Drucksache 18 / 16 044 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Carsten Schatz (LINKE) vom 17. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. August 2018) zum Thema: Vereine von und für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*- und Inter*-Personen und Queers (LSBTIQ*) und Gemeinnützigkeit nach der Abgabenordnung und Antwort vom 30. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Sep. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Finanzen Herrn Abgeordneten Carsten Schatz (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/ 16044 vom 17.08.2018 über Vereine von und für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*- und Inter*-Personen und Queers (LSBTIQ*) und Gemeinnützigkeit nach der Abgabenordnung Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Gelten sexuelle und geschlechtliche Minderheiten nach Ansicht des Senats als Personengruppen, die gemäß §52 (1) Abgabenordnung (AO) fest abgeschlossen sind oder infolge ihrer Abgrenzung dauernd nur klein sein können und wenn ja, warum? Zu 1.: Nach den Vorschriften der Abgabenordnung (AO) ist eine Körperschaft nur dann gemeinnützig, wenn sie nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung selbstlos, ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit fördert (§ 52 Abs. 1 AO). Eine Förderung der Allgemeinheit i.S.d. Abgabenordnung ist nur dann anzunehmen, wenn grundsätzlich der Zugang zu dem jeweiligen Verein allen Personen, also der Allgemeinheit, offensteht. Eine schädliche Abgeschlossenheit ist immer dann anzunehmen, wenn einzelnen Personen oder Perso- nengruppen ohne sachlichen Grund die Vereinsmitgliedschaft verwehrt wird. So entschied der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 17.5.2017, dass eine Freimaurerloge, die Frauen ohne sachlichen Grund von der Mitgliedschaft ausschließt, nicht gemeinnützig sein kann. Ob eine schädliche Abgeschlossenheit vorliegt, kann nicht pauschal beantwortet werden. Dies ist vielmehr stets im Einzelfall zu entscheiden. Nur wenn eine aufgrund des Geschlechtes bzw. der sexuellen Orientierung diskriminierende Satzungsregelung vorliegt und diese sachlich nicht gerechtfertigt ist, sind die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit nicht erfüllt. 2. Gilt die Förderung von LSBTIQ*-Anliegen, etwa im Bereich der Selbsthilfe oder der Antidiskriminierung, nach Ansicht des Senats gemäß §52 (2) AO als Zweck, bei dem die Allgemeinheit „auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet entsprechend selbstlos gefördert wird“, und wenn nein, wieso nicht? 3. Wie bewertet der Senat die gegenwärtige Praxis zum Umgang mit Körperschaften, die LSBTIQ*-Belange fördern , mit Blick auf eine mögliche Anerkennung von Gemeinnützigkeit oder Mildtätigkeit gemäß §52 und §53 AO? Zu 2. und 3.: Eine Körperschaft ist nach den Vorschriften der Abgabenordnung nur dann gemeinnützig , wenn sie nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung entweder selbstlos, ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit durch einen der in § 52 Abs. 2 AO genannten begünstigten Zwecke fördert oder wenn sie mildtätige Zwecke im Sinne des § 53 AO verfolgt. Ob die Förderung von Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*- und Inter*-Personen und Queers (LSBTIQ*) -Anliegen von § 52 Abs. 2 AO umfasst ist oder die Voraussetzungen des § 53 AO zu mildtätigen Zwecken erfüllt sind, ist stets eine Frage des Einzelfalls. Pauschale Aussagen lassen sich dazu nicht treffen. 4. Verfügt der Senat über Mittel, Einfluss auf die Auslegung der AO durch einzelne Behörden zugunsten der Anerkennung von Körperschaften, die LSBTIQ*-Belange fördern, als gemeinnützig oder mildtätig zu nehmen und wenn ja, inwiefern nimmt er diese Mittel wahr? Zu 4.: Zuständig für die Durchführung des Besteuerungsverfahrens sind die Finanzämter. Die Senatsverwaltung für Finanzen unterstützt und beaufsichtigt die Finanzämter (Dienst- und Fachaufsicht). Dies gilt auch für das Anerkennungsverfahren zur Gemeinnützigkeit. 5. Über welche Kenntnisse verfügt der Senat bezüglich der Abwanderung von Körperschaften, die LSBTIQ*- Belange fördern, aus Berlin aufgrund einer Auslegung der AO zuungunsten der Anerkennung ihrer Gemeinnützigkeit oder Mildtätigkeit und wie bewertet er dies? Zu 5.: Der Senat verfügt über keine Kenntnisse bezüglich der Abwanderung von Körperschaften, die LSBTIQ*-Belange fördern. Die grundlegenden Fragen der Auslegung der AO sind bundeseinheitlich im Anwendungserlass zur AO (AEAO) geregelt. Das in der Antwort zu Frage 1 erwähnte Urteil des BFH ist im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Die Grundsätze dieses Urteils sind damit über den entschiedenen Einzelfall hinaus bundesweit anzuwenden. 6. Über welche Kenntnisse verfügt der Senat bezüglich der Bemühungen von Körperschaften, die LSBTIQ*- Belange fördern, ihre Arbeit einem oder mehrerer der 25 in §52 (2) AO aufgeführten Zwecke unterzuordnen, um eine Anerkennung von Gemeinnützigkeit zu erwirken und wie bewertet er diese? Zu 6.: Der Senat verfügt über keine Kenntnisse zu generellen Bemühungen von Körperschaften, die LSBTIQ*-Belange fördern, eine Anerkennung der Gemeinnützigkeit zu erwirken. Zum Besteuerungsverfahren in Einzelfällen können keine Auskünfte erteilt werden. Alle Informationen, die einen konkreten Steuerfall betreffen, sind durch das Steuergeheimnis i.S. d. § 30 Abgabenordnung geschützt und dürfen daher ohne Zustimmung der Betroffenen grundsätzlich nicht offenbart werden. Berlin, den 30.08.2018 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen