Drucksache 18 / 16 061 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Fadime Topaç (GRÜNE) vom 13. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. August 2018) zum Thema: Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem BGH Urteil (2. August 2018 – III ZR 466/16) zum rentenversicherungsrechtlichen Beratungsbedarfs für Berlin? und Antwort vom 03. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Sep. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Frau Abgeordnete Fadime Topaç (Bündnis 90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16061 vom 13. August 2018 über Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem BGH Urteil (2. August 2018 – III ZR 466/16) zum rentenversicherungsrechtlichen Beratungsbedarfs für Berlin? ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Gab es in Berlin in der Vergangenheit bereits ähnliche Klagen / Widersprüche, weil eine unzureichende Rechtsberatung stattgefunden hat? Wenn ja, wie viele? (sortiert nach Jahren und Bezirk) 5. Wie wird in Berlin gewährleistet, dass die Sachbearbeiter*innen sowie Sozialleistungsträger nicht nur Fragen oder Bitten um Beratung beantworten, sondern auch aufmerksam prüfen, ob Anlass besteht die Versicherten auch von Amtswegen auf Gestaltungsmöglichkeiten oder Nachteile hinzuweisen? 6. Welche Konsequenzen zieht der Senat aus dem Urteil des BGH bzw. wird ein Handlungsbedarf für Berlin abgeleitet? 7. Plant der Senat eine (stichprobenartige) Prüfung vergangener Fälle nach §§ 41 ff SGB XII, um auszuschließen, dass sich unter diesen auch Personen mit einer Anspruchsvorrausetzung für eine Erwerbsunfähigkeitsrente, befinden? 8. Plant der Senat möglich betroffene Personen, über das BHG Urteil zu informieren, um potentiell Betroffene über ihr Anspruchsrecht zu informieren? Wenn ja, wie und in welchen Sprachen (inkl. Leichte Sprache) sollen potentiell Betroffene informiert werden? 9. Sind Maßnahmen zur Verbesserung des rentenversicherungsrechtlichen Beratungsbedarfs geplant? Wenn ja, wie sehen diese konkret aus und für wann ist die Umsetzung geplant? Zu 1. und 5. bis 9.: Zwischen der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales sowie den Bezirken finden regelmäßige Austausche über Rechtsfragen und organisatorische Fragestellungen statt, die u. a. das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) 2 betreffen und von gesamtstädtischer Bedeutung sind. Dazu gehören u. a. die gemeinsamen Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft der Berliner Amtsleiterinnen und Amtsleiter Soziales. Darüber hinaus gibt es diverse Gremien auf Fachebene, die die verschiedensten Rechts- und Fachgebiete der sozialen Leistungsgewährung abdecken. Im Rahmen der Gewährung von Sozialhilfe wurde und wird der gesetzlich verankerte Nachrang der Sozialhilfe gegenüber anderen Sozialleistungen, zu denen auch die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gehören, geprüft und die betroffenen Personen entsprechend beraten, sofern ein anderweitiger Leistungsanspruch in Betracht kommt. Grundlage der Beratung sind neben den gesetzlichen Bestimmungen auch die Ausführungsvorschriften über die Durchführung des Vierten Kapitels des SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ). Dort werden insbesondere unter der Ziff. 2 die besonderen Prüfschritte in Bezug auf die Feststellung einer vollen Erwerbsminderung erläutert. Im Hinblick auf das benannte Urteil des Bundesgerichtshofs gab es bislang noch keine entsprechende Erörterung in den Fachgremien. Die Entscheidungsgründe des Urteils liegen auch noch nicht vor. Darüber hinaus ist dem Senat nicht bekannt bzw. mitgeteilt worden, dass sich Kammern der Zivilgerichte mit Amtshaftungsfällen befassen, die die Grundsicherungsämter betreffen. Gleichwohl wurde nach vorläufiger Würdigung der vorliegenden Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs im Rahmen einer Einzelfallbearbeitung ein zwingender und wohl eindeutig erkennbar rentenversicherungsrechtlicher Beratungsbedarf nicht beachtet. Insoweit ist bislang nicht zu erkennen, dass dieser besonders gelagerte und für den betroffenen Kläger mit einschneidenden Folgen verbundene Fall Auslöser einer umfangreichen Stichprobenprüfung in den Grundsicherungsämtern sein könnte. Nach Vorliegen der Urteilsbegründung werden die Fachebenen die Entscheidungsgründe auswerten, ggf. eine Neubewertung der Sachlage vornehmen und nötigenfalls entsprechende Maßnahmen einleiten. Selbstverständlich werden anlässlich des Urteils des Bundesgerichtshofs die fachverantwortlichen Stellen noch einmal sensibilisiert und auf die Notwendigkeit einer fachkompetenten Beratung der hilfesuchenden Person hingewiesen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Deutsche Rentenversicherung in Berlin vier Auskunfts- und Beratungsstellen vorhält, in denen Versicherte in allen Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung umfassend beraten werden. Die Beratung erfolgt individuell mit Hinweisen auf Gestaltungsmöglichkeiten. Dazu gehört auch eine Prüfung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen etwaigen Anspruch auf die verschiedenen Rentenarten. Zudem stehen für Fragen rund um die Rentenversicherung zahlreiche ehrenamtliche Versichertenberaterinnen und Versichertenberater sowie Versichertenälteste zur Verfügung. 3 2. Wie viele Personen beziehen seit 2004 Leistungen der Grundsicherung nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung? (Aufschlüsselung bitte nach Jahren sortiert) Zu 2.: Nach den Daten des allgemein zugänglichen Gesundheits- und Sozialinformationssystem (GSI), welches unter der Webanschrift http://www.gsiberlin .info/ zu erreichen ist, stellt sich die Anzahl der Personen die seit 2004 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII erhalten, wie folgt dar: Jahr (Zum Stichtag 31.12. des Jahres) voll erwerbsgeminderte Personen Personen ab dem 65. Lebensjahr* Personen ab der Rentenaltersgrenze** Gesamtanzahl 2004 9.649 13.321 22.970 2005 16.395 22.997 39.392 2006 20.708 26.431 47.139 2007 22.936 28.585 51.521 2008 25.494 31.076 56.570 2009 26.643 30.859 57.502 2010 27.963 31.648 59.611 2011 29.790 33.196 62.986 2012 31.721 35.090 66.811 2013 33.323 37.493 70.816 2014 34.935 39.048 73.983 2015 36.365 41.440 77.805 2016 36.576 41.397 77.973 2017 38.114 43.151 81.265 2018 ( Zum 31.03.) 38.917 43.479 82.396 *2004-2011 **2012-2018 3. Wie viele Personen beziehen seit 2004 Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen voller Erwerbsminderung? Zu 3.: Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg können Daten erst ab dem Jahr 2010 übermittelt werden und liegen bisher bis einschließlich dem Jahr 2016 vor. Für die Jahre 2010 bis 2016 übermittelte uns die Deutsche Rentenversicherung Berlin- Brandenburg für alle Rentenversicherungsträger für Berlin Folgendes: Renten wegen voller Erwerbsminderung im Land Berlin Berichtsjahr 2010 Anzahl 2011 Anzahl 2012 Anzahl 2013 Anzahl 2014 Anzahl 2015 Anzahl 2016 Anzahl Berlin 67.547 69.598 71.398 73.605 75.512 76.825 77.842 4 4. Wie viele Personen mit Behinderung, die in Berlin in Werkstätten für Menschen mit Behinderung arbeiten und einen entsprechenden Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung und/oder Erwerbsminderungsrente haben, erhalten diese Leistungen? Zu 4.: Eine Beantwortung durch den für die gesetzliche Rentenversicherung zuständigen Bereich, aber auch durch den Träger der Grundsicherungsleistungen ist leider nicht möglich, weil diese Träger jeweils nur einer von mehreren Rehabilitationsträgern für diese Leistung sind und sie auch nicht der zuständige Träger für alle Phasen dieser Leistungen sind. Berlin, den 03. September 2018 In Vertretung Alexander F i s c h e r _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales