Drucksache 18 / 16 171 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katalin Gennburg und Harald Gindra (LINKE) vom 30. August 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. August 2018) zum Thema: Gräbt Nestlé der regionalen Ökonomie das Wasser ab? und Antwort vom 14. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Sep. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Frau Abgeordnete Katalin Gennburg (Die Linke) und Herrn Abgeordneten Harald Gindra (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16171 vom 30. August 2018 über Gräbt Nestlé der regionalen Ökonomie das Wasser ab? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft auch Sachverhalte, die der Senat nicht in eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Um Ihnen ungeachtet dessen eine Antwort zukommen zu lassen, wurden die Beteiligungsunternehmen bzw. die Anstalten des öffentlichen Rechts des Landes Berlin um Informationen gebeten, die von diesen in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurden. 1. Grün Berlin hat für die Kioske in den von ihr betriebenen Parks einen Exklusivvertrag mit Nestlé zum Verkauf von Lebensmitteln: a. Wann läuft dieser aus? Zu 1. a.: Die landeseigene Grün Berlin GmbH hat keinen Exklusivvertrag mit Nestlé zum Verkauf von Lebensmitteln. Die Grün Berlin GmbH hat einen Kooperationsvertrag mit der Firma FRONERI Schöller GmbH. Der Vertrag bezieht sich ausschließlich auf Speiseeis und nicht generell auf Lebensmittel. Die Auswahl des Unternehmens erfolgte im Rahmen einer regulären Ausschreibung durch die Grün Berlin GmbH unter Beachtung und Einhaltung der vergaberechtlichen Regelungen und der Vorgaben der zuständigen Senatsverwaltung. Diese berücksichtigten zu diesem Zeitpunkt u.a. finanzielle Belange wie die Notwendigkeit der Kostendeckung. Die Grün Berlin GmbH kauft oder verkauft selbst kein Speiseeis. Der Vertrag zum Erwerb und Verkauf von Speiseeis besteht zwischen FRONERI Schöller und der jeweiligen Pächterin sowie dem jeweiligen Pächter der Verkaufsstellen. Der Kooperationsvertrag zwischen der Grün Berlin GmbH und FRONERI Schöller GmbH endet grundsätzlich am 31.12.2020. Sollte zu diesem Zeitpunkt ein vereinbar- 2 tes Umsatzziel nicht erreicht sein, so verlängert sich der Kooperationsvertrag automatisch bis zum Erreichen des Umsatzzieles. 1. b. Wann wird der Vertrag neu ausgeschrieben? Zu 1. b.: Die öffentliche Ausschreibung erfolgt rechtzeitig vor Ablauf des aktuellen Vertrages. 1. c.. In welcher Weise werden bei der Neuausschreibung die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses zur Fair Trade-Town Berlin und zur Zero-Waste-Strategie berücksichtigt? Zu 1. c: Bei der Neuausschreibung werden die verbindlichen Vorgaben des § 23 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von Berlin zur Anwendung kommen, wonach Dritte, denen das Land Berlin Einrichtungen oder Grundstücke zur Verfügung stellt, auf die Einhaltung abfallvermeidender und rohstoffsparender Anforderungen (z.B. Mehrweggetränkeverpackungen, Mehrweggeschirr) zu verpflichten sind. Darüber hinaus werden nachhaltige Mindestanforderungen an zu verkaufende Produkte vorgegeben werden. 2. Haben weitere stadteigene Unternehmen vergleichbare Verträge (z. B. die Berliner Bäderbetriebe, Museen etc.)? Falls ja: bitte auflisten nach Betrieb, Vertragspartner, Laufzeiten, Beginn des Verfahrens zur Neuausschreibung. Zu 2.: Dem Senat ist nicht bekannt, dass weitere unmittelbare landeseigene Unternehmen vergleichbare Verträge abgeschlossen haben. 3. Welche Planungen gibt es, bei den Ausschreibungen von Betreiber- / Belieferungsverträgen klimaunschädliche , gesundheitsfördernde, regionale, kleinräumliche, biologisch hergestellte, fair gehandelte , in Mehrweg- oder essbaren Verpackungen angebotene Produkte stärker in den Vordergrund zu stellen? Zu 3.: Siehe Antworten zu Frage 1.c. und Frage 14. 4. Wie hat sich der Marktanteil von Nestlé-Produkten in den vergangenen 10 Jahren in Berlin verändert ? Zu 4.: Zahlen über den Marktanteil von Nestlé-Produkten in Berlin sind nicht verfügbar. Der Anteil am deutschen Lebensmittelmarkt wurde von Béatrice Guillaume-Grabisch, Vorstandsvorsitzende der Nestlé Deutschland, laut Presseberichten mit 2,8 % beziffert (April 2018, https://www.focus.de/finanzen/boerse/streit-mit-edeka-belastetnestle -spuert-umsatzverluste-in-deutschland_id_8838639.html) . 3 5. Trägt der Konzern in irgendeiner Weise zum Steueraufkommen in der Hauptstadt bei? Wenn ja, in welcher Weise und Höhe? Zu 5.: Zum Besteuerungsverfahren in Einzelfällen können keine Auskünfte erteilt werden. Alle Informationen, die einen konkreten Steuerfall betreffen, sind durch das Steuergeheimnis i.S.d. § 30 Abgabenordnung geschützt und dürfen daher ohne Zustimmung des Betroffenen grundsätzlich nicht offenbart werden. Vom Steuergeheimnis ist auch erfasst, ob eine bestimmte juristische Person im Zuständigkeitsbereich des Landes Berlin steuerlich geführt wird. 6. Hat der Konzern in der Hauptstadt einen oder mehrere Produktionsstandorte? Zu 6.: Nach unserer Kenntnis existieren keine Produktionsstätten in Berlin. Bei der Nestlé Schöller GmbH & Co. KG, Paradiesstr. 208, 12526 Berlin–Treptow handelt es sich nach unserer Kenntnis lediglich um eine Verkaufsniederlassung für Speiseeis im Kleinhandelsbereich. 7. Trifft es aus Sicht des Senats zu, dass die über Exklusivverträge zwischen der Grün Berlin und dem Konzern gesicherten Absätze zuvörderst dem Konzern und nicht der lokalen Ökonomie dienen? Zu 7.: Der Senat hat ein hohes Interesse an der Förderung der lokalen Ökonomie. Gastronomie - und Imbissangebote steigern die Attraktivität der Parks sowohl für einheimische Besucherinnen und Besucher als auch für Touristinnen und Touristen. Als Nebeneffekte sind damit positive Effekte für die lokale Wirtschaft zu erwarten. Die Verträge mit Nestlé sind das Ergebnis einer Ausschreibung nach geltendem Vergaberecht. 8. Wie viel Prozent des Berliner Stadtgebietes sind über die angesprochenen Exklusivverträge mit dem Konzern in der Produktverwertung exklusiv Nestlé überlassen? Dem Senat liegen hierzu keine Kenntnisse vor. 9. Zahlt der Konzern dafür entsprechend Steuern in Berlin oder der BRD? Siehe Antwort zu Frage 5. 10. Wie hoch wären demgegenüber die Steuereinnahmen durch ein durchschnittliches mittelständisches Unternehmen für die Stadt? Zu 10.: Siehe Antwort zu Frage 5. Eine seriöse Berechnung der mutmaßlichen Ertragssteuerbelastung eines „durchschnittlichen mittelständischen Unternehmens“ im Sinne der Fragestellung ist nicht möglich. 4 11. Welche Gründe sprechen aus Sicht des Senats wirtschaftspolitisch für eine Privilegierung eines internationalen Konzerns, der steuervermeidend arbeitet, auf landeseigenen Flächen und welche sprechen dagegen? Zu 11.: Ausschreibungen erfolgen nach geltendem Vergaberecht. Dabei handelt es sich nicht um eine Privilegierung. 12. Wann wird dieser Zustand beendet? Zu 12.: Siehe Antworten zu den Fragen 1.a. und 11. 13. Gibt es Gründe der Wertschöpfung, die für und Gründe, die gegen die Privilegierung des Konzerns sprechen (bitte einzeln auflisten)? Zu 13.: Siehe Antwort zu Frage 11. 14. Wie ist die Privilegierung des Konzerns mit der Beschlusslage des Abgeordnetenhauses zur Fair Trade-Town Berlin und zur Zero-Waste-Strategie in Einklang zu bringen? Zu 14.: Der Titel „Fair Trade-Town“ für Berlin und die Zero-Waste-Strategie beschreiben die bisherigen und zukünftigen Maßnahmen im Land Berlin. Die Verschiebung der Prioritäten , insbesondere auch der Kriterien der Ausschreibungen und Vergaben, ist ein fortlaufender Prozess. Ziel ist es, dass Akteure, die sich in einem dieser Bereiche oder in beiden Bereichen (besonders) engagieren, eine höhere Berücksichtigung finden sollen. So ist die Verleihung des Titels „Fair Trade-Town“ an Berlin (Übergabefeier am 8.11.18) der Auftakt für weitergehende Aktivitäten für den Fairen Handel in Berlin gemeinsam mit den Bezirken und der Zivilgesellschaft. Geplant ist, ein groß angelegtes Aktionsbündnis zu institutionalisieren, das Bedarfe ermitteln und eine gemeinsame Vision für den Fairen Handel in Berlin abstimmen soll, um dann langfristig Aktivitäten in Berlin durchzuführen. Von Seiten der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe (SenWiEnBe) fördert die Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit (LEZ) seit vielen Jahren Fair Trade-Projekte von Berliner NGO (Nichtregierungsorganisationen). In diesem Rahmen wurden auch zwei großvolumige EuropeAid-Projekte unter Leitung und Mitwirkung der LEZ akquiriert und mit Partnern (EPIZ-Globales Lernen in Berlin und andere Berliner NGO) durchgeführt. Darüber hinaus arbeitet SenWiEnBe an einer Novellierung des Berliner Ausschreibungs - und Vergabegesetz (BerlAVG), die auch die bestehenden Regelungen zur ökosozialen Vergabe, u.a. die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen (ILO: Internationale Arbeitsorganisation) und ökologische Vergaben, optimieren wird. Siehe auch Antwort zu Frage 1.c. 15. Gibt es weitere landeseigene Betriebe, die vergleichbare Exklusivverträge mit Nestlé haben (falls ja, bitte mit Laufzeit benennen)? 5 Zu 15.: Dem Senat sind vergleichbare Verträge nicht bekannt. Berlin, den 14. September 2018 In Vertretung Henner B u n d e ........................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe