Drucksache 18 / 15 898 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Kluckert (FDP) vom 09. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. August 2018) zum Thema: Berlin bremst – wie weit ist die Telematik im Berliner Gesundheitswesen? und Antwort vom 22. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Aug. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Florian Kluckert (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15898 vom 9. Juli 2018 über Berlin bremst - wie weit ist die Telematik im Berliner Gesundheitswesen? ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er hat die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KV Berlin) und die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen und Krankenkassenverbände (ARGE) um eine Stellungnahme gebeten. Die KV Berlin hat bisher nicht geantwortet, die ARGE hat wie folgt Stellung genommen: 1. Welche telemedizinischen Versorgungsmodelle sind konkret in Berliner Krankenhäusern und im Rettungswesen flächendeckend im Einsatz bzw. werden derzeit erprobt? Bitte aufgeteilt nach Krankenhaus, Rettungsstelle und Bezirk. Zu 1.: Derzeit wird der Interdisziplinäre Versorgungsnachweis IVENA eHealth für den Berliner Notfallrettungsdienst und die Berliner Krankenhäuser eingeführt. IVENA ist kein Telematik- Versorgungssystem im engeren Sinne der Diagnostik und/oder Therapie zur Überbrückung von räumlichen Distanzen, nutzt jedoch das Internet als zentrale Kommunikationsplattform zur Übermittlung klinischer Ressourceninformationen sowie zur rechtzeitigen Voranmeldung von Notfallpatienten im jeweiligen Zielkrankenhaus. Weitere Beispiele sind das Zentrum für kardiovaskuläre Telemedizin der Charité und das Institut für Telemedizin des Unfallkrankenhauses Berlin. 2. Welche telemedizinischen Versorgungsmodelle werden speziell im niedergelassenen Ärztebereich bzw. in Praxen flächendeckend eingesetzt bzw. erprobt? Bitte aufgeteilt nach Bezirk. - 2 - 2 Zu 2.: Das deutsche Gesundheitswesen unterliegt einem permanenten Wandel. Dies zeigt sich unter anderem an dem Trend, dass die Telemedizin zunehmend an Bedeutung gewinnt. Zahlreiche Krankenkassen beteiligen sich an Telemedizinprojekten oder unterstützen diese im Rahmen von Selektivverträgen. Eine vollständige Auflistung dieser war nicht zu realisieren . Die Krankenkassen/-verbände begrüßen den Prozess der Digitalisierung dahingehend, dass dadurch Prozesse zwischen den niedergelassenen Haus- und Fachärzten, aber auch aus dem stationären Bereich des Rettungsdienstes beschleunigt und verbessert werden können. Der GKV-Spitzenverband hat beispielsweise Vorschläge zu telemedizinischen Ansätzen in der vertragsärztlichen Versorgung veröffentlicht, auf deren Basis weitere Schritte eingeleitet worden sind. Beispielsweise ist die Videosprechstunde in der vertragsärztlichen Versorgung eingeführt worden. Des Weiteren werben die Krankenkassen/- verbände in Berlin dafür, dass zwischen der Leitstelle des ärztlichen Bereitschaftsdienstes und der Berliner Feuerwehr eine technische Schnittstelle eingeführt wird, um den Prozess deutlich zu verbessern. 3. Wie ist die digitale Vernetzung zwischen der ambulanten und der stationären Gesundheitsversorgung in Berlin ausgestaltet? Zu 3.: Die rechtlichen Voraussetzungen für die Schaffung einer Telematikinfrastruktur und einer hierauf fußenden digitalen Vernetzung der Sektoren werden im Rahmen der Datenschutz- Grundverordnung der Europäischen Union durch den Bundesgesetzgeber erlassen. Die Schaffung der Telematikinfrastruktur ist nach § 291a Absatz 7 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) Aufgabe des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen , der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung , der Bundesärztekammer, der Bundeszahnärztekammer, der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Apothekerinnen und Apotheker auf Bundesebene , die diese Aufgabe durch die Gesellschaft für Telematik wahrnehmen. 4. Wie weit ist Berlin mit der Anwendung der elektronischen Patientenakte? Zu 4.: Die gesetzlichen Krankenkassen sind für die Bereitstellung der elektronischen Patientenakte zuständig. Sie entwickeln und erproben bundesweit verschiedene Modelle für ihre Versicherten (hierzu auch Frage 6). Hinsichtlich der Einführung einer elektronischen Patientenakte beteiligt sich Vivantes zurzeit an zwei Projekten: (1) Die AOK Nordost startete im Oktober 2017 nach eigener Darstellung zunächst in Mecklenburg-Vorpommern ein Pilotprojekt zur digitalen Vernetzung. Zum Jahreswechsel startete das AOK-Gesundheitsnetzwerk dann in Berlin in die Pilotphase. Beteiligt sind - 3 - 3 neun Kliniken und 13 Medizinische Versorgungszentren von Vivantes sowie das Sana- Klinikum Lichtenberg. Zusammen versorgen sie pro Jahr etwa 114.000 AOK-Versicherte, die künftig die digitale Akte nutzen können. Das Netzwerk wird eine digitale Akte, mit der sich medizinische