Drucksache 18 / 16 147 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sebastian Czaja (FDP) vom 28. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. August 2018) zum Thema: Zeitnahe Einführung von Ausweisgeräten überfordert Berliner Senat? und Antwort vom 12. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Sep. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Sebastian Czaja (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16 147 vom 29. August 2018 über Zeitnahe Einführung von Ausweisgeräten überfordert Berliner Senat? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele falsche bzw. mutmaßlich falsche Ausweise würden in den Behörden des Landes Berlin inklusive der Bezirke in den vergangenen 12 Monaten festgestellt? Zu 1.: Von den Bezirken wurden für den Zeitraum vom 01.09.2017 bis zum 31.08.2018 insgesamt rd. 300 als auffällig erkannte Personaldokumente erkannt, die sich nach abschließender Überprüfung auch als ge- oder verfälscht herausstellten. Die Dokumente wurden hauptsächlich in den Ämtern für Bürgerdienste sichergestellt. Die Polizei führt diese auffälligen Dokumente statistisch unter dem Begriff Urkundenfälschung. Für das Jahr 2017 ergaben sich Gesamtzahlen in Berlin wie folgt: Urkundenfälschung im Jahr 2017 PKS- Schlüssel Delikt Anzahl der Fälle 540000 Urkundenfälschung 5.141 darunter: 540001 Sonstige Urkundenfälschung 4.261 540002 Mittelbare Falschbeurkundung 234 540003 Verändern von amtlichen Ausweisen 50 540004 Urkundenunterdrückung, Veränderung einer Grenzbezeichnung 49 540005 Vorbereitung der Fälschung von amtlichen Ausweisen 3 540006 Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen 125 540007 Fälschung von Gesundheitszeugnissen 6 540008 Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse 3 540010 Missbrauch von Ausweispapieren 219 Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2017 2. Bei wie vielen dieser Feststellungen ging es um Leistungsbezüge? Zu 2.: In den Ämtern für Bürgerdienste geht es den Antragstellern mit auffälligen Personaldokumenten um die Aufnahme in das Einwohnermelderegister. Erst im Anschluss daran werden mit der legitimierten falschen Identität Leistungen beantragt. Aufgrund der Entdeckung der Dokumente konnten Folgestraftaten wie unrechtmäßiger Leistungsbezug nicht begangen werden. Zu den übrigen Fällen siehe Statistik zu 1. 3. In wie vielen Behördenstandorten inklusive der Bezirke werden heute Ausweisprüfgeräte eingesetzt? (mit der Bitte um Angabe der genauen Standorte, bspw. Bürgeramt Steglitz-Zehlendorf, und Anzahl der eingesetzten Prüfgeräte in Relation zu Verwaltungsvorgängen am jeweiligen Standort) Zu 3.: Bisher werden zu Testzwecken sechs Geräte im Bezirk Neukölln eingesetzt: Standort Blaschkoallee: 2, Standort Sonnenallee: 2, Standort Rathaus Neukölln: 2. Die Polizei setzt 10 Dokumentenprüfgeräte zu Testzwecken ein (z.B. in Gefangenensammelstellen). 4. Wie viele aufgedeckte falsche bzw. mutmaßliche falsche Ausweise wurden am Pilotprojektstandort Bürgeramt Neukölln im gleichen Zeitraum festgestellt? Zu 4.: In der Zeit vom 01.09.2017 bis zum 30.08.2018 wurden im Bezirk Neukölln 74 auffällige Dokumente festgestellt und an die Ermittlungsbehörden übergeben. 5. Ist es zutreffend, dass bis heute immer noch nicht alle relevanten Behörden (inkl. der Bürgerämter etc.) mit Ausweisprüfgeräten ausgestattet und diese in Betrieb genommen wurden? Zu 5.: Da die Zustimmungen der Gremien (Hauptpersonalrat, Hauptschwerbehindertenvertretung und der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit) zum Probeechtbetrieb noch ausstehen, konnten noch keine Prüfgeräte außerhalb des Testbetriebs angeschafft werden. Die Finalisierung des letzten Dokuments (Sicherheitskonzept) ist abgeschlossen. Die Prüfung der Unterlagen durch die Gremien beginnt in Kürze. Die Dokumentenprüfung wird bis zur Einführung der Prüfgeräte gemäß der gesetzlichen Verpflichtung durch Inaugenscheinnahme durchgeführt. Dazu wurden und werden Mitarbeitende der Ämter für Bürgerdienste in der vertieften Dokumentenprüfung geschult und mit den notwendigen Hilfsmitteln ausgestattet. 6. Welche weiteren Probleme – an die die einführenden Behörden seit den ersten Einführungsabsichten im Jahr 2012 nicht gedacht haben – stehen einer zeitnahen Inbetriebnahme im Wege? Zu 6.: Die Dokumentenprüfgeräte werden in den Ämtern für Bürgerdienste in eine Infrastruktur des ITDZ eingebunden und erfordern einen Windows10-Rechner für den Betrieb. Dieser lässt sich jedoch nicht ohne Weiteres in die bestehenden heterogenen IT-Landschaften der Bezirke einbinden. Die Migration der Rechner in den bezirklichen Bürgerämtern auf Windows10 musste wegen der Wahlen im nächsten Jahr auf Ende 2019 verschoben werden. Für dieses Problem wird derzeit an einer Zwischenlösung gearbeitet. Ein weiteres Problem ist die Aufstellung der Prüfgeräte in den Ämtern, die eine hohe Anzahl an Geräten wünschen. Aus logistischen Gründen (Platz, Anschlüsse) müssen jeweils vor Ort individuelle Lösungen gefunden werden. 7. In zwei der Pilotbezirke wurden sehr hohe Fehlerquoten bei den Geräten festgestellt. Sind diese fehlerhaften Gerätemeldungen zwischenzeitlich durch den Hersteller behoben worden oder gibt es andere Geräte am Markt, die besser dem Regelbetrieb gerecht werden? Zu 7.: Die Dokumentenprüfgeräte weisen weder in der alten noch in der neuen Version Fehler bei der Prüfung von Dokumenten auf. Die Prüfgeräte zeigen nach dem Prüfvorgang eine Auffälligkeit an dem Dokument an, die im Anschluss überprüft werden muss. Die Geräte zeigen nicht an, ob es sich um ein gefälschtes Dokument handelt. Das kann gerichtsfest am Ende nur die Kriminaltechnik mit Hilfe eines Gutachtens nachweisen. Ein echtes Dokument, das eine Beschädigung aufweist, wird vom Gerät als auffällig erkannt. Ein gesondert geschulter Mitarbeitender muss dann das Dokument durch weitere Schritte prüfen und entscheiden, ob sich der Verdacht auf Fälschung erhärtet. Nur bei einem positiven Entscheid wird die Polizei hinzugezogen und das Dokument der abschließenden Untersuchung zugeführt. Ein Fehler kann bei dem Gerät auftreten, wenn neu ausgestellte oder veränderte Dokumente von Ländern in Umlauf gebracht werden und die Geräte noch nicht mit der entsprechenden Information aktualisiert worden sind. Lt. Testbetrieb in Neukölln kommt das sehr selten vor. Es finden regelmäßige Updates der Prüfgeräte statt. 8. Wie ist im Falle eines Gerätealarms die zeitnahe manuelle Dokumentenüberprüfung sichergestellt? Gibt es ein zentrales Büro, das die Geräteprüfberichte prüft und den Sachbearbeiter im Kundenkontakt begleitet? Wie sind die konkreten Planungen von Mitarbeiterfortbildungen zur manuellen Ausweisüberprüfung an den Bürgeramtsstandorten? (Wie viele Mitarbeiter sind bereits heute je Bezirk ausgebildet? Wie viele sollen bis wann fortgebildet sein?) Zu 8.: In allen Ämtern für Bürgerdienste wurden bis August 2018 rd. 120 Beschäftigte bei der Berliner Polizei in Sachen vertiefte Dokumentenprüfung geschult. Diese Mitarbeitenden gibt es an jedem Standort. An sie werden die vom Prüfgerät als auffällig erkannten Dokumente von den Sachbearbeitenden abgegeben und nur sie prüfen vertieft die Dokumente mit den ihnen zur Verfügung gestellten Möglichkeiten. Sie entscheiden, ob sich der Verdacht auf Fälschung erhärtet und ob die Polizei hinzugezogen werden muss. Für diesen Prozess wird den Bezirken ein Handlungsleitfaden zur Verfügung gestellt. Bis zum Ende des Jahres 2018 werden weitere 40 Beschäftigte geschult sein. Die Schulungen sollen künftig als regelmäßiges Angebot zur Aus- und Fortbildung bei der VAk eingerichtet werden. 9. Wie hoch schätzt das Land Berlin, die seit 2012 entstandenen Schäden durch Falscheinträge in das Melderegister ein? Bitte um Bestcase- und Worstcase-Zahlenangaben. Zu 9.: Die Berechnung des Schadens, den eine Eintragung unter einer falschen Identität nach sich ziehen kann, wird auf eine Summe von 20.000 bis 40.000 Euro pro Fall geschätzt (Schätzzahlen des Landeskriminalamtes). Bei den Schäden kann es sich um die Auszahlung von Transferleistungen und/oder Schäden im Wirtschaftsbereich, die durch Betrug verursacht werden, handeln. 10. Warum dauert die Einführung in Berlin deutlich länger als in diversen anderen deutschen Kommunen? Hat das Projekt keine politische Priorität, bestehen Probleme in den Behördenleitungen oder Erkennen die Mitarbeiter nicht die Sinnhaftigkeit einer zeitnahen Einführung? Zu 10.: Über die Dauer der Einführung von Dokumentenprüfgeräten in anderen Kommunen liegen keine Informationen vor. Aufgrund des Aufwands, den eine flächendeckende Einführung von Dokumentenprüfgeräten in einer Großstadt mit rd. 3,7 Millionen Einwohnern und über 40 Standorten allein bei den Bürgerämtern bedeutet, ist von einer längeren Einführungsdauer in Berlin auszugehen. Die Vielzahl von Beteiligten bei Senatsverwaltungen, Polizei, Bezirken, Gremien und ITDZ bis hin zu externen Dienstleistern bei engen Personalressourcen hat zu vielfältigen Herausforderungen geführt, die im Zuge der Einführung gelöst werden müssen. Bei dem Betrieb der Geräte werden sensible Daten erhoben, deren Verarbeitung korrekt vorgenommen und dem Datenschutz Rechnung tragen muss. 11. Welche Probleme sieht der Hauptpersonalrat? Wurde der Hauptpersonalrat seit 2015 (Innenstaatssekretär Andreas Statzkowski, CDU, beabsichtigt die Einführung) bereits vorab in die Planungen durch SennInnDS eingebunden? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Zu 11.: Der Hauptpersonalrat wurde frühzeitig in die Planung des Vorhabens einbezogen, dies ersetzt jedoch nicht die formale Beteiligung. Die Forderung der Gremien für die gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungen ist die Bereitstellung von finalisierten Konzepten zu Sicherheit, Betrieb, Infrastruktur, Datenschutz und Schulung durch die einführende Behörde. Die Erstellung dieser Konzepte hat aufgrund der Komplexität des Vorhabens entsprechende Zeit in Anspruch genommen und muss allen Sicherheitsüberlegungen gerecht werden. Die Finalisierung der Konzepte ist nunmehr abgeschlossen. Berlin, den 12. September 2018 In Vertretung Sabine Smentek Senatsverwaltung für Inneres und Sport