchG ist es den Betreibenden eines Prostitutionsgewerbes verboten , sich von Prostituierten, die in seinem Prostitutionsgewerbe sexuelle Dienstleistungen erbringen oder erbringen wollen, für die Vermietung von Räumen, für die Vermittlung einer Leistung oder für eine sonstige Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren zu lassen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung oder zu deren Vermittlung stehen. Der Verstoß gegen die Vorschrift ist ein zwingender Versagungsgrund für die Erlaubnis (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 ProstSchG). Von dem Verbot ist nach der Gesetzesbegründung (BT Ds. 18/8556, S. 79) der Fall erfasst, dass Betreibende Vertragskonditionen zum Einsatz bringen möchten, bei denen Leistung und Gegenleistung für die Vermietung von Räumen (Mietwucher) in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen. Ein zwingender Versagungsgrund für die Erlaubnis liegt gem. § 14 Abs. 2 Nr. 1 ProstSchG auch vor, wenn aufgrund des Betriebskonzepts, der Angebotsgestaltung, der vorgesehenen Vereinbarungen mit Prostituierten oder aufgrund sonstiger tatsächlicher Umstände Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Art des Betriebes der Ausbeutung von Prostituierten Vorschub leistet. Nach dem Willen des Gesetzgebers (aaO, S. 78) wird dies regelmäßig bei sog. Flat-Rate-Bordellen (auch als „Pauschal“-Club, „All-Inclusive“-Angebot o. ä. benannt) der Fall sein, wo "zumindest nach außen der Anschein erweckt und damit geworben wird, dass die in einer Prostitutionsstätte anwesenden Prostituierten unterschiedslos zu einem an den Betreiber zu entrichtenden Pauschalpreis jederzeit für jeden Kunden verfügbar sind". Dabei soll es einen Verstoß gegen das Prostitutionsgesetz darstellen, wenn "Prostituierte sich für ein vorher festgesetztes Entgelt gegenüber einem Dritten – hier dem Betreiber – zur Vornahme einer unbestimmten Zahl sexueller Akte verpflichten". Erkenntnisse zu konkreten Fällen hierzu liegen dem Senat nicht vor. 9. Wie viele Personalstellen wurden seit dem Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes neu geschaffen und in welchen Bereichen wird dieses Personal eingesetzt? Zu 9.: Für die Wahrnehmung aller im Zusammenhang mit dem ProstSchG anfallenden Aufgaben durch die Bezirke stehen insgesamt 24 Stellen (Vollzeitäquivalente) zur Verfügung. Die Ausstellung der Anmeldebescheinigung für Sexarbeitende inklusive Durchführung eines Informations- und Beratungsgesprächs (§§ 3 ff. ProstSchG) sowie die Durchführung einer gesundheitlichen Pflichtberatung für Sexarbeitende (§10 ProstSchG) wird durch das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg für das gesamte Land Berlin wahrgenommen. Zur Umsetzung der beiden Aufgaben wurden bisher jeweils 8 Beschäftigungspositionen eingerichtet . Für die Erlaubniserteilung zum Betrieb eines Prostitutionsgewerbes (§§ 12 ff Prost- SchG) stehen den Bezirken insgesamt 6 Stellen (Vollzeitäquivalente) zur Verfügung. Die Einrichtung der Beschäftigungspositionen erfolgt zeitnah nach Aufteilung der Stellenanteile auf die Bezirke. - 5 - 5 10. Inwieweit arbeiten die bezirklichen Ordnungsämter zur Überprüfung der Einhaltung der Vorgaben des Prostituiertenschutzgesetzes mit der Polizei zusammen und wie gestaltet sich das Verfahren zur Überwachung der Prostitutionsbetriebe in den einzelnen Bezirken? Zu 10.: Da sich bisher die Erlaubniserteilungen zum Betrieb eines Prostitutionsgewerbes überwiegend noch im Verfahrensprozess befinden, werden noch keine Überwachungen hinsichtlich der Einhaltung der Bedingungen durch das Landeskriminalamt Berlin (LKA) durchgeführt . Die künftigen Formen der Zusammenarbeit zwischen den Bezirksämtern und dem LKA 33 – Gewerbeaußendienst (GAD) befinden sich noch in der Abstimmung. Aktuell erstrecken sich die Maßnahmen des LKA 33 – GAD auf die Identifizierung nicht angemeldeter bordellartiger Betriebe. Dies geschieht auf Ersuchen der Bezirksämter. 11. Liegen Zahlen zu Verstößen gegen die Vorgaben des Prostituiertenschutzgesetzes vor und wenn ja, wie haben sich diese seit dem Inkrafttreten des Gesetzes entwickelt? Zu 11.: Mit Hinweis auf die Antwort zu Frage 10 liegen im Bereich LKA 33 – GAD mit Stand 25. Juli 2018 keine Zahlen zu Verstößen gegen die Erlaubniserteilung zum Betrieb eines Prostitutionsgewerbes vor. 12. Wie viele und welche psychosozialen Beratungsstellen und Ausstiegsunterstützungsangebote gibt es in Berlin? Zu 12.: In Berlin werden drei spezialisierte Einrichtungen, die als Anlauf- und Beratungsstelle für Prostituierte dienen, von der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung gefördert. Hydra e.V. (Treffpunkt und Beratung für Prostituierte) bietet beispielsweise Steuer-, Rechts- und Berufsberatung an und unterstützt Frauen in akuten Krisen . Ein weiterer Schwerpunkt ist die Gesundheitsberatung und die HIV/AIDS-Prävention. Für ausstiegswillige Prostituierte bietet Hydra eine Umstiegsberatung an. Der Frauentreff Olga in der Trägerschaft des Notdienstes für Suchtmittelabhängige und -gefährdete Berlin e.V. bietet Prostituierten lebenspraktische Hilfen, gesundheitliche Prävention, Krisenintervention und Beratung (auch aufsuchend). Das Projekt SubWay in Trägerschaft des HILFE- FÜR-JUNGS e.V. berät männliche Prostituierte im Rahmen der aufsuchenden Arbeit und hält Selbsthilfeangebote vor. Des Weiteren existieren insbesondere im Bereich des Straßenstrichs rund um die Kurfürstenstraße unterschiedliche niedrigschwellige Angebote (aufsuchende Beratung, Suppenküche , Cafébetrieb etc.) verschiedenster Einrichtungen (Kirchengemeinde, weltanschauliche Vereine, Projekte aus dem Suchtbereich). 13. Liegen konkrete Erkenntnisse und Zahlen zu Menschenhandelsopfern vor? - 6 - 6 Zu 13.: Eine Recherche im polizeilichen Datawarehouse mit Stichtag 24.07.2018 ergab, dass es seit Inkrafttreten des ProstSchG zum 01.07.2017 zum Suchbegriff „Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung“ insgesamt -88- Datensätze potenzieller Geschädigter gibt, hiervon -51- Datensätze Minderjähriger. Bei diesen Datensätzen handelt es sich nicht um abgeschlossene Ermittlungsverfahren, sondern um polizeiliche Anzeigen. Ein Rückschluss auf eine mögliche Wirksamkeit des ProstSchG bei der Erkennung und Bekämpfung des Menschenhandels ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich, da die Verfahren zur Umsetzung des ProstSchG in Berlin erst nach Inkrafttreten des Gesetzes entwickelt werden konnten (vgl. hierzu die Antworten zu den Fragen 1-3, 10 und 11). Berlin, den 02. August 2018 In Vertretung Barbara König Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung