Drucksache 18 / 16 598 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Förster (FDP) vom 02. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Oktober 2018) zum Thema: Vorwürfe gegen die Gedenkstätte Hohenschönhausen – ermittelt der Senat jetzt selbst? und Antwort vom 17. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Okt. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 3 Senatsverwaltung für Kultur und Europa Herrn Abgeordneten Stefan Förster (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen – Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 16598 vom 02.10.2018 über „Vorwürfe gegen die Gedenkstätte Hohenschönhausen – ermittelt der Senat jetzt selbst?“ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wann genau erfuhr der Senat erstmals von anonymen Vorwürfen ehemaliger Praktikantinnen und Volontärinnen hinsichtlich eines mutmaßlich unangemessenen Umgangstons des stv. Leiters der Gedenkstätte Hohenschönhausen? Zu 1.: Im Oktober 2014 hat sich erstmals eine Volontärin der Frauenvertreterin der Senatsverwaltung für Kultur und Europa (SenKultEuropa) anvertraut. Auf ihren ausdrücklichen Wunsch behandelte die Frauenvertreterin dieses Gespräch vertraulich und hielt sich an die Schweigepflicht. Im Dezember 2015 entband die nunmehr ehemalige Volontärin die Frauenvertreterin von ihrer Schweigepflicht. Daraufhin führte der damalige Staatssekretär und Stiftungsratsvorsitzende Ende Februar 2016 ein Gespräch mit dem Vorstand der Stiftung , informierte ihn, dass seinem Stellvertreter sexuelle Belästigung vorgeworfen werde und wies ihn an, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. 2. Wie prüfte der Senat den Wahrheitsgehalt der Vorwürfe, die bei anonymen Schreiben in der Regel schnell erhoben sind aber schwer bewiesen werden können? Zu 2.: Im Juni 2018 ging beim Senator für Kultur und Europa und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien das Schreiben von sechs Frauen ein, die ihre Vorwürfe zu sexueller Belästigung und strukturellem Sexismus in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen darlegten. Das Schreiben war namentlich unterzeichnet , jedoch mit der Bitte um streng vertrauliche Behandlung versehen, es war nicht anonym. Der Senator führte zunächst ein Gespräch mit den Absenderinnen. Seite 2 von 3 Daraufhin beauftragte SenKultEuropa in Abstimmung mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien eine tatsächliche und rechtliche Untersuchung der Vorwürfe. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die Vorwürfe substantiiert seien. 3. Wann konkret informierte der Senat den Gedenkstättenleiter über die Vorwürfe? Zu 3.: Erstmals wurde der Gedenkstättenleiter Ende Februar 2016 in einem Gespräch vom damaligen Staatssekretär und Stiftungsratsvorsitzenden über konkrete Vorfälle in der Gedenkstätte informiert. Nachdem sich eine weitere Volontärin bei SenKultEuropa gemeldet hatte, wurde der Vorstand im Januar 2018 schriftlich informiert und auf seine Sorgfaltspflichten gemäß Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hingewiesen . Über das Schreiben der sechs Frauen informierte der Stiftungsratsvorsitzende den Gedenkstättenleiter Anfang August 2018. 4. Ist es zutreffend, dass der Leiter danach mit seinem Stellvertreter ein Mitarbeitergespräch führte, wo er ihn aufforderte, diese Verhaltensweisen künftig zu unterlassen und wenn ja, wie begründet sich dann der Vorwurf des Senats, Herr Dr. Knabe hätte nichts unternommen, um den Hinweisen nachzugehen ? Zu 4.: Der Gedenkstättenleiter hat im Anschluss an das Gespräch mit Staatssekretär Renner mit seinem Stellvertreter Anfang März 2016 ein Personalgespräch geführt. Dass dies nicht ausreichend war, belegen die weiter aufgetretenen Fälle. Trotz erneuten schriftlichen Hinweises durch SenKultEuropa im Januar 2018 hat der Vorstand keine Abhilfe geschaffen, sondern die Vorwürfe in Abrede gestellt. Adäquate Schutzmaßnahmen für mögliche betroffene Frauen wurden vom Vorstand zu keinem Zeitpunkt ergriffen. Der Stiftungsrat der Stiftung Gedenkstätte Berlin- Hohenschönhausen hat daher kein Vertrauen, dass der Vorstand den dringend notwendigen innerbetrieblichen Kulturwandel in der Stiftung einleiten wird, geschweige denn einen solchen glaubhaft vertreten kann. 5. Ist es ferner zutreffend, dass im Januar 2018 erneut von Senator Lederer anonyme Vorwürfe an den Leiter der Gedenkstätte weitergegeben worden sind, dieser aber auf mehrfache Nachfragen keine weiteren Informationen dazu von der Kulturverwaltung erhielt und deshalb die Staatsanwaltschaft einschaltete? Zu 5.: Nachdem sich eine weitere namentlich bekannte Volontärin bei SenKultEuropa gemeldet hatte, wurde der Vorstand im Januar 2018 schriftlich informiert und auf seine Sorgfaltspflichten gemäß AGG hingewiesen. Es wurde seitens SenKultEuropa stets die von den Betroffenen geforderte Vertraulichkeit gewahrt, jedoch erhielt der Vorstand ausreichend konkrete Hinweise, um sich mit dem Phänomen des Machtmissbrauchs in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen eigenverantwortlich und systematisch zu befassen. Herr Dr. Knabe kündigte SenKultEuropa im März 2018 an, dass er zu seiner eigenen Absicherung Strafanzeige gegen Unbekannt stellen wolle, am 11.05.2018 teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet wird. Seite 3 von 3 6. Warum achtet der Senat nicht die Unabhängigkeit der Justiz, indem trotz des von der Staatsanwaltschaft mangels strafrechtlicher Relevanz eingestellten Verfahrens diese Vorwürfe zur Entlassung und Beurlaubung des Gedenkstättenleiters genutzt worden sind? Zu 6.: Der Prüfmaßstab ist nicht allein strafrechtlich. Machtmissbrauch und sexuelle Belästigung können arbeitsrechtliche Relevanz haben, obschon in strafrechtlicher Hinsicht keine Strafbarkeit besteht. 7. Ist es zutreffend, dass Senator Lederer persönlich im Büro von Dr. Knabe erschien und die Herausgabe der Personalakte seines Stellvertreters verlangte? Wenn ja, wann und mit welcher Begründung? Zu 7.: Die stellvertretende Stiftungsratsvorsitzende und der Vorsitzende des Stiftungsrats haben Anfang August 2018 den Gedenkstättenleiter im persönlichen Gespräch über das Schreiben an die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Frau Prof. Grütters und Senator Dr. Lederer informiert. Dem Gedenkstättenleiter wurde mitgeteilt, dass die Frauen einzeln ausführlich zu den Vorwürfen befragt worden seien , um die Belastbarkeit der Vorwürfe zu überprüfen und dass nun eine Anhörung seines Stellvertreters notwendig sei. In diesem Rahmen wurde auch die Personalakte erbeten. Der Stiftungsrat ist qua Gesetz Personalstelle für den Vorstand, außerdem für die Kündigung von Verträgen von wissenschaftlichen Angestellten über 50.000 Euro Jahresgehalt zuständig. Berlin, den 17.10.2018 In Vertretung Dr. Torsten Wöhlert Senatsverwaltung für Kultur und Europa