Informationen und Dokumente sektorenübergreifend bereitstellen und abrufen lassen, bieten. Folgende Anwendungen stehen zur Verfügung: a) Aufnahme- und Entlassmanagement, b) der Austausch von Dokumenten zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärzten , c) das Hochladen eigener medizinischer Dokumente und selbsterhobener Vitaldaten , d) ein digitaler Medikationsplan, e) die Bereitstellung von Labordaten durch die beteiligten Ärzte sowie f) die Möglichkeit zur Terminvereinbarung mit Kliniken und Ärzten. Ziel ist ein bundesweites Angebot für die AOK-Versicherten, das regional verschieden ausgestaltet wird. Die AOK betont, dass ihre digitalen Systeme an die Telematik- Infrastruktur angedockt werden können. Bei Vivantes startet das Pilotvorhaben für AOK Versicherte zunächst bei zwei Indikationen. (2) Die Helios Kliniken, Agaplesion, Vivantes und das Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf (UKE) haben nach Eigendarstellung der TK ihre Kooperation mit der Techniker Krankenkasse (TK) und IBM Deutschland für die Entwicklung einer elektronischen Gesundheitsakte zugesichert. Durch die Zusammenarbeit wollen die TK, IBM und die Krankenhausträger „allgemeingültige Standards für die Einbindung von Diagnose- und Behandlungsdaten “ in die elektronische Gesundheitsakte erarbeiten und Standards setzen. Das Pilotprojekt bei Vivantes soll zunächst mit Indikationen aus drei Fachbereichen beginnen . 5. Welche Chancen sieht der Senat durch Telemedizin die Versorgung in unterversorgten Gebieten Berlins zu verbessern? Welche konkreten telemedizinischen Versorgungsmodelle werden hierfür bereits genutzt und welche sind geplant? Zu 5.: Unter Beachtung der Vorgaben der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungsrichtlinie) in der zuletzt am 15. Februar 2018 geänderten Fassung ist in Berlin keinerlei Unterversorgung festzustellen. Berlin stellt im Sinne des § 7 dieser Richtlinie einen einheitlichen Planungsbereich dar. Der Senat hält die Bedarfsplanungsrichtlinie auch deswegen für überarbeitungsbedürftig . Telemedizinische Anwendungen können insbesondere helfen, die Probleme der medizinischen Behandlung, die durch den demografischen Wandel entstehen, zu lösen. Allgemeinhin wird hier insbesondere für ländliche Regionen die Chance eines breiteren Zugangs zu Behandlungen gesehen. Der Senat sieht im bedarfsgerechten Einsatz von Telemedizin ebenfalls Chancen, etwa bei der Nachsorge von Operationen oder der Unterstützung von chronischen Kranken. Für die flächendeckende Nutzung telemedizinischer - 4 - 4 Anwendungen auch in Berlin wird es entscheidend sein, wie die Öffnung des Fernbehandlungsverbots durch den 121. Deutschen Ärztetag durch die Ärztekammer Berlin umgesetzt wird. 6. Was unternimmt der Senat, um den Ausbau der Telematik im Berliner Gesundheitswesen aktiv voranzutreiben und wie sieht dafür die finanzielle Unterstützung seitens des Senats aus? Bitte genaue Angaben zur jeweiligen telematischen Anwendung und die Höhe der finanziellen Förderung. Zu 6.: Der Ausbau der Telematikinfrastruktur (mit elektronischer Gesundheitskarte und elektronischem Heilberufeausweis) ist bundesgesetzlich geregelt. Deren wichtigste Anwendung ist die Einführung einer elektronischen Patientenakte (ePA) nach den verbindlichen Vorgaben der Gematik. Die ePA muss von den Krankenkassen ihren Versicherten bis 2021 zur Verfügung gestellt werden. Konkretisierende Regelungen zur Einführung der ePA werden mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das als Referentenentwurf vorliegt, erfolgen. Der Senat begrüßt es, dass damit seitens des Bundesgesetzgebers zeitlich und inhaltlich verbindliche Vorgaben im Interesse der Versicherten gemacht werden. Der Senat befindet sich mit den relevanten Akteuren im Gespräch, um den Ausbau der Telemedizin im Berliner Gesundheitswesen voranzutreiben. 7. Gibt es Pläne des Berliner Senats die Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen in Kooperation mit Brandenburg auszubauen? Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen werden geplant bzw. werden bereits umgesetzt? Zu 7.: Der Interdisziplinäre Versorgungsnachweis IVENA eHealth soll zukünftig unterbrechungsfrei zwischen Berlin und Brandenburg genutzt werden, sodass sowohl rettungsdienstliche Zuweisungen als auch klinische Ressourceninformationen länderübergreifend durchgeführt und eingesehen werden können. Zum jetzigen Zeitpunkt können sich sowohl die Leitstelle der Berliner Feuerwehr als auch die Brandenburger Leitstellen bereits über die Ressourcenverfügbarkeit der Berliner und der Brandenburger Krankenhäuser über die gemeinsam genutzte Plattform IVENA eHealth informieren. Im Rahmen der gemeinsamen Krankenhausplanung wird auch der bedarfsgerechte Einsatz telemedizinischer Anwendungen geprüft. Berlin, den 22. August 2018 In Vertretung Barbara König Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung