Drucksache 18 / 16 090 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Turgut Altug (GRÜNE) vom 21. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. August 2018) zum Thema: Ambrosia-Pflanze und weitere Neobiota: Bekämpfungsstrategien und Umgang in Berlin und Antwort vom 07. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Sep. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Turgut Altug (GRÜNE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16090 vom 21. August 2018 über Ambrosia-Pflanze und weitere Neobiota: Bekämpfungsstrategien und Umgang in Berlin Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Verwaltung: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher alle Bezirke, zu den Fragen 1 und 4, um Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Frage 1: Wie haben sich die Ambrosiabestände in den letzten zwölf Monaten entwickelt? Antwort zu 1: Dem Senat liegen über die beiden in Berlin vorkommenden Ambrosia-Arten keine systematisch erfassten Erkenntnisse vor. Die Entwicklung in den vergangenen 12 Monaten lässt sich nicht exakt darstellen. Frage 2: Wie schätzt der Senat das aktuelle gesundheitliche Gefährdungspotential durch Ambrosia ein? Antwort zu Frage 2: Dem Senat liegen keine Kenntnisse darüber vor, dass sich das von den Pollen der Ambrosia-Pflanze ausgehende Gefährdungspotential aktuell verändert haben könnte. 2 Frage 3: Worauf führt der Senat die schnelle Ausbreitung von Ambrosiabeständen in den letzten Jahren in Berlin zurück? Antwort zu Frage 3: Die mehrjährige Staudenambrosie hat sich, nach Erkenntnissen des Senats, im Ortsteil Adlershof wegen der hohen Bautätigkeit ausgebreitet, die mit zahlreichen Erdtransporten verbunden ist. Frage 4: Wie groß sind die Ambrosiabestände in den Bezirken in diesem Jahr? Hat sich seit dem letzten Jahr dsbzgl. etwas verändert? Antwort zu Frage 4: Eine Abfrage zur Populationsentwicklung in den Bezirken in 2018 ergab folgendes Ergebnis: 3 Bezirk Antworten / Einschätzungen Charlottenburg- Wilmersdorf Die Bestände an Ambrosia auf öffentlichen Flächen des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf werden im angefragten Zeitraum eher als rückläufig eingeschätzt. Die Meldungen aus der Bevölkerung in diesem Zusammenhang stellen sich zu 90 % als Falschmeldungen heraus, da die Pflanzen mit Beifuß oder Wermut verwechselt werden. Friedrichshain- Kreuzberg Die Naturschutzbehörde kann hierzu leider keine Auskünfte geben. Es erfolgt kein flächendeckendes Monitoring von Ambrosia oder anderen „Zuwanderern“. Insgesamt ist bei den Mitarbeiterinnen der Naturschutzbehörde auch nicht der Eindruck entstanden, dass sich die Bestände von Ambrosia in diesem Hitzesommer in unserem Bezirk deutlich erhöht hätten. Möglicherweise ist dies erst zeitversetzt in den nächsten Jahren festzustellen. Lichtenberg Es wird keine Statistik geführt; Nach Einschätzung des Fachamtes unverändert zu den Vorjahren. Die schnelle Ausbreitung der Ambrosiabestände geht zum Teil auf das durch den Handel angebotene Vogelfutter zurück. Zurzeit keine Sonderprogramme zur Bekämpfung der Ambrosiabestände (monetär). Keine zweckgebundenen Mittel, Maßnahmen werden aus den laufenden Unterhaltungsmittel bereitgestellt. Marzahn- Hellersdorf Die Ambrosiabestände haben sich im Bezirk Marzahn-Hellersdorf in den letzten Monaten nicht entwickelt. Es ist aktuell von einem gleichbleibenden Bestand an Ambrosiapflanzen auszugehen. Mitte Auf den öffentlichen Flächen sowie öffentlichen Grünanlagen und Straßenbegleitgrün gab es keine signifikanten Veränderungen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entfernen gemeldete oder selbst festgestellte Bestände sofort, so dass diese nicht blühen und somit auch nicht weiter verbreitet werden. In den letzten 12 Monaten gab es keine Meldungen für die durch das Straßen- und Grünflächenamt (SGA) verwalteten Flächen. Neukölln In Neukölln sind in den letzten 12 Monaten die bekannten Bestände rückläufig und darüber hinaus keine neuen Fundorte bekannt geworden. Pankow Der Bezirk Pankow, hier das Amt für Umwelt und Naturschutz und Straßen- und Grünflächenamt, betreibt kein Monitoring über das Aufkommen, Häufigkeit, Verbreitung von Wildkräutern wie Ambrosia. Das Umweltbüro Pankow hat bis Ende 2017 noch mit 5-8 Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (MAE)-Kräften gemeldete Ambrosia-Vorkommen beseitigt. Leider wurde eine Verlängerung der Maßnahme Umweltstreife nicht mehr bewilligt. Ambrosia tritt nach unserer Beobachtung gehäuft an illegalen Ablagestellen, d. h. von Abfällen, insbesondere von Gartenabfällen, an abgelegenen Nebenstraßen im Umfeld von Kleingartenanlangen und ruhigen Siedlungsgebieten auf. Gelegentlich werden gemeldete Einzelfälle mit Hinweis auf die Seiten des Pflanzenschutzamtes für weiterführende Informationen weitergeleitet. Für ein geordnetes Monitoring stehen leider in absehbarer Zeit nicht die erforderlichen personellen oder finanziellen Ressourcen zur Verfügung. Reinickendorf Der Fachbereich Gartenbau hat die Erfahrung gemacht, dass aus der Bevölkerung in der jüngsten Vergangenheit immer weniger Hinweise 4 auf vermeintliche Ambrosia-Bestände eingegangen sind. Ehemals im öffentlichen Grün bekannte Bestände sind nachdem sie entsprechend bearbeitet wurden, nicht mehr auffällig. Ob lediglich die Sensibilität in der Bevölkerung nachgelassen hat, oder aber das Auftreten der Ambrosia-Pflanzen wirklich dezimiert wurde, kann von hier aus nicht mit Sicherheit eingeschätzt werden. Spandau In den letzten zwölf Monaten haben sich die Ambrosiabestände unterschiedlich entwickelt. Insgesamt aber – so die hiesige Einschätzung – war sie aufgrund der extremen Witterung und der geringen Feuchtigkeit eher spärlich. Genaue Zahlen können auf der kurzfristigen Terminsetzung nicht ermittelt werden. Steglitz- Zehlendorf Aus dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf kann ich Ihnen mitteilen, dass in der Vergangenheit der Befall von Ambrosia auf öffentlichen Grundstücken sehr gering war. In diesem Jahr ist er - vermutlich auf Grund der Trockenheit - noch geringer. Tempelhof- Schöneberg Zur Schriftlichen Anfrage 18/16090 wird Fehlanzeige von der Abt. BürgOSGrün gemeldet, da dem Fachbereich Grünflächen keine Informationen über die aktuelle Entwicklung der Ambrosiabestände vorliegen. Treptow- Köpenick Die Abteilung Gesundheit und Umwelt steht im regelmäßigen Austausch mit dem Pflanzenschutzamt, welches verstärkt Maßnahmen im Bereich Adlershof durchführt. Beim Gesundheitsamt sind bislang keine Beschwerden / Meldungen eingegangen, so dass die koordinierten Maßnahmen in Adlershof eine Eindämmung der Ambrosia-Pflanzen vermuten lässt. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Wahrnehmung von Mäh- und Pflegetätigkeiten. Frage 5: Welche Maßnahmen hat der Senat bisher unternommen, um die Ambrosiabestände in Berlin zu dezimieren? Antwort zu Frage 5: Um Ambrosiabestände in Berlin zu dezimieren wurden folgende Aktivitäten eingeleitet: Einrichten einer Stelle, Koordinierung der behördlich organisierten Ambrosiabekämpfung, im Pflanzenschutzamt Berlin Aufgrund einer Befragung der zuständigen Behörden in den Bezirken im Herbst 2017 hat sich der Ortsteil Adlershof im Bezirk Treptow-Köpenick als Schwerpunkt herauskristallisiert. Deshalb wurde entschieden, den Schwerpunkt zunächst hierauf zu legen. Akteure, Flächennutzer und Flächeninhaber wurden über die Ambrosia- Problematik und Gegenmaßnahmen informiert; Zur Pollenreduktion wurden in Adlershof Flächen gemäht. Es wurde ein Auftrag vergeben, Angaben zur Ausbreitung und zum Vorkommen der Ambrosia elektronisch zu erfassen. Am Meteorologischen Institut der Freien Universität Berlin wurde bis zum Jahr 2017 der Ambrosia-Atlas geführt. Da die Fortführung am Institut nicht mehr möglich ist, wurde im Rahmen des Projektes ein Auftrag vergeben, der die weitere Pflege des Ambrosia-Atlas beinhaltet, Einträge von neu gemeldeten Standorten, Arbeitsstand der Beseitigung der Ambrosia. 5 Mikroskopische Auswertung Ambrosia-Pollenwerte und Veröffentlichung auf den Internetseiten des Ambrosia-Atlas, Vereinbarung der Zusammenarbeit mit dem Land Brandenburg, Referat 43, Öffentlicher Gesundheitsdienst, Infektionsschutz, Umwelthygiene, Zivil- und Katastrophenschutz des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie. Aufbau eines Internetangebots zur Ambrosia-Problematik im Land Berlin Bürgerinnen und Bürger können sich donnerstags telefonisch über Ambrosia informieren bzw. Fundorte melden. Weitere geplante Aktivitäten sind: Vereinbarung mit Dienstleistungsunternehmen zur Mahd von Ambrosia- Standorten und Rausreißen von Ambrosia aus Baumscheiben; Einsäen von Bestäuber freundlichen Pflanzen auf ehemaligen Ambrosia- Standorten; Weiterentwicklung der Ambrosia-App: Erarbeitung eines Moduls zur mehrjährigen Staudenambrosie, Integration einer Software zur Fotoerkennung von Ambrosia, Weiterleitung der Standortdaten an den „Ambrosia-Atlas“; Überleitung des Internetauftritts „Ambrosia-Atlas“ der FU Berlin nach SenUVK; Zusammenarbeit mit der Bauwirtschaft zur Vermeidung bzw. Eingrenzung der Verschleppung der Art durch Bauaktivitäten insbesondere durch Bodenaushub Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit: Bevölkerung verstärkt informieren und an deren Mitwirkung appellieren Frage 6: Wie und in welcher Höhe werden die Mittel verausgabt, die im Haushalt für die Bekämpfung von Ambrosia eingestellt wurden? Antwort zu Frage 6: Abfluss der Mittel, die im Haushalt für die Bekämpfung der Ambrosia eingestellt wurden (Stand 30.08.2018): 1. Untersuchung von Flächen in Berlin-Adlershof auf Ambrosia-Vorkommen und Quantifizierung des Befalls inkl. fachlicher Vorort-Beratung 2 Auftragnehmer, jeweils 9.800 EUR, einschließlich 19 % MwSt. 2. Mikroskopische Auswertung von Ambrosia-Tagespollenwerten der volumetrischen Pollenfalle (Typ Burkhard) der FU Berlin (Institut für Meteorologie) am Standort Berlin- Adlershof (Institut für Physik der HU Berlin) und Mikroskopische Auswertung von Ambrosia-Wochenpollenwerten des Passiv-Pollen- Sammlers (Typ Sigma II) der FU Berlin am Standort Berlin-Adlershof (Fröbel Kindergarten Campus Kids) 1 Auftragnehmer, 9.724,68 EUR, einschließlich 19 % MwSt. 6 3. Eintragen der Fundmeldungen aus dem Land Berlin in den Ambrosia-Altlas inkl. Plausibilitätsprüfung der Fundmeldungen und Fotos, telefonische Beratung zu Ambrosia, Beantworten/Weiterleiten von Mailanfragen, Versenden von Ambrosia- Infomaterial per Mail 1 Auftragnehmer, 11.757,20 EUR, einschließlich 19 % MwSt. Vertraglich gebunden sind damit: 41.081,88 EUR Frage 7: Hat der Senat Kenntnisse darüber, wie sich die andauernde Hitzewelle auf die Ambrosiabestände ausgewirkt hat? Antwort zu Frage 7: Ein Vergleich zu den Vorjahren ist dem Senat nicht möglich. Es wird eingeschätzt, dass die mehrmonatige Hitzewelle die Ambrosiapflanzenbestände nicht wesentlich verringert hat. Trockenheit verlangsamt das Wachstum der Pflanzen. Aufgrund ihres Regenerationsvermögens reichen schon geringe Niederschläge aus, um das Wachstum der Pflanzen zu befördern. Frage 8: Welche weiteren Neophyta gibt es in Berlin, die mögliche negative Gesundheitsauswirkungen auf Menschen haben können? Antwort zu Frage 8: Dem Senat liegen hierüber keine Erkenntnisse vor. Frage 9: Wie schätzt der Senat die Einführung einer Melde- und Bekämpfungspflicht für Ambrosia artemisiifolia ein? Antwort zu Frage 9: Die Einführung einer Melde- und Bekämpfungspflicht im Land Berlin ist zur Zeit nicht vorgesehen. Frage 10: Welche Maßnahmen unternimmt der Senat gegen die zunehmende Ausbreitung von Neobiota (gebietsfremde Pflanzen und Tiere)? Antwort zu Frage 10: Maßnahmen sind – in Übereinstimmung mit den Vorschriften der EU-VO 1143/2014 – nur sinnvoll, wenn eine Gefährdung von Schutzgütern (z.B. gefährdeten Arten) vorliegt oder eine weitere Ausbreitung tatsächlich verhindert werden kann. Ein Entgegentreten gegen invasive Arten muss außerdem immer einer vorherigen Kosten/Nutzen-Analyse 7 unterzogen werden. Bei den weit verbreiteten invasiven Arten ist eine Bekämpfung meist nicht zielführend. Frage 11: Wie bewertet der Senat die zunehmende Ausbreitung von Neobiota im Hinblick auf den Naturschutz? Antwort zu Frage 11: Es gibt in Berlin über 20.000 Tierarten, die sich auf viele verschiedene systematische Artengruppen verteilen. In vielen Artengruppen befinden sich auch eingeschleppte nichtheimische Arten. Dem Senat liegen keine systematischen Untersuchungen zu Auswirkungen von Neobiota auf den Naturschutz in Berlin vor. Berlin, den 07.09.2018 In Vertretung Stefan Tidow Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz