Drucksache 18 / 15 862 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Hakan Taş, Anne Helm und Niklas Schrader (LINKE) vom 30. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. August 2018) zum Thema: Aufmarsch von Neonazis am 18. August 2018 (Heß-Marsch) und Antwort vom 13. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Aug. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 3 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Anne Helm (LINKE), Herrn Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) und Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15 862 vom 30. Juli 2018 über Aufmarsch von Neonazis am 18. August 2018 (Heß-Marsch) ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Gefahreneinschätzung liegt dem Senat derzeit bezüglich des geplanten sog. Heß- Marsches von Neonazis am 18. August 2018 vor (bitte ausführlich darstellen)? Zu 1.: Durch die zuständige Fachdienststelle beim Landeskriminalamt Berlin (LKA 53) erfolgte in Bezug auf die Versammlungslage eine Gefahrenanalyse, die unter Beachtung neuer Erkenntnisse fortlaufend fortgeschrieben wird. Eine detaillierte Schilderung der Inhalte verbietet sich dem Senat aus polizeitaktischen Gründen. Im Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 2. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über Mobilisierung, beteiligte Akteure, zu erwartende Teilnehmerzahl, Route, des Heß-Marsches am 18. August 2018 vor? Zu 2.: Für den 18. August 2018 liegen dem Senat derzeit zwei angemeldete Versammlungen im thematischen Zusammenhang vor. Neben der Versammlung Mord verjährt nicht, gebt die Akten frei – Recht statt Rache! im Bezirk Spandau wurde eine weitere Versammlung zum Thema Recht statt Rache - Mord verjährt nicht - Gebt die Akten frei für den Bezirk Mitte angemeldet. Zu der Versammlung im Bezirk Spandau wird insbesondere auf dem bereits zur letztjährigen Versammlung eingerichteten Facebookaccount Gebt die Akten frei sowie auf der entsprechenden Internetseite Mord-verjaehrt-nicht.info geworben. Zudem wird in sozialen Netzwerken auf zahlreichen Accounts von Privatpersonen des rechten Spektrums mobilisiert. Weiterhin wurden Plakatierungen durchgeführt, Flugblätter verteilt, Farbschmierereien verübt und auf rechtsextremistischen Szeneveranstaltungen für eine Teilnahme geworben. Anmelder sowie Leiter der Versammlung im Bezirk Spandau sind identisch mit den Verantwortlichen der entsprechenden Versammlung im vergangenen Jahr. Die Seite 2 von 3 diesjährige Versammlung wurde durch den Versammlungsanmelder mit bis zu 500 Teilnehmenden angemeldet. Eine vergleichbare Versammlung aus dem letzten Jahr fand mit rund 750 Teilnehmenden statt. Bei dem Versammlungsanmelder im Bezirk Mitte handelt es sich um eine amtsbekannte Person der rechten Szene, die bereits in der Vergangenheit als Versammlungsanmelder sowie Versammlungsleiter in Erscheinung getreten ist. Zu möglichen Teilnehmerzahlen liegen dem Senat derzeit keine Erkenntnisse vor. Konkrete Aufzugsstrecken zu den betreffenden Versammlungen stehen noch nicht abschließend fest. 3. Welchen Einfluss hat nach Einschätzung des Senats das jüngste Urteil des Gerichts München im so genannten NSU-Verfahren auf den Heß-Marsch, insbesondere im Hinblick auf Mobilisierung, beteiligte Akteure, Teilnehmerzahl oder dort vertretene politische Inhalte? Zu 3.: Das Urteil im so genannten NSU-Verfahren (Nationalsozialistischer Untergrund) wird nach hiesiger Einschätzung keinen Einfluss auf die ohnehin umfangreiche Mobilisierung, beteiligte Akteure und die Teilnehmerzahl haben. Es ist jedoch zu erwarten, dass im Rahmen der Demonstration wegen der thematischen Nähe Bezug auf zu Haftstrafen verurteilte Rechtsextremisten genommen wird. 4. Ist nach Kenntnis des Senats mit einer Beteiligung von Beschuldigten bzw. Verurteilten oder deren Angehörigen oder deren engeren Umfeld zu rechnen? Zu 4.: Dem Senat liegen gegenwärtig keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. 5. Inwieweit wird ein Verbot des diesjährigen Heß-Marsches geprüft und welche Rolle spielen dabei die Auswirkungen des Urteils im NSU-Verfahren? Zu 5.: Nach § 15 Absatz (Abs.) 1 Versammlungsgesetz (VersG) kann eine Versammlung unter freiem Himmel oder ein Aufzug von der zuständigen Behörde beauflagt oder verboten werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Veranstaltung unmittelbar gefährdet ist. Ein behördliches Tätigwerden nach § 15 Abs. 1 VersG setzt damit in jedem Fall die Erstellung einer Gefahrenprognose voraus, an die wegen des hohen Verfassungsranges der Versammlungsfreiheit ein strenger Maßstab anzulegen ist. Je nach Ergebnis sind dann von der Versammlungsbehörde Auflagen zu erteilen oder sogar ein Verbot auszusprechen. Ein Versammlungsverbot stellt einen erheblichen Grundrechtseingriff dar und ist nur dann statthaft, wenn mildere Mittel wie Auflagen als Minusmaßnahme zu einem Verbot nicht in Betracht kommen, um die zu besorgende Gefährdung abzuwehren. Ein Verbot stellt im Versammlungsrecht das letzte Mittel dar. Die Auswertung derzeit vorliegender Informationen ergeben keine Hinweise, dass es bei der Durchführung der Versammlung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer verbotsbegründenden unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit kommen würde. Bei der Prüfung handelt es sich um einen fortwährenden Prozess unter Berücksichtigung jeweils neu zur Verfügung stehender Erkenntnisse. Gleichwohl kann die Versammlungsbehörde – wie bereits bei einem thematisch Seite 3 von 3 gleich gelagerten Aufzug im Jahr 2017 geschehen – einer entsprechenden Gefährdung auch mit dem Erlass notwendiger Auflagen begegnen. Das Urteil im NSU-Prozess hat im aktuellen Fall keinen Einfluss auf das versammlungsrechtliche Prüfungsverfahren. Berlin, den 13. August 2018 In Vertretung Sabine Smentek Senatsverwaltung für Inneres und Sport