Drucksache 18 / 15 978 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg (LINKE) vom 13. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. August 2018) zum Thema: Entwicklung der Vermögensabschöpfungen in Berlin seit 2008 – Nachfragen zur Schriftlichen Anfrage 18/15617 und Antwort vom 28. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Sep. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15 978 vom 13. August 2018 über Entwicklung der Vermögensabschöpfungen in Berlin seit 2008 – Nachfragen zur Schriftlichen Anfrage 18/15617 ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Aus welchen Gründen werden Daten der Vermögensabschöpfungen bei den Strafverfolgunsbehörden erst seit dem 1.1.2017 in der Mehrländer-Staatsanwaltschafts-Automation (MESTA) so erfasst, dass eine detailliertere statistische Erhebung und Abfragung möglich ist? Zu 1.: Der Ausschuss für Justizstatistik der Landesjustizverwaltungen hat eine Neufassung der Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten bei den Staats- und Amtsanwaltschaften (StA-Statistik) zum 1. Januar 2017 beschlossen. Die Neufassung der Anordnung über die StA-Statistik setzt den Auftrag aus Artikel 11 (Statistik) der Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union um und ordnet eine Erfassung aller (vorläufigen) Sicherstellungen und (endgültigen) Einziehungen von Vermögensgegenständen sowie deren Wert an. Da die Umsetzung zum Jahresbeginn 2017 erfolgt ist, standen auch erst ab diesem Zeitpunkt die erweiterten Eintragungsmöglichkeiten im Aktenverwaltungssystem der Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung. 2. Aus welchen Gründen konnten beim Finanzamt für Strafsachen im Jahr 2008 nur fünf Fälle erledigt werden ? Zu 2.: Da die Anzahl der Fälle immer von den tatsächlichen Gegebenheiten abhängt, kann der Senat keine Aussagen über die Gründe für die geringe Anzahl an Fällen machen . 3. Aus welchen Gründen stellt sich die Gesamtsumme der gesicherten Werte bei der Polizei Berlin im Jahr 2012 mit 54.935.843 € signifikant höher dar als in den anderen berichteten Jahren? Welche Ermittlungsverfahren gegen welche juristischen oder natürlichen Personen, Deliktsgruppen und ggf. welche gesicherten Einzelwerte welcher Art liegen hier zu Grunde? Zu 3.: Die Erhöhung der Summe vorläufig gesicherter Vermögenswerte des Jahres 2012 geht auf Sicherungsmaßnahmen in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts 2 der Untreue im Zusammenhang mit einem Immobiliengeschäft zurück. Allein in diesem wurden eine Kaufpreisforderung der veräußernden Gesellschaft in Höhe von 38.100.000,00 EUR und eine Immobilie derselben Gesellschaft im Wert von 4.700.000,00 EUR gesichert. 4. Aus welchen Gründen stellt sich die Gesamtsumme der gesicherten Werte beim Finanzamt für Strafsachen im Jahr 2009 mit 5.926.000 € und im Jahr 2011 mit 5.452.000 € signifikant höher dar als in den anderen berichteten Jahren? Welche Ermittlungsverfahren gegen welche juristischen oder natürlichen Personen , Deliktsgruppen und ggf. welche gesicherten Einzelwerte welcher Art liegen hier zu Grunde? Zu 4.: Die Höhe der Einnahmen aus der Vermögensabschöpfung hängt von den tatsächlichen Begebenheiten des Einzelfalls ab und ist daher nicht planbar oder beeinflussbar. Auskünfte über Einzelheiten zu konkreten Verfahren dürfen aufgrund des Steuergeheimnisses (§ 30 Abgabenordnung) nicht erteilt werden. 5. Aus welchen Gründen stellt sich die Gesamtsumme der gesicherten Werte bei der Polizei Berlin, die außerhalb von Finanzermittlungen sichergestellt wurden, im Jahr 2013 mit 5.552.699,00 € signifikant höher dar als in den anderen berichteten Jahren? Welche Ermittlungsverfahren gegen welche juristischen oder natürlichen Personen, Deliktsgruppen und ggf. welche gesicherten Einzelwerte welcher Art liegen hier zu Grunde? Zu 5.: Die Erhöhung der Summe vorläufig gesicherter Vermögenswerte des Jahres 2013 außerhalb von Finanzermittlungen geht auf eine Sicherungsmaßnahme in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Erpressung im Zusammenhang mit einem Immobiliengeschäft zurück. In diesem wurden Grundschuldbriefe in einem Gesamtwert von 5.250.000,00 EUR durch die sachbearbeitende Dienststelle des Landeskriminalamtes (LKA) gesichert. 6. Wie viele und welche Immobilien wurden im Zuge von Vermögensabschöpfungen seit 2008 in Berlin bei der Polizei, den Strafverfolgungsbehörden und dem Finanzamt für Strafsachen jeweils gerichtsfest sichergestellt ? Welchen Verkehrswert hatten diese und wie und zu welchen kassenwirksamen Einnahmen wurden diese ggf. an wen veräußert (bitte nach Jahren, Immobilienart und -größe, Adresse und Bezirk aufschlüsseln )? Zu 6.: Zu den Verfahren bei der Polizei Berlin und den Strafverfolgungsbehörden liegen keine statistischen Informationen vor. Im Finanzamt für Fahndung und Strafsachen konnten die zu sichernden Werte immer in Form von Bargeld, Kontenguthaben, Gold, Silber oder hochwertigen Kraftfahrzeugen sichergestellt werden. Die Sicherstellung von Immobilien war dort daher bislang nicht erforderlich. 7. Wie bewertet der Senat nach der Reform des Vermögensabschöpfungsrechts insbesondere die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für Ermittlungen gegen Geldwäsche auf dem Immobilienmarkt und ggf. erfolgende Abschöpfungen in diesem Bereich, einschließlich folgender Aspekte: a) inländische Immobilien, b) ausländische Immobilien, c) Ausmaßprognose der in Berlin oder von Berlin aus betriebenen Geldwäsche durch Immobilienerwerb? Zu 7.: Die zum 1. Juli 2017 in Kraft getretenen Änderungen u. a. des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung (StPO) zur Neuregelung des Rechts der Vermögensabschöpfung stellen sich gegenüber der alten Rechtslage als wirksameres Mittel zur Entziehung der durch Straftaten unrechtmäßig erlangten Vermögenswerte bei den Tätern dar und haben zu einer deutlichen Steigerung der Möglichkeiten zur Vermögensabschöpfung geführt. Die Umsetzung der Sicherung von immobilen Vermögenswerten im Ermitt- 3 lungsverfahren erfolgt dabei wie bisher über die Eintragung von Sicherungshypotheken oder Beschlagnahmevermerken in das Grundbuch durch das Grundbuchamt auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft. Entsprechende Maßnahmen sind grundsätzlich auch weiterhin im Ausland über den Weg der justiziellen Rechtshilfe möglich. Die Neuregelungen haben jedoch keine Auswirkungen auf die tatsächlichen Ermittlungen zur Aufklärung von Straftaten nach den Vorgaben der StPO. Diese werden weiterhin nach Maßgabe der Notwendigkeiten des jeweiligen Einzelfalls gestaltet. Eine tragfähige Ausmaßprognose kann mangels verallgemeinerungsfähiger Erfahrungswerte nicht erfolgen. 8. Wie stellt sich die fachliche Komplexität von Ermittlungsverfahren und Vermögensabschöpfungen im Immobiliarbereich dar, wie kann ihr in der Ermittlungspraxis sowie bei der Besetzung neuer Stellen begegnet und wie kann sie gestärkt werden? Zu 8.: Die Frage nach der fachlichen Komplexität von Ermittlungsverfahren und Vermögensabschöpfungen im Zusammenhang mit Immobilien kann nicht allgemeingültig beantwortet werden, sondern ist stets eine Frage des Einzelfalls und abhängig vom konkreten Tatvorwurf, dessen Umfang, der Anzahl der Beteiligten, eines möglichen Auslandsbezugs und der ggf. zu sichernden Werte. Durch die im Doppelhaushalt 2018/2019 etatsierten 12 zusätzlichen Stellen für Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger wurden die Strafverfolgungsbehörden auch für den Bereich der Vermögensabschöpfung gestärkt, sodass die Strafverfolgungsbehörden in komplexen Fällen und bei der Vermögensabschöpfung bei Immobilien effektiv vorgehen kann. 9. Wie stellt sich die Stellenentwicklung (Soll- und Ist-Stellen) bei den für die Vermögensabschöpfung zuständigen Kommissariate im LKA, in den für Vermögensabschöpfungen zuständigen Dezernaten bei der Staatsanwaltschaft sowie dem Finanzamt für Strafsachen seit 2008 jeweils zum 1. Januar eines Jahres dar? Zu 9.: Bei der Staatsanwaltschaft Berlin existieren keine eigenständigen Vermögensabschöpfungsdezernate . Die Umsetzung der Vermögensabschöpfung im Ermittlungsbereich obliegt wie bisher den für die Bearbeitung der einzelnen Verfahren zuständigen Dezernentinnen und Dezernenten. Sie entscheiden über die in Bezug auf die bereits sichergestellten Vermögenswerte zu ergreifenden weiteren Sicherungsmaßnahmen bzw. darüber , ob darüber hinaus strafprozessuale Maßnahmen zu veranlassen sind, mit denen weitergehende Vermögenswerte der Beschuldigten für das Verfahren gesichert werden sollen. Der Großteil der durch die Neuregelungen des Rechts der Vermögensabschöpfung neu hinzugekommenen Aufgaben sind im Bereich der Strafvollstreckung zu übernehmen, so dass die im Doppelhaushalt vorgesehenen neuen Stellen im Bereich der Hauptabteilung 9 angebunden wurden bzw. dort angebunden werden sollen. Von diesen Stellen wurden aufgrund der beschriebenen Zuständigkeitserweiterung der Abteilung 241 zunächst zwei und in Folge des Verfahrensanstiegs sodann zwei weitere Stellen von der Hauptabteilung 9 zur Abteilung 241 verlagert. Nunmehr übernehmen hier in Folge des Verfahrensanstiegs vier statt bisher zwei Rechtspflegerinnen auf Initiative des Ermittlungsbereichs Aufgaben der Vollziehung von Beschlagnahme und Vermögensarrest sowie die Geschäfte im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren und bei der Verwaltung beschlagnahmter oder gepfändeter Gegenstände bis zum Abschluss des Hauptverfahrens und in diesen 4 - wie in sonst schwierigen Fällen - auch die Vollstreckung rechtskräftiger Entscheidungen für die gesamte Behörde. Weitere Personalzuwächse erfolgen zeitnah. Beim LKA sind aufgrund gesamtbehördlicher Umstrukturierungen und Zuständigkeitsveränderungen , insbesondere der Zentralisierung der Bearbeitung von Betrugsdelikten im LKA 3 und der Neustrukturierung des Landeskriminalamtes, die stellenwirtschaftlichen Maßnahmen im zuständigen LKA 31 bzw. der dortigen Kommissariate im Sinne der Fragestellung nicht abbildbar. Im Finanzamt für Fahndung und Strafsachen sind Steuerfahnder mit der Vermögensabschöpfung betraut. Die Anzahl der für die Vermögensabschöpfung zuständigen Dienstkräfte hat sich von 8 auf 11 Personen erhöht (Entwicklung 2010 bis 2018). 10. Welche weiteren Informationen, die im Kontext dieser Anfrage zum Verständnis des Sachverhalts relevant sind, gibt es ggf.? Zu 10.: Es wird auf die Antwort zu Frage 7 der Schriftlichen Anfrage Nr. 18/15617 Bezug genommen. Berlin, den 28. August 2018 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung