Drucksache 18 / 16 735 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Susanna Kahlefeld (GRÜNE) vom 11. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Oktober 2018) zum Thema: Sprach- und Kulturmittlung im gesundheitlichen Versorgungssystem für Geflüchtete mit Behinderungen und Antwort vom 01. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Nov. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Frau Abgeordnete Susanna Kahlefeld (Bündnis 90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16735 vom 11.10.2018 über Sprach- und Kulturmittlung im gesundheitlichen Versorgungssystem für Geflüchtete mit Behinderungen ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie ist die Kostenübernahme von Sprachmittlung / Dolmetschleistungen für den Personenkreis von Flüchtlingen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen geregelt? Bitte geben Sie einen differenzierten Überblick über die verschiedenen Bereiche a.der gesundheitlicher Versorgung im stationären Bereich, einschließlich Hospizbereich b. der gesundheitlicher Versorgung im ambulanten Bereich c. der Pflege d. der Diagnostik und Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen im Bereich Sozialpädiatrie e. der Leistungen analog zur Eingliederungshilfe f. der Hilfsmittelversorgung g. der Beratungsangebote für Menschen mit Behinderung h. der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (bspw. Blindentechnische Grundausbildung) i. Diagnostik und Beratung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen durch den sozialpsychiatrischen Dienst 2. An welche, die Geflüchteten betreffenden Voraussetzungen, wie Aufenthaltsstatus, Aufenthaltsort, Leistungsbezug, etc. ist kostenfreie Sprachmittlung/ Dolmetschleistung gebunden? Zu 1 a., b., f. und 2.: Für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) kann die Übernahme etwaiger Dolmetschkosten in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts zu den Leistungen nach § 6 AsylbLG gehören, sofern eine sprachliche Verständigung und damit die medizinische Behandlung ansonsten nicht möglich ist. Die Norm ist als Ermessensleistung ausgestaltet. In Berlin wurde dies im Rundschreiben 2 Soz Nr. 02/2015 über Leistungen nach § 6 Abs. 1 AsylbLG im Lichte der EU-Richtlinie 2013/33 EU des Rates geregelt.1 Für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG, die sich länger als 15 Monate in Deutschland aufhalten, kommt im Einzelfall eine Übernahme von Dolmetschkosten über die Auffangnorm des § 73 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) als Hilfe in sonstigen Lebenslagen, in Betracht. Auch dies ist eine Ermessensleistung. In einem Schreiben an das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), das den bezirklichen Sozialämtern zur Kenntnis gegeben wurde, wurde daher durch die Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales auf eine entsprechende Anwendung orientiert. Darüber hinaus kommt für die Übernahme von Dolmetscherkosten im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung einer Geflüchteten oder eines Geflüchteten eine abweichende Regelbedarfsfestsetzung nach § 27a Abs. 4 SGB XII in Betracht (vgl. BT- Drs. 18/4622, S. 8). In jedem Fall ist im Rahmen einer Einzelfallprüfung abzuklären, ob anderweitige Hilfen, wie fremdsprachige Anamnesebögen oder andere Verständigungshilfen ausreichend sind bzw. die Möglichkeit der unentgeltlichen Sprachmittlung durch die Ärztin/den Arzt oder anderes medizinisches Personal bzw. qualifizierte Beschäftigte beim Leistungserbringer der Eingliederungshilfe im erforderlichen Maße verfügbar sind. Das Krankenhaus bzw. die behandelnde Ärztin /der behandelnde Arzt muss in jedem Fall die Notwendigkeit der Sprachmittlung schriftlich bestätigen. Sofern ein Tatbestand der besonderen Schutzbedürftigkeit vorliegt, ist aufgrund der Vertraulichkeit und der Komplexität der zu führenden Gespräche bzw. der Behandlung (einschließlich psychiatrischer / psychotherapeutischer Leistungen) in der Regel die Bestellung einer Dolmetscherin/eines Dolmetschers notwendig, der zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Im Falle einer planbaren Behandlung, die durch eine niedergelassene Ärztin/ einen niedergelassenen Arzt erfolgt, ist der Antrag auf Kostenübernahme für eine Sprachmittlung mittels Vordruck im Voraus zu stellen. Im Falle von Notfallbehandlungen oder einer psychiatrischen Krisenintervention kann der Antrag auf Kostenübernahme einer Sprachmittlung im Nachhinein ausgefüllt und zusammen mit der Rechnung der Dolmetscherin/des Dolmetschers bzw. der Sprachmittlerin/des Sprachmittlers eingereicht werden. Gleiches gilt für eine Sprachmittlung zur Unterstützung einer Behandlung im Rahmen eines von der Krankenkasse genehmigten stationären Klinikaufenthaltes. Auch für eine Sprachmittlung im Rahmen einer sozial- oder psychotherapeutischen Behandlung bedarf es keiner Klärung der Kostenübernahme im Vorfeld, weil es sich um eine von der Krankenkasse genehmigte Therapie handelt, die ohne Dolmetscherin/Dolmetscher nicht möglich ist. Mit der Anerkennung des Asylbegehrens und dem Wechsel in die Zuständigkeit der Jobcenter (Rechtskreis des SGB II) erfolgt die Aufnahme der Geflüchteten in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Besteht keine Erwerbsfähigkeit, geht die 1 https://www.berlin.de/sen/soziales/themen/berliner-sozialrecht/kategorie/rundschreiben/2015_02- 598948.php 3 Zuständigkeit auf ein Sozialamt (Rechtskreis des SGB XII) über. In diesem Falle erfolgt die medizinische Versorgung auftragsweise durch eine gesetzliche Krankenkasse. Nach aktueller Rechtslage und ständiger Rechsprechung zählt die vertragsärztliche Versorgung in nichtdeutscher Muttersprache nicht zum Leistungsumfang der GKV und kann daher nicht von den Krankenkassen erstattet werden (BSG, Urteile vom 10. Mai 1995, 1 RK 20/94; vom 20. Mai 2003, B 1 KR 23/01 R). Das gilt sowohl für die ambulante wie stationäre Behandlung als auch für die Hilfsmittelversorgung im Rahmen der GKV. Es besteht auch kein Anrecht auf muttersprachliche Psychotherapie. Ausweislich der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 15.08.2012 (Drs. 17/10488, S. 25), das im Februar 2013 erlassen wurde, hat die Aufklärung der Patientin bzw. des Patienten in einer Sprache zu erfolgen, die die Patientin bzw. der Patient versteht. Erforderlichenfalls sei eine sprachkundige Person oder eine Dolmetscherin bzw. ein Dolmetscher auf Kosten der Patientin bzw. des Patienten hinzuzuziehen. Darüber hinaus wird gleichwohl diskutiert, ob bei stationären Behandlungen notwendige Dolmetschleistungen zu den allgemeinen Leistungen des Krankenhauses gehören, daher vom Krankenhausträger zu übernehmen sind und bereits durch die Krankenhausvergütung abgegolten sind (§ 2 Abs. 2 S. 1 Krankenhausentgeltgesetz).2 Eine gesetzliche Initiative3, die zum Ziel hatte, die Kosten für qualifizierte Dolmetscherinnen und Dolmetscher als Teil der Krankenbehandlung von der GKV übernehmen zu lassen, fand im Bundestag im Jahre 2016 keine Mehrheit4. Rechtlich umstritten ist, ob für Leistungsberechtigte nach dem SGB II im Einzelfall die Möglichkeit einer Übernahme der Dolmetscherkosten in Form eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Betracht kommt. Die Vorschrift des § 21 Abs. 6 SGB II ist eine Ausnahmevorschrift für unabweisbare, laufende und atypische Bedarfe. Zu 1 c.: Im Bereich Hilfe zur Pflege gibt es generell keine spezifischen Regelungen für die Kostenerstattung von Sprachmittlung/Dolmetschleistungen. Es gelten die Ausführungen zu 1 a., b., f. und 2. Darüber hinaus kommt die Hinzuziehung einer Gemeindedolmetscherin bzw. eines Gemeindedolmetschers bei der Hilfebedarfsfeststellung in Betracht. Zu 1 d.: Werden Kinder und Jugendliche aus dem Personenkreis junge Flüchtlinge in stationären Einrichtungen und Angeboten nach § 35 a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) - Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche - betreut, fallen in aller Regel keine Kosten für Dolmetscherinnen und Dolmetscher an, da zumindest rudimentäre Kenntnisse der deutschen Sprache bis dahin bereits erworben werden konnten. Die Kosten von Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern sind in den Entgelten berücksichtigt. Es liegt dabei in der Verantwortung des Trägers, die in den Entgelten enthaltenen Mittel sachgerecht einzusetzen. Werden darüber hinaus 2 vgl. zum Sachstand: Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages „Dolmetscher im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung – Anspruch und Kostenübernahme, WD 9 – 3000 – 021/17 vom 4. Mai 2017) 3 BT-Drs. 18/6067 4 BT-Drs. 18/9933 4 finanzielle Aufwendungen für Übersetzungen erforderlich, können diese beim zuständigen Jugendamt beantragt werden. Für Therapien gilt, dass vorrangig die Krankenkasse zuständig ist und auch eine entsprechend sprachkundige Therapeutin oder einen sprachkundigen Therapeuten vorschlägt. Es existiert eine Übersicht bei den Krankenkassen und bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (SenBJF), welche Therapeutinnen und Therapeuten über besondere Sprachkompetenzen verfügen. Den Trägern sind diese ebenfalls bekannt. Sollte das Jugendamt die Therapie übernehmen, vermittelt und finanziert es in diesem Fall, falls erforderlich, eine Sprachmittlerin/ einen Sprachmittler. Zu 1 e.: Für das Verwaltungsverfahren gilt, dass nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB X hörbehinderte Menschen ein Recht darauf haben, zur Verständigung in der Amtssprache die Gebärdensprache zu verwenden. Die Aufwendungen für Dolmetscherinnen und Dolmetscher sind von dem zuständigen Sozialleistungsträger zu tragen. Darüber hinaus werden u. a. Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher für Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderungen bereits heute, sofern Anspruch auf Analogleistungen der Eingliederungshilfe nach § 2 AsylbLG besteht, als Hilfe zur Förderung der Verständigung mit der Umwelt für Menschen mit wesentlichen Behinderungen Bestandteil der Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII iVm. §§ 55 Abs. 2 Nr. 4, 57 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der am 31.12.2017 geltenden Fassung sein. Dieser Anspruch besteht durch das Bundesteilhabegesetz vom 23.12.2016 in der neuen Eingliederungshilfe gemäß §§ 113 Abs. 2 Nr. 6, 82 SGB IX fort. Für Grundleistungsempfangende nach § 3 AsylbLG können zudem Leistungen entsprechend der Eingliederungshilfe erbracht werden (§ 6 Abs. 1 AsylbLG). Dazu können auch Leistungen für Dolmetscherinnen und Dolmetscher gehören, sofern sie erforderlich sind. Dies hat die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales in ihrem Rundschreiben Soz Nr. 02/2015 über Leistungen nach § 6 Abs. 1 AsylbLG geregelt. Für Leistungsberechtigte nach § 2 AsylbLG (sog. Analogleistungen) gelten die Vorschriften des SGB XII in analoger Anwendung, mithin auch das Sechste Kapitel des SGB XII Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Zu 1 g.: Bei vielen Beratungsangeboten, die durch den Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und Migration gefördert werden, ist die Sprachmittlung Bestandteil der Projektförderung. Diese kommt ebenfalls dem Personenkreis von Flüchtlingen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen zugute. Projekte, die insbesondere Geflüchtete mit Behinderungen adressieren, sind eine Fachstelle des Berliner Netzwerkes für besonders Schutzbedürftige (BNS), das Berliner Zentrum für selbstbestimmtes Leben, sowie die beiden Träger, MINA Leben in Vielfalt e. V. und Interaktiv e. V.. Zu 1 h.: Generell gilt für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen bei der Ausführung von Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch für die Leistungsträger die Anwendung des § 17 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und für das Verwaltungsverfahren § 19 SGB X, also auch für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Zu 1 i.: Einrichtungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD), also auch der Sozialpsychiatrische Dienst, können für die Zielgruppe der Geflüchteten und Roma- 5 Angehörigen grundsätzlich kostenfrei Gemeindedolmetscherinnen und Gemeindedolmetscher in Anspruch nehmen. Voraussetzung ist, dass es sich um einen sozialmedizinischen Einsatz handelt und die Klientin bzw. der Klient eine der folgenden Sprachen spricht: Arabisch, Farsi, Dari, Paschtu, Kurdisch, Russisch oder Rumänisch. Sofern es sich nicht um einen sozialmedizinischen Einsatz handelt bzw. eine andere als die vorgenannten Sprachen erforderlich ist, kann der Gemeindedolmetschdienst kostenpflichtige Honorardolmetscherinnen und Honorardolmetscher vermitteln. 3. Ist dem Senat bekannt, dass die hohe Unübersichtlichkeit der Voraussetzungen für kostenlose Sprachund Kulturmittlung und damit einhergehende Informationsdefizite in den Leistungsbereichen dazu führt, dass Anspruchsberechtigte ihren Anspruch oft nicht realisieren können? Zu 3.: Die für Gesundheit zuständige Senatsverwaltung stellt durch die Förderung des Gemeindedolmetschdienstes (GDD) finanzielle Mittel zur Sprachmittlung für geflüchtete Menschen zur Verfügung. Die Sprachmittlung des GDD ist für geflüchtete Menschen im Leistungsbereich des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) kostenfrei und wird auch im Zusammenhang mit weiteren gesundheitlichen Dienstleistungen angeboten. Es ist geplant, diese kostenfreie Sprachmittlung des GDD aufrechtzuerhalten und weiter auszubauen. Für Asylsuchende kann die Kostenübernahme für die Sprachmittlung im Gesundheitsbereich über ein Online-Verfahren des LAF beantragt werden. Leistungen entsprechend der Eingliederungshilfe (§§ 53 ff SGB XII) können gewährt werden, soweit dies zur Sicherung der Gesundheit bzw. des Lebensunterhaltes erforderlich ist. Hierzu kann beispielsweise auch der Einsatz von Einzelfallhelferinnen/Einzelfallhelfern gehören. Das LAF erprobt in Zusammenarbeit mit den Berliner Amtsärztinnen und Amtsärzten der bezirklichen Gesundheitsämter für die Dauer von drei Monaten internetbasierendes Videodolmetschen als Pilotprojekt in drei Berliner Bezirken. Die Auswertung wird zu Beginn des Jahres 2019 erfolgen. 4. Ist dem Senat bekannt, dass Menschen mit Behinderungen, die zu den Geflüchteten mit besonderem Schutzbedarf gehören, im gesundheitlichen und behinderungsspezifischen Bereich wesentlich häufiger von qualifizierter Sprach-und Kulturmittlung abhängig sind als andere Gruppen von Geflüchteten? Wie berücksichtigt der Senat den höheren Bedarf? 5. Das Erlernen der deutschen Sprache nimmt für einen großen Teil der Geflüchteten mit Beeinträchtigungen längere Zeit in Anspruch als üblich. Menschen mit Hör-und Sehbehinderungen können nicht jederzeit mit einem Integrationskurs beginnen. Längere Wartezeiten bis zum Kursbeginn sind üblich. Auch Rollstuhlfahrer*innen haben nicht jederzeit Zugang zu barrierefreien Integrations- oder Sprachkurs angeboten. Zudem sind die Integrationskurse für Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen mit einem höheren Stundenumfang ausgestattet und dauern dementsprechend länger. Für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen stehen bislang gar keine Sprachkursangebote zur Verfügung. Pflegende und betreuende Angehörige von schwerbehinderten und schwerstmehrfachbehinderten Menschen (zumeist Frauen und Mütter) haben ebenfalls kaum Möglichkeiten, an Integrationskursen teilzunehmen, da die Betreuung anderweitig nicht gesichert werden kann. Üblicherweise dauert das Erlenen der deutschen Sprache also vergleichsweise lange. Wie berücksichtigt der Senat diese Situation im Hinblick auf kostenlose Sprach-und Kulturmittlung? Zu 4. und 5.: Eine Unterscheidung zwischen geflüchteten Menschen mit bzw. ohne Behinderung wird im Rahmen der Gewährung von Dolmetschleistungen grundsätzlich nicht vorgenommen. Allerdings ist der Tatbestand der besonderen Schutzbedürftigkeit bei der Entscheidung über die Kostenübernahme zu berücksichtigen. Die kostenfreie Sprach-und Kulturmittlung über den Gemeindedolmetschdienst steht allen Enrichtungen des ÖGD, Notunterkünften bzw. Gemeinschaftsunterkünften für 6 geflüchtete Personen sowie den zuwendungsfinanzierten Projekten der für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung zur Verfügung. Die Abfragen erfolgen über die jeweiligen sozialmedizinischen Einrichtungen. Zugang zur kostenpflichtigen Sprachmittlung mit ca. 150 Honorardolmetschenden haben alle Einrichtungen des Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesens in den 50 zur Verfügung stehenden Sprachen und Dialekten. Der GDD hat im Rahmen der Vermittlung/ Einsatzplanung keine Kenntnisse über Behinderungen der Patient/innen und Klient/innen. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung finanziert im Rahmen einer Zuwendung an den Gemeindedolmetschdienst eine Vermittlungsstelle für die Vermittlung von freiberuflichen qualifizierten Honorardolmetscherinnen und Honorardolmetschern. Die den Kundinnen und Kunden und Einrichtungen empfohlenen Honorarsätze orientieren sich an den Verwaltungsvorschriften für Honorare im Gesundheitswesen (HonV Ges). Darüberhinaus werden aus der Zuwendung angestellte Gemeindedolmetscherinnen und Gemeindedolmetscher finanziert, die dem ÖGD und weiteren explizit benannten Einrichtungen kostenfrei im gesundheitlichen und sozialen Bereich zur Verfügung gestellt werden. Für den Vermittlungsdienst des GDD ist es unerheblich, ob deutsche Sprachkenntnisse bei Klientinnen und Klienten vorhanden sind oder nicht. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung ist bestrebt, das Angebot der kostenfreien Sprachmittlung und die Vermittlung von Honorardolmetschenden zu verstetigen, da weiterhin von einem sehr hohen Bedarf an Sprachmittlung ausgegangen werden kann. Um das Face-to-face-Dolmetschen und das administrative Telefondolmetschen um weitere kurzfristige Sprachmittlungsangebote zu erweitern, sollen ggf. weitere Angebote für bestimmte Zielgruppen aufgebaut werden. Außerdem prüft die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, inwieweit andere Angebote der Sprach- und Kulturmittlung finanzierbar und umsetzbar sind (siehe Antwort zu Frage 7). Die Planung der landesfinanzierten Sprachkurse beinhaltet eine Ausweitung auf die Gruppe der Menschen mit Behinderung ab 2019. 6. Was plant der Senat, um die Unübersichtlichkeit der Regelungen zu reduzieren, die Finanzierung von Sprachmittlung/Dolmetschleistungen zu vereinheitlichen und die Zugangswege zu erleichtern? Zu 6.: Zur Wahrnehmung des Rechts auf Gesundheitsfürsorge und ärztliche Betreuung ist die Aufnahme einer klarstellenden Regelung zur Übernahme von Kosten der Sprachmittlung im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bzw. Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) notwendig. Darüber hinaus ist die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für Sprachmittlungen bei der Beantragung und Durchführung von Sozialleistungen im Allgemeinen Teil der Sozialgesetzbücher wünschenswert. Bis auf Weiteres erscheint es ausgeschlossen, dass Dolmetscherleistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden könnten, solange auf Bundesebene hierfür keine politische Mehrheit gewonnen werden kann. Bei den zuständigen Senatsverwaltungen für Integration, Arbeit und Soziales (SenIAS) sowie Gesundheit, Pflege und Gleichstellung (SenGPG) besteht Einvernehmen darüber, dass zu einer verbesserten gesundheitlichen Versorgung geflüchteter Menschen ergänzende Maßnahmen auf regionaler Ebene erforderlich sind, wenn und soweit die von Seiten des bundesgesetzlich geregelten Sozialversicherungssystems zur Verfügung gestellten Instrumente und Handlungsoptionen nicht ausreichen. Zu diesem Zwecke wurde im Juni 2018 eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern der SenIAS, der SenGPG, der Patientenvertretung Berlin und des LAF unter Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) gebildet, die sich in diesem Kontext auch mit der Problematik der Sprachmittlung befasst. 7 Hinsichtlich der Regelungen für die kostenfreie Sprach-und Kulturmittlung über den Gemeindedolmetschdienst bestehen bereits klare und transparente Zugangswege, die auf der Webseite des Gemeindedolmetschdienstes aufgeführt sind: https://www.gemeindedolmetschdienst-berlin.de/unser-angebot/auf-einen-blick/ 7. Wie viele Ressourcen stehen dem Gemeindedolmetschdienst insgesamt und für die o.g. Bereiche für kostenfreie Dolmetschleistungen für Geflüchtete zur Verfügung? a) Wie hat der Senat das Kontingent kostenfreier Dolmetschleistungen kalkuliert? b) Hält der Senat das Kontingent für ausreichend? Zu 7.: Dem Gemeindedolmetschdienst stehen 2018 insgesamt 1.616.330 EUR zur Verfügung. Die Mittel werden sowohl für den Vermittlungsdienst für Honorardolmetschende als auch für angestellte Sprach- und Kulturmittlerinnen und Sprach- und Kulturmittler im Bereich Geflüchtete und im Bereich Roma eingesetzt. Aktuell sind beim Gemeindedolmetschdienst 17 qualifizierte Gemeindedolmetscherinnen und Gemeindedolmetscher angestellt und stehen vorrangig dem ÖGD und Einrichtungen für Geflüchtete zur Verfügung. Da die tatsächlichen Sprachmitlungsbedarfe nicht bekannt waren, wurden ab 2016 für die kostenfreien Dolmetschleistungen die Einsatzzahlen der Honorardolmetschenden aus dem Jahr 2015 in den Hauptsprachen der Geflüchteten zugrunde gelegt. Jedoch stand schon 2015 Sprachmittlung nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung und es konnten nur ca. 60 % der Anfragen bedient werden. Bis zu 20 angestellte Sprach-und Kulturmittler/innen wurden einkalkuliert, um die beim Gemeindedolmetschdienst angefragte Sprachmittlung für den Bereich Geflüchtete decken zu können. Die fest angestellten Dolmetscherinnen und Dolmetscher sind nach abgeschlossener Qualifizierungsphase seit April/Mai 2017 (Pilotphase), im Einsatz. Die Auswertung zum tatsächlichen Bedarf im ersten Quartal 2019 erfolgte aufgrund der Erfahrungen der ersten Einsatzphasen Mai 2017 bis Ende 2018. Die Qualifizierung ist jedoch nicht ausreichend für die Einsätze im psychiatrischen/psychosozialen Kontext, diese Bedarfe können also nicht über angestellte Sprach- und Kulturmittlerinnen und Sprach- und Kulturmittler gedeckt werden. Der tatsächliche Bedarf an Sprach-und Kulturmittlung kann nicht anhand der Anfragen an den Gemeindedolmetschdienst bemessen werden. Berichte aus Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens zeigen, dass die Sprachmittlung defizitär ist. Eine Aufstockung des Kontingentes für den Gemeindedolmetschdienst und damit eine Erhöhung der Anzahl der Sprach- und Kulturmittlerinnen und Sprach- und Kulturmittler setzt aber voraus, dass genügend qualifizierte Sprach-und Kulturmittlerinnen und Sprach- und Kulturmittler zur Verfügung stehen und zu den Konditionen des Gemeindedolmetschdienstes ein Angestelltenverhältnis eingehen möchten, was aktuell nicht der Fall ist. Der Gemeindedolmetschdienst ist an die HonVGes gebunden und ist damit keine Konkurrenz für andere Anbieter auf dem freien Markt. Ausserdem zeigt sich, dass es über den Bedarf an Face-to-Face-Dolmetschen hinaus Bedarfe für weitere kurzfristige Übersetzungsmöglichkeiten gibt, wie das Telefon- und Videodolmetschen. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung prüft daher in Ergänzung zum Face-to-Face-Dolmetschen die Finanzierbarkeit und die Umsetzungsmöglichkeiten für weitere Sprachmittlungsangebote. 8 8. Über welche Qualifikationen müssen Dolmetscher*innen/ Sprachmittler*innen im Bereich der medizinisch -gesundheitlichen Versorgung verfügen, um im Rahmen des kostenlosen Gemeindedolmetschdienstes tätig werden zu können? Zu 8.: Folgende Qualifikationen und Kompetenzen sind Anforderungen des Gemeindedolmetschdienstes : - C1(GER) in Deutsch und Muttersprache (Zielsprache) - möglichst abgeschlossene Berufsausbildung (möglichst im gesundheitlichen/ medizinischen Bereich) - Migrationshintergrund und/oder nachgewiesene interkulturelle Erfahrungen aus langjährigen Auslandsaufenthalten - abgeschlossene SprInt-Qualifizierung oder vergleichbare Qualifizierung/ Erfahrungen im Bereich Dolmetschen im gesundheitlichen und sozialen Bereich - interkulturelle Kompetenz und Teamfähigkeit - gesellschaftliche, soziale und regionale Kenntnisse der Stadt Berlin - sicherer Umgang mit der gängigen Office-Software und der Internetrecherche - Organisationskompetenz und ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein. Berlin, den 1. November 2018 In Vertretung Daniel T i e t z e _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales