Drucksache 18 / 15 870 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 26. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. August 2018) zum Thema: Organisierte Kriminalität in Berlin – Drogenhandel (II) und Antwort vom 16. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Aug. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15870 vom 26. Juli 2018 über Organisierte Kriminalität in Berlin – Drogenhandel (II) Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viel Großrazzien in Bezug auf den Drogenhandel gab es von 2010 bis heute in Berlin? (Aufstellung erbeten.) Zu 1.: Der Begriff „Razzia“ ist einheitlich in der Polizeidienstvorschrift 100 (PDV 100 - Führung und Einsatz der Polizei – Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch) definiert, jedoch gibt es keine Festlegungen, ab welcher Größenordnung von einer „Großrazzia“ auszugehen ist. Bei Razzien handelt es sich nicht um Maßnahmen, die geeignet wären, um den organisierten Drogenhandel erfolgreich zu bekämpfen. Entsprechend führt die Polizei Berlin keine Razzien zur Bekämpfung des bandenmäßig organisierten Drogenhandels im Bereich der Organisierten Kriminalität (OK) durch. 2. Welche Drogenarten wurden dabei in welchem Umfang beschlagnahmt? (Aufstellung nach Art der Drogen sowie Sicherstellungsmenge erbeten.) Zu 2.: Es können lediglich Angaben zu den in Berlin insgesamt festgestellten Sicherstellungsmengen gemacht werden, die der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen sind. Aufgrund gemeinsamer Fallbearbeitungen durch die Polizei Berlin und das Zollfahndungsamt (ZFA) Berlin-Brandenburg werden die Sicherstellungsmengen seit 2013 zusammengefasst dargestellt. Aufgrund fehlender Vergleichbarkeit sind Angaben für die Jahre 2010 - 2012 nicht möglich. Rauschgiftart 2013 2014 2015 2016 2017 Heroin in Kilogramm (kg) 30,3 33,8 8,9 92 9,4 Kokain in kg 18,4 177,1 410,6 24,1 8,9 Seite 2 von 4 Cannabisharz in kg 130,5 49,6 39 72,9 137,9 Marihuana in kg 307 214,2 240,2 340,5 714,1 Hanfpflanzen in Stück 11.288 11.416 28.383 5.549 5.562 Lysergsäurediethylamid (LSD) in Stück 867 1.069 603 15.299 458 Amphetamin in kg 157,3 46,5 58,2 50,8 69,7 Amphetaminderivat in Stück 22.888 27.746 31.005 66.198 27.148 psilocybinhaltige Pilze in kg 0,4 0,3 0,2 0,8 1 Crystal in kg 0,7 0,9 6 1,4 1,5 Quelle: Falldatei Rauschgift – Jahresbericht 2017 3. Von welchem Marktwert kann bei der Beschlagnahmung der unter 1. und 2. aufgeführten Substanzen bei Großrazzien in Berlin ausgegangen werden? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 3.: Auf Grundlage der unter Frage 2 aufgeführten Gesamtübersicht aller Sicherstellungen von Betäubungsmitteln (BtM) in Berlin im Rahmen von Strafermittlungsverfahren wird der Marktwert der beschlagnahmten Drogen anhand von überwiegend - bei Strafverfahren in Berlin bekannt gewordenen - Straßenverkaufspreisen dargestellt. Dabei handelt es sich jedoch nicht um valide Angaben, da nur vereinzelt nicht überprüfbare Preise bekannt werden. Darüber hinaus wird bei den Marktpreisen in der Regel nach Straßen- (Euro/Gramm bzw. Euro/Konsumeinheit) und Großhandelspreisen (Euro/Kilogramm bzw. Euro/ 1.000 Stück) unterschieden. Bei der nachfolgenden Berechnung wurde lediglich die Gesamtsicherstellungsmenge mit dem Straßenhandelspreis multipliziert. Keine Berücksichtigung finden hierbei der Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel und damit das szeneübliche Versetzen hochprozentiger Suchtstoffe mit Streckmitteln im jeweiligen Einzelfall, die erst dann den Konsumenten erreichen. Die Tabelle kann daher den tatsächlichen Straßenverkaufswert nur bedingt widerspiegeln. „Marktwert“ in Euro (€) 2013 2014 2015 2016 2017 Heroin 1.212.000 1.352.000 356.000 2.760.000 282.000 Kokain 920.000 8.855.000 24.636.000 1.446.000 534.000 Cannabisharz 1.305.000 496.000 390.000 510.300 965.300 Marihuana 3.070.000 2.142.000 2.402.000 3.405.000 7.141.000 LSD 4.335 5.345 3.015 76.495 2.290 Amphetamin 1.573.000 465.000 582.000 508.000 697.000 Amphetaminderivat 228.880 166.476 310.050 661.980 271.480 psilocybinhaltige Pilze 4.000 3.000 2.000 8.000 10.000 Crystal Keine Info. 135.000 780.000 168.000 105.000 Gesamtwert (€) 8.317.215 13.619.821 29.461.065 9.543.775 10.008.070 Quelle: BKA Erfassungstabelle Rauchgiftpreise 2017 Seite 3 von 4 4. Wie viele Drogenhändler-Ringe konnten seit 2010 in Berlin aufgelöst werden? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 4.: Der Begriff „Drogenhändler-Ring“ wird von der Polizei Berlin nicht verwandt. Schließen sich mindestens drei Straftäter zur fortgesetzten Begehung des unerlaubten Anbaus, der Herstellung oder des Handels zusammen, wird gegen sie als Mitglied einer Bande ermittelt. Die bandenmäßige Begehung von Straftaten ist ein Kriterium der vom Bundeskriminalamt herausgegebenen Definition für Organisierte Kriminalität (OK). Als Grundlage der Antwort werden daher die beim Landeskriminalamt Berlin geführten Ermittlungskomplexe, die als OK eingestuft wurden, herangezogen. Dem Kriminalitätsbereich Rauschgift können 61 Ermittlungskomplexe für den Zeitraum von 2010-2017 zugeordnet werden. Eine Differenzierung für die einzelnen Jahre ist nicht eindeutig vorzunehmen, da Verfahren teilweise über mehrere Jahre fortgeschrieben und bearbeitet werden. Ob in Folge der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Zusammenhang mit diesen Verfahrenskomplexen „Drogenhändlerringe“ nachhaltig aufgelöst werden konnten, kann von der Polizei Berlin nicht abschließend beurteilt werden. 5. Wie viele Ermittlungs- und Strafverfahren wurden innerhalb dieses Zeitraumes eingeleitet und durchgeführt? (Aufstellung nach Jahren erbeten) Zu 5.: Es wird dazu auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Eine statistische Erfassung der innerhalb eines jeden OK-Komplexes eingeleiteten einzelnen Ermittlungsverfahren erfolgt nicht. 6. Welche Rolle spielen Rocker- und Clankriminalität beim Drogenhandel in Berlin? Zu 6.: Innerhalb der OK sind für 2017 in Berlin 15 von insgesamt 68 OK-Komplexen dem Kriminalitätsbereich Rauschgifthandel/-schmuggel zuzurechnen. Rocker (und rockerähnliche Gruppierungen) sowie arabischstämmige Tatverdächtige haben dabei mit jeweils fünf OK-Komplexen den größten Anteil in diesem Kriminalitätsbereich der OK. Für polizeilich relevante Rockerclubs ist der Handel mit Betäubungsmitteln ein Zweig der Geldbeschaffung und nimmt nicht immer zwingend eine herausragende Stellung ein. Eine Auswertung nach „Clankriminalität“ fand mangels einer bundeseinheitlichen Definition bisher nicht statt. Eine Definition wird derzeit in einer Arbeitsgruppe auf Bundesebene unter Mitarbeit des LKA Berlin erstellt. 7. Welche Rolle misst der Senat dem Drogenhandel für die Organisierte Kriminalität und für den islamistischen Terrorismus in Berlin bei? Zu 7.: Seite 4 von 4 Der Anteil von Rauschgifthandel/-schmuggel an der OK liegt in Berlin bei 22,1%. Im Vergleich dazu liegt dieser Anteil bundesweit bei 36,2%. Personen aus dem Phänomenbereich des Islamistischen Extremismus/ Terrorismus sind im Bereich der BtM-Kriminalität bisher vereinzelt und vornehmlich im Rahmen von Handelstätigkeiten zur Finanzierung ihres Alltags aufgefallen. Eine Überschneidung und Verknüpfung von Personen des hiesigen islamistischen Spektrums mit Akteuren aus dem angestammten Milieu der organisierten BtM- Kriminalität ist hierbei nur vereinzelt festzustellen. Feste Einbindungen in Strukturen und Hierarchien des organisierten, internationalen BtM-Schmuggels und -Handels sowie Tatausführungen zum Zweck der Terrorismusfinanzierung hingegen sind bisher nicht valide belegbar. Berlin, den 16. August 2018 In Vertretung Sabine Smentek Senatsverwaltung für Inneres und Sport