Drucksache 18 / 16 145 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 27. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. August 2018) zum Thema: Demokratie für Anfänger - die Wahl der Schülersprecher und Antwort vom 13. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Sep. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16145 vom 27. August 2018 über Demokratie für Anfänger – die Wahl der Schülersprecher ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1) Nach welchen gesetzlichen Regelungen erfolgt die Wahl von Klassen- bzw. Jahrgangssprechern an Berliner Schulen? Zu 1): Die Grundsätze für die nach dem Schulgesetz vorgesehenen Wahlen sind in § 117 des Schulgesetzes geregelt. Danach sind die Wahlen grundsätzlich geheim durchzuführen . Nur wenn alle Wahlberechtigten einverstanden sind, darf offen gewählt werden . Eine Briefwahl ist unzulässig. Die Wahlen erfolgen für die Dauer eines Schuljahres . Die Amtszeit beginnt mit der Annahme der Wahl. Sie endet durch Neuwahl im nächsten Schuljahr oder durch Abwahl, verbunden mit der Wahl einer Nachfolgerin /eines Nachfolgers, durch Niederlegen des Amtes oder durch das Ende der Zugehörigkeit zu der betreffenden Schule. 2) Welchem pädagogischen Zweck dienen diese Wahlen? Zu 2): Die Schülerinnen und Schüler sollen demokratische Entscheidungsprozesse einüben und das schulische Leben aktiv mitgestalten. Gleichzeitig übernehmen Klassen- und Jahrgangssprecherinnen und Klassen- und Jahrgangssprecher Verantwortung für ihre jeweilige Lerngruppe. 2 3) Nach welchen demokratischen Grundsätzen sind diese Wahlen durch in der Regel wen als Wahlleiter durchzuführen? Zu 3): Die Abstimmung muss unbeeinflusst (frei) und mit Stimmzetteln erfolgen. Jede gültige Stimme hat das gleiche Gewicht. Ohne abweichenden einstimmigen Beschluss erfolgt die Wahl geheim. In der Regel leitet die Klassenlehrkraft die Wahl. 4) Ist es demnach zulässig, zwei Kinder beliebigen Geschlechts zu wählen? Zu 4): Ja. 5) Dürfen Kinder sich demnach selbst wählen? Zu 5): Ja. 6) Ist es demnach zulässig, das Abstimmungsverhalten eines Kindes durch die Lehrkraft zu überprüfen ? Zu 6): Nein. Stimmzettel dürfen lediglich auf ihre Gültigkeit überprüft werden. Eine Zuordnung des Stimmzettels zu einer wahlberechtigten Person ist bei geheimer Wahl nicht zulässig. Bei offenen Wahlen ist die Stimmabgabe für alle Anwesenden erkennbar. 7) Ist es demnach zulässig, das Abstimmungsverhalten eines Kindes vor der Klasse zu thematisieren ? Zu 7): Nein. 8) Ist es demnach zulässig, a) nicht an der Wahl teilzunehmen, b) ungültig zu wählen oder c) sich der Stimme zu enthalten? Zu 8): Alle drei Varianten sind zulässig. Es gibt ein Wahlrecht, aber keine Wahlpflicht. 3 9) Wie genau ist das Wahlprocedere zu gestalten? Werden beide Sprecherinnen oder Sprecher in einem Wahlgang gewählt? Was geschieht bei Stimmengleichheit (bzw. bei mehr als zwei Erstplatzierten mit Stimmengleichheit )? Entscheidet nach einer Stichwahl das Los aus der Hand des Versammlungsleiters? Zu 9): Ein gemeinsamer Wahlgang ist möglich, weil zwei gleichberechtigte Sprecherinnen und Sprecher gewählt werden, und spart in der Regel Zeit. Es ist aber auch zulässig, zwei getrennte Wahlgänge durchzuführen. Das Verfahren bei Stimmengleichheit im Sinne von mehr als zwei Erstplatzierten (bzw. bei zwei getrennten Wahlgängen von mehr als einer erstplatzierten Person in einem Wahlgang) ist in § 117 Absatz 4 Satz 4 und 5 des Schulgesetzes geregelt und in der Fragestellung zutreffend beschrieben. 10) Wie stellt der Senat in welcher Weise sicher, dass die für die Wahlen zuständigen Lehrkräfte über diese für die Leitung der Sprecherwahlen notwendigen Kenntnisse verfügen? Zu 10): Es ist Aufgabe der Schulleiterinnen und Schulleiter, alle in der Schule tätigen Pädagoginnen und Pädagogen über die für Wahlen geltenden Regelungen zu informieren. Bei Bedarf steht die Schulaufsicht beratend zur Verfügung. 11) Welche Rolle spielt dabei das LISUM? Zu 11): Zum Inhalt der Qualifizierungsmaßnahmen für Schulleiterinnen und Schulleiter sowohl vor der Amtsübernahme als auch während der Amtsführung gehören die Regelungen des Schulgesetzes, die sich auf Gremien, Wahlen und Mitwirkungsrechte beziehen . 12) Wenn die Wahl von „zwei gleichberechtigten Sprechern oder Sprecherinnen“ (§ 84 Schulgesetz) nicht nach den Grundsätzen freier, gleicher und geheimer Wahlen stattgefunden hat, sind diese Wahlen dann zu wiederholen? Falls nicht, wie stellt der Senat sicher, dass durch die nur einmal jährlich stattfindenden Wahlen Kinder nicht die demokratischen Grundprinzipien „falsch erlernen“, also tatsächlich nicht demokratisch erzogen werden? Zu 12): Die Wiederholung einer Wahl setzt einen fristgebundenen Einspruch gegen ihre Gültigkeit voraus (§ 118 des Schulgesetzes). Der Einspruch ist von einer wahlberechtigten Person – hier also von einer Schülerin oder einem Schüler, ggf. vertreten durch eine erziehungsberechtigte Person – innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses unter Angabe von Gründen zu erheben. Ist bei der Wahl gegen Rechtsvorschriften verstoßen worden und kann dadurch das Wahlergebnis beeinflusst worden sein, muss die Wahl für ungültig erklärt und wiederholt werden. Sollten diese Voraussetzungen vorliegen, aber die Einspruchsfrist nicht eingehalten worden sein, ist eine Wahlwiederholung rechtlich ausgeschlossen. Es besteht aber unabhängig davon die gesetzliche Möglichkeit einer Abwahl durch die Wahl von Nachfol- 4 gerinnen und Nachfolgern gemäß § 117 Absatz 5 des Schulgesetzes. Bei der Abwahl können die demokratischen Regeln richtig eingeübt werden. 13) Stellen Verstöße gegen die vorgenannten Regelungen durch Lehrkräfte grundsätzlich eine Dienstpflichtverletzung dar? Falls nein, wie setzt der Senat die Einhaltung dieser Regelungen durch? Falls ja, wie viele Disziplinarverfahren wegen Verstößen gegen die vorstehenden Wahlgrundsätze sind in den Jahren 2007 bis 2017 jeweils eingeleitet worden? Zu 13): Verstöße gegen die vorgenannten Regelungen würden Dienstpflichtverletzungen darstellen, die bei verbeamteten Lehrkäften zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens führen könnten. Solche Verstöße sind dem Senat nicht bekannt. Dementsprechend wurden in den Jahren 2007 bis 2017 keine Disziplinarverfahren wegen Verstößen gegen die vorgenannten Wahlrechtsgrundsätze eingeleitet. Soweit eine tarifbeschäftigte Lehrkraft die vorgenannten Regelungen verletzen würde , könnte dies eine Abmahnung bzw. bei wiederholter Verletzung eine verhaltensbedingte Kündigung zur Folge haben. Kündigungen aus den vorstehend genannten Gründen sind ebenfalls nicht bekannt, und Abmahnungen werden statistisch nicht erfasst. Berlin, den 13. September 2018 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie