Drucksache 18 / 15 942 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) vom 09. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. August 2018) zum Thema: Zum Begriff der Migrationsgesellschaft und Antwort vom 20. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Aug. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Herrn Abgeordneten Franz Kerker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15942 vom 9. August 2018 über Zum Begriff der Migrationsgesellschaft ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Kristin Brinker (AfD) zum Thema: Kameralistik und Erweiterte Kameralistik vs. Doppik – Teil 1 [Drucksache 18 / 15597] beantwortet der Senat u.a. wie folgt: „Der Staat stellt die politische Organisationsform eines Volkes in seinem Gebiet dar, welche durch die Staatsverfassung manifestiert wird.“ Die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) zum Thema: KigA und AKRAN: zwei Hörner eines Dilemmas [Drucksache 18 / 15605] beantwortet der Senat u.a. wie folgt: „Migrationsgesellschaft“ ist als soziologischer Begriff zu verstehen, als eine Gesellschaft, in der Migration stattfindet. Die Gesellschaft in Deutschland ist vielfältig, muslimische Jugendliche sind Teil der Gesellschaft. Mit „deutscher Gesamtgesellschaft“ ist die Gesellschaft aller in Deutschland lebenden Menschen gemeint. Dazu kann also eine „nichtdeutsche Teilgesellschaft“ gerade nicht als Gegenbegriff gebildet werden.“ 1.) Wenn der Senat in seiner Antwort auf Drucksache 18 / 15597 die sogenannte Drei-Elementen-Lehre anführt, welche die Existenz von Völkern als gegeben betrachtet, wieso verneint er dann, dass es unter den in Deutschland lebenden Menschen auch Nichtdeutsche gibt? 2 Zu 1.: Der Senat verneint nicht, dass es unter den in Deutschland lebenden Menschen Nichtdeutsche gibt. Bekanntermaßen leben in Deutschland Menschen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, diese bilden aber keine eigene (Teil)Gesellschaft, sondern sind Teil der Gesamtgesellschaft. 2.) Welche politischen Rechte kommen Nichtdeutschen in Deutschland zu? 3.) Welche politischen Rechte kommen Deutschen in Abgrenzung zu Nichtdeutschen zu? Zu 2. und 3.: Der Senat weist darauf hin, dass der Begriff „politisches Recht“ nicht feststehend definiert ist. Eine abschließende Benennung ist daher nicht möglich. Verwendet wird die Bezeichnung „politische Grundrechte“ im Sinne von Mitwirkungsbefugnissen der Bürgerinnen und Bürger im Staat, wozu das Wahlrecht und der Zugang zu öffentlichen Ämtern zählen. Das Bundesverfassungsgericht qualifiziert beispielsweise das „gleiche“ Wahlrecht der einzelnen Staatsbürgerin oder des einzelnen Staatsbürgers als politisches Grundrecht. Das Wahlrecht steht auf Bundes- und Landesebene nur deutschen Staatsangehörigen zu. Mit der Einführung der Unionsbürgerschaft im Vertrag von Maastricht 1992 und der Änderung des Art. 28 Abs. 1 GG erhielten neben den Deutschen auch EU- Staatsangehörige das Recht an Wahlen auf kommunaler Ebene teilzunehmen. 4.) Beinhaltet das Konzept der „Migrationsgesellschaft“ auch die Remigration? Zu 4.: Das Konzept der Migrationsgesellschaft beschreibt eine Gesellschaft, die durch Migration geprägt ist. Dies beinhaltet unterschiedlichste Formen der Migration wie Einwanderung, Auswanderung, zirkuläre, temporäre oder dauerhafte Formen der Migration. Der Soziologe Manfred Esser erklärt die Fehlallokation von Bildungskapital anhand des Konzeptes der von Norbert F. Wiley beschriebenen „Ethnic Mobility Trap“. Demnach steht das Mitglied einer ethnischen Gemeinschaft vor der Entscheidung einer Karriere innerhalb des Schichtungssystems der eigenen Ethnie oder einem Aufstieg hinein in die sozial dominante Gruppe. Da die Chancen für eine Binnen-Karriere aussichtsreicher erscheinen, wird oft dieser Weg beschritten. Doch auch die wenigen Spitzenpositionen innerhalb der jeweiligen ethnischen Gruppe sind schlechter bezahlt als eine Position innerhalb der dominanten Gruppe – diese falsche berufliche Entscheidung kann aber kaum mehr korrigiert werden. [Esser, Hartmut: Integration und ethnische Schichtung. Arbeitspapiere - Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung. Nr. 40, 2001. S. 41.] 5.) Besteht für die Teilnehmer des oben erwähnten AKRAN-Qualifizierungsprogrammes, die nach Auskunft des Senates zwischen 16 und 25 Jahren alt sind und damit die für sie entscheidenden biographischen Weichenstellungen vornehmen nicht die Gefahr, auf das Abstellgleis der oben beschriebenen „Selbstethnisierung“ zu geraten? Zu 5.: Nein. Das AKRAN-Qualifizierungsprogramm ist keine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme. Es ist ein Projekt, das junge Menschen schult, insbesondere Antisemitismus, antimuslimischen Rassismus und Radikalisierungstendenzen zu 3 erkennen und gegen diese pädagogische Handlungsstrategien anzuwenden. Damit werden Reflexionsprozesse befördert, die Tendenzen zu einseitigen und der Komplexität einer jeden Persönlichkeit nicht entsprechenden Selbst- oder Fremdzuschreibungen von Identitäten gerade entgegen wirken. Berlin, den 20. August 2018 In Vertretung Alexander F i s c h e r _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales