Drucksache 18 / 16 059 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Graf (CDU) vom 17. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. August 2018) zum Thema: Reichen die Qualitätsmaßnahmen gegen Krankenhausinfektionen in Berlins Krankenhäusern aus? (II) – Nachfrage zur Drucksache 18/15306 und Antwort vom 11. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Sep. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Florian Graf (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16059 vom 17. August 2018 über Reichen die Qualitätsmaßnahmen gegen Krankenhausinfektionen in Berlins Krankenhäusern aus? (II) – Nachfrage zur Drucksache 18/15306 ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele – auch nicht meldepflichtige - Infektionen nach Operationen und Todesfälle daraus gab es im Land Berlin in den vergangenen zehn Jahren? Die in der schriftlichen Anfrage „Reichen die Qualitätsmaßnahmen gegen Krankenhausinfektionen in Berlins Krankenhäusern aus?“ dargestellten meldepflichtigen Infektionen sind nur ein Teil aller Infektionen und Todesfälle, wahrscheinlich sogar nur ein geringer Bruchteil. Zu 1.: Der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung liegen keine Daten zu Infektionen nach Operationen und sich daraus ergebenen Todesfälle in Berlin vor. Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) des Robert- Koch-Instituts geht von einer Hochrechnung über 255.000 nosokomialen Infektionen nach Operationen in deutschen Krankenhäusern für das Jahr 2006 aus. Hierbei wurden lediglich stationär versorgte Patientinnen und Patienten geschätzt, nicht Patientinnen und Patienten nach ambulant erfolgten Operationen. 2. Wie erklärt sich die Differenz von 964 Fällen in der Antwort zur Frage 1 der Schriftlichen Anfrage „Reichen die Qualitätsmaßnahmen gegen Krankenhausinfektionen in Berlins Krankenhäusern aus?“ zwischen der mit 2.518 angegebenen Gesamtzahl an meldepflichtigen Infektionsfällen zu vier Krankheitserregern und der aus den Einzelzahlen der vier meldepflichtigen Infektionen gebildeten Gesamtsumme von 3.482 Fällen? Ist die Anzahl an Todesfällen zu melde-pflichtigen Infektionen korrekt angegeben? Zu 2.: Die Anzahl von 2518 meldepflichtigen Infektionen, die seit 2009 erfasst wurden, umfasst die Zahl der Infektionen mit folgenden Krankheitserregern, die typischerweise nosokomial erworben werden: - 2 - 2 Acinetobakter species pluralis (spp) Enterobacteriaceae Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) Die Anzahl von 3482 meldepflichtigen Infektionen, die seit 2009 erfasst wurden, schließt darüber hinaus noch die Infektionen mit Clostridium difficile mit ein. 3. Wie kann die Senatsverwaltung behaupten, in den Berliner Krankenhäusern für die Menschen überall die beispielsweise im Krankenhausplan geforderte Qualität zu gewährleisten, ohne einen Überblick über die Anzahl der Infektionen und Resistenzen, und somit über die Versorgungsqualität zu haben? Zu 3.: Als vorrangige Ziele der Krankenhaushygiene benennt der Krankenhausplan 2016 die Vermeidung nosokomialer Infektionen und die Verhinderung der Weiterverbreitung von multiresistenten Erregern durch die Einhaltung von Maßnahmen nach aktuellem Stand der Wissenschaft gemäß den Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) und der Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (ART). Die rechtlich bindenden Grundlagen sind § 23 des novellierten Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und die Berliner Hygieneverordnung (MedHygVO) aus dem Jahr 2012. Dabei tragen die jeweiligen Hygienekommissionen der einzelnen Krankenhäuser eine zentrale Verantwortung in Hygienefragen, da sie u.a. die Hygienepläne beschließen, den einrichtungsspezifischen Bedarf an Hygienefachpersonal feststellen und Festlegungen zur Erfassung und Bewertung des Auftretens von MRE, zum Screening von Patientinnen und Patienten mit besonderen Risiken und zum Verbrauch von Antibiotika treffen. Aus der Analyse aller Daten sind dann einrichtungsspezifische Präventionsmaßnahmen abzuleiten . Für die Überwachung der Einhaltung der Regelungen gemäß § 23 IfSG und der Hygieneverordnung in den Krankenhäusern sind die Berliner Gesundheitsämter verantwortlich (siehe auch Antwort auf Frage 17). Darüber hinaus hat die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung eine Arbeitsgruppe zur Erstellung eines Aktionsplans zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen unter der Leitung von Frau Senatorin Kolat ins Leben gerufen. Seit November 2017 arbeiten wichtige Berliner Akteure und führende Krankenhaushygienikerinnen und Krankenhaushygieniker an der Benennung aktueller krankenhaushygienischer Herausforderungen und an der Entwicklung von Maßnahmen, die die Qualität der hygienischen Versorgung in den Berliner Krankenhäuser verbessern. 4. Wird vom Land Berlin vor dem Hintergrund der Lebensbedrohlichkeit zahlreicher Infektionen nach Operationen an eine Initiative auf fachlicher und politischer Ebene zur Ausweitung der Meldepflicht auf alle Infektionen nach Operationen und Todesfälle daraus gedacht? 5. Ist vom Land Berlin vorgesehen, eine Ursachenforschung zu Infektionen nach Operationen durchzuführen , um künftig vielfaches schweres Leid der Patienten zu vermeiden und die kaum vorstellbaren Kosten der Infektionsbehandlung zu verringern? - 3 - 3 Zu 4. und 5.: In der o. g. Arbeitsgruppe „Erstellung eines Aktionsplans zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen “ werden sämtliche Herausforderungen und Aspekte, die zu einer Qualitätsverbesserung hinsichtlich der hygienischen Versorgung der stationären Patientinnen und Patienten führen, diskutiert und entsprechende Maßnahmen geplant. 6. Was plant das Land Berlin in der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen? Inwiefern spielt die Bildung von sogen. Biofilmen eine Rolle, insbesondere auf Implantaten? Zu 6.: Bei Biofilmen handelt es sich um aggregierte Mikroorganismen, die von einer extrazellulären Matrix umgeben sind und deshalb oft ein verlangsamtes Wachstum aufzeigen. Dadurch sind die Mikroorganismen vom menschlichen Immunsystem abgeschirmt, aber auch schwerer durch Antibiotika zu erreichen, was eine große Herausforderung bei der Behandlung von Implantat-assoziierten Infektionen darstellt. Hierzu gelten für alle Berliner Krankenhäuser die aktuellen Empfehlungen der KRINKO, wonach bei Risikopatienten, besonders bei orthopädischen Eingriffen mit dauerhaften Implantaten , eine präventive perioperative parenterale Antibiotikaprophylaxe (PAP) empfohlen . 7. Unterstützt der Senat Vorhaben im Krankenhausbau und in der Krankenhausausstattung, die sich gegen Infektionen inkl. durch Biofilme richten und wie erfolgt das ggf. konkret? Zu 7.: Das Land Berlin stellt auf der Grundlage des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG) und des Landeskrankenhausgesetzes (LKG) Fördermittel im Rahmen der Investitionspauschale zur Verfügung, mit denen die eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäuser flexibel auf notwendige Investitionsbedarfe reagieren können. Der Senat hat sich in den Richtlinien der Regierungspolitik zu seiner Investitionsverpflichtung bekannt und in Umsetzung dieser Verpflichtung mit dem Doppelhaushalt 2018/2019 die Krankenhausinvestitionen gegenüber den vorangegangenen Jahren spürbar erhöht. Damit wird den Krankenhäusern eine deutlich verbesserte Grundlage gegeben, insbesondere auch zur Infektionsprophylaxe notwendige krankenhausbauliche und ausstattungsmäßige Maßnahmen auf der Grundlage der neuesten Erkenntnisse von Wissenschaft und Technik durchzuführen und damit ihrer in § 1 Absatz 2 Satz 2 LKG besonders hervorgehobenen Aufgabe einer ständigen Gewährleistung der Qualitätssicherung und der Patientensicherheit gerecht zu werden. 8. Wie bewertet der Senat den Arbeitsschutz in den Operationsräumen bezüglich der chirurgischen Rauchgase , die regelmäßig beim Operieren entstehen und gemäß zahlreicher publizierter wissenschaftlicher Studien mit karzinogenen, toxischen und infektiösen Bestandteilen das Operationspersonal, unter Umständen auch Patienten und Besucher, schädigen können? - 4 - 4 Zu 8.: Der Senat teilt die allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den chirurgischen Rauchgasen (siehe https://www.bgw-online.de/DE/Arbeitssicherheit-Gesundheitsschutz/Grundlagen- Forschung/GPR-Medientypen/Downloads/chirurgische-Rauchgase_Download.pdf? _blob=publicationFile). 9. In welcher konkreten Verantwortung bezüglich des Arbeitsschutzes sieht sich der Senat, insbesondere mit Bezug auf die landeseigenen Krankenhausunternehmen Charité und Vivantes, aber auch darüber hinaus? 10. Vertritt der Senat den Standpunkt, dass dringend Maßnahmen zum erhöhten Arbeitsschutz des Operationspersonals beim Schutz vor chirurgischen Rauchgasen erforderlich sind? Zu 9 und 10.: Nach dem Arbeitsschutzgesetz hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Daraus hat der Arbeitgeber in der Folge individuelle Schutzmaßnahmen abzuleiten, eigenständig umzusetzen und fortlaufend zu aktualisieren. Diese Pflichten gelten auch für die landeseigenen Krankenhausunternehmen. 11. Frage 12 der o. g. Schriftlichen Anfrage wurde nicht beantwortet. Es wurde nicht nach „Gleichheit“ gefragt , die zumindest seitens der infektionsbezogenen Versorgungsqualität nicht beurteilbar zu sein scheint, sondern nach „Voraussetzungen“. Was ist demgemäß seitens der Qualität in der Vermeidung von Infektionen Voraussetzung für die Aufnahme eines neuen Krankenhauses in den neuen Krankenhausplan, was ist „Ziel der Krankenhausplanung“ seitens der Qualität, was sind mit Bezug auf die Infektionsvermeidung sogenannte „qualitätssichernde Anforderungen“ und werden diese geprüft? Zu 11.: Auf grundlegende Anforderungen an die Krankenhaushygiene zur Sicherstellung einer guten stationären Versorgungsqualität wird im Kapitel 7, S. 27 ff. des Krankenhausplans 2016 verwiesen. Dabei obliegt die Überwachung der Einhaltung der Gesetze und Rechtsvorschriften, die im o.g. Kapitel angeführt wurden, den zuständigen Aufsichtsbehörden und liegt nicht in der Zuständigkeit der Krankenhausplanungsbehörde. Über den Verweis auf rechtliche Vorgaben hinaus - auf die zum Teil im Krankenhausplan Bezug genommen wird - sieht der Krankenhausplan bislang keine eigenen verpflichtenden qualitätssichernden Vorgaben zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen vor. 12. Wie kann die Einhaltung von qualitätssichernden Anforderungen des Krankenhausplanes in Bezug auf Raten von surgical site infections (SSI) - Infektion im Bereich, in dem die Operation stattfand - vom Senat sichergestellt werden, fehlen ihm doch die grundlegenden Daten dazu? Zu 12.: Der Krankenhausplan sieht solche konkreten Vorgaben (Raten von SSI-Infektionen) nicht vor. Der Senat verfügt diesbezüglich auch nicht über krankenhausbezogene Daten. - 5 - 5 13. Unabhängig von der Aktion „saubere Hände“, da in Operationsbereichen sowieso die Hände desinfiziert werden müssen, welchen Inhalt hat die Qualitätssicherung in Verantwortung des Senats in den Krankenhäusern des Landes Berlin, insbesondere mit Bezug auf die Erkennung, Behandlung und Vermeidung von Infektionen , Resistenzen und Biofilmbildung? Zu 13.: Zur Qualitätssicherung und Durchführung der von der KRINKO empfohlenen Maßnahmen und Qualitätsanforderungen sind im § 1 Abs. 1 Krankenhausaufsichts-Verordnung (KhAufsVO) jährliche Krankenhausbesichtigungen durch die für die jeweiligen Krankenhäuser zuständigen Bezirksämter vorgesehen. Des Weiteren sollen zusätzliche Besichtigungen bei besonderen Vorkommnissen durchgeführt werden. Die aktuellen Empfehlungen der KRINKO „Prävention postoperativer Wundinfektionen“ befassen sich mit der Prävention und Kontrolle von nosokomialen Infektionen im Operationsgebiet und sich davon ausbreitenden Infektionen. 14. Wie arbeiten der Senat und das Landesamt für Gesundheit und Soziales zusammen, damit die baulichen und technischen Anforderungen zum Schutz vor Infektionen und auch die Raumluft-DIN erfüllt werden? Welche Fachkompetenz gibt es in den Bezirken, da auch in der Sache der Senat offensichtlich keine Kompetenz hat? Zu 14.: Die zuständigen Referate von SenGPG und LAGeSo treffen sich monatlich und anlassbezogen , um aktuelle Themen der Krankenhausplanung bzw. der Antragslage auf ordnungsbehördliche Genehmigungen zum Neu- bzw. Umbau von Krankenhäusern zu besprechen. Für die Überwachung der Krankenhaushygiene in den Berliner Krankenhäusern sind die bezirklichen Gesundheitsämter zuständig. Im Rahmen des ordnungsbehördlichen Genehmigungsverfahrens werden Stellungnahmen der zuständigen Krankenhaushygieniker bzw. Hygienikerin des betroffenen Krankenhauses sowie eine krankenhaushygienische Stellungnahme des zuständigen Gesundheitsamtes eingefordert. 15. Wer achtet darauf, dass die inhaltlich sehr knapp formulierte KhsVO z.B. in Bezug auf § 22 Landeskrankenhausgesetz (Krankenhaushygiene) nicht nur minimiert, sondern gemäß dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik mit erforderlichen Maßnahmen zur Erfassung, Verhütung und Bekämpfung von Krankenhausinfektionen angewandt wird? Zu 15.: Der § 22 des Landeskrankenhausgesetz (LKG) lautet, „Krankenhäuser sind verpflichtet, die Regeln der Hygiene entsprechend dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik zu beachten und die erforderlichen Maßnahmen zur Erfassung, Verhütung und Bekämpfung von Krankenhausinfektionen zu treffen.“ (Siehe auch Antwort auf Frage 13 und 17) Die bezirklichen Gesundheitsämter kontrollieren die Krankenhäuser in regelmäßigen zeitlichen Abständen sowie anlassbezogen. 16. In der Senatsantwort zur Frage 14 der o. g. Schriftlichen Anfrage ist ausgeführt, dass es nach einer ordnungsbehördlichen Genehmigung, selbst wenn diese Jahrzehnte zurückliegt, ohne bestimmte Änderungen beim Krankenhaus nie wieder einer ordnungsbehördlichen Genehmigung bedarf. Bedeutet das, dass Krankenhäuser auch nicht ordnungsbehördlich überprüft werden müssen, ob sie stets § 22 des Berliner Landeskrankenhausgesetzes (Krankenhaushygiene) einhalten? - 6 - 6 Zu 16.: Die Einhaltung krankenhaushygienischer Vorgaben wird durch die jährlich durchzuführende amtsärztliche Begehung des jeweils zuständigen Gesundheitsamtes gemäß § 1 Krankenhausaufsicht -Verordnung (KhAufsVO) überprüft. 17. Sieht es der Senat als gerechtfertigt an, dass zwar Autos regelmäßig einer TÜV-Prüfung unterzogen werden müssen, jedoch zum sensiblen Thema Krankenhaushygiene und insbesondere Operationsräume und Schutz vor Infektionen, über ggf. Jahrzehnte keine ordnungsbehördliche Kontrolle erforderlich ist? Was konkret prüfen Gesundheitsämter/Amtsärzte im Operationsbereich und erhält der Senat zu den Ergebnissen Auskunft? Zu 17.: Bei den Begehungen durch die Gesundheitsämter werden sowohl die baulich-funktionellen und betrieblich-organisatorischen Prozessabläufe in den stationären Bereichen und Funktionsabteilungen als auch in den Operationsbereichen geprüft und auffallende Mängel entsprechend schriftlich beauflagt. Weiterhin wird Einblick in die Aufzeichnungen zu nosokomialen Infektionen, des Antibiotikaverbrauchs und der multiresistenten Erregerstatistik genommen und im Rahmen von Gesprächen in den Abteilungen geprüft, inwieweit Schlussfolgerungen hierzu gezogen und auf den Stationen kommuniziert wurden. 18. Ist dem Senat bekannt, dass es zur Raumklasse I (siehe die Antwort aus dem Bezirk Mitte in der o. g. Schriftlichen Anfrage) zwei Raumklassen der Luftqualität, die Raumklasse Ia (entspricht turbulenzarmer Verdrängungsströmung TAV mit einem Schutzbereich gegen Bakterien und andere Mikroorganismen) und die Raumklasse Ib (entspricht turbulenter Verdünnungsströmung TVS ohne Schutzbereich, mit nur gemischter Luft im Operationsraum und mit demzufolge mehr Partikeln, Bakterien u.a. in der Luft des Operationsraumes ), gibt? Wenn ja, welche Maßnahmen leitet der Senat zu den qualitativ unterschiedlichen Raumklassen Ia und Ib ab, die laut wissenschaftlicher Studien eine unterschiedlich starke Bakterienbesiedelung in der Luft des Operationsraumes und in der Operationswunde verursachen? Zu 18.: Laut der aktuellen KRINKO-Empfehlung von 2018 „Prävention postoperativer Wundinfektionen “ wird die Wahrscheinlichkeit der Manifestation einer SSI im Wesentlichen durch drei Faktorengruppen determiniert: Menge, Art und Pathogenität/Virulenz des (endogen oder exogen eingebrachten) der mikrobiellen Belastung präexistente infektionsfördernde Umstände beim Patienten operationstechnische Bedingungen. Hierbei kommt der Luft im OP-Raum als Erregerreservoir eine untergeordnete Bedeutung zu. Zwar kann als gesichert angesehen werden, dass durch Zufuhr bakterienfrei filtrierter Luft in Laminar flow-Technik (LAF) bzw. mittels turbulenzarmer Verdrängungsströmung (TAV) die mikrobielle Luftbelastung reduziert werden kann, gemäß KRINKO⃰ konnte jedoch der Nachweis, dass es über die Reduktion der mikrobiellen Luftbelastung auch zu einer Reduktion der SSI käme, nicht geführt werden. ⃰ hierbei wird auf folgende Studie Bezug genommen: Iudicello S, Fadda A (2013) A road map to a comprehensive regulation on ventilation technology for operating rooms. Infect Control Hosp Epidemiol 34(08):858–860 - 7 - 7 19. Wie ist die Haltung des Senats zur OP-Raumlufttechnik TAV, die zur Gewährleistung von bestmöglicher Luftqualität mit Minimierung der Anzahl von Mikroorganismen und Partikeln in der elektronischen Industrie und in der Herstellung bestimmter Medikamente z.B. in Apotheken zwingende Voraussetzung ist? Zu 19.: Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung schließt sich den aktuellen Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) des Robert Koch-Instituts an, die im Bundesgesundheitsbl 2018 · 61:448–473 amtlich bekannt gegeben wurden. 20. Wie bewertet der Senat die unterschiedlichen bzw. fehlenden Antworten in der Tabelle als Antwort auf die Frage 17 der o.g. Schriftlichen Anfrage mit Bezug auf die DIN 1946-4 (von 2008 und 2018) und welche Konsequenzen werden abgeleitet? Zu 20.: Gemäß Artikel 66 Absatz 2 der Verfassung von Berlin erfüllen die Bezirke ihre Aufgaben nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung. Sie nehmen regelmäßig die örtlichen Verwaltungsaufgaben wahr. Ein Eingriffsrecht in Aufgabenbereiche der Bezirke ist lediglich für den Fall vorsehen, dass dringende Gesamtinteressen Berlins beeinträchtigt werden. Siehe auch Antwort zu Frage 3, 4 und 5: In der Arbeitsgruppe „Erstellung eines Aktionsplans zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen“ arbeiten alle Berliner Akteurinnen und Akteure auf dem Gebiet der Krankenhaushygiene einschließlich Vertreterinnen und Vertreter der Berliner Gesundheitsämter mit. 21. Gibt es im Krankenhaus Friedrichshain nur Operationsräume mit TAV (LAF)? Welche Berliner Krankenhäuser insgesamt haben die raumlufttechnische Anlage TAV (LAF) (Raumklasse Ia) und welche TVS (Raumklasse Ib)? Zu 21.: Nach Auskunft der Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH gibt es im Vivantes Klinikum im Friedrichshain zahlreiche Operationsräume mit TAV und einige Operationsräume mit TVS. In den anderen Kliniken von Vivantes gibt es sowohl Operationsräume mit TAV als auch mit TVS. Ein Verzeichnis der raumlufttechnischen Anlagen aller Berliner Krankenhäuser liegt nicht vor. 22. Wird geprüft, ob die Funktionstüchtigkeit der raumlufttechnischen Anlagen TAV und TVS in den einzelnen Krankenhäusern überprüft wird und in welchem Zyklus das jeweils erfolgt? Welche Institution ist dafür verantwortlich, auf welcher Basis erfolgt die Überprüfung und existiert dazu eine einsehbare Dokumentation? Zu 22.: Sowohl die Überprüfung der Funktionstüchtigkeit als auch die periodische Überwachung raumlufttechnischer Anlagen obliegen dem Betreiber des Krankenhauses. - 8 - 8 23. Auf welcher qualitativen Basis beabsichtigt der Senat, den anstehenden neuen Krankenhausplan für das Land Berlin, in Abstimmung mit dem Land Brandenburg, zu erstellen? Welche Qualitätsparameter bzw. – zahlen werden dabei eine Rolle spielen, um die Termini Qualität bzw. „qualitätssichernde Anforderungen“ inhaltlich untersetzen zu können? Werden dabei Inhalte und Zahlen zu Infektionen nach Operationen eine Rolle spielen? Zu 23.: Die Eckpunkte einer gemeinsamen Krankenhausplanung der Länder Berlin und Brandenburg ab 2020 werden derzeit erarbeitet. Im kommenden Herbst wird erstmals dazu der von beiden Ländern getragene Gemeinsame Regionalausschuss tagen. Vorgaben zur qualitätsorientierten Weiterentwicklung der Krankenhauslandschaft werden dabei unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgangslagen in beiden Ländern eine wichtige Rolle spielen. Konkrete Aussagen dazu können jetzt aber noch nicht getroffen werden. 24. Wird im aktuellen bzw. im nächsten Krankenhausplan die dem Operationsspektrum adäquate Ausstattung der Operationsbereiche u.a. mit Bezug auf die DIN-gerechte Raumlufttechnik als voraussetzendes Qualitätskriterium Berücksichtigung finden – und wie wird das umgesetzt werden? Zu 24.: Technische Normen sind zwingend umzusetzen, soweit auf diese in Rechtsvorschriften Bezug genommen wird. Das betrifft selbstverständlich auch den Krankenhausbereich. Über die Einhaltung von DIN-Vorgaben, auf die in einer Rechtsvorschrift Bezug genommen wird, wacht die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde. Der Krankenhausplan für sich gibt nicht die Einhaltung von DIN-Normen vor. 25. Oder plant bzw. toleriert der Senat weiterhin, dass z.B. künstliche Gelenke in Berlin in 35 bis 40 Krankenhäusern mit teilweise inadäquater Raumlufttechnik für künstliche Gelenke eingebaut werden? Zu 25.: Siehe Antwort auf Frage 17 und 18. Die Gesundheitsämter kontrollieren die Krankenhäuser in regelmäßigen zeitlichen Abständen sowie anlassbezogen. Die Begehungen werden auf der Grundlage der wissenschaftlich erarbeiteten Empfehlungen des Robert Koch-Institutes als Grundlage durchgeführt . Bei den Begehungen werden auch baulich-funktionelle Prozessabläufe in den Operationsbereichen geprüft und Mängel entsprechend schriftlich beauflagt. 26. Wäre es nicht ein verantwortungsvolles Handeln des Senats und der Bezirksämter, mindestens für Patienten mit hoch infektionsgefährdeten Operationen erregerbefreite Operationsraumluft festzulegen, die nachweislich im Ergebnis einer randomisierten Multicenterstudie zu einer geringeren Infektionsrate führt? Zu 26.: Fachliche Grundlage für alle Akteurinnen und Akteure auf dem Gebiet der Krankenhaushygiene sind die jeweils aktuellen KRINKO-Empfehlungen. - 9 - 9 27. Wie kommt der Senat der gesetzlichen Vorgabe von § 23 (8) Nr. 1, 6, 8 IfSG nach? Oder wurde auch hierzu alle Verantwortung auf die Bezirke abgeschoben, d.h. der Senat hat auch dazu keine Kenntnis und Kompetenz? Denn gemäß Abs. 8 haben die Landesregierungen durch Rechtsverordnung für u.a. Krankenhäuser die jeweils erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung, Erkennung, Erfassung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und Krankheitserregern mit Resistenzen zu regeln. Dies betrifft u.a. den Bau, die Ausstattung und den Betrieb von Krankenhäusern, auch die Strukturen und Methoden zur Erkennung von nosokomialen Infektionen und resistenten Erregern inkl. zur Dokumentationspflicht. Zu 27.: 2012 hat die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales die Verordnung zur Regelung der Hygiene in medizinischen Einrichtungen erlassen mit der Intention die Rate der im Krankenhaus erworbenen Infektionen zu senken, als auch die weitere Verbreitung von Erregern mit multiplen Resistenzen gegenüber einer antibiotischen Behandlung einzudämmen . Im Einzelnen regelt die Hygieneverordnung Anforderungen an medizinische Einrichtungen unter anderen hinsichtlich der baulichen Ausstattung, der innerbetrieblichen Strukturen und der Verfahrensabläufe. § 2 Abs.1 der Verordnung zur Regelung der Hygiene in medizinischen Einrichtungen (Hygieneverordnung ) verpflichtet die Leitung von Krankenhäusern die Einhaltung der für die Hygiene erforderlichen betrieblich-organisatorischen und baulich-funktionellen Voraussetzungen sicherzustellen. Den bezirklichen Gesundheitsämtern obliegt die Kontrollpflicht (siehe auch Beantwortung von Frage 17). Weiterhin ist in den Krankenhäusern eine Hygienekommission einzurichten, die unter anderem Hygienepläne beschließt und auf deren Einhaltung hinwirkt, Maßnahmen zur Erkennung und Dokumentation von Krankheitserregern festlegt und bei der Planung von Baumaßnahmen, der Beschaffung von technischen Anlagen und Medizinprodukten mitwirkt , soweit Belange der Krankenhaushygiene berührt sind. 28. Wie kann es sein, dass die Einhaltung technischer Normen (DIN) der Organisationsverantwortung des Krankenhausträgers zugeschoben wird, wenn das Gesetz gleichzeitig Landesverantwortung zeigt? Zu 28.: § 2 der Hygieneverordnung regelt die Anforderungen an Bau, Ausstattung und Betrieb von Krankenhäusern. Laut § 2 Abs 2 der Hygieneverordnung sind technische Anlagen, von denen ein infektionshygienisches Risiko ausgehen kann, nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu betreiben und zu warten sowie regelmäßig hygienischen Überprüfungen durch den Betreiber zu unterziehen. Die Anlagen dürfen nur von entsprechend geschultem Personal bedient und gewartet werden. 29. Ist dem Senat bekannt, dass weltweit nur zwei Studien zu getrennten Operationsbereichen für wundinfizierte und nicht wundinfizierte Patienten existieren, die in einem Fall wesentliche Bakterien für Wundinfektionen nicht einbezogen haben und die Art der Operationen nicht anführen und im anderen Fall nur Bauchoperationen in einem Operationsraum ohne jegliche raumlufttechnische Anlage einbezogen haben? Welche Meinung vertritt der Senat in dieser Kenntnis zu getrennten Operationsbereichen im Interesse von Patienten und Kostenträgern, insbesondere bei hoch infektionsgefährdeten Operationen in der Vermeidung von Infektionen ? Zu 29.: - 10 - 10 In der aktuellen KRINKO-Empfehlung zu Prävention postoperativer Wundinfektionen (2018) wird auf zwei Studien Bezug genommen, daher wird angenommen, dass sich der Fragesteller hierauf bezieht. Eine Studie aus dem Jahr 1988 findet an patientennahen Oberflächen Hinweise auf eine unterschiedliche Erregerbelastung bei septischen versus aseptischen Eingriffen. Die zweite Studie stammt aus dem Jahr 2017 und kommt zu dem Schluss, dass keine unterschiedliche Belastung von Luft und Oberflächen beobachtet werden konnte. Diese Studie wurde, wie in der Frage erwähnt, nur in Operationssälen ohne raumlufttechnische Anlagen durchgeführt. Da unter diesen Bedingungen kein Unterschied festgestellt werden konnte, ist auch in Anwesenheit einer raumlufttechnischen Anlage (die die Luft zusätzlich filtert) kein Unterschied zu erwarten. Seit dem Zeitpunkt der ersten Studie sind viele weitere Hygienemaßnahmen eingeführt worden. Daher müssen die in den 1980er Jahren gezogenen Schlussfolgerungen und Maßnahmen sicherlich in diesem Kontext gesehen und vorsichtig interpretiert werden. Die KRINKO stellt in der aktuellen Empfehlung aufgrund dessen fest: „aus der Trennung „reiner“ und „unreiner“ OP-Abteilungen ergibt sich kein eigener infektionspräventiver Effekt (Kat. II).“ Allerdings wird eine Zonierung für OP-Abteilungen mit stark heterogenem Leistungsaufkommen als vorteilhaft in Erwägung gezogen. Weiterhin wird auf folgende Veröffentlichung von Bischoff/Gastmeier verwiesen: https://www.aerzteblatt.de/archiv/192244/Trennung-von-septischen-und-aseptischen- Operationsbereichen-obsolet Bei den beiden von der KRINKO erwähnten Studien handelt es sich um folgende: - Weist K, Krieger J, Rüden H (1988) Vergleichende Untersuchungen bei aseptischen und septischen Operationen unter besonderer Berücksichtigung von S. Aureus. Hyg Med 13:369-374 - Harnoss J-C, Assadian O, Diener MK et al (2017) Mikrobielle Belastung in septi schen und aseptischen Operationsräumen. Dtsch Arztebl Int 114(27-28):465-472 30. Wann wird der Aktionsplan zur Vermeidung von Infektionen, die inkl. nach Operationen im Krankenhaus entstehen und zum Teil erst nach der Entlassung aus stationärer Behandlung auftreten, vom Senat vorgelegt ? Zu 30.: Der Aktionsplan wird voraussichtlich im 2. Quartal 2019 dem Senat vorgelegt werden. 31. Was gedenkt der Berliner Senat, ggf. zusammen mit den Bezirken und den Klinikbetreibern, gegen Todesfälle aufgrund von Krankenhausinfektionen nach Operationen zeitnah zu unternehmen? Wie soll verhindert werden, dass Berlins Operationsräume eine Lebensgefahr für Patienten und Mitarbeiter darstellen? Zu 31.: Das Robert-Koch-Institut beantwortet die Frage nach der Zunahme von Krankenhausinfektionen wie folgt: - 11 - 11 Im Rahmen einer vom Nationalen Referenzzentrum für Surveillance nosokomialer Infektionen durchgeführten Studie (Prävalenzstudie) in Krankenhäusern wurde im Frühjahr 2016 unter anderem die Zahl der nosokomialen Infektionen in Deutschland erhoben. Die Daten zeigen, dass bei rund 2,5% der Patienten eine während des aktuellen Krankenhausaufenthaltes erworbene nosokomiale Infektion vorlag. Dieser Wert ist verglichen mit früheren Erhebungen zurückgegangen. Weiterhin gibt das Robert-Koch-Institut an, dass die Zahl der Todesfälle aufgrund von nosokomial erworbenen Infektionen schwer zu schätzen ist. Ein wesentlicher Grund liegt darin , dass viele der Betroffenen an schweren Grundkrankheiten leiden, die bereits ohne Krankenhausinfektion häufig zum Tod führen. Berlin, den 11. September 2018 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung