Drucksache 18 / 15 728 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 25. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Juli 2018) zum Thema: Passiv kiffen und Antwort vom 07. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Aug. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15728 vom 25. Juli 2018 über Passiv kiffen ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie hat sich der THC-Gehalt von in Berlin sichergestellten Cannabisprodukten (Marihuana und Haschisch) in den Jahren 2007 bis 2017 entwickelt? (bitte auf das Jahr bezogen niedrigsten, höchsten und durchschnittlichen THC-Gehalt angeben). Zu 1.: Für Marihuana (Cannabiskraut), Cannabis-Blütenstände und Cannabisharz werden die Wirkstoffgehalte getrennt erfasst. Die zum Teil hohen Werte von Tetrahydrocannabinol (THC) für Marihuana in der Rubrik „Höchster Wert“ sind durch vereinzelte Messungen von Gemischen aus Cannabiskraut und Cannabisblüten zu erklären. Die angefragten Daten sind den nachfolgenden Tabellen zu entnehmen. Marihuana (Cannabiskraut) Jahr Niedrigster Wert Gewichtsprozent (Gew. %) THC Höchster Wert Gew. % THC Mittelwert Gew. % THC 2007 0,06 19,8 4,3 2008 0.00 40,5 4,0 2009 0,04 26,4 3,7 2010 0,03 25,7 4,0 2011 0,00 13,7 2,9 2012 0,00 32,2 3,5 2013 0,00 27,84 3,43 2014 0,04 30,7 3,7 2015 0,03 36,5 4,3 2016 0,03 24,4 4,2 2017 0,01 18,7 3,7 Quelle: Statistisches Auswerteprogramm Rauschgift (SAR); Stand 27.07.2018 Seite 2 von 4 Cannabis-Blütenstände Jahr Niedrigster Wert Gew. % THC Höchster Wert Gew. % THC Mittelwert Gew. % THC 2007 0,33 32,6 11,1 2008 0,20 33,0 12,6 2009 0,17 37,9 13,7 2010 0,17 44,2 13,3 2011 0,05 39,7 12,9 2012 0,23 31,0 12,2 2013 0,002 30,74 12,46 2014 0,732 31,9 13,1 2015 0,118 30,1 13,4 2016 0,033 26,5 13,0 2017 0,061 30,4 13,7 Quelle: Statistisches Auswerteprogramm Rauschgift (SAR); Stand 27.07.2018 Haschisch (Cannabisharz) Jahr Niedrigster Wert Gew. % THC Höchster Wert Gew. % THC Mittelwert Gew. % THC 2007 0,42 43,4 9,5 2008 0,10 21,8 8,9 2009 1,10 46,9 9,7 2010 0,08 40,5 10,5 2011 0,00 23,4 8,4 2012 0,00 26,9 10,0 2013 0,001 27,6 13,75 2014 0,001 45,4 11,2 2015 0,532 46,5 12,7 2016 0,077 36,9 12,6 2017 0,713 40,9 13,8 Quelle: Statistisches Auswerteprogramm Rauschgift (SAR); Stand 27.07.2018 2 Welcher Grenzwert einer THC-Blutkonzentration gilt als Grenze, ab der (absolute und relative) eine Fahrtüchtigkeit nicht mehr gegeben ist? Zu 2.: Anders als bei Alkohol gibt es bei den sonstigen Rauschmitteln mangels entsprechenden Erfahrungswissens keine durch die Rechtsprechung festgesetzten Grenzen für die strafrechtlich relevante sogenannte „absolute Fahruntüchtigkeit“. Vielmehr ist im Einzelfall die Feststellung der dann relativen Fahruntüchtigkeit anhand einer umfassenden Würdigung der Beweisanzeichen erforderlich. 3 Mit welchen Geräten - oder mit welchen sonstigen Methoden - ermitteln Polizeibeamte bei Verkehrskontrollen einen möglichen THC-Einfluss auf den Fahrer? Zu 3.: Die Polizei Berlin setzt in der Drogenerkennung im Straßenverkehr Urin- Testkassetten ein, mit denen in einem Arbeitsgang bis zu fünf verschiedene Drogen bzw. Wirkstoffe, unter anderem auch THC, nachgewiesen werden können. Unterstützend werden im Rahmen der Verkehrskontrollen im Verdachtsfall regelmäßig Bewegungs- und Reaktionstests bei den Fahrzeugführenden durchgeführt. Seite 3 von 4 4 Sind in jedem Streifenwagen derartige Mittel zu 3) vorhanden? Zu 4.: Nein. Die Urin-Testkassetten werden in der Regel von den in der Drogenerkennung besonders geschulten Dienstkräften vor Streifenbeginn auf der Dienststelle empfangen und mitgeführt. 5 Wie viele Kontrollen im Sinne der Fragestellung zu 3) sind in Berlin in den Jahren 2011 bis 2017 jeweils jährlich durchgeführt worden? In wie vielen dieser Fälle ist eine THC-Konzentration festgestellt worden, die die Grenze der Fahruntüchtigkeit überschritten worden ist? Zu 5.: Zu Verkehrskontrollen im Sinne der Fragestellung erfolgt keine statistische Erfassung. Die Anzahl der Strafverfahren, die wegen des Verdachts Gefährlicher Eingriffe in den Straßenverkehr und Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Absatz 1 und § 316 Strafgesetzbuch (StGB)), eingeleitet wurden, weil Personen unter dem Einfluss von THC standen und nicht mehr in der Lage waren, ihr Fahrzeug sicher zu führen, sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Gesamtergebnis 20 24 24 35 35 46 63 247 Quelle: Datawarehouse Polizeiliches Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung; Stand 26.07.2018 6 In wie vielen Fällen ist daraufhin jeweils die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden? Zu 6.: Dazu wird bei der Polizei Berlin keine Statistik geführt. 7 Durch Konsum in welchem Umfang (analog zu Richtwerten bei Alkoholkonsum) wird der Schwellenwert der THC-Konzentration üblicherweise erreicht und in welcher Geschwindigkeit wird THC im Blut abgebaut? Zu 7.: Das Bundesverfassungsgericht hat 2004 in einem Grundsatzbeschluss (Aktenzeichen 1 BvR 2652/03) eine Grenze (Schwellenwert) oberhalb von einem Nanogramm THC pro Milliliter Blut für die Fahrtauglichkeit festgelegt. Der Stoffwechsel im Zusammenhang mit THC kann sehr unterschiedlich ausfallen. THC ist fettlöslich und lagert sich im Fettgewebe an, von wo es nach und nach abgebaut wird. Der Nachweis kann so teils Tage bis Wochen nach dem letzten Konsum noch möglich sein. Allerdings dürfte ein akuter Cannabisrausch in jedem Falle den Schwellenwert überschreiten. Für gewöhnlich kann THC nach einem Rausch bis zu fünf Stunden im Blut und zehn Stunden im Urin nachgewiesen werden. Die Nachweisdauer hängt vor allem vom jeweiligen Konsummuster (Dauer, Art der Einnahme, Frequenz, Dosis) ab. 8 Wird auch durch den passiven Konsum von THC ("passiv kiffen") THC aufgenommen? Zu 8: Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass der passive Konsum vom THC zu einem positiven Screening Ergebnis führen kann. Die Aufnahme von THC ins Blut ist dabei abhängig von äußeren Faktoren wie zum Beispiel Rauchen von Seite 4 von 4 Cannabis in einem geschlossenen unbelüfteten Raum, der Konsumdosis, der Dauer und Frequenz des Rauchens. 9 Wie wertet die Amtsanwaltschaft Berlin in strafrechtlicher Hinsicht vor dem Hintergrund zu 8) Fälle, in denen ein erhöhter THC-Gehalt im Blut festgestellt worden ist, der Beschuldigte allerdings angibt, kein Cannabisprodukt konsumiert zu haben? Zu 9.: Im Zuständigkeitsbereich der Amtsanwaltschaft Berlin ist in einem Einzelfall im Rahmen einer sachverständig begleiteten Hauptverhandlung ausgeführt worden, dass die passive Aufnahme erhöhter Mengen an THC durchaus möglich sei, jedoch nicht, ohne dies zu bemerken. Bei der Staatsanwaltschaft Berlin liegen bisher keine praktischen Erfahrungen zu der in der Frage geschilderten Fallkonstellation vor. Abstrakt kommen entsprechende Einlassungen im Rahmen von Verfahren wegen des Verdachts von Straßenverkehrsdelikten in Betracht. Die insoweit einschlägigen §§ 315c Absatz 1 Nummer 1 und 316 StGB setzen jeweils eine rauschbedingte Fahruntüchtigkeit voraus. Es kommt dabei nicht darauf an, ob diese durch aktiven oder passiven Konsum eingetreten ist. Vielmehr knüpft die Strafdrohung an das fahrlässige oder vorsätzliche Führen eines Kraftfahrzeuges trotz bestehender Fahruntüchtigkeit an. Ob beziehungsweise inwieweit in Fällen passiver Aufnahme von THC der subjektive Tatbestand gegeben ist, ist eine Frage des Einzelfalls. 10. Ab welcher THC-Blutkonzentration können Säuglinge und Kleinkinder in ihrer körperlichen Unversehrtheit geschädigt werden? Kann dieser Wert grundsätzlich durch passiven Konsum erreicht werden? Zu 10.: Dem Senat sind keine Studien bekannt, die sich mit THC-Schwellenwerten bei Säuglingen und Kleinkindern und den entsprechenden Gesundheitsrisiken befassen. 11. Wie wertet die Amtsanwaltschaft Berlin in strafrechtlicher Hinsicht Fälle, in denen Säuglinge und Kleinkinder passivem Konsum ausgesetzt werden? Zu 11.: Weder bei der Amtsanwaltschaft Berlin noch bei der Staatsanwaltschaft Berlin sind bisher entsprechende Fälle bekannt geworden. Eine etwaige strafrechtliche Beurteilung hängt von zahlreichen einzelfallspezifischen Faktoren ab, so dass die Frage nicht pauschal beantwortet werden kann. Grundsätzlich kämen diverse Straftatbestände in Betracht, so die vorsätzliche oder fahrlässige Körperverletzung (§§ 223, 229 StGB), die gefährliche Körperverletzung (§ 224 Absatz 1 Nummer 1 StGB) oder die Misshandlung Schutzbefohlener (§ 225 StGB). Berlin, den 07. August 2018 In Vertretung Sabine Smentek Senatsverwaltung für Inneres und Sport