Drucksache 18 / 16 667 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katalin Gennburg (LINKE) vom 04. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Oktober 2018) zum Thema: Bodenwertabschöpfung und Antwort vom 23. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Okt. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Frau Abgeordnete Katalin Gennburg (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 16 667 vom 04. Oktober 2018 über Bodenwertabschöpfung Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie haben sich die Kaufpreise, die das Land Berlin bzw. die Bezirke für den Erwerb von Grundstücken zum Ausbau der öffentlichen und sozialen Infrastruktur aufbringen mussten, im Laufe der letzten zehn Jahre verändert? Antwort zu 1: Der Kaufpreis von Grundstücken für den Ausbau der öffentlichen und sozialen Infrastruktur wird im Wesentlichen von der Qualität der Grundstücke (Bauland, Rohbauland oder Bauerwartungsland) vor planungsrechtlicher Ausweisung für die genannten Zwecke sowie durch ihre Lage bestimmt. Veränderungen innerhalb von 10 Jahren spiegeln also keine konjunkturelle Entwicklung, sondern vielmehr eine unterschiedliche Zusammensetzung von Qualitäten und Lagen pro Jahr wieder. Frage 2: Inwieweit trifft es zu, dass die Kommunen laut Bundesrecht Planungsgewinne bis zu zwei Dritteln abschöpfen können, wo doch eine Planungsgewinnabgabe gesetzlich nicht existiert? Antwort zu 2: Eine solche bundesrechtliche Regelung liegt nicht vor. Die gesamte Schriftliche Anfrage betreffend wird klargestellt, dass keine allgemeine Zulässigkeit von „Abschöpfungen“ besteht. Eine städtebaulich begründete Kostenbeteiligung, beispielsweise für die Ausstattung mit sozialer Infrastruktur, stellt keine 2 Gegenleistung für eine planungsbedingte Bodenwertsteigerung dar. Vielmehr trägt eine in einem städtebaulichen Vertrag vereinbarte Leistungsverpflichtung des Vorhabenträgers den planungsrechtlichen Erfordernissen Rechnung. Die Ermittlung der planungsbedingten Bodenwertsteigerung dient ausschließlich einer Überprüfung der Angemessenheit der Verpflichtungen des Vorhabenträgers. Frage 3: Gibt es ein Berliner Pendant zu Artikel 161 der Bayerischen Verfassung: „Abs. 1: Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird von Staats wegen überwacht. Missbräuche sind abzustellen.“ sowie „Abs. 2: Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.“? Wie werden diese verfassungsrechtlichen Normen im Land Berlin garantiert und wie werden deren Inhalte in Berlin umgesetzt? Antwort zu 3: Die seit dem Inkrafttreten der Bayerischen Verfassung im Dezember 1946 enthaltenen Bestimmungen bestehen neben dem später entstandenen Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland fort. Sie sind Teil mehrerer programmatischer Vorschriften, die die als Vollverfassung konzipierte Bayerische Verfassung zur Eigentums- und Wirtschaftsordnung enthält. Sie stellen jedoch keine eigenständige Rechtsgrundlage für die Gesetzgebung des Landes dar, die auch an Artikel 14 Grundgesetz gebunden ist. Da der Bund von den in seinem Kompetenzbereich liegenden Regelungsmöglichkeiten des Artikel 74 Grundgesetz (insbesondere Bodenrecht) weitgehend Gebrauch gemacht hat, ist die Gesetzgebungskompetenz des Freistaates Bayern zur Ausgestaltung des Artikel 161 der Bayerischen Verfassung eingeschränkt. Eine dem Artikel 161 der Bayerischen Verfassung vergleichbare Bestimmung enthält die unter der Geltung des Grundgesetzes entstandene viel jüngere Verfassung von Berlin nicht. Frage 4: Wie ist das Zitat von Hans-Jochen Vogel (u.a. Oberbürgermeister der Stadt München a.D.) in dessen Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung vom 10.11.17 zu verstehen: „1993 wurde in das Baurecht eine Bestimmung eingefügt, die die Gemeinden zum Abschluss städtebaulicher Verträge ermächtigte, mit deren Hilfe eine `sozial gerechte Bodenordnung´ herbeigeführt werden sollte. Sie konnten Investoren jetzt Verträge anbieten, die ihnen eine gewisse Sicherheit bei Genehmigungsverfahren und der notwendigen Infrastrukturmaßnahmen verschaffte. Als Gegenleistung mussten sich die Investoren als Planungsbegünstigte verpflichten, sich mit mindestens einem Drittel, höchstens aber zwei Dritteln ihres Planungsgewinns an den Kosten der Infrastrukturmaßnahmen zu beteiligen.“ Hält der Senat diese Aussage für zutreffend und auf Berlin anwendbar? Antwort zu 4: Ja, diese Aussage ist grundsätzlich auch für Berlin zutreffend. Auch in Berlin werden auf der Basis des § 11 BauGB städtebauliche Verträge mit Vorhabenträgern geschlossen, in denen eine Beteiligung an Infrastrukturmaßnahmen vereinbart wird. Seit 2014 erfolgt der Abschluss städtebaulicher Verträge gemäß dem Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung. Die Beurteilung der gem. § 11 Abs. 2 BauGB erforderlichen Angemessenheit der städtebaulichen Verträge erfolgt in Berlin durch die Gegenüberstellung der Belastung des Vorhabenträgers, die sich aus den vertraglich vereinbarten Leistungspflichten ergibt, mit dem geschätzten planungsbedingten Bodenwertzuwachs. Grundsätzlich sind die im städtebaulichen Vertrag getroffenen Vereinbarungen als angemessen zu betrachten, wenn diese in der Summe den geschätzten planungsbedingten Bodenwertzuwachs nicht überschreiten. 3 Frage 5: Hans-Jochen Vogel schreibt im o.g. Beitrag weiter: „Die Stadt München hat von dieser neuen Möglichkeit inzwischen intensiv Gebrauch gemacht und auf diesem Wege in der Zeit von 1994 bis 2015 einen Teil der Planungsgewinne in Höhe von 628 Millionen Euro abgeschöpft.“ Wie hoch ist die Abschöpfung des Planungsgewinns in Berlin für diesen Zeitraum (alternativ: für die letzten zehn Jahre)? Frage 6: Wie viele Grundstücke sind in den letzten zehn Jahren durch städtebauliche Verträge in das Eigentum des Landes Berlin und der Bezirke übergegangen, um dort den Ausbau der öffentlichen und sozialen Infrastruktur sicherzustellen; erfolgte der Erwerb stets zum Verkehrswert? Frage 7: In wie vielen Fällen haben die Investoren in den letzten zehn Jahren auf der Grundlage städtebaulicher Verträge selbst öffentliche und soziale Infrastruktur bereitgestellt? Frage 8: In welcher Höhe haben sich die Investoren in den letzten zehn Jahren an den Folgekosten für soziale Infrastruktur beteiligt und entspricht dies durchschnittlich einem Drittel oder zwei Dritteln des Planungsgewinns? Antwort zu 5 bis 8: Es liegt keine Zusammenstellung aller durch den Senat und die Berliner Bezirke geschlossenen städtebaulichen Verträge der letzten 10 Jahre vor, anhand derer eine Beantwortung der Fragen möglich wäre. Seit Einführung der Leitlinie des Berliner Modells der kooperativen Baulandentwicklung 2014 bis zum 31.07.2018 wurden 49 städtebauliche Verträge nach Berliner Modell mit rund 20.000 Wohneinheiten, davon ca. 4.000 mietpreis- und belegungsgebundene Wohneinheiten, abgeschlossen. Für den Folgebedarf in der sozialen Infrastruktur wurden bei diesen Verträgen ca. 1.500 Schulplätze und ca. 1.500 Kitaplätze vereinbart. Die Kostenbeteiligung der Vorhabenträger für die Bereitstellung von Grundschulplätzen beträgt ca. 54 Mio. Euro. Berlin, den 23.10.2018 In Vertretung Sebastian Scheel ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen