Drucksache 18 / 16 468 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Kluckert (FDP) vom 12. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. September 2018) zum Thema: Schutz, Förderung und Unterstützung des Stillens – Wie immer sind wir auf dem letzten Platz. und Antwort vom 28. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Okt. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Florian Kluckert (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16468 vom 12. September 2018 über Schutz, Förderung und Unterstützung des Stillens – Wie immer sind wir auf dem letzten Platz. _______________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Ist dem Senat die Strategie der WHO für Säuglings- und Kleinkindernährung bekannt? Wenn ja, welche Schlüsse zieht der Senat daraus bezüglich der Umsetzung eines Aktionsplans? Zu 1.: Ja, die Strategie der WHO ist dem Senat bekannt. Im Rahmen des Fortbildungsprogramms für Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe werden Veranstaltungen zum Themenbereich „gesundes Aufwachsen ermöglichen“ angeboten. Die Zielsetzungen der WHO sind Teil der Bildungsinhalte. 2. Wie viele als babyfreundliche Klinik zertifizierte Einrichtungen gibt es derzeit in Berlin? Bitte aufgeteilt nach Bezirk mit entsprechender Benennung der Einrichtung und mit der Angabe, seit wann diese Zertifizierung vorliegt. Zu 2.: Nach Angaben der Website www.babyfreundlich.org sind derzeit sieben babyfreundliche Kliniken in Berlin zertifiziert. Bezirk Klinik Zertifizierungszeitpunkt Friedrichshain Vivantes Klinikum im Friedrichshain Geburtsmedizin Dez. 2010 Lichtenberg Sana Klinikum Lichtenberg Frauenklinik, Abt. Geburtshilfe Sept. 2007 Pankow Maria Heimsuchung Caritas-Klinik Pankow Geburtshilfe März 2011 - 2 - 2 Reinickendorf Vivantes Humboldt-Klinikum Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin Sept. 1998 Spandau Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe Geburtshilfe Apr. 2005 Tempelhof St. Joseph- Krankenhaus Klinik für Geburtshilfe Aug. 2007 Kinderklinik Dez. 2007 Wilmersdorf DRK Kliniken Berlin Westend Mai 2015 3. In wie weit haben die unter der Frage 2 aufgeführten zertifizierten Einrichtungen die Qualitätsanforderungen der „Babyfriendly Hospital Initiative“ umgesetzt? Bitte aufgeteilt nach der jeweiligen Einrichtung. Zu 3.: Inhaltliche Grundlage der Zertifizierung der Einrichtungen sind die von der WHO und UNICEF entwickelten Anforderungen. Über den Umsetzungsstand liegen der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung keine Angaben vor. 4. Sind die babyfreundlichen Standards im Qualitätsbericht der Krankenhäuser, die als babyfreundlich zertifiziert sind, enthalten? Wenn ja, wie sind diese aufgeführt und an welcher Stelle im Qualitätsbericht. Bitte aufgeteilt nach der jeweiligen Einrichtung. Zu 4.: In den Qualitätsberichten der Krankenhäuser wird an verschiedenen Stellen die babyfreundliche Zertifizierung erwähnt. 5. Ist dem Senat der Kodex über die Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten bekannt? Wenn ja, wie unterstützt der Senat die Überwachung, Umsetzung, und Ahndung von Verstößen in Berliner Kliniken. Zu 5.: In der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung ist der Kodex der Weltgesundheitsorganisation bekannt. Unter dem Blickwinkel der gesunden Ernährung von Geburt an, werden die dort erhobenen Forderungen als richtig und sinnvoll erachtet. Die ordnungsbehördliche Zuständigkeit für die amtliche Lebensmittelüberwachung obliegt in Berlin den Bezirken. Eine direkte Durchsetzung des Kodex mit rechtlichen Instrumenten ist nicht möglich. Staatliche Überwachung und Ahndung von Verstößen sind einzig dort möglich, wo Anforderungen in die nationale Gesetzgebung oder EU-Recht aufgenommen wurden. Die EU- Verordnung (EU) Nr. 609/2013 vom 12. Juni 2013 über Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und Tagesrationen für gewichtskontrollierende Ernährung enthält auch konkrete Vorgaben zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten. 6. Gibt es in Berlin stillfreundliche Kinderbetreuungen? Wenn ja, bitte unter Nennung der Betreuungseinrichtung , aufgeteilt nach Bezirk. - 3 - 3 Zu 6.: Dem Senat liegen hierzu keine belastbaren Daten vor. Jedoch ist grundsätzlich davon auszugehen werden, dass alle Berliner Kindertageseinrichtungen den Eltern eine ungestörte Stillatmosphäre ermöglichen, soweit dies erforderlich ist. Insbesondere Einrichtungen , in denen kleine Kinder im Stillalter betreut werden, dürften hierauf eingerichtet sein. 7. Wie ist das aktuelle Aus- und Fortbildungsprogramm rund um Stillthemen der Berufsgruppen, die Mütter, Säuglinge und Kleinkinder betreuen unter Berücksichtigung des Internationalen Kodex derzeit in Berlin ausgestaltet ? Bitte aufgeteilt nach jeweiliger Berufsgruppe mit Benennung der jeweiligen Aus- und Fortbildung und Einrichtung, die die Aus- und Fortbildung anbietet. Zu 7.: Jede Frau hat während Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit Anspruch auf Hebammenhilfe. Hebammen bieten während dieser Zeit eine umfassende und ganzheitliche Betreuung an und sind kompetente Ansprechpartnerinnen bis zum Ende der Stillperiode . Rechtsgrundlage ist das SGB V, hier § 24c ff SGB V Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt. Im § 24d SGB V ist der Rechtsanspruch der Versicherten auf ärztliche Betreuung und Hebammenhilfe normiert. Die Ausbildung von Hebammen wird durch das bundesrechtlich geregelte Hebammengesetz und durch die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung sowie durch die Europäische Richtlinie 2013/55/EU über die Anerkennung der Berufsqualifikationen geregelt. Nach geltendem Hebammengesetz sind Hebammen befugt, schwangere Frauen zu beraten und zu betreuen, die normale Geburt eigenverantwortlich zu leiten sowie den Wochenbettverlauf und die Neugeborenenperiode zu überwachen. Dies beinhaltet Vorsorgemaßnahmen und Untersuchungen, das Erkennen von Regelwidrigkeiten bei Mutter und Kind, die Hinzuziehung des Arztes bei pathologischem Verlauf sowie die Durchführung von Notfallmaßnahmen. In der landesrechtlich geregelten Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger werden die wichtigsten Befugnisse und Berufspflichten der Hebammen für ihre Berufsausübung normiert. Examinierte Hebammen sind entsprechend dieser Berufsordnung verpflichtet , an Fortbildungsmaßnahmen im Umfang von 45 Stunden in einem Zeitraum von jeweils drei Jahren teilzunehmen. Als geeignete Fortbildungsmaßnahmen werden Veranstaltungen , Kongresse, Tagungen und Qualitätszirkel anerkannt, die sich auf das ausgeübte Tätigkeitsspektrum der Hebamme beziehen. Für die Wochenbettbetreuung durch Hebammen wird die Stillberatung, -förderung und -anleitung explizit als Fortbildungsthema aufgeführt. Das Thema Stillen spielt in der Hebammenarbeit eine besonders wichtige Rolle. Hebammen sensibilisieren bereits während der Schwangerschaft in Kursen und persönlichen Kontakten im Rahmen der Schwangerenvorsorge für dieses Thema. Dabei werden Schwangere und ihre Angehörige ausführlich angeleitet und so ein guter Start in die Stillzeit unterstützt. In Beratungsgesprächen wird über die vielfältigen Vorteile und positive Aspekte des Stillens hingewiesen. Grundlage für diese Beratungen ist eine fundierte Aus- und Fortbildung. Das Thema Stillen ist sowohl in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Hebammen und Entbindungspfleger als auch in Kolloquien mit einem hohen Stundensatz verankert. - 4 - 4 Der Berliner Hebammenverband e.V. wie auch sein Dachverband (Deutscher Hebammenverband e.V.) bieten regelmäßige Fortbildungsprogramme zum Thema Stillen an. Diese Programme sind seit Jahren etabliert und werden von den Berliner Hebammen sehr gut genutzt. Darüber hinaus arbeiten die Hebammenverbände streng konform nach dem WHO Kodex. Kooperationen und Werbeverträge, sowie Präsentationen auf Industrieausstellungen während Tagungen werden nur Firmen gewährt, die keine Muttermilchersatzprodukte herstellen oder vermarkten. 8. Gibt es in Berlin eine Strategie zur Unterstützung schwangerer und stillender Mütter im außerklinischen Bereich mit kompetenter Beratung bei Stillproblemen? Bitte aufgeteilt nach Angebot und Bezirk. Zu 8.: Auf der Internetplattform „Kids go“ werden aus allen Bezirken Angebote wie Stillgruppen, Stillberatung etc. unterschiedlicher Einrichtungen für stillende Mütter aufgelistet. Die außerklinischen Angebote gibt es in Familienzentren, Hebammenpraxen, Geburtshäusern , Kliniken und in der aufsuchenden Elternhilfe. Weiterhin haben Frauen während der Schwangerschaft und auch danach Anspruch auf Hebammenbetreuung. Dies schließt Stillen mit ein. Diesbezüglich haben Hebammen auch die Möglichkeit sich als Stillberaterin ausbilden zu lassen. Die Berliner Hebammenliste 2018 enthält daher auch ein Adressenverzeichnis zur Stillberatung in schwierigen Situationen. Weitere Informationen können auch bei der Stillbeauftragten des Deutschen Hebammenverbandes erfragt werden: https://www.hebammenverband.de/familie/stillen/beauftragte-fuer-stillen-und-ernaehrung/ . Als Arbeitshilfe für die Hebammenarbeit in Krankenhäusern oder bei der Betreuung von Flüchtlingen ist bei Kommunikationsproblemen auch eine gesponserte Broschüre „Stillen ohne Worte“ über den Deutschen Hebammenverband beziehbar. Im Rahmen der Erhebungen zur geburtshilflich-gynäkologischen Statistik zu den Tätigkeiten der in Berlin freiberuflich tätigen Hebammen werden unter anderem Daten zu den getätigten Vor- und Nachsorgen erhoben. Ein erhobenes Merkmal zur Nachsorge ist die Zahl der Still- und Ernährungsberatungen nach der 8. Woche. Im Jahr 2016 wurden insgesamt 9.529 Still- und Ernährungsberatungen von freiberuflich tätigen Hebammen gemeldet. Leider liegen hier keine Informationen vor, ob es sich um eine reine Still- oder eine reine Ernährungsberatung handelt. Das Familienzentrum Weissensee sowie der Familientreffpunkt „Anna“ bieten jeweils zweimal im Monat eine offene Hebammensprechstunde an. Bei Anträgen in finanziellen Notlagen bei der „Stiftung Hilfe für die Familie“ erhalten Frauen finanzielle Unterstützung für Stillbedarfe. 9. Gibt es in Berlin gemäß der AWMF-Leitlinie zur HIV-Therapie evidenzbasierte Beratung stillender Mütter mit HIV? Wenn ja, wo in Berlin sind diese Anlaufstellen zu finden? - 5 - 5 Zu 9.: Beratungen dieser Art werden in der Ambulanz für Suchterkrankungen und Infektionen in der Schwangerschaft, Klinik für Geburtsmedizin der Charité am Campus Virchow-Klinikum unter der Leitung von Dr. Siedentopf angeboten. 10. Gibt es spezielle Programme beim Thema Stillen für Frauen mit Migrationshintergrund in Berlin? Wenn ja, welche und wie sind diese ausgestaltet? Zu 10.: Spezielle Angebote für Frauen mit Migrationshintergrund sind dem Senat nicht bekannt. Bei den zu Frage 8 genannten Einrichtungen sind aber dem Migrationshintergrund entsprechende Beratungsangebote abrufbar. 11. Ist dem Senat die Broschüre „Katastrophenalarm“ des Bundesamts für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz bekannt, insbesondere der Teil zur Bevorratung von Spezialkost für Säuglinge? Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen enthalten die Notfallpläne zum Schutz und zur Unterstützung des Stillens und zur Vermeidung des gesundheitlichen Risikos bei der Zubereitung und Fütterung von künstlicher Säuglingsnahrung ? Zu 11.: Die Broschüre ist dem Senat bekannt. Sie wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit zur Information der Bevölkerung über die private Notfallvorsorge eingesetzt. Es wird darin unter Federführung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (unter anderem) je nach persönlicher Lebenslage auf die möglicherweise bedenkenswerte private Vorratshaltung von Spezialkost hingewiesen. Das der Ernährungsnotfallvorsorge zugrundeliegende Ernährungssicherstellungs- und - vorsorgesetz (ESVG) enthält keine detaillierten Bestimmungen zu den Inhalten von potenziellen Notfallplänen. Auf der vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung betriebenen Seite www.ernaehrungsvorsorge.de sind Hinweise zu staatlicher Notfallvorsorge verzeichnet. Auch dort gibt es keine Hinweise auf staatliche Bevorratung von in der Fragestellung genannten Produkten im Rahmen der Ernährungsnotfallvorsorge. 12. Liegen dem Senat Zahlen bezüglich der Stillraten in Berlin vor? Wenn ja, wie hoch ist die Rate? Zu 12.: Dem Senat liegen bezüglich der Stillraten in Berlin keine Daten vor. Berlin, den 28. September 2018 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung