Drucksache 18 / 16 032 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 17. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. August 2018) zum Thema: Gastwirte im Preußenpark II und Antwort vom 06. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Sep. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Finanzen Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16032 vom 17.08.2018 über Gastwirte im Preußenpark II ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Die Antwort des Senats auf meine Anfrage 18/15736 beschränkte sich im Wesentlichen auf allgemeine Rechtsausführungen und die Behauptung, der Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf führe keine Statistiken. Das Auskunftsrecht des Abgeordneten nach Art. 45 I VvB beschränkt sich dabei jedoch nicht auf die Frage, ob Statistiken geführt werden, sondern eine Antwort nach bestem Wissen vollständig sein muss. Vollständig ist die Antwort , wenn alle Informationen, über die der Senat verfügt oder mit zumutbarem Aufwand verfügen könnte, lückenlos mitgeteilt werden, d.h. nichts, was bekannt ist oder was mit zumutbarem Aufwand hätte in Erfahrung gebracht werden können, verschwiegen wird. Nicht vollständig ist auch eine ausweichende Antwort, vgl. StGH Nds vom 25.11.1997 zu StGH 1/97. Nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung ist das Fragerecht dazu bestimmt und geeignet, ein strukturelles Wissensdefizit des Parlaments, insbesondere der Opposition, auszugleichen. Das Fragerecht ist in seiner Kontrollfunktion wichtiger Teil des politischen Diskurses und sichert parlamentarischen Minderheiten die Chance, mit einem fundierten Diskurs bei zukünftigen parlamentarischen Wahlen die Mehrheit zu erringen, vgl. Kirschniok -Schmidt, Das Informationsrecht des Abgeordneten nach der Brandenburgischen Landesverfassung, 2010, S. 58). Dabei kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>). Vorliegend besteht die Möglichkeit, dass die zuständigen Behörden unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz Kontrollen im Sinne der Fragestellungen schlicht überhaupt nicht durchführen, obwohl der Verkauf von Speisen und Getränken im Preußenpark durch Reisegewerbetreibende allgemein bekannt ist. Hinzu kommt, dass es sich bei den Fällen zu 5 - 7 um sehr wenige Fälle handelt, so dass eine Zuordnung, wie viele Fälle im Zusammenhang mit dem Preußenpark stehen, mit zumutbarem Aufwand ermittelbar sein dürfte. In Erfüllung einer etwaigen verfassungsrechtlichen Konfrontationsobliegenheit frage ich vor diesem Hintergrund den Senat erneut: 1. Wie viele Personen betreiben nach Kenntnis des Senats im Wilmersdorfer Preußenpark ein Gaststättengewerbe im Sinne des § 2 GastG als Reisegewerbe, indem diese gegen Entgelt zubereitete Speisen und Getränke zum sofortigen Verzehr anbieten? Zu 1.: Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf teilte mit, dass Statistiken mit dem Merkmal „Preußenpark " bzw. „Thaimarkt" nicht geführt werden. 2) Wie viele dieser Personen führen Steuern (Einkommens-, Gewerbe- und ggf. Körperschaftssteuer) aus dem Gaststättenbetrieb ab? Welche Einkünfte hat das Land Berlin im Jahr 2017 daraus erzielt? Zu 2.: Grundsätzlich gilt, wer eine selbständige, nachhaltige Betätigung mit der Absicht Gewinne zu erzielen ausübt und sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt, erzielt gewerbliche Einkünfte (§ 15 Abs. 2 Einkommensteuergesetz [EStG]). Diese gewerbliche Tätigkeit ist dem Finanzamt mit Aufnahme anzuzeigen (§ 138 Abgabenordnung [AO]). Für die Besteuerung ist es unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Zeigt