Drucksache 18 / 16 720 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sebastian Walter (GRÜNE) vom 10. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Oktober 2018) zum Thema: Postkoloniale Erinnerungskultur im Kontext der Städtepartnerschaft Berlin- Windhoek und Antwort vom 30. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Okt. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Der Regierende Bürgermeister von Berlin - Senatskanzlei – Herrn Abgeordneten Sebastian Walter (GRÜNE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen – A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16 720 vom 10. Oktober 2018 über Postkoloniale Erinnerungskultur im Kontext der Städtepartnerschaft Berlin- Windhoek ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1) Wie bewertet der Senat die Entwicklung der Städtepartnerschaft Berlins mit Windhoek seit deren Begründung im Juli 2000? Welche Rolle spielte dabei bisher die Erinnerung und Aufarbeitung der gemeinsamen kolonialen Vergangenheit in der Städtepartnerschaft? Zu 1.: Die Partnerschaft Berlins mit Windhuk wurde vereinbart mit Blick auf die besondere Verantwortung gegenüber Namibia aufgrund der kolonialen Vergangenheit und wird getragen von Projekten und institutioneller Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Neben der klassischen Zusammenarbeit im Verwaltungsbereich, die sich mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auf die Bereiche Polizei und Stadtentwicklung konzentriert, findet der Austausch vor allem auf den Gebieten Schule und Ausbildung, Umweltschutz, Sport und Kultur statt. Die Städtepartnerschaft lebt ganz wesentlich vom intensiven, teilweise ehrenamtlichen Engagement zahlreicher NGOs (Nichtregierungsorganisationen), die z.B. Wohltätigkeitsprojekte unterstützen, Kulturaustausche organisieren und Schulpartnerschaften unterstützen. Beispielhaft zu nennen ist hier auch das Georg- Friedrich-Händel Gymnasium, dessen Jugendsinfonieorchester einen regen Austausch mit Schulen in Namibia pflegt. Die Berliner Ombilistiftung versucht auf dem Gelände einer ehemaligen Farm in Namibia den vom Aussterben bedrohten Khoi-San (Buschleuten) das Leben in der heutigen Welt zu ermöglichen. 2 Im Bereich Umweltschutz engagiert sich seit Jahren die Universität Namibia (UNAM) zusammen mit der Humboldt-Universität Berlin in einem gemeinsamen Studiengang Biodiversity Management and Research. Drei Fachbereiche der HWR Berlin (Hochschule für Wirtschaft und Recht) – Wirtschaftswissenschaften, Allgemeine Verwaltung sowie Polizei und Sicherheitsmanagement – arbeiten mit der Partnerhochschule Namibia University of Science & Technology (NUST) in der namibischen Hauptstadt Windhuk zusammen. Ein gemeinsames Postgraduate-Programm wird durchgeführt, das Studenten aus Namibia einen Aufenthalt in Berlin ermöglicht. In Zusammenarbeit mit der Deutsch-Namibischen Gesellschaft und dem Freundeskreis Voices, einem Zusammenschluss Berliner Chöre, werden regelmäßig Benefizkonzerte zur Unterstützung von Aids-Waisen gegeben. Wesentliches Ziel der vorgenannten Projekte ist die konkrete, zukunftsgerichtete Kooperation. Thematisiert wird aber auch immer wieder die Aufarbeitung der schwierigen Vergangenheit zwischen Deutschland und Namibia. Darüber und konkret über die Übergabe von Gebeinen der Herero und Nama habe ich am 15. August mit Botschafter Guibeb gesprochen. An der Übergabe-Zeremonie hat StS Chebli teilgenommen. 2) Welche erinnerungspolitischen Ziele verfolgt der Senat mit den Städtepartnerschaften Berlins in den Jahren 2018 und 2019? Welche Rolle spielt(e) bei diesen Überlegungen die Städtepartnerschaft Berlins mit Windhoek und inwiefern werden/wurden in diese Überlegungen die Bezirke und/oder Vereine und Organisationen einbezogen, die sich mit postkolonialen Fragestellungen auseinandersetzen? Zu 2.: Die Senatsverwaltung für Kultur und Europa unterstützt im Rahmen der Förderung zeitgeschichtlicher und erinnerungskultureller Projekte auch kolonialhistorische Projekte. In städtepartnerschaftlichen Projekten der postkolonialen Erinnerungskultur engagiert sich der Senat bislang nicht. 3) In welcher Höhe stehen 2018 und 2019 Mittel aus den Haushaltstiteln 0300/53103 und 0300/53118 für Städtepartnerschaften zur Verfügung? Wieviel steht davon jeweils für die Pflege der Städtepartnerschaft Berlins mit Windhoek zur Verfügung? Stellt der Senat aus anderen Haushaltstiteln oder weiteren Fördertöpfen Dritten Mittel zur Verfügung, um Projekte im Kontext der Städtepartnerschaft Berlins mit Windhoek durchzuführen? Wenn ja, bitte nach Projekt, Höhe der Zuwendung, Haushaltstitel bzw. Fördertopf sowie Zuwendungsempfänger auflisten. Zu 3.: 2018 standen im Titel 0300/53118 ohne die Mittel für die Städtepartnerschaftsjubiläen 145.000 € für 17 Partnerstädte zur Verfügung. Davon gingen 9.500 € an Projekte mit Windhuk. Mittel aus anderen Kontexten standen nicht zur Verfügung. Für 2019 stehen 265.000 € zur Verfügung. Hiervon werden wieder anteilig Projekte mit Windhuk finanziert. 4) Hat es im Kontext der Städtepartnerschaft Berlins mit Windhoek konkrete Aktivitäten in den Jahren 2013-2018 gegeben? Wenn ja, diese bitte einzeln auflisten und dokumentieren, aus welchen Haushaltstiteln hierfür Mittel in welcher Höhe bereitgestellt wurden. Wenn nein, wieso nicht? 3 Zu 4.: Es hat von 2013 - 2018 jedes Jahr abhängig von den verfügbaren Mitteln und Projekten Aktivitäten im Kontext der Städtepartnerschaft Berlin – Windhuk gegeben. Es wurden Projekte namibischer Künstler*innen, Schüleraustausch und die Zusammenarbeit in der Wissenschaft und Wirtschaft unterstützt. Angaben zu einzelnen Projekten finden sich unter https://www.berlin.de/rbmskzl/politik/internationales/staedtepartnerschaften/windhuk/ artikel.9974.php. 5) Spielt in einem der Städtenetzwerke, in denen Berlin Mitglied ist, der Umgang mit der kolonialen Vergangenheit (bspw. im Zuge eines Austauschs über Formen einer adäquaten Erinnerungskultur ehemaliger kolonialer Metropolen wie Berlin oder Paris) eine inhaltliche Rolle? Wenn ja, wie stellt sich das dar? Wenn nein, plant der Senat, dies proaktiv zu ändern? Zu 5.: Bislang spielt der Austausch über Formen einer adäquaten Erinnerungskultur mit anderen ehemaligen kolonialen Metropolen im Rahmen von Städtenetzwerken keine Rolle. Der Senat plant aber, hier aktiv auf die Partner zuzugehen. 6) Engagiert sich der Senat in alternativen städteübergreifenden Projekten, in denen die postkoloniale Erinnerungskultur eine Rolle spielt? Zu 6.: Die Senatsverwaltung für Kultur und Europa fördert im Rahmen der Förderung zeitgeschichtlicher und erinnerungskultureller Projekte auch kolonialhistorische Projekte. In städteübergreifenden Projekten der postkolonialen Erinnerungskultur engagiert sich der Senat bislang nicht. 7) Plant der Senat anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des formalen Endes des Deutschen Kolonialismus, weitere Städtepartnerschaften mit Kommunen in ehemaligen deutschen Kolonien einzugehen, die das Ziel verfolgen, eine gemeinsame Erinnerungskultur zu begründen? Zu 7.: Bereits jetzt werden 17 formalisierte Städtepartnerschaften gepflegt, so dass aus Kapazitätsgründen keine neuen Partnerschaften mehr eingegangen werden können. Der Senat befürwortet aber die projektbezogene Zusammenarbeit mit Kommunen in ehemaligen deutschen Kolonien sehr. Berlin, den 30. Oktober 2018 ________________________ Michael Müller Regierender Bürgermeister