Drucksache 18 / 16 205 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Swyter (FDP) vom 03. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. September 2018) zum Thema: Derivate Finanzanlagen - Ein Risiko für den Berliner Landeshaushalt? und Antwort vom 12. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Sep. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1/4 Senatsverwaltung für Finanzen Herrn Abgeordneten Florian Swyter (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 16 205 vom 3. September 2018 über Derivate Finanzanlagen - Ein Risiko für den Berliner Landeshaushalt? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Derivategeschäfte hat das Land aktuell abgeschlossen? Zu 1.: Zum 31. August 2018 bestehen 132 Derivatgeschäfte im Volumen von rd. 7.696 Mio. €. 2. Wie viele Derivategeschäfte wurden in den vergangenen 5 Jahren abgeschlossen? Zu 2.: In den Jahren 2013 bis 2018 wurde ein Derivatgeschäft im Volumen von 10 Mio. € (im Jahr 2014) abgeschlossen. 3. Wie hoch ist der Barwert des aktuellen Derivatebestandes? Zu 3.: Der Barwert ist eine finanzmathematische Kennzahl, der Annahmen über Parameter (Zinsen ) zugrunde liegen und die sich im Zeitablauf fortlaufend ändert. Zum Stand 31. August 2018 lag der rechnerisch ermittelte Barwert des Derivatebestands bei rd. – 1,7 Mrd. €. 4. Wie gestalten sich die Laufzeiten des Derivatebestandes? Wie lang laufen die am längsten laufenden Derivate? 2/4 Zu 4.: Die Fristengliederung des nominalen Vertragsvolumens ergibt sich zum 31. August 2018 wie nachstehend: Restlaufzeiten Nominalvolumen in € bis 1 Jahr 500.000.000 € bis 5 Jahre 206.318.509 € bis 10 Jahre 1.830.000.000 € über 10 Jahre 5.160.126.743 € insgesamt 7.696.445.252 € Die längsten Derivatgeschäfte im Volumen von insgesamt 320 Mio. € laufen bis zum Jahr 2048. 5. Befinden sich Swap Options im Bestand des Landes Berlin? Wenn ja, seit wann, in welchem Volumen und mit welcher Risikobewertung? Zu 5.: Es befinden sich keine separat abgeschlossenen Swap Optionen (Swaptions) im Derivatportfolio des Landes. Im Rahmen des Derivateinsatzes wurden in der Vergangenheit bis zu 30 Jahre laufende Zinssicherungsvereinbarungen (Payerswaps) abgeschlossen, in denen die Zinssätze eines variabel verzinsten Darlehens in einen festen Zinssatz getauscht werden. In diesen Payerswaps wurden den Derivatpartnern seit Ende 2006 ein oder mehrere Kündigungsrechte (eingebettete Swap Optionen) eingeräumt, deren Wert (Prämie) bei Abschluss des Zinsswaps annualisiert und so zur Reduzierung des jeweiligen vom Land zu zahlenden festen Zinssatzes genutzt wurde. Insgesamt wurden in Zinsswaps im Volumen von rd. 6.535 Mio. € Kündigungsrechte eingeräumt . Der Barwert aller Kündigungsrechte, der zum 31. August 2018 aus Sicht des Landes Berlin bei rd. -240 Mio. € lag, wird wesentlich von der Höhe der in den zugrundeliegenden Zinsswaps vereinbarten Festzinssätze bestimmt. Er steht daher im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Wert der zugrundeliegenden Zinsswaps und hat daher bei separatem Ausweis nur eine begrenzte Aussagekraft. Im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld wird die Ausübungswahrscheinlichkeit der Kündigungsrechte in den allermeisten Geschäften als gering eingeschätzt. Der Barwert der Kündigungsrechte würde in diesem Fall bis zum Ausübungszeitpunkt gegen Null tendieren . In diesem Fall hätte das Land Berlin vollumfänglich von den vereinnahmten Prämien profitiert. 6. Wie hoch ist der variabel verzinste Anteil an den Schulden des Landes Berlins? Zu 6.: Der variabel verzinste Anteil am Schuldenportfolio des Landes Berlin lag per 30. Juni 2018 ohne Berücksichtigung von Zinsderivaten bei 17,28%. Durch den Derivateinsatz wurde dieser Anteil auf 6,07% reduziert. 3/4 7. Wie ist die gewichtete durchschnittliche Verzinsung des variabel verzinsten Anteils an den Berliner Schulden? Zu 7.: Die durchschnittliche gewichtete Verzinsung des variabel verzinsten Portfolioanteils lag zum 30. Juni 2018 bei 0,10%. 8. Nach welchen Richtlinien, Verfahrensanweisungen oder Geschäftsordnungen wird der Derivatehandel beim Land Berlin abgewickelt? (Bitte mit der Anfrage veröffentlichen)? Zu 8.: Im Land Berlin erfolgt der Abschluss von Zinsderivaten im Kreditmanagement zur Steuerung von Liquiditäts- und Zinsänderungsrisiken und der Erzielung günstigerer Konditionen nach der Internen Richtlinie für den Einsatz derivativer Finanzinstrumente sowie der Dienstanweisung zur Ausführung des Haushaltsgesetzes zum Einsatz derivativer Finanzinstrumente in der jeweils geltenden Fassung. Die interne Richtlinie und die Dienstanweisung sind nicht zur Veröffentlichung bestimmt. 9. Betreibt der Senat Collateral Management? Falls nein, warum nicht? Existieren dazu Richtlinien? Was sehen entsprechende Richtlinien vor? (Bitte mit der Anfrage veröffentlichen) Zu 9.: Die Senatsverwaltung für Finanzen führt seit Jahresanfang 2016 eine zweiseitige Besicherung durch Barsicherheiten (Collateral Management) für ein Teilportfolio seiner derivativen Finanzinstrumente durch. Derzeit bestehen standardisierte Besicherungsverträge mit fünf Kontrahenten. Sie determinieren die Einzelheiten der Durchführung der zweiseitigen Besicherung. Weitere Besicherungsverträge werden sukzessive geschlossen . Zum 1. Juni 2018 wurde das Collateral Management einem Dienstleister übertragen. Der Senatsverwaltung für Finanzen obliegen seitdem die Kontrolle der Besicherung durch den Dienstleister mittels täglicher Bewertung aller Derivatgeschäfte und die Durchführung des Zahlungsdienstes. Eine die Kontrolle der Besicherung regelnde Richtlinie wird derzeit ausgearbeitet. 10. Sind dem Senat die Empfehlungen für den Einsatz derivativer Finanzinstrumente bei Ländern und Kommunen der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder bekannt ? Wurden die Empfehlungen vollständig umgesetzt? Wenn nicht, warum nicht? Zu 10.: Die Empfehlungen für den Einsatz derivativer Finanzinstrumente bei Ländern und Kommunen der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder sind dem Senat seit 1998 bekannt. Die Umsetzung der Empfehlungen einschließlich der seitdem vorgenommenen Aktualisierungen erfolgte entsprechend den Rahmenbedingungen und der Ausgangslage im Land Berlin. So steht bspw. die Empfehlung, für die sich aus den Derivatgeschäften ergebenden Einnahmen und Ausgaben eigene Haushaltstitel einzurichten der Maßgabe der unterjährig anzupassenden Strategie des Derivateinsatzes entgegen. 4/4 11. In welchem Haushaltstitel werden die Einnahmen und Ausgaben aus dem Derivategeschäft ausgewiesen ? Zu 11.: Einnahmen und Ausgaben aus dem Derivatgeschäft werden im Kapitel 2902: Darlehen und Schuldendienst, Titel 57500: Zinsen für sonstige Kreditmarktmittel ausgewiesen. 12. . Existieren im Bestand des Landes Berlin Derivate, die ohne ein entsprechendes Grundgeschäft abgeschlossen wurden? Wenn ja, wie viele, mit welchem Nominal- und Barwert und aus welchen Jahren jeweils? Zu 12.: Alle Derivatgeschäfte sind mit einem entsprechenden Grunddarlehen unterlegt. 13. Erfolgt für bereits abgelaufene Derivategeschäfte eine Erfolgskontrolle zusammen mit dem dazugehörigen Kreditgeschäft? Wie sieht das kassenmäßige Ergebnis der letzten fünf beendeten Derivategeschäfte aus? Zu 13.: Für jedes einzelne Derivatgeschäft wird der wirtschaftliche Erfolg durch den Vergleich der Zinsausgaben aus Grunddarlehen und Derivat den Zinsausgaben eines zum Abschlusszeitpunkt des Grundgeschäfts alternativen Festsatzdarlehens (Benchmark-Darlehen) pro Haushaltsjahr ermittelt. Durch Zusammenfassung der Ergebnisse der einzelnen Jahre ergibt sich der wirtschaftliche Erfolg über die Gesamtlaufzeit. Für die letzten fünf beendeten Derivatgeschäfte wurde für die Gesamtlaufzeit auf dieser Basis ein aggregierter wirtschaftlicher Erfolg in Höhe von rd. +17,5 Mio. € erzielt. 14. Wird der Senat von einem Dritten, nicht am Derivategeschäft mit dem Land Berlin beteiligten, dazu beraten? Wie sieht die entsprechende Beratung aus? Wie sind etwaige Haftungsfragen geregelt? Zu 14.: Der Senat wird bezüglich des Derivateinsatzes nicht von Dritten, nicht am Derivatgeschäft des Landes Berlin Beteiligten, beraten. Berlin, den 12.09.2018 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen