Drucksache 18 / 16 122 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marc Vallendar (AfD) vom 28. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. August 2018) zum Thema: Die JVA als unfreiwilliger Youtube-Star und Antwort vom 10. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Sep. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Marc Vallendar (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16 122 vom 28. August 2018 über Die JVA als unfreiwilliger Youtube-Star -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Laut Zeitungsmeldungen und direkt über Soziale Medien abrufbar, narrt ein JVA-Insasse seit geraumer Zeit die Berliner Justiz indem er Videos aus dem Gefängnisalltag veröffentlicht. Z. B.: https://www.youtube.com/channel/UCRdvQkt8_Yc4pvoFZGhP6og 1. Seit wann ist bekannt, dass dieser Häftling im geschlossenen Vollzug einen Videoblog betreibt? Zu 1.: Nachdem die Veröffentlichungen am 4. Juli 2018 bekannt wurden, wurde der betreffende Gefangene am selben Tag identifiziert. 2. Mit welchem/welchen Endgeräten werden die Videos aufgezeichnet und ins Internet übertragen? Zu 2.: Bei einer Tiefenrevision seines Haftraums wurde ein Mobiltelefon, das er unerlaubt besaß, sichergestellt. Es ist davon auszugehen, dass er dieses zur Aufnahme und Verbreitung der Videos verwendete. 3. Sind externe Helfer des Häftlings bekannt, die die Endgeräte in die JVA bringen oder die Videos ins Internet übertragen oder sonstige Hilfe leisten? Zu 3.: Hierzu sind lediglich die Angaben des Gefangenen in seinen Filmen bekannt, wonach er bei der Gestaltung und Veröffentlichung Unterstützung von einem sogenannten Youtuber mit dem Nutzernamen „Apfelschorle“ hatte. Dieser konnte nicht identifiziert werden. 4. Gab es oder gibt es ähnliche Fälle in Berlin, in denen, wenn auch mit weniger Reichweite, ein Häftling im geschlossenen Vollzug über Soziale Medien mit der Öffentlichkeit kommuniziert? Wenn ja, bitte jeden Fall kurz unter Nennung des Kommunikationskanals beschreiben. Zu 4.: Der Senat ist durch regelmäßige Kontrollen der Hafträume und der Gefangenen, sowie der Überwachung von Besuchen und der Kontrollen der Besucherinnen und Besucher ständig bestrebt , verbotene Mobiltelefone in den Justizvollzugsanstalten aufzufinden. Gleichwohl ist es nie möglich, eine völlige Mobiltelefonfreiheit zu gewährleisten. Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen . 2 Eine statistische Erfassung von Vorkommnissen im Sinne der Frage erfolgt nicht. In folgenden Berliner Vollzugsanstalten sind jedoch – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – Kommunikationen von Gefangenen über Soziale Medien bekannt geworden: Jugendstrafanstalt Berlin: Am 11. Juli 2011 wurde bekannt, dass Gefangene drei selbst erstellte Videos in das Onlineportal „Youtube“ eingestellt hatten. Darüber hinaus gab es vereinzelte Fälle, in denen Gefangene über „Facebook“ mit ihrem begrenzten Bekanntenkreis oder auch mit anderen Häftlingen kommuniziert haben. JVA Plötzensee: Ein Strafgefangener hatte im Jahr 2014 mehrere Videos auf „Youtube“ hochgeladen . Ferner hatte der Gefangene auf der Social-Media Plattform „www.gutefrage.net“ ein Profil. Nach Bekanntwerden der Videos und des Profils wurde der Haftraum des Gefangenen durchsucht , was zu Strafanzeigen gegen den Gefangenen führte. Die Videos hat er unter Aufsicht selbst gelöscht. Des Weiteren wurde festgestellt, dass vor einem Jahr von einem anderen Gefangenen ein älteres Video auf „Youtube“ hochgeladen wurde. Justizvollzugsanstalt Tegel: Von einem Gefangenen wurden von einem oder mehreren unbekannten Mitgefangenen vor etwa einem Jahr zwei in seinem Haftraum aufgenommene Videos bei „Youtube“ veröffentlicht. Außerdem wurde von einem anderen Gefangenen im Jahr 2017 bekannt , dass er über einen „Facebook-Account“ verfügte. JVA Moabit: Es hat in der Vergangenheit Einzelfälle gegeben, in denen Gefangene aus der Haft heraus Fotos – insbesondere Selfies – auf der sozialen Netzwerkplattform „Facebook“ gepostet haben. Eine statistische Erfassung erfolgt nicht. Mit der Identifikation des Betreffenden wurden die notwendigen Haftraumkontrollen veranlasst, die in der Regel zum Auffinden eines Smartphones führten. 5. Steht der Senat oder die Justizverwaltung mit den Plattformbetreibern, zum Beispiel Youtube, in Kontakt um das Nutzerkonto stillzulegen? Gibt es einen sonstigen Austausch zu diesem Fall mit den Plattformbetreibern ? Zu 5.: Nein, der Senat steht nicht in Kontakt mit den Plattformbetreibern, denn die Richtlinien der Plattformbetreiber und in der Folge die Maßnahmen zur Richtliniendurchsetzung beziehen sich auf die Inhalte der Videos und nicht auf das Einstellen durch unerlaubte Mobiltelefone im Falle einer Inhaftierung; etwaige Interventionen sind einzelfallbezogen zu prüfen. Im vorliegenden Fall gab der Inhalt der „Youtube-Videos“ bisher keinen Anlass, eine Löschung zu beantragen. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Videos nach einer Löschung von Dritten erneut hochgeladen werden können. Das Video in dem beispielhaften Link in der Vorbemerkung wurde nach den vorliegenden Erkenntnissen von einem Dritten z.B. neu hochgeladen. Wegen der Äußerungen des in Frage stehenden Gefangenen gegenüber einem Mitgefangenen, die auf dem Video zu hören sind, werden aber vollzugliche Maßnahmen veranlasst. 6. Welche Maßnahmen trifft die Justizverwaltung in diesem konkreten Fall des Videobloggers und generell um Häftlinge im geschlossenen Vollzug von der unkontrollierten Nutzung der Sozialen Medien abzuhalten? Zu 6.: Der Gefangene, seine Sachen und der Haftraum wurden abgesucht und durchsucht. Hierbei ist ein Mobiltelefon sichergestellt worden. In der Folge wurde gemäß § 94 Berliner Strafvollzugsgesetz eine Disziplinarmaßnahme angeordnet und die Verlegung in eine andere Teilanstalt vorgenommen, um durch das neue Umfeld die Beschaffung eines anderen Mobiltelefons zu erschweren . Ferner wurde die Haftraumausstattung des Inhaftierten erheblich reduziert. Seitdem beschränken sich die aktuellen Beiträge bei „Youtube“ entweder auf Sprachnachrichten, die der Inhaftierte offenbar über das jedermann zugängliche Stationstelefon an eine Person draußen übermittelt, welche diese Sprachnachricht durch Fotografien und anderweitig illustriert oder noch vor Sicherstellung seines Mobiltelefons außerhalb der Anstalt gespeicherte Aufnahmen. 3 In den Berliner Justizvollzugsanstalten werden alle rechtlich zulässigen Mittel genutzt, um unter anderem das Einbringen von verbotenen technischen Gegenständen, mit denen Gefangene unkontrolliert soziale Medien nutzen können, zu verhindern und eingebrachte Gegenstände in den Anstalten aufzufinden. Hierzu zählen: Absuchung und Durchsuchung neu aufzunehmender Gefangener unter Entkleidung einschließlich der eingebrachten Sachen, im Zuge des Aufnahmeverfahrens, Absuchung und Durchsuchung Gefangener nach jeder Abwesenheit von der Anstalt (z.B. Ausgang ) ohne Entkleidung, sowie einzelner Gefangener auch unter Entkleidung, Absuchung und Durchsuchung von Gefangenen nach Besuchen, bei Vorliegen von Verdachtsmomenten auch unter Entkleidung, Kontrolle der Besucherinnen und Besucher beim Betreten der Anstalt mittels Abstreifen sowie unter Zuhilfenahme von Metalldetektoren, optische Überwachung der Sprechstunden, Kontrolle des Brief- und Paketverkehrs auf unerlaubte Gegenstände, Kontrolle der auszutauschenden Kleidungsstücke, insbesondere bei den Abgaben für Untersuchungsgefangene , Kontrolle einfahrender Fahrzeuge, insbesondere der von Lieferfirmen, Sicherheitsüberprüfungen nach einem abgestuften System beim Einlass von Externen (Führungszeugnisse , Bundeszentralregisterauszüge), regelmäßige Kontrollen der Gefangenen, ihrer Hafträume und der ihnen zum Gebrauch überlassenen Gegenstände, fortlaufendes und regelmäßiges Absuchen von Freiflächen bevor Gefangenen der Zutritt ermöglicht wird, um Überwürfe sicherzustellen sowie verstärkte Absicherung von Freistundenbereichen durch mechanische Einrichtungen wie z.B. Zäunen zur Verhinderung des Aufsammelns übergeworfener Gegenstände durch Gefangene und Videoüberwachung, Anbringung von Vorsatzgittern an Hafträumen zur Verhinderung des Hereinziehens von Gegenständen, außerordentliche Sonderkontrollen von kurzfristig bestimmten Anstaltsbereichen, Einsatz von sogenannten Handyfindern und gemäß § 25 Justizvollzugsdatenschutzgesetz Auslesen elektronischer Datenspeicher von Geräten , die Gefangene ohne Erlaubnis des Justizvollzuges besitzen, zwecks Erlangung von Kenntnissen über sicherheits- und strafrechtlich relevante Inhalte. 7. Sind dem Senat Fälle bekannt, in denen Opfer von Straftaten von ihren Peinigern aus dem geschlossenen Vollzug über Soziale Medien oder andere verbotene Kanäle kontaktiert wurden? 4 Zu 7.: Der Senat erfasst solche Vorkommnisse nicht statistisch. Nach der Erkenntnis der Justizvollzugsanstalten sind lediglich seltene Einzelfälle erinnerlich, in denen es zu Kontaktaufnahmen über verbotene Mobiltelefone kam. Dabei erfolgten Bedrohungen und Belästigungen jedoch vornehmlich im unmittelbaren persönlichen Umfeld des Gefangenen. Berlin, den 10. September 2018 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz; Verbraucherschutz und Antidiskriminierung