Drucksache 18 / 16 421 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Cornelia Seibeld (CDU) vom 07. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. September 2018) zum Thema: Flüchtlinge in Ausbildung und Antwort vom 25. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Sep. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Frau Abgeordnete Cornelia Seibeld (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16421 vom 07. September 2018 über Flüchtlinge in Ausbildung ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Die Zahlen, wie viele Flüchtlinge eine Ausbildung in Berlin beginnen, werden jährlich bekannt gegeben. Welche Stelle erfasst diese Zahlen? Zu 1.: Die Datenbasis zur Integration von Geflüchteten in berufliche Bildung ist begrenzt, da das statistische Merkmal „geflüchtet“ von den verschiedenen Akteuren im Bereich der Berufsbildung entweder nicht, nur für Teilbereiche oder nur in Verbindung mit der Bewerbungsphase von Ausbildungsplatzsuchenden erhoben wird. Der Senat selbst erhebt keine statistischen Daten zu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen. Die Ausbildungsstellenmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) beinhaltet die einzigen monatlich von März bis September verfügbaren Informationen über Angebot und Nachfrage am Ausbildungsstellenmarkt. Die Daten liegen in tiefer berufsfachlicher und regionaler Gliederung sowie für weitere Strukturmerkmale vor. Die Inanspruchnahme der Dienste der Berufsberatung und der Ausbildungsvermittlung durch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und Jugendliche ist freiwillig und die darauf basierende Statistik kann somit nur einen Ausschnitt der gesamten Abläufe am Ausbildungsmarkt abbilden. In der Ausbildungsstellenmarktstatistik zählt jede Person als Bewerberin bzw. Bewerber, die sich im Laufe eines Beratungsjahres (jeweils 01. Oktober bis 30. September des Folgejahres) mindestens einmal zur Vermittlung auf 2 eine Berufsausbildungsstelle bei einer Agentur für Arbeit oder einem Träger der Grundsicherung gemeldet hat. Seit Juli 2016 veröffentlicht die BA regelmäßig die Zahlen der Bewerberinnen und Bewerber für Berufsausbildungsstellen im Kontext von Fluchtmigration. "Personen im Kontext von Fluchtmigration" umfassen laut statistischer Definition der BA Ausländerinnen und Ausländer mit einer Aufenthaltsgestattung, einer Aufenthaltserlaubnis Flucht und einer Duldung. Personen, die im Rahmen eines Familiennachzugs (§§ 29 ff. Aufenthaltsgesetz) zu geflüchteten Menschen nach Deutschland migrieren, zählen im statistischen Sinne nicht zu „Personen im Kontext von Fluchtmigration“ sondern zu „Personen mit sonstigen Aufenthaltsstatus“. Wie generell bei allen gemeldeten Bewerberinnen und Bewerbern werden nur jene Geflüchtete als ausbildungsplatzsuchend registriert, die Voraussetzungen für eine Berufsausbildung erfüllen. Des Weiteren differenziert die BA-Statistik nach „versorgten“ und „unversorgten“ Bewerberinnen und Bewerbern. „Unversorgte“ Bewerberinnen und Bewerber sind nach Definition der BA diejenigen, die ihren Vermittlungswunsch aufrechterhalten bzw. über deren Verbleib keine Angaben vorliegen. Bewerberinnen und Bewerber gelten als „versorgt“, wenn sie eine Berufsausbildung oder eine Alternative zu einer Berufsausbildung aufweisen. Beim Verbleib zum Berichtsjahresende kann weiter differenziert werden zwischen denjenigen, die in eine Berufsausbildung einmünden, sich für Schule, Studium oder ein Praktikum entscheiden, einer Erwerbstätigkeit nachgehen, sich für gemeinnützige soziale Dienste entscheiden oder an bestimmten arbeitsmarktpolitischen Fördermaßnahmen (z. B. Einstiegsqualifizierung) teilnehmen. Bei „Personen im Kontext von Fluchtmigration“ ist die Aussagekraft aufgrund einer relativ hohen Quote der unbekannt verbliebenen Bewerberinnen und Bewerber eingeschränkt. Die Berufsbildungsstatistik der statistischen Ämter des Bundes und der Länder ist eine Totalerhebung statistischer Angaben über die duale Berufsausbildung nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. Handwerksordnung (HwO). Die Erhebung erfolgt jährlich; das Berichtsjahr bezieht sich jeweils auf ein Kalenderjahr. Sie erfasst verschiedene Teildatensätze, u. a. zu den Auszubildenden- und Vertragsdaten in staatlich anerkannten Ausbildungsberufen. Die Daten werden nach § 88 BBiG durch die statistischen Ämter des Bundes und der Länder bei den zuständigen Stellen (z. B. Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern) erhoben und an das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) zum Zwecke der Erstellung des Berufsbildungsberichtes und der Durchführung der Berufsbildungsforschung übermittelt. Die Auswertungen der Daten werden auch im Datenreport zum Berufsbildungsbericht (https://www.bibb.de/datenreport/) veröffentlicht. Die Erhebungsmerkmale zu den Auszubildenden sind zahlreich. So werden unter anderem Geschlecht, Alter, schulische und berufliche Vorbildung und Staatsangehörigkeit erhoben, nicht jedoch das Merkmal „Fluchthintergrund“. Der Datensatz „Auszubildende“ des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg enthält Informationen über die Auszubildenden in Berlin und Brandenburg. Unter anderem können auch die Staatsangehörigkeit der Auszubildenden und die unterschiedlichen Ausbildungsjahre abgerufen werden. 3 Die Staatsangehörigkeit ist jedoch kein hinreichender Nachweis für einen bestehenden Fluchthintergrund und kann nur näherungsweise über das Hilfskonstrukt "acht nichteuropäische Asylherkunftsländer" Aussagen liefern. Dieses Konstrukt findet in der Beschäftigungsstatistik der BA ausschließlich Anwendung. Asylherkunftsländer sind die nichteuropäischen Länder, aus denen in den letzten Jahren die meisten Asylgesuche kamen. Dazu zählen folgende Länder: Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien. Zudem erhebt das BIBB gem. Artikel 86 BBiG die Ausbildungsverträge, die im Zeitraum vom 01. Oktober bis zum 30. September neu abgeschlossen wurden. Die zuständigen Stellen melden direkt an das BIBB. Es werden nur wenige Merkmale bei den Auskunftspflichtigen erfragt, nämlich die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge nach Geschlecht (seit 2002), eine eventuelle Verkürzung der Ausbildungsdauer (wenn sie bei Vertragsabschluss bereits feststeht) sowie seit der Erhebung 2005 die Finanzierungsart. Hier werden keinerlei Informationen zur Staatsangehörigkeit oder zu einem etwaigen Fluchthintergrund erfasst. 2. Wenn die Zahlen, wie viele Flüchtlinge pro Jahr eine Ausbildung beginnen, statistisch erfasst werden, wieso kann der Senat nicht angeben, wie viele Flüchtlinge jeweils in ihr nächstes Ausbildungsjahr übergehen? Zu 2.: Wie unter Ziffer 1 ausgeführt, wird in den vorliegenden Statistiken das Merkmal „geflüchtet“ nicht oder nicht in der Form erhoben, die für eine Aussage über den Übergang in das jeweils nächste Ausbildungsjahr benötigt werden würde. 3. Falls der Senat doch Angaben machen kann: Wie viele der Flüchtlinge, die im Jahr 2016 bzw. 2017 eine Ausbildung in Berlin begonnen haben, haben diese unterdessen abgebrochen? Zu 3.: Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) meldet jedes Jahr im BIBB- Datenreport die Zahl der Vertragslösungen. Vertragslösungen sind vor Ablauf der Ausbildungszeit gelöste Ausbildungsverträge. Bei der Betrachtung von Vertragslösungsquoten ist zu beachten, dass es sich nicht in jedem Fall um einen Abbruch der Ausbildung handelt: Häufig sind die Jugendlichen danach nicht arbeitslos, sondern wechseln lediglich den Ausbildungsbetrieb oder den Ausbildungsberuf. Einige gehen auch in die Schule zurück, um bspw. einen höheren Schulabschluss zu erwerben. Für eine „Abbruchquote“ wären Informationen über den Verbleib der Betroffenen notwendig. Da der Verbleib nicht ermittelt wird, ermöglicht die Berufsbildungsstatistik es nicht, eine exakte Abbruchquote zu berechnen. Da die Daten zu Vertragslösungen auf Basis der Daten der statistischen Ämter erfolgen, sind keine Aussagen dazu möglich, bei wie vielen gelösten Ausbildungsverträgen die Auszubildenden einen Fluchthintergrund hatten. Um die Informationsbasis zu verbessern, hat das Land Berlin in der 95. Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) im Jahr 2017 einen Antrag zur Weiterentwicklung der Berufsbildungsstatistik als Mitantragsteller eingebracht, der einstimmig beschlossen wurde. Die Berufsbildungsstatistik soll so weiterentwickelt werden, dass aus den bereits jetzt übermittelten Daten künftig statistische Aussagen über vollständige 4 Ausbildungsverläufe innerhalb des Systems der dualen Berufsausbildung möglich werden, so dass z. B. bei vorzeitig gelösten Ausbildungsverträgen zwischen bloßen Betriebswechseln und/oder Berufswechseln einerseits und Ausbildungsabbrüchen andererseits unterschieden werden kann. Die ASMK hat die Bundesregierung gebeten, die Weiterentwicklung der Berufsbildungsstatistik zu einer Verlaufsstatistik im Wege einer Änderung des Berufsbildungsgesetzes zu ermöglichen. Anstelle der von den Ländern geforderten Umstellung auf eine Verlaufsstatistik hält das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Einführung eines alle Bildungsbereiche umfassenden Bildungsregisters für den geeigneteren Weg, was das Land Berlin und die anderen Länder begrüßen. Offen ist die Frage, in welchem Zeitrahmen die Einführung eines Bildungsregisters durch den Bund vorangetrieben werden soll. 4. Was geschieht mit den Flüchtlingen, die ihre Ausbildung abbrechen? Auf welche Weise werden diese von wem aufgefangen? Zu 4.: Zunächst ist zu unterscheiden, aus welchen Gründen der Abbruch (besser: die vorzeitige Vertragslösung) erfolgt. Sofern der aktuelle Ausbildungsvertrag vorzeitig gelöst wird, um einen Ausbildungsvertrag mit einem anderen Betrieb abzuschließen, eine Berufsfachschule oder eine Schule zu besuchen, um z. B. den Schulabschluss zu verbessern oder eine Erwerbstätigkeit zu beginnen, so besteht nicht zwingend die Notwendigkeit, diese Gruppe der Geflüchteten aufzufangen. Diejenigen Jugendlichen, die den Ausbildungsvertrag vorzeitig lösen ohne einen Anschluss zu haben, verlassen das Ausbildungssystem. Diese melden sich bei der Agentur für Arbeit als arbeits- bzw. ausbildungsplatzsuchend. Das Land Berlin versucht, vorzeitige Vertragslösungen präventiv zu vermeiden. So bietet das Landesprogramm Mentoring Jugendlichen die Möglichkeit, durch eine Mentorin oder einen Mentor Unterstützung während der Ausbildung zu erhalten. Die Jugendlichen sollen so stabilisiert werden, um die Ausbildung erfolgreich abschließen zu können. Das Landesprogramm Mentoring steht allen Auszubildenden offen, bei denen möglicherweise die vorzeitige Vertragslösung droht, wird aber zunehmend stärker auch von Geflüchteten in Anspruch genommen. Darüber hinaus bietet die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales im Rahmen des ARRIVO-Komplexes das Ausbildungscoaching an. Hier werden gemeinsam zwischen Geflüchteten, deren Ausbildungsbetrieben und den Beschäftigten des Ausbildungscoaching Probleme analysiert, die zu einem vorzeitigen Ausbildungsabbruch führen können und Lösungen erarbeitet. Sehr häufig lassen sich Ausbildungsprobleme von Geflüchteten durch eine intensivere Sprachschulung reduzieren. Außerdem bietet auch die Bundesagentur für Arbeit berufsbegleitende Unterstützungsmaßnahmen oder die Assistierte Ausbildung an, um vorzeitige Vertragslösungen zu reduzieren. Unter 25-Jährige Geflüchtete können sich nach Lösung des Ausbildungsvertrages (ggf. erneut) in der Jugendberufsagentur zu ihrer beruflichen Zukunft beraten lassen. 5 Auch die Ausbildungsberaterinnen und Ausbildungsberater der Kammern können hier Orientierung geben. Berlin, den 25. September 2018 In Vertretung Alexander F i s c h e r _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales