Drucksache 18 / 15 927 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 26. Juli 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. August 2018) zum Thema: Organisierte Kriminalität in Berlin – Verbindungen Schlüsseldiensten und Antwort vom 21. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Aug. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15927 vom 26. Juli 2018 über Organisierte Kriminalität in Berlin – Verbindungen Schlüsseldiensten ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Schlüsseldienste sind derzeit in Berlin registriert und wie hat sich ihre Zahl in den letzten acht Jahren entwickelt? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 1.: Zur aktuellen Anzahl und der Entwicklung von Schlüsseldiensten im Land Berlin können aufgrund der unterschiedlichen Erfassungsmodalitäten für Gewerbebetriebe, welche diese Dienstleistung anbieten sowie der begrenzten Recherchemöglichkeiten in der Gewerbedatenbank MIGEWA keine validen Aussagen getroffen werden. Unter dem Vorbehalt der möglichen Unvollständigkeit wurden durch 10 Bezirksämter Zahlen zu den aktuell im Zuständigkeitsbereich ihrer Gewerbeämter registrierten Schlüsseldiensten übermittelt. Gemäß den vorliegenden Meldungen ergibt sich ein Näherungswert von insgesamt 434 Schlüsseldiensten. 2. Welche Voraussetzungen müssen konkret erfüllt sein, um ein Schlüsseldienst-Gewerbe zu gründen, anzumelden und zu betreiben? Zu 2.: Um sich mit einem Schlüsseldienst selbstständig zu machen, muss dies zunächst bei dem für den Betriebssitz zuständigen Gewerbeamt angezeigt werden. Die Anzeige muss vor der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit erfolgen, da es sich bei dem Tätigkeitsfeld des Schlüsseldienstes nach § 38 der Gewerbeordnung (GewO) um ein überwachungsbedürftiges Gewerbe handelt. Hierfür sieht das Gesetz eine zwingende Überprüfung der persönlichen Zuverlässigkeit der potentiellen Gewerbetreibenden vor. Zum Nachweis müssen die Anzeigenden ein polizeiliches Führungszeugnis nach § 30 Absatz (Abs.) 5 Bundeszentralregistergesetz und einen Auszug aus dem Gewerbezentralregister gemäß § 150 Abs. 5 GewO (beides zur Vorlage bei einer Behörde) beibringen. Seite 2 von 4 Die polizeilichen und gewerblichen Führungszeugnisse belegen, dass die Antragstellenden vertrauenswürdig und zuverlässig sind. Sofern sich die Antragstellenden in der Vergangenheit einschlägig fehlverhalten haben, wird die gewerbliche Ausübung mit Blick auf das Wohl der Allgemeinheit grundsätzlich negativ beschieden. 3. Wurde Schlüsseldiensten in Berlin die Ausübung ihrer Geschäfte in den letzten acht Jahren untersagt? (Wenn ja, wie vielen und aus welchen Gründen?) (Aufstellung erbeten.) Zu 3.: Dazu ist keine valide Aussage möglich, siehe auch Antwort zu Frage 1. 4. Welche Kenntnisse hat der Senat über die letzten acht Jahre zu Schlüsseldiensten, die in Verbindung zur Organisierten Kriminalität standen beziehungsweise stehen, erhalten? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 4.: Der Senat hat keine Kenntnisse zur Verbindung zwischen Schlüsseldiensten und Organisierter Kriminalität. 5. Müssen Kunden nach dem Einsatz eines Schlüsseldienstes zwingend bar bezahlen oder besteht ein rechtlicher Anspruch darauf, dass dies per Rechnung erfolgen kann? Zu 5.: Da Schlüsseldienste regelmäßig der gesetzlichen Umsatzsteuerpflicht unterliegen, besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Rechnung nach § 14 Umsatzsteuergesetz. Die Kunden können das geschuldete Entgelt grundsätzlich nach § 273 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurückbehalten, bis der/die Leistende ihnen die Rechnung erstellt. Wird die Rechnung durch den Schlüsseldienst nach Durchführung der Türöffnung vor Ort ausgestellt, kann der Schlüsseldienst nach erfolgter Abnahme des Werks durch die Kunden gemäß § 271 BGB die sofortige Zahlung verlangen. Die Vertragsparteien können aber abweichend hiervon eine Zahlungsfrist und Zahlung durch Überweisung vereinbaren. 6. Müssen der Grundpreis und zusätzlichen Kostenfaktoren für eine Türöffnung öffentlich einsehbar sein, und falls nicht, welche Möglichkeiten hat der Verbraucher sich gegen Übervorteilung zu schützen, bzw. zu wehren? Zu 6.: Nach dem geltenden Recht besteht eine derartige Transparenzpflicht nicht. Allerdings hat die Verbraucherschutzministerkonferenz am 14. Juni 2018 beschlossen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher besser vor unangemessen hohen Entgelten bei der Inanspruchnahme von Schlüsselnotdiensten geschützt werden müssen. Da die Länder nach den Vorschriften des Grundgesetzes hierzu über keine Gesetzgebungskompetenz verfügen, haben die Verbraucherschutzministerinnen und -minister der Länder den Bund gebeten, die Erbringer von Schlüsseldiensten gesetzlich zu verpflichten, ihre Preisverzeichnisse den zuständigen Aufsichtsbehörden vorzulegen. Seite 3 von 4 Darüber hinaus hat die Verbraucherschutzministerkonferenz den Bund gebeten, unter Beteiligung der Länder und mit Unterstützung der Wirtschaftsministerkonferenz weitere Maßnahmen zu prüfen, mit denen Verbraucherinnen und Verbraucher vor unangemessen hohen Entgelten geschützt werden können. Aus Sicht der Verbraucherschutzministerkonferenz könnte die Veröffentlichung einer aus den einzelnen Preisverzeichnissen erstellten Preisübersicht eine für Verbraucherzentralen und Gerichte hilfreiche Orientierung zur Bestimmung der Angemessenheit und der Grenze des sittenwidrigen Missverhältnisses im Sinne von § 138 BGB liefern. Gegebenenfalls könnte der Bund im Rahmen des kartellrechtlich Zulässigen auch auf eine Branchenempfehlung auf einen angemessenen Preisrahmen hinwirken. Verträge über Schlüsselentgelte sind nach § 138 BGB nichtig, wenn sie gegen die guten Sitten verstoßen. Ob im jeweiligen Einzelfall tatsächlich ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und der Vertrag durch eine Ausbeutung der Zwangslage zustande gekommen ist, lässt sich nicht allgemein beurteilen. Dies setzt immer die Prüfung aller Umstände des Einzelfalls, wie z.B. Sitz und Anfahrtsweg des Schlüsselnotdienstes, Tag und Uhrzeit der Türöffnung (d.h. Berücksichtigung branchenüblicher Nacht-, Wochenendund Feiertagszuschläge) und dem tatsächlichen Aufwand für die Türöffnung und gegebenenfalls des Einbaus eines neuen Schlosses voraus. Die betroffenen Berliner Verbraucherinnen und Verbraucher haben die Möglichkeit, sich von der Verbraucherzentrale Berlin beraten zu lassen oder anwaltlichen Rat einzuholen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz bestehenden Schlichtungsangebote zu nutzen. 7. Welche Indikatoren weisen auf einen unseriösen Schlüsseldienst hin und wem können diesbezügliche Verdachtsfälle gemeldet werden? Zu 7.: Ein häufig auftretendes Problem ist die Berechnung sehr hoher Anfahrtskosten. Unseriöse Schlüsseldienste verschleiern oft ihren wahren Sitz. Manche Schlüsseldienste erzeugen durch eine Telefonnummer mit Ortsvorwahl den Eindruck, dass sie sich ganz in der Nähe befinden. Die vermeintlich ortsansässigen Telefonnummern werden dann zu einem Callcenter umgeleitet, das die Aufträge an nicht ortsansässige Schlüsseldienste delegiert. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind gut beraten, die konkreten Anfahrtskosten bereits am Telefon verbindlich abzuklären. Noch besser wäre es, sich bereits vorab im eigenen Wohngebiet zu erkundigen, wo sich die nächstgelegenen Schlüsseldienste befinden und die Notfallnummern in der Kontaktliste des Mobilfunktelefons abzuspeichern. Ein weiteres Problem sind unangemessen hohe Zuschläge für Türöffnungen zu Nacht-, Wochenend- und Feiertagszeiten sowie die Berechnung von Aufschlägen, wenn die Türöffnung etwas länger dauert. Unseriöse Schlüsseldienste bieten auch gern unnötige Zusatzdienste an. Auch hier sollten die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher bereits am Telefon erfragen, welche Pauschalen in welcher Höhe von dem jeweiligen Schlüsseldienst berechnet werden. Unseriöse Schlüsseldienste erkennt man darüber hinaus daran, dass die nötigen Informationen am Telefon nicht erteilt werden und die Verbraucherinnen und Verbraucher sich dann vor Ort entsprechend getäuscht fühlen. Oft hilft es hier schon, wenn man bei der telefonischen Bestellung und der anschließenden Türöffnung eine Nachbarin oder einen Nachbarn als Zeugen hinzuzieht. Weitere Indikatoren sind unübersichtliche Auftragsformulare mit unübersichtlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs). Solche Formulare sollten nicht ungelesen Seite 4 von 4 unterschrieben werden. Unangemessene Geschäftsbedingungen sollten durch eine vorrangige Individualabrede ersetzt und unzutreffende Passagen gestrichen werden. Darüber hinaus händigt ein unseriöser Schlüsseldienst oftmals anstelle einer ordnungsgemäßen Rechnung unter Ausweisung aller Einzelpositionen nur lose Quittungen aus. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten in diesen Fällen die Barzahlung vor Ort verweigern oder zumindest einen Teilbetrag bis zum Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung zurückbehalten. Generell sollten Verbraucherinnen und Verbraucher sich nicht unter Druck setzen lassen. In einem Notfall – etwa wenn sich kleine Kinder oder andere hilfsbedürftige Personen allein in der Wohnung befinden – sollte die Feuerwehr gerufen werden. Im Falle eines Betrugsverdachts oder einer Bedrohung empfiehlt sich der Ruf der Polizei. Oft genügt hier schon die Ankündigung eines Polizeirufs, um die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter des Schlüsseldienstes zum Einlenken zu bewegen. Anhaltspunkte für unseriöse Geschäftspraktiken können dem örtlich zuständigen Gewerbeamt (Bezirksamt) angezeigt werden. 8. Welche Rolle kommt der Industrie- und Handelskammer Berlin im Bereich der Schlüsseldienste zu? Zu 8.: Keine. 9. Sind dem Senat Strafanzeigen und Strafverfahren gegen Schlüsseldienste wegen Betrugs bei der Türöffnung in Berlin bekannt? (Aufstellung für den Zeitraum von fünf Jahren erbeten.) Zu 9.: Ja. Eine Statistik im Sinne der Fragestellung wird durch die Strafverfolgungsbehörden in Berlin jedoch nicht geführt. Berlin, den 21. August 2018 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport