Drucksache 18 / 16 524 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Vogel (CDU) vom 18. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. September 2018) zum Thema: Wohnungslosenstatistik und Antwort vom 08. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Okt. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Frau Abgeordnete Katrin Vogel (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16524 vom vom 18. September 2018 über Wohnungslosenstatistik ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie ist der aktuelle Stand zu der im Koalitionsvertrag vereinbarten Erstellung einer Wohnungslosenstatistik? Wann kann mit der Veröffentlichung gerechnet werden? Zu 1.: Der Berliner Senat ist weiterhin bestrebt, eine Wohnungslosenstatistik einzuführen und diese in den Kontext einer ebenfalls vorgesehenen Armuts- und Sozialberichterstattung zu setzen. In diesem Zusammenhang unterstützt der Berliner Senat ausdrücklich das Vorhaben, eine bundesweite Wohnungslosen-/ Wohnungslosennotfallstatistik einzuführen. Am 20.06.2018 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dazu ein Bund-Länder-Verbände-Gespräch initiiert, an welchem sich auch das Land Berlin beteiligt hat. Das Land Berlin ist auch weiterhin stark daran interessiert, an der inhaltlichen Erarbeitung dieser einheitlichen Bundesstatistik mitzuwirken. Diese wäre eine bedeutende Grundlage zur Umsetzung des Vorhabens im Land Berlin. Die im Rahmen der 1. Berliner Strategiekonferenz Wohnungslosenhilfe 2018 eingerichtete Arbeitsgruppe zum Thema „Wohnungslosenstatistik“ erarbeitet aktuell Vorschläge zur Umsetzung einer derartigen Statistik im Land Berlin. 2 2. Wie viele Wohnungen gibt es derzeit im geschützten Marktsegment? 3. Wie entwickelte sich diese Anzahl in den letzten zehn Jahren? Zu 2. und 3.: Der Kooperationsvertrag „Geschütztes Marktsegment“ (GMS) ist ein gemeinsamer Beitrag der Wohnungswirtschaft und dem Land Berlin zur Wohnraumversorgung von Bürgerinnen und Bürgern, die von Wohnungslosigkeit bedroht oder bereits wohnungslos sind. Ziel ist es, für diesen Personenkreis eine dauerhafte Sicherung des Wohnraums zu erlangen. Dieser Vertrag regelt die Bedingungen, unter denen im Rahmen des “Geschützten Marktsegments” Wohnungen angeboten, vermittelt und für Marktsegment-Mieterinnen und -Mieter dauerhaft gesichert, sowie Schadensfälle reguliert werden. Die städtischen Wohnungsunternehmen haben sich verpflichtet, jährlich 1.350 Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Durch die zusätzliche Gewinnung privater Wohnungsanbieterinnen und Wohnungsanbieter ergibt sich eine Gesamtkapazität von 1.377 Wohnungen pro Jahr. Die Entwicklung seit 2001 kann der Internetseite des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) wie folgt entnommen werden. Da die Zahlen kumulierbar sind, kann davon ausgegangen werden, dass in den letzten 10 Jahren über 11.000 Haushalte eine Wohnung über das „Geschützte Marktsegment“ anmieten und somit von der Kooperation profitieren konnten. 4. Wie bewertet der Senat diese Zahl und sieht der Senat hier weiteren Handlungsbedarf? Zu 4.: Grundsätzlich hält der Senat es wegen der allgemeinen Wohnungslosenzahlen für notwendig, jährlich mehr Wohnungen für das „Geschützte Marksegment“ zu generieren (Ziel laut Regierungsrichtlinien 2.500). 3 Vor diesem Hintergrund werden aktuell die dafür notwendigen Bedingungen mit allen Akteuren (Bezirke, LAGeSo, Wohnungsbaugesellschaften) in einem Arbeitsprozess zur Weiterentwicklung des GMS erörtert. Dies dient dem Ziel einer Neugestaltung der Kooperation, die auch unter den Bedingungen des aktuellen Wohnungsmarktes einen sukzessiven Aufwuchs der im GMS bereitgestellten Wohnungen ermöglichen soll. Die Überprüfung der Geschäftsprozesse, des Zugangs zum GMS, der Datenlage und deren Verbesserung sowie die Ermittlung von Hindernissen für eine erfolgreiche Wohnungsvermittlung sind ebenfalls Bestandteil des Arbeitsprozesses. Das LAGeSo und die Bezirke haben sich aktuell darauf verständigt, den tatsächlichen Bedarf für das GMS anhand der gestellten Anträge zu ermitteln, letztendlich auch um die derzeitig vereinbarten Kontingente verlässlich bewerten zu können. 5. Wie viele Plätze für die Unterbringung von Wohnungslosen gibt es derzeit in Berlin, wie viele davon ausschließlich für wohnungslose Frauen und Kinder? 6. Wie viele freie Plätze für die Unterbringung von Wohnungslosen gibt es derzeit in Berlin, wie viele davon ausschließlich für Frauen und Kinder? 7. Wie viele Unterbringungsmöglichkeiten für Wohnungslose wurden seit 2016 neu geschaffen, wie viele davon ausschließlich für wohnungslose Frauen und Kinder? Zu 5. bis 7.: Die Bezirksämter sind gemäß Nr. 19 Zuständigkeitskatalog des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG Bln) verantwortlich für die Ordnungsaufgaben bei Obdachlosigkeit soweit keine Zuständigkeit für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Ausländerinnen und Ausländer beim Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) besteht. Die ordnungsrechtliche Aufgabe der Unterbringung in Notunterkünfte dient dem Schutz vor Selbstgefährdung des Lebens bzw. der Gesundheit der wohnungslosen Personen. Ferner ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Belegung eine bezirksübergreifende Aufgabe darstellt. Die Bezirke weisen den wohnungslosen Personen im gesamten Stadtgebiet Einrichtungen oder Unterkünfte nach. Hierzu besteht eine Rahmenvereinbarung zwischen den Berliner Bezirken und der Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) des LAGeSo die zuletzt mit Wirkung zum 01.01.2014 gefasst worden ist. Die Aufgabe ist mit dem Errichtungsgesetz zum 01.08.2016 zum LAF übergegangen. Hierzu wird von der BUL eine Liste der bezirklichen vertragsfreien Unterkünfte auf Grundlage der bezirklichen Meldungen gepflegt. Dort ist aktuell eine Kapazität von rd. 8.200 Plätzen gelistet. Seit 2016 wurden in dieser BUL Liste 26 Unterkünfte mit einer Kapazität von 933 Plätzen zusätzlich aufgenommen, und im gleichen Zeitraum um 11 Unterkünfte mit einer Kapazität 397 Plätzen reduziert. Es kann von einer durchgängig hohen Auslastung ausgegangen werden, so dass die Berliner Bezirke auch Unterkünfte außerhalb dieser Liste nutzen, wie bezirkseigene Unterkünfte oder sonstige Unterkünfte wie Hostels oder Pensionen. Darüber hinaus leben in den vertragsgebundenen Unterkünften des LAF Asylbegehrende, Geflüchtete, deren Asylantrag bereits entscheiden wurde sowie Sonderaufnahmen (z. B. Spätaussiedlerinnen/Spätaussiedler) und in geringem Umfang Familiennachzug zu Geflüchteten. Die aktuelle Kapazität der vertragsgebundenen Unterkünfte des LAF beträgt 27.582 Plätze, davon sind 1.120 belegbare Plätze in Gemeinschaftsunterkünften und 547 Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen verfügbar (Stand 05.10.2018). Ausschließlich für Frauen und Kinder gibt es zwei 4 vertragsgebundene Unterkünfte des LAF mit insgesamt 450 Plätzen, davon 169 verfügbar. Seit 2016 wurden 36 neue vertragsgebundene Unterkünfte des LAF mit insgesamt 12.303 Plätzen in Betrieb genommen, darunter auch die beiden Unterkünfte für Frauen und Kinder. Allerdings wurden im gleichen Zeitraum zuvor genutzte Notunterkünfte mit 25.898 Plätzen geschlossen bzw. in geringem Umfang zu Gemeinschaftsunterkünften (GU) ertüchtigt. 8. Wie bewertet der Senat insgesamt die Situation wohnungsloser Menschen in Berlin und welchen Handlungsbedarf sieht er? Zu 8.: Wohnungslosigkeit in Berlin ist - wie in anderen Ballungsräumen auch - eine aktuelle sozialpolitische Problemlage, die alle handelnden Akteure vor große Herausforderungen stellt. Berlin als Bundeshauptstadt und stark wachsende Stadt kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Die Gründe für Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit sind vielfältig und zum Teil sehr individuell. Am Beginn stehen in der Regel Lebensverhältnisse, die zum Verlust des angestammten Wohnraumes führen. Sowohl die Mietpreisentwicklung als auch der allgemein angespannte Wohnungsmarkt (insbesondere für bezahlbaren Wohnraum) können dafür ursächlich sein. Der starke Zuzug aus den unterschiedlichsten Gründen führt insgesamt zu einer Verknappung auf dem Wohnungsmarkt und zu einer deutlich geringeren Fluktuation innerhalb desselben. Ergänzend stellt der aktuelle Bedarf an Wohnraum zur Versorgung von Geflüchteten eine zusätzliche Herausforderung dar. Berlin reiht sich mit allen Fragestellungen in gesamteuropäische Zusammenhänge ein. Unabhängig von diesen aktuellen Entwicklungen können unterschiedlichste Zielgruppen von Wohnungslosigkeit bedroht oder bereits obdachlos sein. Dies stellt die unterschiedlichen Hilfesysteme vor besondere Herausforderungen. Berlin hält grundsätzlich ein seit Jahren stetig weiter entwickeltes differenziertes Wohnungslosenhilfesystem bereit. Trotz aller Bemühungen dieses System in allen Angebotsstrukturen stetig auszubauen, ist die Ausgangslage der Wohnungslosenhilfe und die Situation der betroffenen Menschen nicht einfacher geworden und es ist eine insgesamt steigende Anzahl Betroffener zu verzeichnen. Dies zeigt, dass es notwendig ist, die vorhandenen Strukturen zu sichern und weiterzuentwickeln, um diese an eine sich verändernde Bedarfslage anzupassen. So zeigt sich exemplarisch bei den Bestrebungen der Schaffung zusätzlicher Kapazitäten für Notunterkünfte, dass ein gemeinsamer Handlungsauftrag notwendig ist, um über Ressort- und Bezirksgrenzen hinweg, unter den Bedingungen eines angespannten Immobilienmarktes, eine Stärkung der Angebotsstrukturen zu erwirken. Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales hat aus den genannten Gründen die Berliner Strategiekonferenzen Wohnungslosenhilfe initiiert, um mit den Akteuren der Wohnungslosenhilfe weitergehende Lösungen zu erarbeiten. Darüber hinaus hat der Senat das Projekt zur gesamtstädtischen Steuerung der Unterbringung (GStU) beschlossen. Im Rahmen des Projektes sollen alle die Belegungssteuerung unterstützenden Prozesse an einer zentralen Stelle zusammengeführt werden, um gesamtstädtisches Handeln gewährleisten zu können. 5 Zur nachhaltigen Entlastung ist aus Sicht des Berliner Senats die Schaffung von preiswertem Wohnraum, insbesondere mit sozialhilferechtlich angemessener Miethöhe, notwendig. Berlin, den 08. Oktober 2018 In Vertretung Alexander F i s c h e r _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales