Drucksache 18 / 16 540 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 21. September 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. September 2018) zum Thema: Welche Rolle spielte der Justizsenator in Bezug auf das nicht eingeleitete Disziplinarverfahren gegen die amtierende Generalstaatsanwältin von Berlin? und Antwort vom 11. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Okt. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16540 vom 21. September 2018 über Welche Rolle spielte der Justizsenator in Bezug auf das nicht eingeleitete Disziplinarverfahren gegen die amtierende Generalstaatsanwältin von Berlin? -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wann hat jeweils die Senatsverwaltung für Inneres und Sport bei der Staatsanwaltschaft Berlin Einsicht in die Akten des gegen die amtierende Generalstaatsanwältin von Berlin geführten Ermittlungsverfahrens in der sog. „Schießstand-Affäre“ mit welchem Ergebnis beantragt? 2. Wer ist bei der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung wann über die unter Ziffer 1. erfragten Akteneinsichtsgesuche informiert worden? 3. Wann sind die Akteneinsichtsgesuche jeweils wie beschieden worden und wer konkret hat Einsicht in welche Akten erhalten? Zu 1. bis 3.: Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport hat bei der Staatsanwaltschaft Berlin bisher keine Akteneinsicht in dem betreffenden Verfahren beantragt. Allerdings hat der Leiter der Internen Revision des Polizeipräsidenten in Berlin mit Schreiben vom 10. Oktober 2016 bei dem in dem staatsanwaltlichen Verfahren zuständigen polizeilichen Sachbearbeiter um Weitergabe der sichergestellten Unterlagen zum Zweck der Durchführung polizeiinterner Untersuchungen ersucht. Hierauf teilte der Sachbearbeiter nach vorheriger Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft durch E-Mail vom 17. Oktober 2016 mit, dass eine Weitergabe der sichergestellten Unterlagen zum gegenwärtigen Zeitpunkt ohne Gefährdung des Ermittlungszwecks nicht möglich sei. Ferner meldete sich am 30. März 2017 fernmündlich ein Mitarbeiter von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport bei der Staatsanwaltschaft. Er erkundigte sich im Hinblick auf bei der Senatsverwaltung eingegangene Anfragen von Abgeordneten des Berliner Abgeordnetenhauses danach, wann Frau Koppers über den Betrieb maroder Schießstände Bescheid wusste, ob den Abgeordneten Einsicht in die dortigen Akten gewährt beziehungsweise Informationen hieraus erteilt werden dürfen oder ob die Staatsanwaltschaft an ihrer bisherigen Auffassung , wonach eine Akteneinsicht zum derzeitigen Zeitpunkt die Ermittlungen gefährden würde, festhalte. Daraufhin wurde ihm mitgeteilt, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine Gefährdung des Ermittlungszwecks durch Einsichtnahme in die Unterlagen nicht auszuschließen sei. Mit Schreiben vom 17. Mai 2017 wandte sich das Justitiariat des Polizeipräsidenten in Berlin formularmäßig erneut an die Staatsanwaltschaft und bat um Aktenüberlassung . Die Anforderung ging bei der Staatsanwaltschaft am 19. Mai 2017 ein und benennt folgenden Anfragegrund: „Für dienstliche Zwecke - Schadensersatz - gemäß § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) - wird um Übersendung der Akte zur Ein- 2 sichtnahme gebeten.“ Hinweise auf einen möglichen disziplinarrechtlichen Hintergrund lassen sich der Anforderung nicht entnehmen. Das Schreiben ist von der Staatsanwaltschaft nicht beantwortet worden. Darüber hinaus wandte sich die Senatsverwaltung für Inneres und Sport mit Schreiben vom 21. Februar 2018 an die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung und bat um Auskünfte aus dem sogenannten „Schießstandverfahren“. Insbesondere wurde darum gebeten mitzuteilen, wann das Verfahren gegen Unbekannt eingeleitet, zu welchem Zeitpunkt es gegen Frau Koppers, Herrn Glietsch und Herrn Kandt geführt worden sei bzw. seit wann eine Anzeige gegen diese Personen vorgelegen habe und ob die drei Personen bereits vernommen worden seien. Das Auskunftsersuchen wurde mit Schreiben vom 12. März 2018 durch die Generalstaatsanwaltschaft an die Staatsanwaltschaft Berlin mit der Bitte weitergeleitet, in eigener Zuständigkeit zu prüfen , ob die erbetenen Auskünfte erteilt werden können. Gleichzeitig wurde darum gebeten , über das Veranlasste zu berichten. Die Staatssekretärin für Justiz hatte am 8. März 2018 und der Leiter des Büros am 9. März 2018 vor Abgang des Schreibens Kenntnis. Mit Bericht vom 20. März 2018 – bei der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung eingegangen am 23. März 2018 – teilte die Staatsanwaltschaft Berlin mit, dass sie der Senatsverwaltung für Inneres und Sport die erbetenen Auskünfte nach eingehender Prüfung der Zulässigkeit mit Schreiben vom 19. März 2018 (per Fax übersandt) erteilt habe. Der Bericht, der Vermerk und das Antwortschreiben lagen der Staatssekretärin für Justiz am 26. März 2018 vor. 4. Wann hat sich jeweils die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport bzw. der nachgeordneten Behörde des Polizeipräsidenten in Berlin darüber informiert, ob gegen die amtierende Generalstaatsanwältin von Berlin ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist? 5. Hat sich - und wenn ja: wann - Senator Dr. Behrendt über das gegen die amtierende Generalstaatsanwältin geführte Ermittlungsverfahren in der sog. Schießstand-Affäre“ informiert bzw. informieren lassen? Zu 4. und 5.: Der damalige Generalstaatsanwalt in Berlin hat mit Schreiben vom 29. Juni 2017 auf ein entsprechendes Auskunftsersuchen der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung über den Stand der Ermittlungen informiert. Auf der Grundlage der Mitteilung des Polizeipräsidenten in Berlin vom 19. Juni 2017, kein Disziplinarverfahren gegen Frau Koppers zu führen, und des Berichts des damaligen Generalstaatsanwalts in Berlin vom 29. Juni 2017 hat der Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung am 7. Juli 2017 entschieden, dem Senat von Berlin die Aufgabenübertragung an Frau Koppers vorzuschlagen. Vor Ernennung von Frau Koppers zur Generalstaatsanwältin ist die Staatsanwaltschaft am 29. August 2018 gebeten worden, über den aktuellen Sachstand in dem Ermittlungsverfahren zu berichten. Ein entsprechender Sachstandsbericht lag hier am 30. August 2018 vor. Ein weiterer Bericht der Staatsanwaltschaft, der gemäß der allgemeinen Verfügung über die Berichtspflichten übermittelt, ging zudem am 31. August 2018 ein. Darüber hinaus ist die jeweilige Hausleitung beginnend ab Januar 2016 regelmäßig gemäß der allgemeinen Verfügung über die Berichtspflichten über das Ermittlungsverfahren informiert worden. Ferner erfolgten Berichte über den Stand des Ermittlungsverfahrens zur Vorbereitung von Sitzungen des Abgeordnetenhauses und seiner Ausschüsse sowie zur Beantwortung Schriftlicher Anfragen. 6. Hat es - und wenn ja: wann und mit welchem Inhalt – mündliche oder schriftliche Absprachen zwischen Senator Geisel und Senator Dr. Behrendt deren oder nachgeordnete Stellen (Staatssekretäre, Büroleiter, 3 Referenten u.a.) zu der Einleitung oder Nichteinleitung eines Disziplinarverfahrens gegen die amtierende Generalstaatsanwältin gegeben? 7. Ist - und wenn ja: seit wann – Senator Dr. Behrendt der Vermerk der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vom 30.05.2017 betreffend die Nichteinleitung eines Disziplinarverfahrens gegen die amtierende Generalstaatsanwältin von Berlin bekannt? Zu 6. und 7.: Es wurden weder Absprachen mit der Senatsverwaltung für Inneres und Sport getroffen, noch ist der Vermerk der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vom 30. Mai 2017 vor der Anzeige eines Abgeordneten des Abgeordnetenhauses gegen den Senator für Inneres und Sport vom 5. September 2018, welche eine Kopie eines Vermerks der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vom 30. Mai 2017 enthielt, dienstlich bekannt geworden. 8. Trifft es zu, dass sich die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, wie im Tagesspiegel vom 10.09.18 berichtet, in einer Antwort gegenüber einem in der sog. „Schießstand- Affäre“ betroffenen Beamten wörtlich wie folgt geäußert hat: „Grundsätzlich führt die Anzeige einer innerdienstlichen Straftat gegen einen Beamten immer zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens.“? Zu 8.: Es trifft zu, dass auf die Eingabe eines Petenten diesem Folgendes mitgeteilt wurde : „Grundsätzlich führt die Anzeige einer innerdienstlichen Straftat gegen einen Beamten immer zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens, soweit das Verfahren nicht unmittelbar eingestellt wird.“ 9. Wird die unter Ziffer 8. genannte Aussage von Senator Dr. Behrendt geteilt? Zu 9.: Nein. Nur wenn sich aus der Anzeige, gegebenenfalls auch im Zusammenhang mit sonstigen Erkenntnissen, der Anfangsverdacht einer Straftat der/des Bediensteten ergibt ist ein Disziplinarverfahren einzuleiten, denn der Dienstvorgesetzte hat gemäß § 17 Absatz 1 Disziplinargesetz (DiszG) nur bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für ein Dienstvergehen die Dienstpflicht, ein Disziplinarverfahren einzuleiten. 10. Wenn ja: Wie und in welchem Umfang fand dies Eingang in die Auswahlentscheidung für die amtierende Generalstaatsanwältin von Berlin? Zu 10.: Es wird auf die Antwort zu Frage 4 und 5 verwiesen. 11. Wie viele Staatsanwälte waren bislang und für welchen Zeitraum für das zunächst gegen unbekannt und das sodann gegen die amtierende Generalstaatsanwältin geführte Ermittlungsverfahren in der sog. „Schießstand-Affäre“ – zuständig? Was war jeweils der Grund für den Zuständigkeitswechsel? 12. Wie lange waren die unter Frage 11. genannten Staatsanwälte bereits als Staatsanwälte tätig, bevor sie für das genannte Verfahren zuständig wurden? Zu 11. und 12.: Zunächst wird auf die Antwort zu den Fragen 17 bis 19 der Schriftlichen Anfrage Nr. 18/16374 verwiesen. Das Verfahren wird seit dem 6. März 2017 durch zwei Dezernentinnen der Flexiblen Ermittlungsgruppe der Hauptabteilung 4 (FEH) unter Leitung des Hauptabteilungsleiters 4 der Staatsanwaltschaft Berlin bearbeitet. Die zunächst zuständige Dezernentin war seit dem 1. April 2014 als Staatsanwältin (zunächst als Richterin auf Probe) tätig. Ihre Nachfolgerin war seit dem 1. Mai 2014 als Staatsanwältin (ebenfalls zunächst als Richterin auf Probe) tätig. Eine der beiden derzeit zuständigen Dezernentinnen ist seit dem 1. Mai 2015 im Justizdienst tätig, zunächst im Land Niedersachsen , die andere ist seit vier Jahren und sechs Monaten Staatsanwältin. Der Leiter der FEH und damit Leiter der Ermittlungen ist seit 32 Jahren Staatsanwalt. 13. Wie ist die Fachaufsicht über diese Ermittlungsverfahren organisiert und sichergestellt? 4 Zu 13.: Grundsätzlich untersteht die Staatsanwaltschaft gemäß § 147 Nr. 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) der Fach- und Dienstaufsicht durch die örtlich zuständige Generalstaatsanwaltschaft . Wegen der personellen Besonderheiten in diesem Ermittlungsverfahren ist die faktische Ausübung der Fachaufsicht in der Generalstaatsanwaltschaft Berlin über dieses Verfahren so geregelt, dass eine Einflussnahme durch Verfahrensbeteiligte ausgeschlossen ist. 14. Trifft es zu, dass, wie in der Abendschau vom 11.09.18 berichtet, der Gutachter, der im Rahmen des Ermittlungsverfahrens in der Sog. „Schießstand-Affäre“ mit der Erstellung eines Gutachtens zur Ermittlung einer Kausalität zwischen den arbeitsschutzwidrigen Zuständen auf den Berliner Schießständen und der Erkrankungen der sog. „Vielschießer“ beauftragt wurde, lediglich akute Vergiftungen feststellen kann, nicht aber Vergiftungen, die in der Vergangenheit liegen oder sich über einen längeren Zeitraum erstrecken? 15. Wenn ja, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen werden daraus gezogen? Zu 14. und 15: Der Staatsanwaltschaft Berlin liegen keine Erkenntnisse vor, dass der Sachverständige nicht über die erforderliche Expertise zur Erledigung des Gutachtenauftrages verfügen würde. Da die umfangreichen Ermittlungen andauern, können zur Vermeidung einer Gefährdung des Untersuchungszwecks keine konkreten Erkenntnisse mitgeteilt werden. Berlin, den 11. Oktober 2018 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung