Drucksache 18 / 15 909 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marc Urbatsch (GRÜNE) vom 01. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. August 2018) zum Thema: Verwaltungsgebühren und Antwort vom 20. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Aug. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Finanzen Herrn Abgeordneten Marc Urbatsch (GRÜNE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 15909 vom 1. August 2018 über Verwaltungsgebühren ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Für welche Dienstleistungen müssen BürgerInnen Verwaltungsgebühren entrichten? Zu 1.: Nach § 1 Absatz 1 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge (GebBtrG) werden Verwaltungsgebühren für die Vornahme von einzelnen Amtshandlungen erhoben, die auf Veranlassung der Bürgerin bzw. des Bürgers, bspw. aufgrund Antragstellung, oder auf Grund gesetzlicher Ermächtigungen in überwiegendem Interesse einzelner vorgenommen werden. Amtshandlungen , die in überwiegend öffentlichem Interesse vorgenommen werden, sind gebührenfrei . Die einzelnen Verwaltungsgebühren befinden sich in den jeweils fachlich einschlägigen Gesetzen bzw. Gebührenverordnungen. Allein der Anhang der Verwaltungsgebührenordnung weist über 160 Tarifstellen teils zzgl. weiterer Untergliederungen aus. 2. Wie wird die Höhe der Verwaltungsgebühren wie oft und durch wen berechnet und festgesetzt ? Zu 2.: Die Höhe der Verwaltungsgebühren wird durch die jeweils zuständige Fachverwaltung unter Beachtung des Äquivalenz-, des Kostendeckungs- und des Leistungsproportionalitätsprinzips ermittelt und festgelegt. Wie oft Verwaltungsgebühren neu berechnet werden, entscheidet die jeweils zuständige Fachverwaltung in eigener Verantwortung. 3. Welchen Zweck erfüllen Verwaltungsgebühren? a) Decken diese in ihrer finanziellen Höhe den gesamten Verwaltungsaufwand, der bei den betreffenden Verwaltungsverfahren besteht? Zu 3.: Verwaltungsgebühren werden – wie alle öffentlichen Abgaben – zur Deckung des Finanzbedarfs eines Hoheitsträgers erhoben. Aufgrund der individuellen Zurechenbarkeit der öffentlichen Leistung sollen Verwaltungsgebühren anders als beispielsweise Steuern nicht die Allgemeinheit , sondern den einzelnen Veranlasser belasten. a) Nach § 8 Absatz 2 GebBtrG sind Verwaltungsgebühren unter Berücksichtigung der Kosten des Verwaltungsaufwandes, des Wertes des Gegenstandes der Amtshandlung, des Nutzens oder der Bedeutung der Amtshandlung für die Gebührenschuldnerin bzw. den Gebührenschuldner zu bemessen. Die Kosten des Verwaltungshandelns sind also nur ein Kriterium neben anderen für die Höhe der Verwaltungsgebühr. Außerdem können unter besonderen Voraussetzungen auch gebührenfreie Amtshandlungen zugelassen werden. Auch bei der Berücksichtigung der Kosten des Verwaltungsverfahrens für die Ermittlung der Gebührenhöhe steht dem jeweiligen Gesetz- und Verordnungsgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Da Gebühren in der Regel in Massenverfahren erhoben werden, bei denen nicht jede einzelne Gebühr nach Kosten, Wert und Vorteil einer real erbrachten Leistung genau berechnet werden kann, darf er insbesondere generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, die verlässlich und effizient vollzogen werden können. 4. Wie geht der Senat damit um, dass oftmals mittellose Personen bzw. Personen mit sehr niedrigem Einkommen, die für die Inanspruchnahme von Verwaltungsdienstleistungen benötigten finanziellen Mittel nicht zur Verfügung haben (z. B. für den neuen Personalausweis)? Zu 4.: Gemäß § 19 Absatz 1 Satz 1 GebBtrG können Forderungen auf Zahlung von Gebühren und Beiträgen sowie auf Erstattung von Barauslagen ganz oder teilweise gestundet, niedergeschlagen oder erlassen werden. Die Voraussetzungen für Stundung, Niederschlagung und Erlass regelt die Landeshaushaltsordnung. Geregelt sind danach Fälle, in denen die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Anspruchsgegner verbunden wäre, in denen feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, sowie in denen die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles für den Anspruchsgegner eine besondere Härte bedeuten würde. Hinsichtlich eines neuen Personalausweises kann für bedürftige Personen gemäß § 1 Abs. 6 der Verordnung über Gebühren für Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis (PAuswGebV) die Gebühr ermäßigt oder aber von ihrer Erhebung abgesehen werden . Als bedürftig im Sinne des Gesetzes ist diejenige oder derjenige anzusehen, der Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB) bezieht. 5. Hält es der Senat für angemessen und praktikabel, dass Hartz 4 EmpfängerInnen fast 10 Jahre aus ihrem Satz monatlich 25 Cent zu sparen haben, um hiermit einen neuen Personalausweis bezahlen zu können? Zu 5.: Die Bemessung der Regelsätze gewährleistet den nach dem SGB II leistungsberechtigten Personen ein menschenwürdiges Existenzminimum. Der Senat schließt sich dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21.04.2016 (VG Berlin, 21.04.2016 - 23 K 329.15) an, in dem es ausgeführt hat, dass die Behörde den jeweiligen Einzelfall zu prüfen hat. Daraus könnte sich ein vollständiger Gebührenerlass ergeben. Grundsätzlich aber könne jede oder jeder Betroffene seine Gebühr aus dem Regelsatz ansparen, da Gebühren für sonstige Dienstleistungen , zu denen die Personalausweisgebühr zählt, regelbedarfsrelevant berücksichtigt wurden. Ob und inwieweit eine Gebührenermäßigung oder -befreiung für eine bedürftige Gebührenschuldnerin bzw. einen bedürftigen Gebührenschuldner im Sinne des zweiten oder zwölften Buches Sozialgesetzbuch tatsächlich gewährt oder versagt wird - insbesondere in den Fällen , in denen bedürftige Personen erst einen sehr geringen Teil der Personalausweisgebühr ansparen konnten-, steht im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörden. 6. Welche Möglichkeiten bestehen, für Personen, insb. mit niedrigen Einkommen bzw. für alle die Verwaltungsgebühren für jene Dokumente zu reduzieren bzw. zu erlassen, die allen BürgerInnen vorgeschrieben sind (z. B. Personalausweis)? a) Welche Kosten würden hierbei für das Land entstehen? Zu 6.: Der Senat geht davon aus, dass es rechtlich zulässig wäre, das Ausstellen von Dokumenten, deren Besitz allen Bürgerinnen und Bürger vorgeschrieben ist, für alle Bürgerinnen und Bürger oder bei solchen mit niedrigem Einkommen gebührenfrei vorzunehmen. Eine entsprechende Gebührenfreiheit könnte in die jeweils einschlägige Gebührenordnung aufgenommen werden. a) Dem Senat liegt keine Auflistung der Dokumente vor, deren Besitz gesetzlich vorgeschrieben ist. Der Verzicht auf die Erhebung der Gebühren für die Ausstellung eines Personalausweises würde jedenfalls jährliche Einnahmeverluste in Höhe von ca. 9 Mio. € für das Land Berlin zur Folge haben. Berlin, den 20. August 2018 In Vertretung ………………………………. Klaus Feiler Senatsverwaltung für Finanzen