Drucksache 18 / 16 520 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tim-Christopher Zeelen (CDU) vom 18. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. September 2018) zum Thema: Nachfragen zu „Medikamentenskandal in Brandenburg hat Auswirkungen auf Berlin: Wie ist die Situation?“ (Drs. 18/15813) und Antwort vom 10. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Okt. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Tim-Christopher Zeelen (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16520 vom 18. September 2018 über Nachfragen zu „Medikamentenskandal in Brandenburg hat Auswirkungen auf Berlin: Wie ist die Situation?“ (Drs. 18/15813) _______________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. In Drs. 18/15813 gibt der Senat an, dass es „keine gesetzlichen Vorgaben zur quantitativen Personalausstattung in Arzneimittelüberwachungsbehörden“ gibt. Weiter sagt er aber, dass „sich diese [Vorgaben] an der Zahl und der Art der zu überwachenden Firmen, Einrichtungen und Personen“ orientiert. Dementsprechend muss es zumindest einen Orientierungswert der für die Arzneimittelüberwachung vorzuhaltenden Personalstellen , gemessen an den vom Senat genannten Kriterien, in Berlin geben. Wie hoch ist dieser Wert aktuell? Zu 1.: Die Arzneimittelüberwachung im LAGeSo umfasst vielfältige Aufgaben, die von Apothekerinnen und Apothekern wahrgenommen werden, die von Verwaltungskräften unterstützt werden. Im Folgenden beziehen sich sämtliche Personalzahlen auf feste Apothekerstellen, denn diese führen eigenverantwortlich und eigenständig die fachlichen Überwachungsmaßnahmen durch. Nach aktuellen Erhebungen aller überwachungspflichtigen Firmen, Einrichtungen und Personen sowie Beschreibung des notwendigen und erwarteten Überwachungsaufwandes besteht insgesamt im Bereich der Überwachung der Herstellung von Arzneimitteln ein Personalbedarf von 25 vorzuhaltenden Stellen für Apothekerinnen und Apotheker sowie im Bereich der Überwachung von Apotheken von 8 Stellen, also insgesamt von 33 Stellen. 2. Wie viele Stellen in der Arzneimittelüberwachung gibt es aktuell, wo ist dies festgeschrieben und wie viele davon waren zuletzt warum unbesetzt? Zu 2.: Aktuell gibt es im Stellenplan Kapitel 1162 insgesamt in der Arzneimittelüberwachung des LAGeSo 18,5 Apothekerstellen. Eine Stelle ist im Herstellerbereich derzeit unbesetzt, da die ausgewählte Person im ersten Stellenbesetzungsverfahren abgesagt hat und deshalb - 2 - 2 ein erneutes Verfahren begonnen werden musste. Dieses ist jetzt abgeschlossen. Die ausgewählte Person wird zeitnah ihren Dienst aufnehmen. 3. Wie hat sich die Anzahl der zu besetzenden Stellen im Vergleich zu den tatsächlich besetzten Stellen für die Arzneimittelüberwachung in Berlin seit 2008 bis heute entwickelt? Bitte jährlich auflisten. Zu 3.: Vom LAGeSo wurden die folgenden Angaben übermittelt: Jahr besetzte Stellen unbesetzte Stellen 2012 11 0 2013 10 1 2014 11 1 2015 13,5 0 2016 11 2,5 2017 13,5 0 2018 17,5 1 4. Der Presse war im Zuge des Medikamentenskandals zu entnehmen, dass von den acht Stellen in der Brandenburger Medikamentenaufsicht zuletzt mindestens vier nicht besetzt waren (vgl. https://www.morgenpost.de/brandenburg/article214933395/Der-Medikamentenskandal-wurde-langevertuscht .html). Welche Rolle spielen nach Ansicht des Senats die fehlenden Stellenbesetzungen bei der Arzneimittelüberwachung im aktuellen Medikamentenskandal? Zu 4.: Um die Arzneimittelüberwachung angemessen gewährleisten zu können, müssen genügend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorhanden sein. Darüber hinaus obliegt es nicht dem Senat, das Handeln der Verwaltung im Land Brandenburg zu beurteilen. 5. Wie viele zusätzliche Stellen für die Arzneimittelüberwachung in Berlin wurden bei den letzten Haushaltsverhandlungen angemeldet und wie viele wurden geschaffen? Zu 5.: Es wurden für den Doppelhaushalt 2018/2019 insgesamt 21,50 Apothekerstellen für die Arzneimittelüberwachung im LAGeSo angemeldet. Davon wurden 5 Stellen mit Beschluss des Haushaltsgesetzes durch das Abgeordnetenhaus abschließend bewilligt und somit neu geschaffen. 6. Hat es im Zuge des Medikamentenskandals einen außerplanmäßigen Stellenaufwuchs in Berlin gegeben bzw. plant der Senat einen solchen und falls ja, warum? 9. Gemessen an der aktuellen Stellenanzahl für die Arzneimittelüberwachung in Berlin: Erachtet der Senat diese als ausreichend? Falls nein, warum hat er nicht schon früher mit einem entsprechenden Stellenaufwuchs reagiert? 10. Der Senat plant einen Stellenaufwuchs von 100 Prozent für die Arzneimittelüberwachung in Berlin. Wie erklärt er diesen massiven Aufwuchs? - 3 - 3 Zu 6., 9. und 10.: Die Zahl der mit dem Doppelhaushalt 2018/19 bewilligten Stellen (s. Antwort zu Frage 5) wurde vom Senat als nicht ausreichend erkannt. Daher erfolgte – bereits deutlich vor dem Lunapharm-Fall - eine Abstimmung der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung mit der Senatsverwaltung für Finanzen, die in die Zusage von zunächst 5 zusätzlichen Apothekerstellen als außerplanmäßige Beschäftigungspositionen mündete. Gleichzeitig wurde zugesagt, dass diese bereits finanziert, mit dem Doppelhaushalt 2010/21 verstetigt und damit auch umgehend unbefristet ausgeschrieben werden können. Infolge der aktuellen Entwicklungen wurde die Zahl dieser Beschäftigungspositionen nach erneuten Abstimmungen von der Senatsverwaltung für Finanzen um weitere 6 Apothekerstellen auf insgesamt 11 erhöht. Die 11 Apothekerstellen werden in die noch zu erstellende Dienstkräfteanmeldung 2020/21 formal aufgenommen. Die darüber hinaus noch benötigten Stellen werden ebenfalls darin einfließen. Eine stufenweise Erhöhung der Fachkräfteanzahl ist angezeigt, da von einer Einarbeitungszeit von mind. 1 bis 2 Jahren durch das vorhandene erfahrene Überwachungspersonal auszugehen ist. In der letzten, 17. Legislaturperiode erfolgte eine Verstärkung um insgesamt 2,5 Apothekerstellen. Ein Vergleich der derzeit vorhandenen 18,5 Apothekerstellen bei der Arzneimittelüberwachung beim LAGeSo (s. Antwort zu Frage 3) mit den neu gewährten weiteren 11 Apothekerstellen (s. o.) ergibt, dass es sich nicht um eine einhundertprozentige Erhöhung, sondern um eine Aufstockung um rund 60 % handelt. Nach einem internationalen Audit wurde im LAGeSo eine detaillierte Statistik zum Personalbedarf erarbeitet. Darauf aufbauend erfolgte die Dienstkräfteanmeldung für den Doppelhaushalt 2018/19 (s.a. Antwort zu Frage 5). 7. Wonach erfolgt die Vergütung der Stellen bei der Arzneimittelüberwachung? Zu 7.: Apothekerinnen und Apotheker werden als Beamte (Fachlaufbahn Pharmazeutischer Dienst) und als Tarifbeschäftigte beschäftigt. Die Besoldung der verbeamteten Dienstkräfte (BesGr. A 13 oder höher) richtet sich nach dem Besoldungsrecht des Landes Berlin (Bundesbesoldungsgesetz in der Überleitungsfassung für Berlin i.V.m. Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin – BerlBVAnpG 2017/2018). Das Entgelt der nach Tarif beschäftigten Apotheker (E 14 oder E 15) richtet sich nach dem Teil II Unterabschnitt 2.1 der Anlage A „Entgeltordnung“ zu § 12 TV-L. 8. Wie hoch ist der Krankenstand bei den Stellen für die Arzneimittelüberwachung in Berlin und wie hat sich dieser seit 2008 bis heute entwickelt? Bitte jährlich auflisten. Zu 8.: Das LAGeSo hat folgende Angaben ab dem Jahr 2012 bereitgestellt: - 4 - 4 Jahr Krankheitstage Apotheker 2012 133 2013 233 2014 140 2015 71 2016 95 2017 170 2018 (bis 09/2018) 259 11. Wie hat sich die Anzahl der zu überwachenden (a) Firmen, (b) Einrichtungen und (c) Personen in Berlin seit 2008 bis heute entwickelt? Bitte jährlich auflisten. Zu 11.: Jahr Firmen und Einrichtungen mit der Herstellung und dem Vertrieb von Arzneimitteln (GMPund GDP*-Einrichtungen) Apothekenbereich öffentliche Apotheken 2008 285 899 2009 288 892 2010 283 889 2011 286 877 2012 275 867 2013 282 862 2014 270 863 2015 285 857 2016 294 835 2017 297 816 2018 (bis 09/2018) 306 800 *GDP = Good Distribution Practice, Gute Vertriebspraxis Zu den o. a. Angaben kommen noch weitere Überwachungstätigkeiten hinzu: • angezeigte klinische Prüfungen im Land Berlin: 840 mit je 1-8 Prüfzentren (bei Annahme von durchschnittlich 3 Prüfzentren je Prüfung ergeben sich 2520 Prüfzentren) • angezeigte Eigenherstellungen von Arzneimitteln durch Ärzte und sonst zur Heilkunde bei Menschen befugte Personen: 1060 • mobile Blutspendetermine des Deutschen Roten Kreuzes: 158 Standorte • Drittlandbetriebe (in Abhängigkeit von Anträgen zum Arzneimittel- oder Wirkstoffimport ): 30 • Erlaubnispflichtige Gewebeeinrichtungen gemäß §§ 20b und 20c Arzneimittelgesetz (AMG): 77 • Krankenhausapotheken: 12 12. In Drs. 18/15813 gibt der Senat an, dass ausgewählte erlaubnispflichtige Einrichtungen in der Regel alle zwei Jahre überprüft werden. Wie viele erlaubnispflichtige Einrichtungen gibt es in Berlin aktuell und in wie vielen davon fand zuletzt warum nicht im Abstand von zwei Jahren eine Überprüfung statt? - 5 - 5 Zu 12.: Gemäß § 64 Abs. 3 und 3a AMG sind Betriebe und Einrichtungen, die einer Erlaubnis nach §§ 13, 20c, 72, 72b (1) oder § 72c AMG bedürfen sowie tierärztliche Hausapotheken unter besonderer Berücksichtigung möglicher Risiken in angemessenen Zeitabständen und in angemessenem Umfang zu überprüfen. Bei erlaubnispflichtigen Einrichtungen im Bereich GMP und der guten fachlichen Praxis (GFP) wurden risikobasiert Inspektionsintervalle von 1 bis 3 Jahren festgelegt. Im Bereich des pharmazeutischen Großhandels (GDP) werden üblicherweise Inspektionsturnusse von 5 Jahren definiert. Vollsortierte pharmazeutische Großhändler werden risikobasiert jedoch alle 3 Jahre inspiziert. Für jedes Jahr werden Inspektionspläne auf Grundlage der festgelegten Inspektionsfrequenzen erstellt. Zu den unterschiedlichen Arten von Inspektionen wird auf die Antwort auf die Schriftliche Anfrage 18/15813 verwiesen. Von den in der Antwort zu Frage 11 für den Herstellerbereich für 2018 aufgeführten GMPund GDP-Einrichtungen unterliegen alle der Regelüberwachung. Eine Einhaltung der Inspektionsintervalle kann mit dem derzeit vorhandenen Fachpersonal nicht immer gewährleistet werden. Diesbezüglich erfolgt quartalsweise ein Abgleich der geplanten und durchgeführten Inspektionen und eine Gesamtauswertung im Folgejahr. 2017 wurden 30 GMP-Inspektionen (Dauer 1 bis 5 Tage, überwiegend mehrtägige Inspektionen mit 3 bis 5 Tagen) im Land Berlin durchgeführt. Zusätzlich führten die Inspektoren 7 mehrtägige (mindestens 1 Woche) Drittlandinspektionen gemäß GMP-Vorgaben durch. Der Anteil an Erstinspektionen neuer Firmen im GMP-Bereich belief sich hierbei auf 14 Inspektionen. Diese Firmen wurden in den Inspektionsplan für 2018 ergänzend aufgenommen . Insgesamt 11 Inspektionen (GDP) wurden bei pharmazeutischen Großhändlern durchgeführt. Im Gewebebereich wurden 3 Inspektionen in Einrichtungen mit Erlaubnis nach §§ 20b oder 20c AMG durchgeführt. Alle Inspektionen erfolgten nach den Vorgaben des bundeseinheitlichen Qualitätssicherungssystems der deutschen Arzneimittelüberwachung üblicherweise im Team, bestehend aus zwei Apothekern (sog. Inspektoren). 2017 wurden wegen nicht ausreichender Fachpersonalausstattung 22 GMP-, 22 GDPund 4 Gewebeinspektionen in das Jahr 2018 verschoben und damit die festgelegte Inspektionsfrequenz nicht eingehalten. Hierbei wurde ein risikobasierter Ansatz verfolgt. Firmenseitig verursachte Verschiebungen basieren z.B. auf geplanten Umbauarbeiten, Aussetzen der Herstellungstätigkeiten oder geplanten Firmenfusionen und -wechseln. 2017 kam es dadurch zu 7 Verschiebungen im GMP-Bereich, 4 im GDP- und 4 im Gewebebereich . Berlin, den 10. Oktober 2018 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung