Drucksache 18 / 16 003 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Stefan Taschner (GRÜNE) vom 11. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. August 2018) zum Thema: Mehr Sicherheit für Radfahrende bei der Einrichtung von Baustellen und Antwort vom 29. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Sep. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Dr. Stefan Taschner (Bündnis 90/ Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16003 vom 11. August 2018 über Mehr Sicherheit für Radfahrende bei der Einrichtung von Baustellen Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Häufig wird an Baustellen der Radverkehr nicht oder nur ungenügend beachtet und es entstehen gefährliche Hindernisse, die zu Unfällen führen können. In einigen Fällen endet der Radweg unvermittelt an einer Baustellenabsperrung, eine alternative Führung des Radverkehrs fehlt. Zuständig für die Sicherheit rund um Baustellen ist auf Hauptverkehrsstraßen die Verkehrslenkung Berlin (VLB), auf den restlichen Straßen sind es die Bezirke. Bei der Anordnung der Baustellen sollte auch an die Radfahrenden gedacht werden, damit es nicht zu gefährlichen Situationen durch komplett fehlende oder missverständliche Ausschilderungen oder Verkehrsführungen kommt. Frage 1: Auf welche Kriterien hinsichtlich Radsicherheit wird bei der Einrichtung bzw. bei der Vorort-Begehung vor der Einrichtung einer Baustelle geachtet? Antwort zu 1: Entscheidend ist die durch die Baumaßnahme verursachte verkehrliche Einschränkung und damit der verbleibende Platz für den Verkehr, da stets die Nachfrage sämtlicher der am Verkehr beteiligten Verkehrsarten angemessen zu berücksichtigen ist. Mögliche Führungsformen des Radverkehrs zur Anordnung der Verkehrssicherung an arbeitsstellenbedingten Einschränkungen sind hierbei bevorzugt Radfahrstreifen und Schutzstreifen, dabei sind eine Vielzahl von Grundsätzen zu beachten. Die einseitige Sicht auf nur eine Verkehrsart ist nicht möglich. Es gilt stets, dass Sicherheit vorgeht und dass für den jeweils konkreten Einzelfall angemessene Entscheidungen getroffen werden müssen. 2 Kriterien sind: Grundsätzliches Aufrechterhalten des Radverkehrs und durchgehende Befahrbarkeit für Radfahrer Bisherige Führungsform und Benutzungspflichten im Bestand, Aufrechterhalten von Führungsformen und Benutzungspflichten Fortsetzung von Führungen für Radfahrende und zu Fuß Gehende auf ursprünglicher Seite Verbleibende Breiten des Verkehrsraums Einrichtung von Radfahr- oder Schutzstreifen in ausreichender Breite Möglichkeiten der sicheren Einleitung auf die Fahrbahn, Schutz gegenüber nachfolgendem Verkehr Geschwindigkeitsreduzierung Verkehrsstärken, inkl. Radverkehrsaufkommen, Fußgängeraufkommen Sicht auf und Wahrnehmung des Radfahrenden Vorhandener oder möglicher Fahrbahnbelag und Gefälle, sonstige bauliche Einschränkungen Warteflächen und Haltestellensituation Bus/Straßenbahn Vorhandene Gehwegbreiten (zwecks Einrichtung eines gemeinsamen Geh- und Radwegs oder Einrichtung von Gehweg Radfahrer frei) Breite von Notwegen Öffnung von Einbahnstraßen für Radfahrer Sensible Gruppen im Bereich von Verkehrsräumen Situation durch Anlieger, Geschäfte, Gastronomie Anrampungen, Beleuchtung Frage 2: Wie erfolgt die jeweilige Abwägung bei den Bezirksverwaltungen und bei der VLB auf welchem Bereich der Fahrbahn/ des Fuß- oder Radweges Baustellenabsperrungen erfolgen und für welche Verkehrsteilnehmer der Platz eingeschränkt wird? Antwort zu 2: Die Abwägung, wo Baustellenabsperrungen erfolgen, muss sich zunächst nach den tatsächlichen baulichen Notwendigkeiten richten. Die Straßenverkehrsbehörde hat hier nur marginale Eingriffsmöglichkeiten. So sind zum Beispiel Örtlichkeit und Verlauf von Leitungen im Bestand oder deren Planung weitgehend vorherbestimmt. Das Berliner Mobilitätsgesetz (MobG) sieht gemäß § 22 Abs.1 eine möglichst sichere sowie behinderungs- und störungsfreie Nutzbarkeit von Gehwegen, Fahrwegen des Radverkehrs und von Fahrwegen und Haltestellen des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sowie von Liefer- und Ladezonen vor. Temporäre Eingriffe in die von den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes genutzte Verkehrsinfrastruktur, insbesondere durch Bauarbeiten, sind nach § 22 Abs. 3 MobG durch die Infrastrukturbetreiber, Straßenbaulastträger und Träger der jeweils die Eingriffe auslösenden Vorhaben hinsichtlich Zeitraum und Dauer so abzustimmen, dass die Behinderungen und Gefährdungen für die Nutzerinnen und Nutzer minimiert werden und eine sichere barrierefreie Führung und Nutzbarkeit auch während des Eingriffs gewährleistet ist. Gleichzeitige Eingriffe in Alternativrouten sind nach Möglichkeit zu vermeiden. 3 Frage 3: Wird bei Vollsperrung von Straßen vorher geprüft, ob nicht wenigstens die Durchfahrt für Radfahrende erhalten werden kann? Antwort zu 3: Ja, die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Radverkehrs wird grundsätzlich geprüft. Frage 4: Wie viele Gefahrenstellen an Baustellen wurden bei dem dafür eingerichteten Meldesystem der Verkehrslenkung bisher gemeldet und in welchem Zeitraum konnten die gemeldeten Gefahrenstellen jeweils beseitigt werden? (Auflistung bitte für die letzten drei Jahre) Frage 6: Wie können Gefahrenstellen bei Baustellen an die Bezirke gemeldet werden? Antwort zu 4 und 6: Seit dem Start des Hinweisportales im Juni 2016 wurden bei der Verkehrslenkung Berlin (VLB) insgesamt 570 Hinweise abgegeben. 19 von diesen Hinweisen (siehe Auflistung unten) wurden von der VLB als Gefahrenstellen bewertet. Bei identifizierten Gefahrenstellen steht die konkrete Gefahrenabwehr stets im Mittelpunkt der Bearbeitung und es werden umgehend durch die VLB oder die zuständigen bezirklichen Stellen entsprechende Abhilfemaßnahmen eingeleitet. Bei besonderer und akuter Gefährdung werden die Hinweise direkt an die zuständigen Polizeiabschnitte übergeben. Auf der Internetseite des Hinweisportals wird bereits darauf hingewiesen, dass „bei konkreten Gefährdungen die Hinweise an die Polizei“ zu übermitteln sind, da eine ad-hoc Gefahrenabwehr nur durch die Polizei gewährleistet werden kann. Weiterhin ist festzuhalten, dass Mängel an Radverkehrsführungen an Baustellen oftmals darauf zurückzuführen sind, dass die verkehrsrechtliche Anordnung durch die vor Ort tätigen Bau- bzw. Absicherungsfirmen nicht korrekt umgesetzt wurden. Auflistung der identifizierten Gefahrenstellen: - Brennerstraße/ Toblacherstraße - Holzmarktstraße - Pappelallee - Fennstraße / Tegeler Straße - Elsenbrücke/ B96a - Potsdamer Brücke - Friedrich-Wilhelmplatz - Leipziger Straße - Spandauer Damm - Baustelle vor dem Alexa - Bölschestraße - Albrechtstraße, Ecke Sedanstraße - Alexanderstraße - Berliner Straße, Ecke Granitzstraße - Katzbachstraße - Neuköllnische Allee 4 - Leibnizstraße - Greifswalder Straße - Neuköllnische Allee Neben diesem Hinweisportal ermöglicht die vom Land Berlin zur Verfügung gestellte mobile Applikation “Ordnungsamt-Online” allen Bürgerinnen und Bürgern das Melden von Störungen im öffentlichen Raum. Die Meldungen werden an das jeweils zuständige Bezirksamt weitergeleitet. Natürlich sind darüber hinaus auch die Erreichbarkeiten der konkret für die Genehmigung von Baustelleneinrichtungen zuständigen Mitarbeitenden in den Bezirksämtern über das Internet abrufbar, d.h. Gefahrenstellen können auch direkt dorthin gemeldet werden. Frage 5: Zu wie vielen Unfällen kam es in den letzten drei Jahren mit Radfahrenden in Baustellenbereichen und in welchen Fällen waren dafür unsachgemäß eingerichtet Baustellen mitverantwortlich? Antwort zu 5: Die Daten können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Verkehrsunfälle (VU) mit Beteiligung von Radfahrenden 2015 2016 2017 Gesamt Anzahl von VU im Bereich von Arbeits-/Baustellen auf der Fahrbahn 161 104 116 381 darunter Anzahl von VU durch nicht oder unzureichend gesicherte Arbeits-/Baustellen auf der Fahrbahn 12 9 12 33 (Stand: 17.08.2018) Frage 7: Welche weiteren Maßnahmen plant der Senat um die Gefahr durch Baustellen für Radfahrende zu verringern? Antwort zu 7: Die Gewährleistung und Erhöhung der Verkehrssicherheit und die Vermeidung von Gefahren im Straßenraum ist eine Daueraufgabe der Straßenverkehrsbehörden. Die Anzahl der Baustellenanordnungen der Verkehrslenkung Berlin (VLB) bezifferte sich im vergangenen Jahr auf 2.740. Wie unter Antwort zu 1 dargestellt, hat die Verkehrssicherheit auch bei der Anordnung von Baustellen bereits heute Priorität. Frage 8: Gibt es nach der Verabschiedung des Mobilitätsgesetzes Pläne zur Umstrukturierung der VLB? 5 Antwort zu 8: Mit Verabschiedung des Mobilitätsgesetzes prüft die VLB die Auswirkungen auf die bisherigen Prozesse, um in eigener Zuständigkeit oder in Abstimmung mit anderen betroffenen Behörden und Dienststellen die Anforderungen aus dem Mobilitätsgesetz umzusetzen. Zu den sich daraus ergebenden Konsequenzen kann noch keine abschließende Aussage getroffen werden. Berlin, den 29.08.2018 In Vertretung Stefan Tidow Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz