Drucksache 18 / 15 820 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Förster (FDP) vom 02. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. August 2018) zum Thema: Aus dem Auge, aus dem Sinn? – Umgang mit dem Brecht-Haus in der Berliner Allee 185 in Weißensee und Antwort vom 15. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Aug. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Kultur und Europa Herrn Abgeordneten Stefan Förster (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen – Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 15 820 vom 02. August 2018 über Aus dem Auge, aus dem Sinn? – Umgang mit dem Brecht-Haus in der Berliner Allee 185 in Weißensee Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wer ist aktuell Eigentümer des Brecht-Hauses in der Berliner Allee 185 in Weißensee und seit wann besteht diese Eigentümerschaft? Zu 1.: Aktuell besitzen zwei natürliche Personen die Immobilie im Gemeinschaftseigentum. 2. Wie war die Entwicklung der Eigentümerstruktur seit 1990 bei diesem Objekt? (Bitte um Nennung von Verkaufsdaten und Eigentümerwechseln) Zu 2.: Der damalige Rat des Stadtbezirks Weißensee, Abteilung Kultur, hat die Rechtsträgerschaft der Immobilie am 30.06.1990 vom Zentralausschuss der Volkssolidarität übernommen. Im Jahr 1999 wurden die Eigentumsrechte an die Alteigentümer (zwei natürliche Personen ) vom Amt zur Regelung offener Vermögensfragen rückübertragen. Im Jahr 2005 wurde die Immobilie verkauft. Die damaligen Käufer sind noch heute Eigentümer. 3. Da unterschiedliche Angaben existieren: Handelt es sich bei dem Gebäude um ein eingetragenes Baudenkmal oder nicht? Wenn nein, warum nicht? Seite 2 von 4 Zu 3.: Ja, es handelt sich um ein eingetragenes Baudenkmal. Das Gebäude ist in der Denkmalliste unter der Positionsnummer 09030628 wie folgt verzeichnet: Berliner Allee 185, Wohnhaus, 1874 von Carl Friedrich Schwenke, 1949-53 Wohnhaus Brecht-Weigel (D). 4. Wann erfolgten Prüfungen auf die Denkmalwürdigkeit dieser herrschaftlichen Villa im neoklassizistischen Stil mit ihrer bedeutenden Bau- und Nutzungsgeschichte und mit welchem Ergebnis? Zu 4.: Erste Überlegungen zum „Denkmalverdacht“ wurden 1982 vom Stellvertreter des Ministers für Kultur der ehemaligen DDR, Herrn Martin Meyer, geäußert, begründet in der Tatsache, dass zwischen 1949 und 1953 Bertolt Brecht und Helene Weigel- Brecht in dem Haus wohnten. Mit Schreiben vom 25.09.1987 wurde vom Rat des Stadtbezirks Berlin-Weißensee der „Denkmalverdacht“ ausgesprochen. Ab diesem Zeitpunkt unterlag das Wohnhaus den Schutzvorschriften des Denkmalpflegegesetzes der ehemaligen DDR. Ausschlaggebend war dabei nicht die Tatsache, dass Brecht/Weigel hier gewohnt haben, sondern, dass „es sich um ein Zeugnis der Anfangsbebauung von Weißensee “ handelt. Am 3. Mai 1990 wurde das Gebäude vom Institut für Denkmalpflege der ehemaligen DDR als Denkmal eingetragen. 5. Wie schätzt die Untere Denkmalschutzbehörde Pankow den Denkmalwert des Gebäudes und den Bauzustand desselben ein und welche Maßnahmen wurden bisher veranlasst, um einem weiteren Verfall dieses Gebäudes entgegenzuwirken? Zu 5.: Der Zustand des Gebäudes wird als optisch unschön, jedoch nicht substanziell gefährdet eingeschätzt. Da ein substanzieller Verfall nicht erkennbar ist, wurden keine ordnungsbehördlichen Maßnahmen zur Beseitigung des jetzigen Zustandes eingeleitet. 6. Wie schätzt die Bauaufsicht des Bezirksamts Pankow den Bauzustand des Objekts ein und welche Maßnahmen wurden bisher veranlasst, um einem weiteren Verfall dieses Gebäudes entgegenzuwirken ? Zu 6.: Der Bauaufsicht sind keine Gefährdungen bekannt, die ein bauaufsichtliches Einschreiten erfordern. 7. Welche Planungen hat nach Kenntnis der Behörden der jetzige Eigentümer mit dem Gebäude, außer es weiter verfallen zu lassen? Seite 3 von 4 Zu 7.: Abgesehen von der Tatsache, dass die Eigentümer seit dem Erwerb das Gebäude zu Wohnzwecken nutzen, sind der Unteren Denkmalschutzbehörde Pankow keine weiteren Planungen der Eigentümer bekannt. 8. Welche kulturgeschichtliche Bedeutung misst der Senator für Kultur und Europa dem zeitweiligen Wohnsitz von Bertolt Brecht bei und welche Aktivitäten zur Sicherung des Gebäudes oder gar öffentlichen Nutzbarmachung (z.B. als Ausstellungsort) wurden bisher unternommen? Zu 8.: Die Villa hat als erster Wohnsitz von Bertolt Brecht und Helene Weigel 1949 bis 1953 in Berlin nach dem Exil in den USA geschichtliche Bedeutung. Sie hat außerdem architekturgeschichtliche Bedeutung. Sie wurde nach der Parzellierung des Ritterguts Weißensee 1874 als Wohnhaus in spätklassizistischen Formen errichtet und ist das älteste profane Gebäude, das im ehemaligen Straßendorf Weißensee erhalten ist. Für Brecht bedeutete das Haus Berliner Allee 185 die Rückkehr nach Berlin und den ersten Wohnort in Deutschland nach 15-jährigem Exil. Seine Gedanken zum Haus und dem kriegszerstörten Berlin hat Brecht in seinem Gedicht „Ein neues Haus“ verarbeitet . Nachdem sich Helene Weigel zeitweise von Brecht getrennt hatte, suchte er ein neues Domizil in der Nähe zum Berliner Ensemble und zog in die Chausseestraße 125. Als Erinnerungsort und Forschungsstätte zu Brecht ist das Brecht-Haus in der Chausseestraße ungleich bedeutender als das Weißenseer Haus. Zum einen, weil die Wohnräume unverändert erhalten und als musealer Gedenkort für Bertolt Brecht und Helene Weigel öffentlich zugänglich sind. Zum andern, weil Helene Weigel nach Brechts Tod 1956 dort das Brecht-Archiv einrichtete, das bis heute als internationale Forschungsstelle zu Brecht, Weigel und deren künstlerischem Umkreis dient. Auch das dort ansässige Literaturforum pflegt durch sein Veranstaltungsprogramm das schriftstellerische Werk Brechts. Die Einrichtung einer weiteren Brecht-Gedenkstätte in Berlin erscheint aus diesen Gründen nicht zwingend notwendig. Gleichwohl wäre es wünschenswert, dass an dem Haus durch eine geeignete Tafel auf die berühmten Bewohner aufmerksam gemacht wird. Bis 1986 war im Gebäude ein Klub der Volkssolidarität ansässig. Danach sollte es abgerissen werden, was im April 1989 von der Denkmalpflege abgelehnt wurde. Ab Oktober 1989 kämpfte der Künstlerverein Weißensee e. V. gegen den geplanten Abbruch. Im Februar 1990 sollte eine Vereinbarung zwischen dem Volkseigenen Betrieb (VEB) Baureparaturen Weißensee, dem Kunstverein und dem Rat des Stadtbezirks Berlin-Weißensee getroffen werden, die die Nutzung des Gebäudes als Kunsthaus und bauliche Instandsetzungen zum Ziel hatte. Diese Vereinbarung wurde dann vom Stadtbezirk zurückgenommen, da zwischenzeitlich Anträge auf Restitution vorlagen. Mit dem Ziel, die Rückübertragung abzuwehren , plante nun der Stadtbezirk die Nutzung durch die bezirkliche Galerie (und dem Künstlerverein) und stellte sofort Gelder für erste Instandsetzungsmaßnahmen bereit. Seite 4 von 4 Anmerkung: Man ging seinerzeit irrtümlich davon aus, dass getätigte Investitionen als Ausschlusstatbestände gem. § 4 Abs. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 des damaligen Vermögensgesetzes anerkannt werden. Nachdem im Jahr 1999 gegen das Bezirksamt die Rückübertragung an die Alteigentümer entschieden wurde, blieb das Bezirksamt Mieter (Kulturamt/Galerie) und hat sich mit der Eigentümerin zwecks Erwerbes der Immobilie in Verbindung gesetzt. Da der Bezirk die finanziellen Mittel (450.000 DM) nicht aufbringen konnte, hat sich die Stiftung Denkmalschutz bereit erklärt, das Grundstück zu erwerben. Angesichts einer seinerzeit kalkulierten Investitionssumme von 1.000.000 DM hat die Stiftung jedoch einen 20-jährigen Mietvertrag erwartet. Auf der Grundlage eines entsprechenden Bezirksamtsbeschlusses hat mit Schreiben vom 26.11.2002 der damalige Bezirksbürgermeister beim Vorsitzenden des Hauptausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses die Zustimmung zur Absicht des Bezirks , das Brechthaus von der Stiftung anzumieten, beantragt. Die Zustimmung des Hauptausschusses wurde jedoch verweigert und schließlich 2005 die Immobilie von den Erben der Alteigentümerin verkauft. Berlin, den 15.08.2018 In Vertretung Gerry Woop Senatsverwaltung für Kultur und Europa