ein Unternehmen die Tätigkeit bei der Steuerverwaltung an, teilt dieses auch die Art der Tätigkeit mit, z.B. Imbissbetrieb. Entsprechend dieser Angaben werden die Unternehmen steuerlich, unter Eingabe einer passenden Gewerbekennzahl, erfasst. Diese Gewerbekennzahlen sind bundesweit abgestimmt . Eine gesonderte Kennzahl für Personen, die im Preußenpark ein Gaststättengewerbe im Sinne des § 2 Gaststättengesetz (GastG) führen, ist nicht existent. Denkbar ist, dass diese Unternehmen unter der Gewerbekennzahl „Einzelhandel mit Nahrungs- und Genussmitteln, Getränken und Tabakwaren an Verkaufsständen auf Märkten“ oder der Gewerbekennzahl „Imbissbetriebe mit asiatischem Speiseangebot“ steuerlich erfasst sind. Unter diesen zwei Merkmalen waren im Jahr 2017 843 Betriebe erfasst. Diese erzielten im Jahr 2017 Umsätze zu 19 % und 7 % Umsatzsteuer in Höhe von rund 60,5 Mio. €, die entsprechende Umsatzsteuer belief sich auf rund 7,5 Mio €. 3. Sofern das Land Berlin diese Personen nicht besteuert, weshalb nicht? Zu 3.: Die Berliner Steuerverwaltung überprüft sämtliche Steuerfälle unter Abwägung aller steuerlichen Risikogesichtspunkte im Rahmen des allgemeinen Besteuerungsverfahrens durch den Innendienst der Finanzämter, ggf. durch eine Außenprüfung oder steueraufsichtliche Maßnahmen (Aufdeckung unbekannter Steuerfälle). Sie geht grundsätzlich sämtlichen Hinweisen nach, die auf ein steuerliches Vergehen hinweisen. Sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, ist sie gem. § 152 Abs. 2 Strafprozessordnung verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten. Wenn sich also der Verdacht einer Straftat ergibt, so ist ein Strafverfahren einzuleiten. 4. Wie viele dieser Personen führen über ihren Handel nach Kenntnis des Senats Buch im Sinne der steuer- und handelsrechtlichen Vorschriften? Zu 4.: Besitzt die betroffene Person Kaufmannseigenschaften i.S.d. §§ 1 ff. Handelsgesetzbuch (HBG), dann ist sie dazu verpflichtet, Bücher zu führen (§ 238 HGB). Die steuerliche Buchführungspflicht ist in den §§ 140 und 141 AO geregelt. Wer nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, hat die Verpflichtungen, die ihr oder ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch für die Besteuerung zu erfüllen (§ 140 AO). Sofern sich die Buchführungspflicht nicht aus § 140 AO ergibt, sind gewerbliche Unternehmerinnen und Unternehmer unter den Voraussetzungen des § 141 Abs. 1 Nrn. 1 und 4 AO auch dazu verpflichtet Bücher zu führen. Nicht buchführungspflichtige Personen können als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen (§ 4 Abs. 3 EStG). Von den unter 2. benannten Betrieben ist bei 59 in den steuerlichen Grunddaten ein Merker gesetzt, der auf die Verpflichtung, Bücher zu führen, hinweist. 5. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen die Buchführungspflicht nach § 283 b StGB hat es in den Jahren 2011 bis 2017 in Berlin insgesamt gegeben? Wie viele davon haben sich gegen Personen im Sinne der Frage zu 1) gerichtet? Zu 5.: Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung verweist auf die Antwort zu Frage 5 der Schriftlichen Anfrage Nr. 18/15736. Darüber hinaus gehende Angaben können weiter nicht gemacht werden. Mangels einer Erfassung nach den in Frage 1 benannten statistischen Kriterien wäre eine händische Auswertung aller 161 Verfahren durch die Staatsanwaltschaft Berlin notwendig. Dies erforderte einen nicht mehr zumutbaren Aufwand für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft (etwa 77 Arbeitsstunden), der sie bei ihrer vordringlichen Aufgabe der Strafverfolgung unangemessen beeinträchtigte. Zur Anzahl der durch die Polizei Berlin wegen des Verdachts der Verletzung der Buchführungspflicht gemäß § 283 b Strafgesetzbuch (StGB) in den Jahren 2011 bis 2017 geführten Strafverfahren verweist die Senatsverwaltung für Inneres und Sport auf die Antwort zu Frage 5 der Schriftlichen Anfrage Nr. 18/15736. Des Weiteren führt sie aus, dass der Tatbestand des § 283 b StGB als Täterin oder Täter Kaufmannseigenschaft i.S.d. § 1 HGB voraussetzt, die nach § 238 HGB buchführungspflichtig ist. Sofern Anbieterinnen oder Anbietern von Speisen und Getränken im Preußenpark die gewerbliche Tätigkeit nachgewiesen werden kann, gelten diese regelmäßig als Kleingewerbetreibende, die nicht der Buchführungspflicht unterliegen. § 283 b StGB kommt daher nicht zur Anwendung. Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport teilte darüber hinaus mit, dass über Personen, die in den Jahren 2011 bis 2017 als gesetzlicher Kaufmann gewerblich im Preußenpark tätig waren, bei der Polizei Berlin keine Erkenntnisse vorliegen. In amtlichen Registern (Betriebekartei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, Handelsregister des Amtsgericht Charlottenburg) sind diese Kaufleute mit dem Betriebssitz erfasst, welcher nicht der „Preußenpark“ sein kann. 6. Wie viele Ordnungswidrigkeitsverfahren nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 GastG hat es in Charlottenburg-Wilmersdorf in den Jahren 2011 bis 2018 jährlich gegeben? Wie viele davon sind mit der Tatörtlichkeit "Preußenpark" oder umliegenden Straßen erfasst? Welche Geldbußen sind in den jeweiligen Jahren maximal im Einzelfall festgesetzt worden? Welche Geldbußen sind insgesamt festgesetzt worden? Zu 6.: Bei Verstößen nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 GastG handelt es sich um Ordnungswidrigkeiten, welche durch die Polizei Berlin im Polizeilichen Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (POLIKS) allgemein unter der Erfassung „Gaststättengesetz“ als Tätigkeitsnachweis dokumentiert werden. Dabei wird nicht nach Tatbeständen differenziert. Zudem erfolgt bei der Feststellung mehrerer Verstöße nach unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen eine zusammenfassende Dokumentation, die nicht zwingend unter dem Begriff „Gaststättengesetz“ vorgenommen wird, sondern andere Normen (z.B. Gewerbeordnung) benennen kann. Eine ortsbezogene Auswertung ist ebenfalls nicht automatisiert möglich, da der Parkanlage keine eigene Anschrift zugewiesen ist. Der Begriff „Preußenpark“ ist eine zusätzliche Ortbezeichnung, die nicht zwingend in POLIKS eingetragen werden muss. Der Park liegt im Zuständigkeitsbereich des polizeilichen Kontaktbereiches 2605, welcher grundsätzlich zwar ein recherchefähiges Kriterium darstellen könnte. Es scheidet hier jedoch leider aus, da sich der Kontaktbereich räumlich über die Parkanlage hinaus erstreckt. Für die Erhebung und Festsetzung von Bußgeldern ist i.S.d. § 36 des Ordnungswidrigkeitengesetzes die örtliche Verwaltungsbehörde zuständig – hier das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf. Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf teilte mit, dass keine gesonderten Statistiken geführt werden . 7. Sofern Geldbußen nach Frage 6) festgesetzt, aber nicht beigetrieben werden konnten, in wie vielen Fällen ist jeweils jährlich ersatzweise Haft angeordnet und vollstreckt worden? Zu 7.: Auch dazu existieren im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf leider keine entsprechenden statistischen Aufzeichnungen. Berlin, den 06.09.2018 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen