Drucksache 18 / 16 668 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katalin Gennburg (LINKE) vom 04. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Oktober 2018) zum Thema: Wohnungsbau und soziale Infrastruktur und Antwort vom 25. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Okt. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Frau Abgeordnete Katalin Gennburg (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16668 vom 04.10.2018 über Wohnungsbau und soziale Infrastruktur Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Anzahl von Wohneinheiten wird pro 100 m² Brutto-Grundfläche (BGF) des Wohnanteils in einer Gebietskategorie (z.B. des Wohnanteils in einem Mischgebiet) in der Bauform Geschosswohnungsbau angenommen? Antwort zu 1: Gemäß dem Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung wird bei einer BGF von 100 m² eine Wohneinheit im Geschosswohnungsbau angenommen. Frage 2: Ist es üblich, dass die Bezirke und der Senat mit zwei Einwohner*innen pro errichteter Wohneinheit rechnen? Antwort zu 2: Ja. Frage 3: Wie erfolgt die rechnerische Zugrundelegung von Kindern und Jugendlichen pro errichteter Wohneinheit? Antwort zu 3: Gemäß dem Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung sind von zwei Einwohnerinnen und Einwohner pro errichteter Wohneinheit 7 % der Einwohner und Kitakinder (0- bis unter 7-Jährige) und 6 % Grundschulkinder. 2 Frage 4: Wie werden Senat und Bezirke dem Umstand gerecht, dass in ein Neubaugebiet verstärkt Familien mit Kindern ziehen, weil sie ihr bisheriges Wohnflächendefizit beheben und somit nicht nur mit einem rechnerischen Langzeitbedarf, sondern auch mit kurz- und mittelfristigem Spitzenbedarf zu rechnen ist? Antwort zu 4: Der Senat und die Bezirke werden dem Umstand gerecht, in dem in die Planung von neuen Wohnungsbauvorhaben die Errichtung von verschiedenen Wohnungsgrößen mit einfließt. Frage 5: Ist es üblich, dass die Bezirke bei Neubauprojekten für Kinder im Kindergartenalter eine Betreuungsquote von nur 80 % in Einrichtungen in dem Bezirk zugrunde legen, in dem das Bauprojekt liegt? Antwort zu 5: Bei Neubauprojekten wird derzeit von einem Versorgungsgrad von 75 % und 6 % der Einwohnerinnen und Einwohner (Kitakinder 0- bis unter 6-Jährige) ausgegangen. Mit der Änderung der Leitlinie für den Abschluss städtebaulicher Verträge im Land Berlin des Berliner Modells der kooperativen Baulandentwicklung wurde ab dem 01.11.2018 von einem Versorgungsgrad von 70 % bei 7 % der Einwohnerinnen und Einwohner (Kitakinder 0- bis unter 7-Jährige) ausgegangen. Frage 6: Wenn ja, wie soll der Bedarf angesichts der angespannten Kita-Situation in anderen Bezirken gedeckt werden und wie ist das mit dem Ziel der vorschulischen Bildung, dem sich auch der Senat verpflichtet hat, vereinbar? Antwort zu 6: Das Land Berlin hat in den vergangenen Jahren den bedarfsgerechten Ausbau der Berliner Kindertagesbetreuung intensiviert und wird den intensiven Platzausbau auch weiterhin unterstützen, um auch zukünftig den Rechtsanspruch auf einen Kindertagesbetreuungsplatz in der wachsenden Stadt Berlin und bei steigender Inanspruchnahme von Kindertagesbetreuungsangeboten zu erfüllen. So wurden und werden mit dem Landesprogramm „Auf die Plätze, Kitas, los!“ als auch mit dem Investitionsprogramm zum Kita-Ausbau des Bundes zusätzliche Kita-Plätze bei freien Trägern und den Kita-Eigenbetrieben geschaffen. Hierfür hatte der Senat zum Kitajahrbeginn 2018/2019 die bestehenden Förderobergrenzen des Landesprogramms „Auf die Plätze – Kita – los“ erneut angehoben: Für Um- und Ausbaumaßnahmen auf bis zu 15.000,- Euro pro Platz sowie für Neubau- und Erweiterungsmaßnahmen auf bis zu 25.000,- Euro pro Platz. Darüber hinaus wird dieses Jahr mit dem Bau von Kitas in modularer Bauweise (MOKIB) begonnen. Mit der Fertigstellung des ersten MOKIB wird im 4. Quartal 2019 gerechnet. Dafür stehen bereits Mittel (85 Mio. Euro) aus dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds (SIWANA) zur Verfügung. Der Senat erwartet, dass diese Maßnahmen dazu beitragen, weiterhin ein ausreichendes Betreuungsplatzangebot bereitzustellen. Frage 7: Ist es üblich, dass die Bezirke bei Neubauprojekten für Kinder im Grundschulalter eine so genannte „Strukturquote“ (Anteil der melderechtlich registrierten Kinder, die eine öffentliche Grundschule besuchen) von durchschnittlich nur 90 % zugrunde legen? Antwort zu 7: Ja. 3 Frage 8: Wenn ja, wie lässt sich diese Quote vertreten, wenn im Einzugsbereich eines Bauprojektes keine Privatschule existiert? Antwort zu 8: Allgemein bildende Schulen in privater Trägerschaft verfügen über keine Einschulungsbzw . Einzugsbereiche. Dies gilt ebenfalls für viele öffentliche Schulen im Primarbereich wie Europaschulen, Förderschulen, Internationale Schule und weitere Schulen besonderer Prägung. Darüber hinaus besuchen (ohne Not) täglich mehrere tausend Grundschüler andere Schulen als die, die ihrem Einschulungsbereich zugeordnet sind. Vor diesem Hintergrund wird bei der Planung der Schulen die durchschnittliche Strukturquote verwendet. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass „Bauprojekte“ in der Regel nicht so groß sind, dass sie einen neuen Schulstandort rechtfertigen würden. Die Schulplanung erfolgt daher immer im Zusammenhang mit den vorhandenen städtischen Strukturen bezogen auf das bestehende Schulstandortnetz. Frage 9: Inwieweit hält es der Senat für gerechtfertigt, nicht mit einer 100%igen Versorgungsquote für öffentliche Grundschulen zu rechnen? Antwort zu 9: Der Senat gewährleistet, dass alle schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen, die einen Schulplatz an öffentlichen Schulen nachfragen, auch einen bekommen. Insofern liegt der Versorgungsgrad bzw. die „Versorgungsquote“ immer bei 100%. Die Nachfrage nach Schulplätzen an öffentlichen Schulen liegt deutlich unter 100% der schulpflichtigen Bevölkerung. Schulkapazitäten werden immer bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt. Frage 10: Wie wird bei einem Neubauprojekt der Bedarf an weiterführenden Schulplätzen ermittelt und wie wird dabei zwischen den einzelnen Schulformen (Sekundarschule mit und ohne gymnasiale Oberstufe, Gemeinschaftsschulen, Gymnasien) unterschieden? Antwort zu 10: Die Ermittlung des Bedarfs an Schulplätzen im Bereich der Sekundarstufen I und II werden für Neubauwohnungen auf Basis der Richtwerte zur durchschnittlichen Haushaltgröße und den Annahmen zu den Anteilen der schulpflichtigen Einwohnerinnen und Einwohner ermittelt. Die Verteilung auf die verschiedenen Schularten und –stufen basiert auf den empirisch ermittelten „Anteilsquoten“. Frage 11: Ist der Richtwert für Jugendfreizeiteinrichtungen von 11,4 Plätzen pro 100 Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis unter 25 Jahren allgemein anerkannt und wird er in den Bezirken zugrunde gelegt? Antwort zu 11: Der Richtwert für die Bedarfsfeststellung und Standortplanung von Jugendfreizeiteinrichtungen ist weiterhin das geltende und angewandte Planungsinstrument für die Versorgung junger Menschen mit Jugendfreizeiteinrichtungen einschließlich pädagogisch betreuter Spielplätze. Die Bezirke erheben jährlich zum Stichtag 31.12. die Anzahl der angebotenen Plätze und berichten diese der für Jugend und Familie zuständigen Senatsverwaltung, die die Zusammenfassung und Auswertung der Angaben vornimmt. Zum 31.12.2017 betrug der Versorgungsgrad mit Plätzen in 4 Jugendfreizeiteinrichtungen berlinweit einschließlich überbezirklicher Einrichtungen 7,37 Prozent. Frage 12: Wie viele Quadratmeter öffentliche Spielplätze sind je Neubauwohnung bzw. je m² Neubauwohnfläche zu errichten? Antwort zu 12: Beim Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung wird von einem Richtwert von 1 m² je Einwohnerin und Einwohner an Flächenbedarf für öffentliche Spielplätze ausgegangen. Frage 13: Wie viele Kinderärzte dürfen sich pro 1000 Kindern und Jugendlichen niederlassen und wie werden die Zulassungen an aktuelle Neubauvorhaben zeitnah angepasst? Antwort zu 13: Gemäß § 12 Absatz 1 der bundesweit verbindlichen Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (BPL-RL) gehören Kinderärzte zur allgemeinen fachärztlichen Versorgung. Planungsbereich für die allgemeine fachärztliche Versorgung ist nach § 12 Absatz 3 BPL-RL die kreisfreie Stadt, der Landkreis oder die Kreisregion, im Falle Berlins demzufolge das gesamte Stadtgebiet Berlins. Für die Feststellung der Allgemeinen Verhältniszahlen und des Versorgunggrades werden die Planungsbereiche der allgemeinen fachärztlichen Versorgung fünf raumordnungsspezifischen Planungskategorien auf Basis der Konzepts der Großstadtregionen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zugeordnet. Dabei ist nach den Vorgaben der BPL-RL die Stadt Berlin dem Typ 1 zuzuordnen. § 12 Absatz 4 BPL-RL bestimmt die Verhältniszahlen (Versorgungsauftrag je Anzahl der Einwohnerin und Einwohner) für die Kinderärztinnen und Kinderärzte wie folgt: Typ 1 Typ 2 Typ 3 Typ 4 Typ 5 Kinderärzte/- innen 2.405 3.587 4.372 3.990 3.859 In der Arztgruppe der Kinderärztinnen und Kinderärzte bezieht sich die Verhältniszahl nur auf die Bevölkerung im Alter bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. Die Verhältniszahlen werden herangezogen zur Berechnung des Versorgungsgrads eines Planungsbereichs durch die Landesausschüsse der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen nach § 90 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Der Versorgungsgrad berechnet sich aus Anzahl der ärztlichen Versorgungsaufträge dividiert durch die Bevölkerung des Planungsbereichs, welche zuvor durch die Allgemeine Verhältniszahl geteilt wurde. Bei 10.000 Kindern in einem Planungsbereich des Typs 1 mit der Allgemeinen Verhältniszahl 2.405 ergibt sich bei vier vollen kinderärztlichen Versorgungsaufträgen im Umfang von mindestens 20 Stunden die Woche somit ein Versorgungsgrad von 96,2%, bei sechs vollen Versorgungsaufträgen ein Versorgungsgrad von 144,3%. 5 Die Landesausschüsse nach § 90 SGB V überprüfen die Versorgungsgrade auf jährlicher Basis. Wird ein Versorgungsgrad von unter 50% ermittelt, so haben die Zulassungsausschüsse gemäß § 29 BPL-RL eine Unterversorgung festzustellen. Gemäß § 24 BPL-RL ist bei einem Versorgungsgrad von über 110% eine Überversorgung festzustellen. Nach § 103 Absatz 1 Satz 2 SGB V hat der Landesauschuss in diesem Falle Zulassungsbeschränkungen auszusprechen, so dass der Planungsbereich für weitere Niederlassungen von Ärztinnen oder Ärzten der entsprechenden Fachgruppe gesperrt ist. Dies ist in Berlin als einheitlichem Planungsbereich seit Jahren für alle Arztgruppen der Fall. Demzufolge ist die Zulassung neuer Arztsitze nicht rechnerisch an eine bestimmte Anzahl von Personen gebunden. Auch lösen aktuelle Neubauvorhaben keinesfalls automatisch eine neue Zulassung von Arztsitzen aus. Vielmehr ist durch die Landesausschüsse nach § 90 SGB V jährlich zu prüfen, ob sich aufgrund demografischer Veränderungen innerhalb eines Planungsbereichs die Versorgungsgrade dahingehend verändern, dass weitere Zulassungsmöglichkeiten oder Zulassungsbeschränkungen entstehen. Frage 14: Treffen Medienberichte zu, wonach es in der gesamten Region Wasserstadt Oberhavel/Haselhorst keinen einzigen Kinderarzt gibt, obwohl dort über 2500 Wohnungen zusätzlich errichtet werden sollen; wenn ja, wann wird dieser Missstand behoben sein? Antwort zu 14: Dem Senat liegen Informationen zur Verortung von Kinderarztsitzen nur auf Bezirksebene, nicht jedoch unterhalb dieser Ebene vor. Demnach gab es am 01.07.2017 im Bezirk Spandau insgesamt 19 kinderärztliche Versorgungsaufträge, was einem Versorgungsgrad von 106,3% entsprach. Durch die Vergabe einer Sonderbedarfszulassung im Rahmen der Honorarverhandlungen 2017/18 zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassenverbänden für den Bezirk Spandau dürfte der Versorgungsgrad auf ca. 112% steigen. Ob die beabsichtigte Errichtung von 2.500 Neubauwohnungen zu einer weiteren Sonderbedarfszulassung für einen oder mehr Kinderarztsitze im Bezirk Spandau führen wird, kann zurzeit nicht abgeschätzt werden. Frage 15: Auf welchen bundeseinheitlichen Empfehlungen beruhen alle oben erwähnten Richtwerte und wann sind sie zuletzt überprüft worden? Antwort zu 15: a) Der Richtwert für die Bemessung des Bedarfs an öffentlicher Spielplatzfläche je Versorgungsbereich von 1,0 m² nutzbarer Fläche je Einwohnerin und Einwohner entstammt § 4 Gesetz über öffentliche Kinderspielplätze (Kinderspielplatzgesetz) vom 15. Januar 1979. Eine explizite Überprüfung des Richtwertes gibt es nicht. In der täglichen Anwendung für die Bemessung des Bedarfs an öffentlicher Spielplatzfläche je Versorgungsbereich hat sich der Richtwert bislang bewährt. b) Die Bedarfsplanung beruht auf der Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Bei dieser handelt es sich nicht um eine Empfehlung, sondern um eine Richtlinie nach § 92 SGB V. Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses weisen den Charakter einer untergesetzlichen Norm auf und sind für alle gesetzlich Krankenversicherten und die Akteurinnen und Akteure innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung rechtlich bindend. Die Bedarfsplanungsrichtlinie wurde 6 zuletzt am 15. Februar 2018 geändert. Derzeit wird ein Gutachten zur Anpassung der BPL-RL diskutiert. Das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung sichert für die Gesamtstadt ein einheitliches Verwaltungshandeln bei der Verhandlung von städtebaulichen Verträgen. Auf der Grundlage der Gleichbehandlung im Land Berlin gilt es, Richtwerte einheitlich für das gesamte Stadtgebiet zu formulieren. Ferner müssen die Aspekte der Angemessenheit und Rechtssicherheit erfüllt sein. Vor diesem Hintergrund werden die berlinweiten Planungsrichtwerte für den Betreuungsbedarf in den Berliner Kindertageseinrichtungen und den Bedarfen an Grundschulkapazitäten zur Ermittlung der aus Wohnungsneubau resultierenden Platzbedarfe mit den Bezirken und der für das Berliner Modell verantwortlichen Wohnungsbauleitstelle (WBL) bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen abgestimmt und vereinbart. Entsprechend ist es erforderlich die Planungsrichtwerte regelmäßig zu evaluieren und fortzuschreiben, um angestrebte bzw. in Kraft getretene rechtliche Änderungen sowie Berliner Entwicklungen zu berücksichtigen. Ab dem 1. November diesen Jahres sind die fortgeschriebenen Kennwerte der Leitlinie des Berliner Modells anzuwenden. Der WBL obliegt die Festlegung des Turnus der nächsten Fortschreibung. Frage 16: Welche Abweichungen nehmen das Land Berlin bzw. die Bezirke von den Bundesrichtwerten vor, um der Situation vor Ort gerechter zu werden? Antwort zu 16: a) Einen bundeseinheitlichen Richtwert für die Bemessung des Bedarfs an öffentlicher Spielplatzfläche gibt es nicht. b) Der Senat teilt die Bedenken vieler Berlinerinnen und Berliner, ob angesichts der Ausweitung der medizinischen Aufgaben gerade im pädiatrischen Bereich eine angemessene Versorgung in Berlin derzeit noch flächendeckend vorhanden ist. Hinsichtlich der lokalen Versorgungslagen mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten verschiedener Fachrichtungen sind die Handlungsmöglichkeiten des Senats jedoch leider eingeschränkt, da die gesetzlichen Grundlagen der ambulanten Bedarfsplanung auf der Bundesebene lokalisiert sind, namentlich in den §§ 99 ff SGB V und der hierauf beruhenden Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Die bundesweit gültige Bedarfsplanungsrichtlinie legt Berlin als einen einheitlichen Planungsbereich fest und berücksichtigt bisher nicht die bezirkliche Ebene bzw. kleinere Verwaltungseinheiten. Dies hat zur Folge, dass in Berlin zum Teil bereits auf Bezirksebene deutliche Unterschiede hinsichtlich der Versorgungsgrade bei verschiedenen Arztgruppen bestehen, während auf der Landesebene als einheitlicher Planungsbereich insgesamt eine Überversorgung gemäß den gesetzlichen Vorgaben festzustellen ist. Um die räumliche Verteilung von Arztpraxen innerhalb Berlins zu optimieren, wurde 2012 das Gemeinsame Landesgremium nach § 90a SGB V eingerichtet. Das Gemeinsame Landesgremium kann u.a. Stellungnahmen und Empfehlungen zu den Bedarfsplänen und Fragen der sektorenübergreifenden Versorgung abgeben; diese haben jedoch keine rechtlich bindende Wirkung, sondern sind vom Landesausschuss nach § 90 SGB V lediglich zu berücksichtigen (siehe § 2 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes zur Errichtung eines gemeinsamen Landesgremiums nach § 90a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vom 29. November 2012 (GVBl. S. 402). 7 Mit dem sogenannten „Letter of Intent“ (LOI) v. 09.10.2013 wurde vom gemeinsamen Landesgremium Berlin ein Konzept zur Versorgungssteuerung auf Ebene der 12 Berliner Bezirke beschlossen. Dadurch sollen Praxissitze aus Bezirken mit überdurchschnittlichem Versorgungsgrad schrittweise nach Freiwerden in Bezirke mit unterdurchschnittlichem Versorgungsgrad verlegt werden. Im Ergebnis wird die Versorgungsstruktur in der Stadt insgesamt ausgewogener und das Prinzip der wohnortnahen Versorgung wird für alle Arztgruppen der patientengebundenen Versorgung konsequent umgesetzt. Die Absichtserklärung zur Versorgungssteuerung wurde im Bericht zum LOI 2016 auf Nachbesetzungsverfahren erweitert und mit Zielrichtung auf die drei Bezirke mit dem jeweils geringsten Versorgungsgrad konkretisiert. Das Verfahren wird derzeit in einer Arbeitsgruppe des Landesgremiums fortentwickelt, um die Wirkung des LOI auch zukünftig auszuweiten. Perspektivisch eröffnen sich zudem aufgrund aktueller Entwicklungen auf der Bundesebene möglicherweise weitere Optionen im Bereich der Bedarfsplanung. So hat das Bundeskabinett am 26. September 2018 den Entwurf eines „Terminservice- und Versorgungsgesetzes“ beschlossen. Dieser sieht für die obersten Landesbehörden das Recht vor, „strukturschwache Teilgebiete eines Planungsbereichs (zu) bestimmen, die auf ihren Antrag von den Zulassungsbeschränkungen auszunehmen sind. Der Landesausschuss legt in den von den Zulassungsbeschränkungen ausgenommenen Teilgebieten arztgruppenbezogen die Anzahl der zusätzlichen Zulassungsmöglichkeiten fest“. Des Weiteren ist geplant, bestehende Zulassungsbeschränkungen befristet bis zur Umsetzung des gesetzlichen Auftrags an den Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 101 Absatz 1 Satz 7 SGB V bei der Zulassung von Fachärzten für innere Medizin und Rheumatologie, von Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie, die sich gegenüber dem Zulassungsausschuss verpflichten, mindestens 80 Prozent ihrer abrechnungsfähigen Leistungen aus dem Bereich der psychiatrischen Leistungen zu erbringen, sowie Fachärzten, die der Arztgruppe der Kinderärzte angehören, aufzuheben, soweit diese Ärztinnen und Ärzte in den fünf Jahren vor Beantragung der Zulassung nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilgenommen haben. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung wird sich im weiteren politischen Willensbildungsprozess entschlossen für Einflussmöglichkeiten seitens der Länder und eine stärke Flexibilisierung der Bedarfsplanung mit dem Ziel der Berücksichtigung regionaler Versorgungsstrukturen einsetzen. Frage 17: Welche neuen Erkenntnisse (stärker gestiegene Anzahl von Kindern pro Familienaushalt, höhere Belegungsdichte der Wohnungen auf einem angespannten Wohnungsmarkt) fließen in die Berechnung der Richtwerte ein? Antwort zu 17: a) Der Richtwert für die Bemessung des Bedarfs an öffentlicher Spielplatzfläche je Versorgungsbereich von 1,0 m² nutzbarer Fläche je Einwohner hat sich bewährt und soll daher nicht verändert werden. Im Falle einer steigenden Einwohnerzahl erhöht sich durch die Zugrundelegung der Anzahl der Einwohner auch der errechnete Bedarf an öffentlicher Spielplatzfläche je Versorgungsbereich. b) Im Bereich der ambulanten Versorgung entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss im Wege der Bedarfsplanungsrichtlinie nach § 101 Absatz 1 Satz 1 SGB V unter anderem über die allgemeinen Verhältniszahlen für den allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad in der vertragsärztlichen Versorgung. Nach § 101 Absatz 1 Satz 7 SGB V ist der Gemeinsame Bundesausschuss im Zuge der von ihm 8 bereits zum 01. Januar 2017 anzupassenden Bedarfsplanungsrichtlinie auch zur Überprüfung der Verhältniszahlen verpflichtet. Nach dem vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zum „Terminservice- und Versorgungsgesetz“ soll dies nunmehr zum 01. Juli 2019 geschehen. Im Übrigen hat der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 101 Absatz 2 SGB V die auf der Grundlage des Absatzes 1 Satz 4 und 5 ermittelten Verhältniszahlen anzupassen oder neue Verhältniszahlen festzulegen, wenn dies erforderlich ist 1. wegen der Änderung der fachlichen Ordnung der Arztgruppen, 2. weil die Zahl der Ärztinnen und Ärzte einer Arztgruppe bundesweit die Zahl 1 000 übersteigt oder 3. zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Versorgung; dabei sind insbesondere die demografische Entwicklung sowie die Sozial- und Morbiditätsstruktur zu berücksichtigen. Frage 18: In welchen Abständen werden die Richtwerte, die möglicherweise aus der Zeit gefallen sein können, auf der Grundlage neuer Erkenntnisse angepasst? Antwort zu 18: a) Eine Änderung des Richtwertes für die Bemessung des Bedarfs an öffentlicher Spielplatzfläche je Versorgungsbereich von 1,0 m² nutzbarer Fläche je Einwohner/in ist nicht notwendig. b) Im Bereich der ambulanten Versorgung obliegt es allein dem Gemeinsamen Bundesausschuss, die Bedarfsplanungsrichtlinie zu ändern. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 17. verwiesen. Frage 19: Wie werden alle oben erwähnten Richtwerte in den Planungen der neuen Stadtquartiere berücksichtigt; wie viele Kitas, Grundschulen, weiterführende Schulen, Jugendfreizeiteinrichtungen und öffentliche Spielplätze sind für welches Fertigstellungsjahr geplant (bitte einzeln nach neuem Stadtquartier, sozialer Einrichtung und Fertigstellungsjahr auflisten)? Antwort zu 19: Alle relevanten Richtwerte fließen in die Planungen der neuen Stadtquartiere bei den jeweils Zuständigen ein. Da die Infrastruktursituation direkt mit der jeweiligen Situation im Umfeld bzw. der Nachbarschaft in Beziehung steht, ist eine allgemeingültige Antwort nicht möglich. Es wird hier auf die laufende Berichterstattung über den Stand der Entwicklung der Stadtquartiere verwiesen. Berlin, den 25.10.2018 In Vertretung Sebastian Scheel ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen