Drucksache 18 / 16 666 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katalin Gennburg (LINKE) vom 04. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Oktober 2018) zum Thema: Spielräume am Checkpoint Charlie und Antwort vom 24. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Okt. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Frau Abgeordnete Katalin Gennburg (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16 666 vom 04. Oktober 2018 über Spielräume am Checkpoint Charlie Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie hoch waren die Einnahmen für das Land Berlin beim Verkauf der beiden Grundstücke westlich und östlich der Friedrichstraße auf dem Areal des Checkpoint Charlie an Privat im Jahre 1992? Frage 2: Welche Lasten liegen auf diesen privaten Grundstücken? Antwort zu 1. und 2.: Im Hinblick auf die Vertraulichkeit von Vermögensgeschäften können zu den Vertragskonditionen keine näheren Angaben gemacht werden. Frage 3: Welches sind die Vorteile für das Land Berlin beim Erwerb beider Grundstücke durch Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber dem Erwerb im Zuge einer Zwangsversteigerung? Antwort zu 3: Voraussetzung für die Ausübung eines Vorkaufsrechts ist das Vorliegen eines beurkundeten Vertrags zwischen dem Grundstückseigentümer und einem Dritten. Nur in diesem Fall könnte das Land Berlin anstelle des Dritten in den abgeschlossenen Vertrag eintreten und das Grundstück zu den dort vereinbarten Konditionen erwerben. Bei einer Zwangsversteigerung könnte sich das Land Berlin mit einem eigenen Gebot an dem Verfahren beteiligen. Da im Vorfeld in beiden Fällen nicht vorhersehbar ist, zu welchem Kaufpreis das Grundstück letztlich erworben werden kann, ist eine Beurteilung des Vorteils des jeweiligen Verfahrens nicht möglich. Das Zwangsversteigerungsverfahren birgt 2 allerdings durch die Beteiligung weiterer potentieller Kaufinteressenten weitere Unwägbarkeiten. Frage 4: Was geschieht in beiden Fällen mit den Rechten? Antwort zu 4: Sofern das Land Berlin Eigentümer der Grundstücke werden sollte, stünde ihm der Umgang mit der zu seinen Gunsten eingetragenen Rechten in beiden Fällen frei. Frage 5: Wie hoch sind diese Rechte und Ansprüche zugunsten des Landes Berlin monetär? Frage 6: Plant der Senat, gegenüber dem Investor Trockland (der neue Interessent, der mittlerweile im Rahmen des Insolvenzverfahrens die Ansprüche an den erstrangigen Grundschulden erworben hat), auf sämtliche Ansprüche und Rechte des Landes Berlin zu verzichten; wenn ja, warum; wenn nein, wie hat sich der Investor gegenüber dem Senat zu dieser Problematik geäußert? Antwort zu 5. und 6: Siehe Antwort zu Frage 1. und 2. Frage 7: Aus welchem Jahr stammt der Bauvorbescheid, bezieht er sich auf beide Grundstücke, von welcher Behörde wurde er ausgestellt, bezieht er sich auf die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB, welche Aussagen und Zusagen beinhaltet er und inwieweit ist die Bauvoranfrage mit dem heutigen vom Investor Trockland vereinbarten Projektstand übereinstimmend? Antwort zu 7: Im Jahr 2012 gab es für das östlich der Friedrichstraße gelegene Grundstück, dem Flurstück 84, einen Antrag auf Bauvorbescheid, der durch das BA Mitte im Jahr 2013 positiven beschieden wurde. Dieser hatte folgenden Inhalt: Museum und Hotelnutzung 6 Vollgeschosse bis zur Traufhöhe (22 m) + 2 Staffelgeschosse (insgesamt 30 m) BGF von 20.700 m² Kerngebietstypische Nutzungen Mögliche Abstandflächenunterschreitungen, deren Auswirkungen zu untersuchen sind Die zulässige Art und das zulässige Maß der baulichen Nutzung des Bauvorbescheides richtet sich nach der Zulässigkeit von Vorhaben gemäß § 34 BauGB. Federführende Verwaltung für Bauvorbescheide im Bezirk Mitte ist das Stadtplanungsamt, Fachbereich Bau- und Wohnungsaufsicht. Im Jahr 2016 wurde ein Antrag auf Verlängerung dieses Bauvorbescheides gestellt, dieser wurde durch das Bezirksamt Mitte zurückgestellt. Anschließend wurde eine Veränderungssperre für das Ostgrundstück durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen erlassen. 3 Der Stand der Planung hat sich seit 2016 wesentlich geändert. Derzeit ist das Museum auf dem Westgrundstück verortet und nicht wie im Bauvorbescheid aus 2013 auf dem Ostgrundstück. Außerdem lassen die Leitlinien, die in dem städtebaulichen Workshopverfahren für die Ost- und Westseite entwickelt worden sind, auf dem Ostgrundstück zugunsten einer Freifläche keine vollständige Blockrandschließung mehr zu. Frage 8: Aus welchen Gründen wird vom Senat ein (Teil)-Flächenerwerb zur Einrichtung eines Museums der Stiftung Berliner Mauer ausgeschlossen und stattdessen ein Mietmodell bevorzugt? Antwort zu 8: Bereits seit Anfang der 90er Jahre ist die Errichtung eines Gedenk- und Erinnerungsortes am Checkpoint Charlie in Kooperation mit einem Privaten vorgesehen. Anfang der 90er Jahre stimmte sich der Senat mit dem Bund darüber ab, die Bernauer Straße zum zentralen Ort des Gedenkens an die Berliner Mauer zu machen. Seitdem wurde das Ziel verfolgt, auf dem Gelände des ehemaligen Grenzübergangs Friedrichstraße/Zimmerstraße ein „American Business Center“ zu errichten. Der damalige Käufer wurde verpflichtet, eine open-air-Mauer-Gedenkstätte zu errichten. Mit dem jetzigen Interessenten wird derzeit eine Vertragsvereinbarung vorbereitet, in der sich der Investor zur Errichtung eines Museums verpflichtet. Gleichzeitig werden Mietkonditionen vereinbart. Frage 9: Wie wurde die Miethöhe von anfänglich 25 €/m² /Monat ermittelt; ist hierbei ein Abschlag von der üblichen Marktmiete erfolgt; wenn ja, wie hoch ist dieser Abschlag? Frage 10: Wie ist der Mietvertrag gestaltet? Frage 11: Wie gestalten sich die Mietkonditionen langfristig über die Vereinbarungen im Letter of Intent hinaus? Antwort zu 9., 10. und 11: Siehe Antwort zu Frage 1. und 2. Frage 12: Ist es unter kuratorischen Gesichtspunkten vorteilhafter, die Ausstellung unter- oder oberirdisch zu platzieren? Antwort zu 12: Die Frage ist generell nicht zu beantworten. Für den Bildungs- und Erinnerungsort am Checkpoint Charlie ist ein auffälliger Eingangsbereich wichtig, der eine gute Sichtbarkeit im öffentlichen Raum gewährleistet. Dass unterirdische Ausstellungsflächen funktionieren, zeigen moderne Museumsbauten wie z.B. in Berlin der Ort der Information des Denkmals für die ermordeten Juden Europas und der Ausstellungsbau des Deutschen Historischen Museums („Pei-Bau“, hier haben auch die oberirdischen Flächen kaum Tageslicht). Ein weiteres modernes Beispiel ist in New York das 9/11-Memorial. 4 Frage 13: Worin besteht zugunsten des Landes Berlin der Vorteil der Vereinbarung im Letter of Intent, dass der Investor 30 % geförderten Wohnraum errichtet, wenn dies ohnehin in jedem aufzustellenden Bebauungsplan eine Vorgabe aus dem Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung ist? Antwort zu 13: Der Investor, welcher nach Baunutzungsverordnung ( § 7 BauNVO) nicht verpflichtet ist, auf den Grundstücken Wohnraum zu errichten, hat durch den Letter of Intent die Absicht erklärt, einen Wohnraumanteil von 30 % auf dem Westgrundstück zu realisieren. Das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung ist nach Auffassung der Wohnungsbauleitstelle bei dem o.g. Bebauungsplanverfahren anzuwenden, da in einem Bebauungsplan Wohnnutzung festgesetzt wird. Da die Nutzung und das Bauvolumen allerdings nach derzeitigem Kenntnisstand auch nach § 34 BauGB genehmigungsfähig wären, schafft der Bebauungsplan kein zusätzliches Baurecht und damit keine Bodenwertsteigerung. Das bestehende Baurecht für Wohnen wird angerechnet. Daher sind keine Kosten für Folgekosten der sozialen Infrastruktur vom Vorhabenträger zu übernehmen. Die Verpflichtung, 30 % mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnraum herzustellen, besteht weiterhin. Beim Abschluss städtebaulicher Verträge ist gemäß § 11 Abs. 2 BauGB jedoch darauf zu achten, dass diese angemessen sind. Der Investor hat sich dazu verpflichtet insgesamt 2.349 m² geförderten Wohnraum zu errichten. Frage 14: Welche Bestrebungen verfolgt der Senat, den Anteil geförderter Wohnungen für einen Mietpreis von 6,50 €/m² in dieser herausragenden innerstädtischen Lage auf 50 % oder 100 % zu erhöhen? Antwort zu 14: Derzeit gibt es solche Bestrebungen nicht. Frage 15: Wie ist der aktuelle Stand der Abstimmung des Projektes, das der Investor Trockland verfolgt, mit den Denkmalschutzbehörden? Antwort zu 15: Das Landesdenkmalamt hat die Denkmaleigenschaft des erweiterten Kreuzungsbereichs Friedrichstraße/ Zimmerstraße untersucht und aufgrund seiner historischen und städtebaulichen Bedeutung im Juni 2018 gem. Denkmalschutzgesetz Berlin (DSchG Bln) als Teilbereich der denkmalgeschützten Gesamtanlage „Berliner Mauer“ in die Denkmalliste Berlin eingetragen. Die denkmalrechtliche Unterschutzstellung muss im Abwägungsprozess bei der Erstellung des Bebauungsplans berücksichtigt werden. Im Rahmen der Prüfung des Bauvorbescheidsantrags durch die Untere Denkmalschutzbehörde erfolgte eine Beurteilung des Hotels nach dem „Schutz der unmittelbaren Umgebung“ von Denkmalen nach den §§ 10 Abs. 1 und 11 Abs. 2 Denkmalschutzgesetz Berlin (DSchG Bln), Objekte Schützenstraße 5 und Schützenstraße 6-6A sowie Zimmerstraße 79-80. 5 Das Landesdenkmalamt Berlin (LDA) hat die Grenzübergangsstelle Friedrichstraße/Checkpoint Charlie im Juni 2018 als Teil des Denkmalbereichs "Berliner Mauer" in die Denkmalliste eingetragen. Es folgte damit dem Auftrag aus der Koalitionsvereinbarung zur Prüfung und Unterschutzstellung weiterer Teile der ehemaligen Berliner Mauer. Zu dem darauffolgenden städtebaulichen Workshop zum Checkpoint Charlie formulierte das LDA einen "Fachbeitrag Denkmalpflege", der Bestandteil der Aufgabenstellung war. Den Workshop hat das LDA beratend begleitet. An der Empfehlung des Obergutachtergremiums war das LDA nicht beteiligt, kann diese aber inhaltlich grundsätzlich mittragen. Frage 16: Warum wird das östliche Grundstück, auf dem ein so genanntes Hardrockhotel entstehen soll, nach wie vor nicht Gegenstand eines wie auch immer gearteten städtebaulich-architektonischen Verfahrens, sondern gilt vom Investor mit dem von ihm ausgewählten Architekturbüro als „gesetzt“? Antwort zu 16: Das Ostgrundstück war ebenso wie das Westgrundstück Bestandteil eines städtebaulichen Workshopverfahrens. Nachdem die Leitlinien des städtebaulichen Workshopverfahrens die städtebauliche Kubatur für die Grundstücke beidseits der Friedrichstraße formuliert haben, ist es geplant, eine architektonische Begleitung des Ostgrundstückes durch das Obergutachtergremium des städtebaulichen Workshopverfahrens durchzuführen. Dadurch soll die Qualität des Hochbaus sowie der Architektur gesichert werden. Der Realisierungswettbewerb wird wie mit dem Investor vereinbart, für das Westgrundstück durchgeführt. Frage 17: Was bedeutet dies für die Abstimmungen mit den Denkmalschutzbehörden? Antwort zu 17: Siehe Antwort 15. Frage 18: Was ist der aktuelle Stand zum städtebaulich-architektonischen Verfahren auf dem westlichen Grundstück? Antwort zu 18: Derzeit wird der architektonische Realisierungswettbewerb auf dem Westgrundstück vorbereitet und zwischen dem Land Berlin sowie dem Investor abgestimmt. Es ist geplant, noch in diesem Jahr mit dem Wettbewerb zu starten. Frage 19: Welche Ausgaben hatte der Investor für das städtebaulich-architektonische und das Partizipationsverfahren bislang, die im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts durch das Land Berlin zu erstatten wären? 6 Antwort zu 19: Der Investor Trockland Management GmbH übernimmt durch vertraglich geregelte Kostenübernahme die Kosten für das Verkehrsgutachten sowie das Planungsbüro, das den Bebauungsplan erarbeitet. Der Partizipationsprozess ist alleinig durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen beauftragt und finanziert. Das durchgeführte städtebauliche Workshopverfahren wurde zu über 60% durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen finanziert. Die restliche Summe wurde durch den Investor finanziert. Der anstehende Realisierungswettbewerb soll durch den Investor ausgelobt und mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen abgestimmt werden. Die Kosten dafür übernimmt der Investor. Frage 20: Wer zahlt das Verkehrsgutachten und wann wird es vorliegen? Antwort zu 20: Die Verkehrsuntersuchung wird derzeit durch das Büro LK Argus überarbeitet und ergänzt. Ziel ist es, weiterführende Untersuchungsbedarfe zu bearbeiten, welche sich in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und der Verkehrslenkung Berlin ergeben haben. Mit der öffentlichen Auslegung nach § 3 (2) BauGB wird auch die Verkehrsuntersuchung veröffentlicht. Die Kosten der Verkehrsuntersuchung werden mittels vertraglicher Kostenübernahme von dem Investor (Trockland Management GmbH) übernommen. Berlin, den 24.10.2018 In Vertretung Sebastian Scheel ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen