Drucksache 18 / 15 937 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 07. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. August 2018) zum Thema: Der Angleichungsgrundsatz im Berliner Strafvollzug I und Antwort vom 21. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Aug. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15937 vom 7. August 2018 über Der Angleichungsgrundsatz im Berliner Strafvollzug I ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Werden - und wenn ja, in welchen und in welcher konkreten Ausgestaltung - Strafgefangenen in den Berliner Justizvollzugsanstalten Angebote gemacht, um eine selbstständige, gesunde Versorgung (Einkaufen /Kochen/Aufbewahren) im Interesse des Angleichungsgrundsatzes im Strafvollzug einzuüben? Zu 1.: Zu den Angeboten der Berliner Justizvollzugsanstalten im Sinne der Anfrage kann wie folgt berichtet werden: In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Moabit sind entsprechend dem Vollstreckungsplan des Landes Berlin überwiegend Untersuchungsgefangene untergebracht. Eine Zuständigkeit für Strafgefangene besteht in der Regel nur für die Dauer des Einweisungsverfahrens oder in Fällen, in denen Untersuchungshaft als sogenannte Überhaft zu einer Freiheitsstrafe notiert ist und Verdunkelungsgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 3 Strafprozessordnung (StPO) besteht. Da sowohl der Aufenthalt von Untersuchungs- als auch von Strafgefangenen in der JVA Moabit im Durchschnitt eher von kurzer Dauer ist und auch der gesetzliche Auftrag einer Untersuchungshaftanstalt nicht mit dem einer Strafanstalt vergleichbar ist, bildet das Einüben einer selbständigen Versorgung in der JVA Moabit keinen Schwerpunkt. Untersuchungs- und Strafgefangene werden in der JVA Moabit unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung vollverköstigt . Ergänzend haben sie die Möglichkeit, wöchentlich über einen externen Anbieter käuflich Nahrungs- und Genussmittel zu beziehen. In der Teilanstalt III/IV sowie auf den Stationen A 1 und A 2 der Teilanstalt I werden den Gefangenen zur Wahrung verfassungsmäßiger Unterbringungsbedingungen erweiterte Aufschlusszeiten gewährt. Dort stehen ihnen außerhalb ihres Haftraumes in einem gesonderten Raum sogenannte „Fächerkühlschränke“ zur Aufbewahrung von Lebensmitteln zur Verfügung. Jeder in diesen Bereichen untergebrachte Gefangene hat ein ihm zugewiesenes, verschließbares Fach, aus dem er während der Aufschlusszeiten seine Lebensmittel zum Verzehr entnehmen kann. Kochmöglichkeiten werden zurzeit in keinem Bereich vorgehalten. Eine ausschließlich auf Ernährung ausgerichtete Beratung wird nicht angeboten, kann aber im Kontext anderer Beratungsangebote (z. B. bei Beratungen der Berliner AIDS- Hilfe oder im Rahmen des Beratungsangebots „Drehscheibe Alter“) in die übermittelte 2 Information einfließen. Zudem wird zurzeit in Zusammenarbeit mit der Berliner AIDS-Hilfe sowie dem Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin ein „Gesundheitsordner“ mit unterschiedlichen Informationsmaterialien zum Thema „Gesunderhaltung im Justizvollzug“ zusammengestellt, der auch ein Informationsblatt zur „Gesunden Ernährung“ enthalten wird. Zum Thema Ernährung stehen in den Gefangenenbüchereien zudem Bücher zur Verfügung. In der JVA Tegel können Gefangene zusätzlich zur Anstaltsverpflegung aus einem reichhaltigen Angebot an Lebensmitteln auswählen und die Produkte im Weg des Einkaufs aus ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln erwerben, darunter auch zahlreiche Produkte für eine gesunde Mischkost (Obst, Gemüse, Fleischwaren etc.). Die Gefangenen können die Speisen in Stationsküchen selbst zubereiten; dort stehen Koch- und Backgelegenheiten zur Verfügung. Zur Aufbewahrung der Lebensmittel sind Kühlschränke - unterteilt in abschließbare Kühlfächer - vorhanden. Die meisten Gefangenen erhalten ein einzelnes abschließbares Kühlfach; sofern dies aus Kapazitätsgründen nicht möglich ist, teilen sich zwei Gefangene ein Kühlfach. Sicherungsverwahrte, von denen sich der überwiegende Teil gemäß § 58 Abs. 1 Sicherungsverwahrungsgesetz Berlin (SVVollzG Bln) selbst verpflegt, dürfen darüber hinaus Tiefkühlware kaufen, die in Gefrierschränken aufbewahrt wird. Die Stationsküchen in der Einrichtung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung sind zudem mit Kühl-Gefrierkombinationen und Einbauküchen ausgestattet. In der JVA Heidering haben die Gefangenen die Möglichkeit zweimal im Monat über die Einkaufsfirma Nahrungs-, Genussmittel sowie Hygieneartikel zu erwerben. Tiefkühlkost ist nur in dem Umfang zugelassen, sofern diese zeitnah verzehrt wird. Auf jeder Wohneinheit in den Teilanstalten befinden sich Gemeinschaftsküchen mit jeweils zwei Herden sowie abschließbaren Gemeinschaftskühlschränken. Jeder Strafgefangene verfügt über ein eigenes abschließbares Kühlschrankfach. Während der Aufschlusszeiten können die Strafgefangenen in den Gemeinschaftsküchen kochen. Im Rahmen des neunwöchigen modularen Gruppentrainings findet an einem Tag ein „Kochkurs“ statt. Dort lernen die teilnehmenden Strafgefangenen insbesondere auch unter Berücksichtigung finanzieller Aspekte Speisen und Gerichte zu bereiten. Den Gefangenen in der JVA Plötzensee stehen in den Unterbringungsbereichen Möglichkeiten zum Kühlen und Gefrieren ihrer Lebensmittel in Form von verschließbaren Fächern in Kühlschränken und in Gefriertruhen zur Verfügung. Zum Kochen von Speisen sind Herde vorhanden. Über den Einkauf können die Gefangenen ihre Versorgung selbstständig steuern und gesunde Kost beziehen. Neben frischen Wurst-, Fisch- und Fleischwaren sind Molkereiprodukte aber auch frisches Obst und Gemüse wie zum Beispiel Auberginen und Avocado im Angebot. Spezifische Angebote wie beispielsweise Koch- und/oder Ernährungskurse im Rahmen der Freizeitgestaltung werden derzeit in der JVA Plötzensee für die Gefangenen nicht angeboten. Allerdings bereiten die Gefangenen ihr Essen gemeinschaftlich zu, unterstützen sich dabei gegenseitig hinsichtlich einer selbstständigen, gesunden Versorgung und üben diese damit ein. In der Jugendstrafanstalt Berlin können jugendliche Gefangene täglich - ergänzend zur Anstaltsverpflegung - selbstständig kochen. Dieses findet in der Freizeit statt und wird gelegentlich von Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes beratend begleitet. Im Rahmen des Erziehungsauftrags ist geplant, dass der Sozialdienst regelmäßig „Kochen“ als Behandlungsmaßnahme für die von ihnen betreuten jungen Straftäter anbietet. Zu diesem Zweck sollen in den Häusern eingerichtete Küchen genutzt werden. Sie verfügen 3 über eine Größe, die es erlaubt, dass sich mehrere Personen gleichzeitig an Kochaktivitäten beteiligen und hierbei Grundlagen gesunden Kochens und gesunder Ernährung vermittelt werden können. Die Gefangenen der JVA des offenen Vollzuges Berlin haben die Möglichkeit, zum Kochen und Backen die Gemeinschaftsküchen ihrer jeweiligen Unterbringungsbereiche zu nutzen. In den Teilanstalten Kiefheider Weg und Kisselnallee werden je drei Gemeinschaftsküchen vorgehalten. Die Teilanstalt Robert-von-Ostertag-Straße ist mit insgesamt 12 Küchen ausgestattet. Pro Station stehen dort zwei Küchen zur Verfügung, die mit einem Gemeinschaftsraum verbunden sind. Die Teilanstalt Niederneuendorfer Allee verfügt über acht Küchen. Es stehen jeweils mehrere Herdkombinationsgeräte und Mikrowellen zur Nutzung zur Verfügung. Der Zugang zu den Küchen ist regelhaft zwischen 06:00 und 22:00 Uhr gestattet. In allen Teilanstalten besteht außerdem auf Antrag die Möglichkeit, einen Grill auf dem Freigelände zu nutzen. Den Inhaftierten stehen auch ausreichend Möglichkeiten zur Kühlung ihrer Lebensmittel zur Verfügung. Je nach baulichen Gegebenheiten können die Lebensmittel entweder auf dem eigenen Haftraum oder in abschließbaren Kühlfächern in den Küchen gekühlt werden . Daneben können Lebensmittel in überschaubarem Umfang auf den Hafträumen gelagert werden. Lebensmittel können zudem außerhalb der Anstalt im Rahmen von Vollzugslockerungen erworben und anschließend in die Anstalt eingebracht werden. Das Einbringen von bereits selbst fertig zubereiteten und in Aufbewahrungsboxen verpackten Speisen ist nicht gestattet. Fertigprodukte aus dem Handel sind hiervon ausgenommen. Die Nutzung der Küchen und Kühlfächer ist sowohl den Inhaftierten, die mit der Ausübung eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses oder aus anderen Gründen zur Selbstverpflegung verpflichtet sind als auch denjenigen, die sich in der Anstaltsverpflegung befinden, gestattet. Regelhaft werden keine Kurse oder sonstige Trainings zum Kochen oder zur gesunden Ernährung angeboten. Vereinzelt organisieren die zuständigen Gruppenleitungen ein gemeinsames Kochen oder Grillen mit der Wohngruppe. Sinn dieser Veranstaltungen ist neben dem Erlernen des Umgangs mit Lebensmitteln das gemeinsame Erleben in der Gruppe und der kulturelle Austausch. Zur Situation in der JVA für Frauen Berlin ist auszuführen: Im geschlossenen Vollzug der Teilanstalten Lichtenberg und Pankow haben die Frauen die Möglichkeit, zweimal im Monat am Gefangenen-Einkauf teilzunehmen. Die dort erworbenen Lebensmittel werden in individuell zugewiesenen abschließbaren Fächern in größeren Kühlschänken auf den Stationen aufbewahrt. Die Stationen verfügen jeweils über eine Küche, in wenigen Ausnahmefällen teilen sich zwei Stationen eine gemeinsame und dafür etwas größere Küche, welche von den Frauen zu den Aufschlusszeiten genutzt werden. Die in der Teilanstalt Reinickendorf (Offener Vollzug) untergebrachten Frauen können auf Wunsch ebenfalls am Gefangenen-Einkauf teilnehmen, haben aber zusätzlich ebenso wie die Frauen des Sozialtherapeutischen Bereichs (Teilanstalt Neukölln) die Möglichkeit über Vollzugslockerungen und Freigänge sich selbst außerhalb der Justizvollzugsanstalt mit Lebensmitteln zu versorgen, welche ebenfalls in den privaten, abschließbaren Fächern der Kühlschränke auf den Stationen gelagert und innerhalb der Stationsküchen verarbeitet werden können. 4 In der Jugendarrestanstalt Berlin-Brandenburg werden keine ernährungsspezifischen Angebote vorgehalten. Die Insassen erhalten vereinzelt durch Bedienstete Anregungen. In unregelmäßigen Abständen finden auch Backgruppen statt. Den Berliner Justizvollzugsanstalten steht allgemein eine Ernährungsberaterin zur Verfügung . Initiiert über die jeweiligen Arztgeschäftsstellen der Anstalten werden in diesem Rahmen gegenwärtig an Diabetes erkrankte Gefangene gesundheitlich beraten. 2. Wie viele Strafgefangene teilen sich in den einzelnen Häusern der JVA Tegel jeweils eine Küche bzw. wie viele Strafgefangene entfallen jeweils rechnerisch auf eine Küche auf den Stationen? Wie viele Kochfelder sind in den Küchen vorhanden? Zu 2.: Jede Station in der JVA Tegel verfügt über eine Stationsküche, die jeweils mit einem Herd (vier Kochfelder, ein Backofen) ausgestattet ist. In der Sozialtherapeutischen Anstalt haben 4 von 9 Stationen Herde und in der Einrichtung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung haben alle 6 Stationen sogar jeweils zwei. In der Teilanstalt II teilen sich etwa 30 Gefangene eine Küche, in den Teilanstalten V und VI jeweils 15 Gefangene . In der Sozialtherapeutischen Anstalt sind die Stationsgrößen sehr unterschiedlich (10 bis 25 Gefangene). Die Stationen der Einrichtung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung haben jeweils 10 Haftplätze. 3. Wann sind die Herde und die Kühl - und Gefrierschränke in den Küchen jeweils angeschafft worden? Zu 3.: Herde und Gemeinschaftskühlschränke werden nach Bedarf beschafft, in den Jahren 2016 bis 2018 in folgenden Größenordnungen in der JVA Tegel: 20.05.2016: 5 Gemeinschaftskühlschränke 15.09.2016: 10 Herde 18.11.2016: 10 Herde 18.08.2017: 30 Herde 21.03.2018: 5 Gemeinschaftskühlschränke 15.06.2018: 5 Gemeinschaftskühlschränke Die Einrichtung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung ist mit der Inbetriebnahme im Jahr 2013 komplett neu mit Herden und Kühl-Gefrierkombinationen ausgestattet worden. 4. Welche Innenraumhöchsttemperaturen wurden in den Monaten Juli und August bisher in den Häusern II und III der JVA Tegel gemessen? Zu 4.: Es wurden in den Teilanstalten II und III keine diesbezüglichen Messungen vorgenommen . Berlin, den 21. August 2018 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung