Drucksache 18 / 16 084 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 03. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. August 2018) zum Thema: Kampf gegen Rockerkriminalität – Wettbüromord – Organisations- und Informationsebenen und Antwort vom 05. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Sep. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 6 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16084 vom 03. August 2018 über Kampf gegen Rockerkriminalität – Wettbüromord – Organisations- und Informationsebenen ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wann wurden der Kommissariatsleiter, der Dezernatsleiter, der Abteilungsleiter im LKA 42, der Amtsleiter im LKA sowie die Behördenleitung (PolPräs/Vize) über den Mord an Tahir Ö. informiert? (Detaillierte Aufstellung nach Tag und Uhrzeit erbeten.) Zu 1.: Die Information über das Tötungsdelikt erfolgte im unmittelbaren Nachgang zur Tat auf dem Dienstweg an die Behördenleitung. Detaillierte Auskünfte im Sinne der Fragestellung können unter Hinweis auf das aktuell geführte Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Berlin wegen des Verdachts der Tötung durch Unterlassen im Rahmen der Schriftlichen Anfrage nicht gegeben werden. 2. Wann wurde erstmals bekannt, dass auf Tahir Ö. ein Mordanschlag verübt werden sollte und welche Führungsebenen waren in die Bewertung eingebunden? (Aufstellung der Dienststellen erbeten.) 3. Welche zeitnahen Konsequenzen wurden vor dem möglichen Mordanschlag gezogen und welche unmittelbar danach? (Chronologische Aufstellung der Aktivitäten erbeten.) Zu 2. und 3.: Diese Fragen gilt es im Rahmen des unter 1. genannten Ermittlungsverfahrens zu klären. Es ist daher keine Beantwortung möglich. 4. Welches Kommissariat war mit dem geplanten Mordanschlag an Tahir Ö. und schließlich dem Mord betraut gewesen? Seite 2 von 6 Zu 4.: Die Ermittlungen bezüglich des geplanten Mordanschlags wurden federführend von dem zuständigen Fachkommissariat für Rockerkriminalität im Landeskriminalamt (LKA) 42 geführt. Mit den Ermittlungen zu dem Tötungsdelikt war eine Mordkommission des LKA 11 betraut. 5. Wie oft spielte Tahir Ö. in der Zeit von 2013 bis 2014 bei Dienstbesprechungen des LKA 4 und des LKA 42, bei Sicherheitslagen, der Direktions- und Amtsleiterrunden sowie im Großen Lagedienst eine Rolle? Zu 5.: Hierzu können keine Angaben gemacht werden, da durch die Polizei Berlin keine Datenerfassung im Sinne der Fragestellung erfolgt. 6. Ab wann und auf wessen Veranlassung wurde durch die Behördenleitung ein strafrechtliches und disziplinarrechtliches Ermittlungsverfahren gegen LKA-Beamte im LKA 42 eingeleitet? 7. Gegen wie viele Polizeibeamte richteten sich diese strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahren? Zu 6. und 7.: Die Daten bezüglich der Disziplinarverfahren, die unmittelbar nach dem Tötungsdelikt zum Nachteil von Tahir Ö. im Jahr 2014 gegen zwei Dienstkräfte des LKA eingeleitet wurden, sind nicht mehr vorhanden, da die Vorgänge aufgrund der gesetzlichen Löschfristen bereits vernichtet wurden. Von dem unter 1. genannten aktuellen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Berlin sind drei Dienstkräfte der Polizei Berlin betroffen. Gegen zwei dieser Dienstkräfte wurden am 3. August 2018 Disziplinarverfahren eingeleitet. Gegen die dritte Dienstkraft war bereits im Jahr 2014 ein Disziplinarverfahren eingeleitet und ohne Feststellung von Dienstvergehen eingestellt worden. 8. Wer vollzog das Prüfungsverfahren im Jahr 2014 gegen die Polizeibeamten im Ermittlungsverfahren? (Aufstellung nach Position und Dienststelle erbeten.) Zu 8.: Am 6. Februar 2014 beauftragte die damalige Behördenleitung einen Referatsleiter eines örtlichen Kriminalreferats mit der Untersuchung der Ermittlungen zu dem geplanten Mordauftrag in kriminalistischer und dienstkundlicher Hinsicht, insbesondere in Hinblick auf die Erforderlichkeit von Maßnahmen im Rahmen des Qualitätsstandards zur Verhinderung von Gewalteskalationen. Diese Dienstkraft wurde durch einen Mitarbeiter aus dem Stab des Polizeipräsidiums und zwei Mitarbeiter aus örtlichen Kriminalreferaten unterstützt. 9. Welche Erkenntnisse konnten aus dem Prüfungsvorgang gewonnen werden? (Aufstellung erbeten.) Seite 3 von 6 Zu 9.: Die wesentliche Erkenntnis war, dass die Gefährdungslage nicht richtig eingeschätzt worden war und daraus resultierend notwendige gefahrenabwehrende Maßnahmen unterlassen wurden. Die Auswerteeinheit des LKA 42 war für die Bewertung der Gefährdungslage nicht einbezogen worden. Zudem waren die polizeilichen Maßnahmen nicht intensiviert worden, obwohl Hinweise auf eine Gefahrenerhöhung (Erkenntnisse aus Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen und Rückkehr des Opfers nach Berlin) vorlagen. Festgestellt wurde auch, dass die Informationswege zwischen verdeckter Erkenntnisgewinnung und der Sachbearbeitung fehlerhaft und nicht standardisiert waren. Darüber hinaus war die Bearbeitungszuständigkeit, die bei einem geplanten Mord bei den Mordkommissionen gelegen hätte, nicht eingehalten worden. 10. Weshalb intervenierte die damalige Polizeivizepräsidentin nicht gegen das Prüfungsergebnis und warum wurden damals keine weiteren rechtlichen und disziplinarischen Maßnahmen eingeleitet? (Begründung erbeten.) Zu 10.: Weitere Disziplinarverfahren wurden nicht eingeleitet, weil nach den Feststellungen, die in den geführten Disziplinarverfahren getroffen wurden, keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die Einleitung weiterer Verfahren zutage traten. 11. Ab welchem Zeitpunkt hat die damalige Polizeivizepräsidentin verfügt, dass sie bei Delikten der Organisierten Kriminalität (Rockerkriminalität) persönlich eingebunden wird? Zu 11.: Eine solche Verfügung ist der Polizei Berlin nicht bekannt. 12. Wie viele Personalwechsel gab es in der Zeit von 2012 bis 2018 im LKA 42 hinsichtlich Kommissariatsleitern, Dezernatsleitern und Abteilungsleitern? (Aufstellung der Wechsel nach Jahren und neuen Dienststellen erbeten.) Zu 12.: In der Zeit von 2012 bis 2018 gab es im LKA 42 bei den Kommissariats-, Dezernatsund Abteilungsleitungen einschließlich Versetzungen in den Ruhestand insgesamt 16 Wechsel. Die nachstehende Tabelle gibt die Wechsel nach Jahren aufgeführt wieder. Jahr Anzahl Neue Dienststellen 2012 1 Ruhestand 2013 0 2014 5 LKA 23, LKA 24, Dir 2 VB, LKA 42* 2015 4 LKA St 21, LKA 42* 2016 4 LKA St 12, LKA 4 FüD, LKA 531, LKA 42* 2017 0 2018 2 LKA 23, LKA 42* *auch Wechsel innerhalb des Dezernats Seite 4 von 6 13. Zu welchem Zeitpunkt entschied die damalige Behördenleitung diese vollzogenen Personalwechsel im LKA 42? Zu 13.: Dazu liegen der Polizei Berlin keine automatisiert recherchierbaren Daten vor. 14. Wie viele Vollzeitäquivalente (VZÄ) waren dem LKA 42 in der Zeit von 2012 bis 2018 insgesamt zugeordnet? (Aufstellung erbeten.) Zu 14.: Aufgrund gesamtbehördlicher Umstrukturierungen und Zuständigkeitsveränderungen und der Neustruktur des LKA im Jahr 2015 sind die stellenwirtschaftlichen Maßnahmen zum jeweiligen Stichtag nur eingeschränkt abbildbar und vergleichbar. Bei den nachfolgend aufgeführten Zahlen wurde die Abteilung LKA 4 in der Gesamtheit betrachtet. Eine dezernats- und kommissariatsbezogene Aufstellung ist nicht möglich. Aktuelle Dienststelle LKA 4 Stellen (1) VZÄ(2-3) Freie Stellen/- anteile(4) Jahr 2012 288,03 286,68 1,35 Jahr 2013 288,03 284,84 3,19 Jahr 2014 294,03 287,78 6,25 Jahr 2015 310,03 402,59 -92,56 Jahr 2016 323,03 384,87 -61,84 Jahr 2017 402,00 381,25 20,75 Alle Auswertungen erfolgten ausschließlich auf der Basis der im System IPV zum Stichtag 31.12. des Jahres hinterlegten Daten und spiegeln den Datenbestand zu diesem Stichtag wider. (1) Einschl. Stellen des Hauptstadtkapitels (HSK) und unter Berücksichtigung unterjähriger Stellenumsetzungen (2) Vollzeitäquivalent (3) bis einschließlich 2016 Angaben ohne beurlaubte Dienstkräfte, ab 2017 Angaben mit beurlaubten Dienstkräften und ohne Anwärter und Auszubildende (4) Positive Zahlen bedeuten freie Stellen, negative Zahlen einen Überhang an VZÄ Aus der tabellarischen Übersicht geht hervor, dass es seit dem Jahr 2012 einen kontinuierlichen Stellenaufwuchs im LKA 4 gab. Die Umstrukturierung des LKA führte dabei zu einem starken Anstieg der Anzahl der Dienstkräfte bzw. Vollzeitäquivalente (VZÄ) im Jahr 2015. Der stellenwirtschaftliche Ausgleich erfolgt bis zum Jahr 2017. 15. Wie hoch war der Krankenstand in der Zeit von 2012 bis 2018 im zuständigen LKA 42? (Aufstellung nach Jahren erbeten. Verweis auf Link oder Quelle bei SenFin nicht erwünscht.) Zu 15.: Angaben über krankheitsbedingte Abwesenheitszeiten werden über das Landesverfahren IPV (Integrierte Personalverwaltung) erfasst. Die statistische Auswertung erfolgt ausschließlich durch die bei der Senatsverwaltung für Finanzen angesiedelte Statistikstelle Personal, die dazu den jährlichen Bericht über die „Pauschale Gesundheitsquote der Beschäftigten im unmittelbaren Landesdienst Berlin“ herausgibt. Darüber hinausgehende polizeiinterne Auswertungen von IPV zur Erkrankungsdauer der Jahre 2012 bis 2018 sind nicht möglich. 16. Wie hoch ist aktuell die Zahl der eingeschränkt dienstfähigen Dienstkräfte beim LKA 42? Seite 5 von 6 Zu 16.: Mit Stand Januar 2018 waren zwei Dienstkräfte im LKA 42 dauerhaft polizeidienstunfähig im Sinne des § 105 Abs. 1 Landesbeamtengesetz (LBG). Hinzu kommen zwei Dienstkräfte des Polizeivollzugsdienstes, die aktuell (temporär) den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst nicht genügen. Bei diesen Dienstkräften besteht nach gutachterlicher Einschätzung des Polizeiärztlichen Dienstes jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass sie die volle Verwendungsfähigkeit im Polizeivollzugsdienst innerhalb von zwei Jahren wiedererlangen. 17. Wie hoch war bzw. ist das Durchschnittsalter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim LKA 42 (Aufstellung nach Jahr für den Zeitraum 2012 bis 2018 erbeten.) Zu 17.: Eine Aufbereitung der Daten nach Dezernaten des LKA 4 ist nicht möglich. Die nachfolgende Tabelle enthält die Zahlen des Altersdurchschnitts für die Abteilung LKA 4. 1) Alle Auswertungen erfolgten auf der Basis der im IPV zum Stichtag 31.12. des Jahres hinterlegten Daten und spiegeln den Datenbestand zu diesem Stichtag wider. 2) Angaben ab dem Jahr 2017 mit beurlaubten Dienstkräften (Systemwechsel) und ohne Anwärter und Auszubildende 18. Wie viele Stellen waren in der Zeit von 2012 bis 2018 im LKA 42 unbesetzt? (Aufstellung erbeten.) Zu 18.: Siehe Beantwortung zu Frage 14. 19. Welche konkreten Strukturveränderungen wurden nach dem Mord an Tahir Ö. im LKA 4 und dem Fachkommissariat 42 vollzogen? (Aufstellung der Maßnahmen nach Jahren erbeten.) Zu 19.: Im Zusammenhang mit der Neustruktur des LKA am 1. Januar 2015 erfolgte die Zusammenlegung der bis dahin bestehenden zwei Rockerkommissariate zu einem Schwerpunktkommissariat mit zwei Sachgebieten. Die Zusammenlegung der beiden Kommissariate wurde insbesondere zur Vermeidung von Schnittstellenproblemen vorgenommen. 20. Wann genau waren der damalige Polizeipräsident, die damalige Polizeivizepräsidentin sowie der amtierende LKA-Chef mit dem Vorgang Tahir Ö. konkret und direkt befasst? (Aufstellung nach Jahren, Monaten und Tagen erbeten.) Zu 20.: Beschäftigtengruppe Durchschnittsalter in Jahren1) 2) 31.07.2018 2017 2016 2015 2014 2013 2012 Beamte/ Beamtinnen 45,48 45,66 45,53 44,76 43,69 43,38 42,62 Tarifbeschäftigte 54,14 53,83 53,53 52,77 52,54 52,06 51,37 Gesamt 46,45 46,62 46,53 45,74 44,70 44,36 43,63 Seite 6 von 6 Hierzu wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. 21. Wie viele Überlastungsanzeigen gab es im LKA 42 in der Zeit von 2012 bis 2018? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 21.: Es sind dem Senat keine Überlastungsanzeigen bekannt. 22. Zu welchem Zeitpunkt waren die Innenverwaltung und die zuständige Polizeiaufsicht mit dem Mord an Tahir Ö. in der Zeit von 2013 bis 2014 konkret befasst? Zu 22.: In der Senatsverwaltung für Inneres und Sport war die mit der Fachaufsicht für Kriminalitätsbekämpfung beauftragte Arbeitsgruppe ab dem 24. Januar 2014 im Zusammenhang mit der Vorbereitung der 38. Sitzung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung (27. Januar 2014) mit dem Vorgang konkret befasst. 23. Auf welche Weise war die Innenverwaltung beim Disziplinarverfahren gegen die betroffenen Polizeibeamten im Jahr 2014 involviert? (Aufstellung erbeten.) Zu 23.: Der Senatsverwaltung für Inneres und Sport sind die von der Polizei Berlin getroffenen Disziplinarentscheidungen zugeleitet worden. 24 Wie hat die Behördenleitung darauf reagiert, als im Wettbüromordprozess Polizeibeamte ihre Aussage mit Verweis auf §55 StPO verweigerten? Zu 24.: Das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 Strafprozessordnung (StPO) ist ein individuelles Recht, das jedem Zeugen und somit auch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zusteht. Berlin, den 05. September 2018 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport